Potsdamer Stadtschloss

  • Zitat

    Der Hof wird zu jeder Tageszeit durch das Fortunaportal öffentlich zugänglich sein. Er kann für Veranstaltungen genutzt werden. Allerdings ist seine Fläche gegenüber dem Original verkleinert. Der Südflügel des Schlosses (Corps de Logis) wird pummeliger und schluckt zehn bis 20 Meter vom Hof, damit der Plenarsaal Platz findet. Die beiden Seitenflügel nehmen dem Hof je vier Meter ab, damit alle Abgeordnetenbüros in den Neubau passen. Kaspar Kraemer, Vorsitzender der Jury und Präsident des Bundes Deutscher Architekten, sieht dadurch „den Gesamteindruck des Hofes nicht beeinträchtigt“.
    http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11…endensegen.html" onclick="window.open(this.href);return false;\r
    http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... segen.html

    "pummeliger", das sagt man wertend von einem Menschen, dessen Körper das rechte Maß verlassen hat.

    „den Gesamteindruck des Hofes nicht beeinträchtigt“ : das glaubt auch nur er und zeugt von Unkenntnis des Maßwesens eines barocken Baues. Es ist schlicht nicht das Schloß Knobelsdorffs. Man bemüht die äußere Maske und vergißt dabei, daß das die äußere Erscheinung im Inneren bestimmende Skelett der Träger der Haut ist. Jetzt schafft man ein mutiertes Wesen in der alten Hülle.
    Aber bei aller Kritik bin ich natürlich froh über diese Wendung zur Rekonstruktion. Und noch ist es nicht gebaut. Ich hoffe man besinnt sich auf alle Alternativen zur Raumgewinnung und läßt die Ursprungsmaße so weit wie möglich unangetastet.
    Ich hatte ja weiter oben angedeutet man könne ja in die Tiefe bauen. Doch wegen des in Potsdam wahrscheinlich hohen Grundwasserspiegels kamen mir da bedenken. Deshalb hatte wohl das alte Schloß keine Keller!? Allerdings, wenn man jetzt mit Tiefgarage (Betonwanne!) plant, scheint's nicht so problematisch zu sein. Wer kennt sich da aus!?

  • Kleine Bitte an alle: bitte nach außen hin nicht so euphorisch auftreten. Je euphorischer ihr jetzt reagiert, umso leichter fällt es Speer und Konsorten, die Kritik an der unsäglichen Aufblähung des Corps de logis fast um das Doppelte zu marginalisieren und die Kritiker als unverbesserliche Meckerer hinzustellen. Macht es diesem Kerl doch nicht so leicht!

    Für mich sind diese Aufblähungen inakzeptabel. Stellt euch das bitte mal anhand des einige Seiten zuvor geposteten Fotos vor. Barocke Architektur ist wesentlich Proportionierung. Knobelsdorffs Fassaden sind exakt auf die Hofproportionen hin berechnet. Wenn man die verändert, werden die Fassaden zu einem Witz. Da passt dann gar nichts mehr zusammen.

    Leute, das wird ätzend ... als hätte man die Frauenkirche auf dem orginalgetreuen Unterbau mit einer gegenüber dem Original doppelt so großen Kuppel aufgebaut. Stellt euch das vor und ihr habt eine Vorstellung davon, was uns beim [lexicon='Potsdamer Stadtschloss'][/lexicon] erwartet. Mit Rekonstruktion in unserem Sinn hat das nicht das mindeste zu tun.

  • Zitat

    Sind die Herren Landtagsabgeordnete etwa so ein faules Pack, dass sie die 3 Schritte nicht laufen könnten?

    Die Abgeordneten sind nicht das Problem. Das Problem heißt Rainer Speer. Der Kerl wollte die Rekonstruktion nie und hat immer alles versucht, um sie ins Lächerliche zu ziehen. Das ist ihm jetzt vollständig gelungen.

    Das ganze ist eine absurde Provinzposse: das Schloss würde für den Brandenburger Landtag dreimal ausreichen. Die vermeintlichen Vergrößerungen werden nur nötig, weil Herr Speer
    a.) schonmal für das künftige Land Berlin-Brandenburg plant, das eh nie kommen wird (Schilda lässt grüßen)
    b.) einen Plenarsaal haben möchte, der fast doppelt so groß ist wie der bayrische
    c.) Bürogrößen haben möchte, die die jedes Europaabgeordneten toppen
    d.) sich dabei aber strikt weigert, auch nur ein Büro in ein Nebengebäude auszulagern

    Megalomanie, wenn ihr mich fragt (na ja, beim den Namen ...)

  • Richtig, philon. Das ist kein Sieg, sondern eine Verhöhnung des Rekogedankens (wobei mir ein etwas unfeinerer Begriff passender erschiene).
    Eine derartige "Reko" trägt nämlich wirklich disneylandartige Züge - ich weiß, dass der Begriff abgelutscht ist und in 99% der Fälle nicht passt, aber hier trifft er zu. Oberflächenzitate ohne formales Verständnis - wie soll man das sonst nennen?
    Der ganze Bau ist zur Farce degradiert. Daran kann kein Kunstliebhaber oder städtebaulicher Ästhet mehr Freude haben.
    Eine moderne Fassade wäre weniger schlimm, die ließe sich sanieren. Was jedoch soll eine künftige kulturbewusstere Generation mit diesem fetten Monstrum machen? Noch einmal niederreißen und rekonstruieren?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat

    Eine derartige "Reko" trägt nämlich wirklich disneylandartige Züge - ich weiß, dass der Begriff abgelutscht ist und in 99% der Fälle nicht passt, aber hier trifft er zu. Oberflächenzitate ohne formales Verständnis - wie soll man das sonst nennen?


    Genau das ist der Punkt!

    Zitat

    Eine moderne Fassade wäre weniger schlimm, die ließe sich sanieren. Was jedoch soll eine künftige kulturbewusstere Generation mit diesem fetten Monstrum machen? Noch einmal niederreißen und rekonstruieren?


    Ganz richtig. Die aufgeblähten Baumassen sind deshalb die schlimmste denkbare "Lösung". Fassaden kann man ohne Abriß nachträglich verändern, Baumassen nicht. Damit wird diese Farce leider bis in alle Ewigkeit Bestand haben.

  • Was mich die ganze Zeit aufregt ist die Tatsache, dass unbedigt ein größerer Landtag geplant werden muss. Woher will denn der gute Herr Speer wissen, ob bei einer möglichen Fusion, der gemeinsame Landtag wirklich in Potsdam steht. Das ist doch alles noch nicht sicher und wird erst nach einer Länderfusion entschieden. Außerdem wäre es doch viel weiser gewesen, erstmal nur ein Parlament für Brandenburg zu bauen, um dann die Möglichkeit zu haben, das Schloss in seinen originalen Proportionen zu rekonstruieren. Bei einer möglichen Länderfusion, die meiner Meinung nach absolut utopisch ist, würde man dann einfach aus dem Schloss ausziehen und in ein neues gemeinsames Parlament ziehen, das dann wahrscheinlich in Berlin steht. Und das Schloss könnte man in ein Museum umwandeln und auch im Inneren rekonstruieren.
    Mit einer Länderfusion ist eh frühstens in 20-30 Jahren zu rechnen. Erstmal muss Berlin seinen riesigen Schuldenberg abbauen. Ansonten sind die Brandenburger eh nicht bereit für eine Fusion, denn schliesslich wird das durch einen Volksentscheid entschieden. Mitte der 90er Jahre wurde bereits so ein Volksentscheid durchgeführt und ist grandios gescheitert. Ich zitiere in diesem Zusammenhang wikipedia:

    Zitat

    1996 fand ein Volksentscheid über einen Fusionsvertrag zwischen beiden Ländern statt. Während die Berliner Bevölkerung mit knapper Mehrheit dafür stimmte, taten dies in Brandenburg mit 23% nicht einmal die mindestens notwendigen 25% (Quorum). Der Vertrag wäre also auch dann gescheitert, wenn alle 63% Brandenburger Nein-Stimmer gar nicht abgestimmt hätten. Damit scheiterte das Projekt nicht an der Ablehnung sondern der fehlenden Mindest-Zustimmung der Brandenburger.

    Die Nicht-Zustimmung der Brandenburger wurde vor allem auf die im Vertrag nicht ausbalancierte zahlenmäßige Dominanz städtischer Interessen (Berlin 3,4 Millionen zu Brandenburg 2,5 Millionen Einwohner), auf die bürgerferne Diskussion um die Fusion und auf die Finanzprobleme des Landes Berlin zurückgeführt. In Brandenburg ist die Befürchtung verbreitet, das Land könne im Falle einer Fusion zum Berliner Hinterland verkommen und neben seiner Identität auch finanzielle Fördermittel an die Bundeshauptstadt verlieren.

    Diese Bedenken sind immer noch nicht ausgeräumt und würden mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder zu einem Scheitern des Volksentscheids führen.

  • Zitat von "ursus carpaticus"

    fetten Monstrum


    Ich habe diesbezüglich eine andere Einstellung. Reko 100 Prozent - diesem Verlangen strebe ich persönlich nicht nach - ganz einfach aus dem Grund, dass ich nicht davon ausgehe, dass frühere Baustile perfekt und unverbesserlich waren und man um jeden Preis zentimeter- und stuckgenau einen einstigen Zustand wieder herstellen muß. Der Historismus hat Dinge weiterentwickelt, weil er die alten Stile eben nicht als "unantastbar in ihrer Perfektion" hingestellt hat. Ich bin gespannt, was da Neues entsteht, und wie die vergrößerten Flügel wirken werden. Vielleicht gefällt es mir am Schluß sogar besser. Und wenn nicht, dann wird die Wirkung eben etwas schlechter, für mich aber keineswegs tragisch, denn die Fassade und somit das individuelle, historisch anmutende Gesicht - kommt so oder so. Das lächerlich polemische Disneylandargument hat auch hier nichts zu suchen, ist für mich Ausdruck dogmatischer Engstirnigkeit und verhindert Weiterentwicklungen.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Zitat

    Das lächerlich polemische Disneylandargument hat auch hier nichts zu suchen, ist für mich Ausdruck dogmatischer Engstirnigkeit und verhindert Weiterentwicklungen.

    Doch: genau hier hat es was zu suchen. Worin liegt bitte schon die "Weiterentwicklung", wenn man einem genau durchkomponierten Barockbau jede Harmonie und Abgestimmtheit nimmt. Aber das interessiert offenbar niemand, so lange es eine "schöne Fassade" gibt. Diese Haltung i s t wirklich Fassadismus und gibt den Reko-Gegnern mehr Munition als sie je selbst produzieren können.
    Außerdem würde ich doch bitten, Leute, die sich ernsthaft um die Sache bemühen, nicht mit Begriffen wie "Engstirnigkeit" zu beleidigen.

    Und schließlich geht es bei Rekonstruktionen auch nicht um die Weiterentwicklung früherer Bauformen und Stilprinzipien - so wichtig das für andere Orte als die ausradierten Altstädte auch sein mag -, sondern wie der Name schon sagt: um den Wiederaufbau zerstörter und vernichteter Bauwerke. Um der Wiedergewinnung unserer historischen und kulturellen Identität willen. Das setzt aber eben voraus, daß man die vergangene Epoche respektiert nicht willkürlich an ihren Zeugnissen rumpfuscht.

    Abgesehen davon sehe ich nicht, inwieweit eine eklatante Verschlechterung wie die Zerschlagung der barocken Proportionen eine "Weiterentwicklung des Barock" darstellen könnte...

  • Oh, Jungwürfel, meines Erachtens mußt Du nun aufpassen, daß Deine Rekonstruktionslibertinage nicht auch zur Dogmatik wird.
    Perfekte Bauten gibt es wohl aus keiner Epoche. Aber die Annäherungen an das ideale kosmische Maß, ein Maß jenseits aller menschengemachten Regelwerke, prägte sich unterschiedlich stark aus. Die Barockmeister hatten davon noch Kenntnis und konnten dieses kosmische Maß teils bewußt, teils intuitiv noch anwenden. Im Historismus verliert sich dieses intuitive Können(aus was für Gründen auch immer: Industrialsierung!? Unterbrechung der Weitergabe von Geheimwissen?). So wirken manche historistischen Bauten oft akademisch steif und gewollt (die Anwendung des GS im streng geometrischen Sinn macht die Erscheinung des Bauwerkes steif und unorganisch). Es fehlt ihnen die Organik. Die völlige Ablehnung des natürlichen Maßes in der Moderne kennen wir ja. Die technoide, verstandesorientierte Weltauffassung spaltet das natürliche harmonsiche Maßverständnis, das-sich-einfügen in die kosmischen Zusammenhänge vollkommen ab.
    Daraus wiederum eine Dogmatik zu machen wäre fatal, was Du aber sicherlich nicht meinst. Es geht Dir wohl eher um das freie spielerische Aufblühen des kreativen Umgangs mit überkommenen Stilformen. Aber Jungwürfel: wenn man damit ohne Plan herumwürfelt kommt Beliebigkeit heraus. Zeigt Kreativität nicht die genialsten Ergebnisse, wenn sie sich einen Rahmen setzt, in dem sie wirken kann, eine Struktur, die sie dann mit "Fleisch" füllen kann!? Und damit meine ich das innere Proportionswesen der klassischen Architektur zu erkennen, zu verstehen und anwenden zu lernen. Die Stilformen allein sind es nicht. Das ist Tapete. Mit Leben werden sie erst erfüllt, wenn sie als Teile eines aufeinander abgestimmten "Lebenskosmos" wirken können. Dieser Kosmos wären hier die fein aufeinander abgestimmten Baukörper des Knobelsdorffs-Schloßes. Ein Barockschloß zu rekonstruieren verlangt auch Verständnis für die barocke Idee des Gesamtkunstwerkes: Das Miteinander, das Eingefügtsein der beteiligten Künste:
    Geometrie und Mathematik im Ausdruck der Architektur, Musik im Klang der Proportionierung, Malerei im Ausdruck der symbolischen und illustrierenden Bildprogramme, Bildhauerei ebenso als Diener zur Darstellung des Königtums und dessen Bezug zur Geschichte und antiken Mythologie und zur Materialisierung der architektonischen Geometrie sowie zur Verschmelzung der Baukörper im Innen und Außen dienend.
    Das alles und noch einiges mehr ist in jedem Einzelfall zu berücksichtigen und ich denke man muß nach eingehender achtsamer und wertschätzender Prüfung des anstehenden Bauvorhabens entscheiden, ob eine Veränderung der Maßverhältnisse machbar und sinnvoll ist. Man kann das schon tun, aber wie ich weiter oben bereits ausführte dann aber im Sinne der alten Baumeister nach einem bestimmten Harmonieschlüssel. Diesen zu finden bedarf es eines eingehenden Studiums des historischen Baues und seiner Maßverhältnisse. Verändert man die Maße mit diesem Maßschlüssel tut man es im Sinne des Bauwerkes und seines Schöpfers. Aber willkürlich die Mauern um so und soviele Meter zu versetzen macht den Klang des Bauwerkes kaputt. Zumal man früher in Fußmaßen und anderen Maßsystemen geplant hat und nicht in Meter. Dieses Maß müßte erst gefunden werden und dann mit diesem abgestimmt auf die Gesamtproportionierung der Grundriß verändert werden. So macht man's offensichtlich aus dem Raumbedürfnis des Landtages mit dessen Raumprogramm in ganzen Metern. Ein Graus ist das. Da prallen 2 Welten aufeinander, die nichts gemein haben.
    Oh, Künstler aller Länder vereinigt euch und rettet diesen Schloßbau vor seiner proletarischen Parodie!!!

  • Zitat

    Oh, Jungwürfel, meines Erachtens mußt Du nun aufpassen, daß Deine Rekonstruktionslibertinage nicht auch zur Dogmatik wird [...] Die Stilformen allein sind es nicht. Das ist Tapete. Mit Leben werden sie erst erfüllt, wenn sie als Teile eines aufeinander abgestimmten "Lebenskosmos" wirken können.

    Sic!

    Zitat


    Man kann das schon tun, aber wie ich weiter oben bereits ausführte dann aber im Sinne der alten Baumeister nach einem bestimmten Harmonieschlüssel. Diesen zu finden bedarf es eines eingehenden Studiums des historischen Baues und seiner Maßverhältnisse. Verändert man die Maße mit diesem Maßschlüssel tut man es im Sinne des Bauwerkes und seines Schöpfers.


    Damit ist genau das Dilemma angesprochen, in das uns die Aufblähung der Baumassen bringt:
    Entweder man verändert die Fassaden nicht: dann stimmt die Harmonie des Baus nicht mehr.
    Oder man stellt die Harmonie des Baus unter den Bedingungen der veränderten Baumassen wieder her: dann muss man dazu die Fassadenaufrisse gegenüber dem Original komplett verändern.

  • Ich stimme meinem Vorredner vorbehaltlos zu (sorry Martin)!!
    Ich bekam gestern von einem Potsdamer Architekten einen Brief, indem die Konsequenzen der "Aufblähung" bis ins Detail erläutert würden. Es wird ein Debakel werden und ist schlichtweg nicht baubar (was mich tröstet)
    Es ist einfach nicht so, daß da einfach nur mal so die Fassaden 4 m oder 20 m an einer anderen Stelle stehen, sondern dadurch, dass es sich beim [lexicon='Potsdamer Stadtschloss'][/lexicon] um eine Dreifügelanlage handelt, wird hier einfach nichts mehr stimmen: Keine Anschlüsse an die originalgetreu rekonstruierten Seitenteile des Fortunaportals, keine originalgetreue Ausbildung der stadtseitigen Kopffassaden (dort ist von der Originalsubstanz bekanntlich am meisten vorhanden - will man die historischen Giebelfiguren und Säulen anstücken??), der Ablauf der Hoffassaden im Wechsel von Rücklagen und Risaliten wird komplett nicht mehr da sein, die Dachflächen, die ja die aufgeblähten Flügel überspannen müssen, werden verändert werden (macht man sie höher?)

    Sorry, aber wer hier für eine "Aufblähung" ist, hat - vorsichtig formuliert - sehr wenig Ahnung von Barockarchitektur... Nichts, aber auch GAR nichts kann man hier verschieben oder "aufblähen"...

    Es geht nicht um Dogmatismus sondern um die Re-Konstruktion, den Wiederaufbau dessen was war, um damit die alte Geschichtlichkeit und Identität wiederzubekommen. Wenn nicht, dann soll mans lieber sein lassen (ich befürchte ja sehr, daß der liebe Herr Minister Speer auch letztendlich darauf aus ist..)

  • Das Schloss ist übrigens kein Bauwerk von Knobelsdorff, zumindest nicht in den Baumassen. Der frühbarocke Neubau des Schlosses erfolgte 1662-69 nach Vorbildern aus der zeitgenössischen französischen Schlossarchitektur unter dem Großen Kurfürsten. Als der Kurfürst einige Jahre später seinen gesamten Hofstaat nach Potsdam holen wollte, war das Gebäude jedoch schon wieder zu klein. Bis 1671 erfolgte deshalb ein weiterer Ausbau. Durch die Selbstkrönung Friedrichs III. zum König Friedrich I. in Preußen, 1700 in Königsberg, kam es zu sichtbaren äußeren Veränderungen am Schloss. Es entstand ein neues Eingangstor, dessen Figur auf der Spitze, die Fortuna, ihm den Namen „Fortunaportal“ gab. Trotz Ausbesserungsarbeiten an der Fassade war Friedrich II. unzufrieden mit dem Gesamtbild des Stadtschlosses, daher engagierte er den Baron Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, welcher Zeichnungen für eine Umgestaltung anfertigte. Nach heftigen Auseinandersetzungen mit Knobelsdorff gelang es schließlich, sich auf ein einheitliches Bild, der komplett neuen Fassade, festzulegen, sodass alle Arbeiten bis 1751 planmäßig abgeschlossen werden konnten.

    Ein eher evolutorisches Schloss.

    Stadtschloss um 1720

    http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:Pot….jpg?uselang=de

  • Nun my Schortschi, der Eine macht es mit Harmonieschlüssel und errechnet sich die Perfektion mathematisch, der Andere folgt seinem Gefühl und erschafft ein vielleicht nicht ganz lupenrein perfektes, aber eigenständig-liebenswert-originelles Kunstwerk. Perfektion ist ja doch zumeist subjektiv. Ich erkenne beim Kaiserpalast natürlich andere Proportionen als bei barocken Palais, empfinde aber gerade diese abenteuerliche Abweichung von der stringenten Linie als sympathisch. Ansichtssache.

    Philon:

    Die Hintergründe für die Abweichung von der Reko sind in diesem Fall natürlich zu diskutieren, eine ästhetische oder experimentelle Komponente liegt nicht vor, daher war mein Vergleich nicht ganz passend.

    Zitat

    so lange es eine "schöne Fassade" gibt


    Ich freue mich über die schöne Fassade und lasse mir diese Freude von niemandem nehmen. Auch nicht von Leuten, die meinen, Proportionen ändern zu müssen. Fassadismus? Mir war das Äußere immer schon wichtiger als das Innenleben, da werden Prioritäten eben unterschiedlich gesetzt, warum muß man mir das vorwerfen? Das "engstirnig / dogmatisch" habe ich aufs Disney-Argument bezogen, welches es völlig außer Acht lässt, dass hier eine Schloßfassade außen und innen inkl. Schmuck und Skulpturen sowie ein berühmtes Treppenhaus handwerklich rekonstruiert werden! Ich finde es dogmatisch/engstirnig, nur an einer 100Prozentlösung Freude finden zu können, nur bestimmten Baustile einer anderen Zeit Perfektion zuzuschreiben, und alles andere (genau wie Veränderungen und Neuschöpfungen des Historismus) abzuwerten. Aber das kann ja jeder anders sehen.

    Für Deutschland wünsche ich mir 50 Prozent Rekos, 40 Prozent Weiterentwicklungen historischer Stile, 10 Prozent Modernismus.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Zitat von "Oktavian"

    Ich stimme meinem Vorredner vorbehaltlos zu (sorry Martin)!!


    Ich weiß. :zwinkern:
    Und Du weißt auch, dass ich das alles weniger streng sehe. Ich freue mich über jedes historische Detail, das in unsere Bauhausstädte zurückkehrt. Ob es nun die gesamte barock durchdachte Konzeption ist, oder ein bißchen Stuck an ein Würzburger Nachkriegshaus geheftet wird: Ich kann mich über beides freuen, bin sogar offen für gänzlich neue Kreationen, die sich alter Stile oder Weiterentwicklungen Dieser bedienen.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Zitat

    dadurch, dass es sich beim [lexicon='Potsdamer Stadtschloss'][/lexicon] um eine Dreifügelanlage handelt, wird hier einfach nichts mehr stimmen: Keine Anschlüsse an die originalgetreu rekonstruierten Seitenteile des Fortunaportals, keine originalgetreue Ausbildung der stadtseitigen Kopffassaden (dort ist von der Originalsubstanz bekanntlich am meisten vorhanden - will man die historischen Giebelfiguren und Säulen anstücken??), der Ablauf der Hoffassaden im Wechsel von Rücklagen und Risaliten wird komplett nicht mehr da sein, die Dachflächen, die ja die aufgeblähten Flügel überspannen müssen, werden verändert werden (macht man sie höher?)

    @ Oktavian:
    Vielen Dank für diese detaillierten Ausführungen.
    Das macht das Desaster wirklich in seinem ganzen Ausmaß deutlich und zeigt, welche Auswirkungen auch und gerade auf die Fassaden (selbst auf die Außenfassaden!) zu erwarten sind.

  • Zitat

    Oh, Künstler aller Länder vereinigt euch und rettet diesen Schloßbau vor seiner proletarischen Parodie!!!


    ... und spendet 120.000.000 Euro für die Rekonstrutkion, welche aber ohne den Wiederaufbau der umliegenden Palais und
    der Wasserfront inklusive Brücke nicht zur Wirkung kommt, also bitte liebe Künstler, besser lieber 250mio spenden...
    Also ich sehe das auch eher wie youngwoerth!

    WIE SIEHT DENN EURE ALTERNATIVE LÖSUNG AUS?

    Rekonstruktion der Proportionen usw. ist ja alles richtig, nur wird hier aber tatsächlich ein Landtag benötigt, kein barockes Lustschloß für den Lustwandel unserer neuzeitlichen Polit-Oligarchen. Dieser Landtag wird dazu noch in einem Land sowie einem Bundesland gebaut, welche beide aufgrund ihrer absurd hohen Verschuldung eigentlich überhaupt nichts bauen dürften bzw. können, und daß hier Michels grundständige 'bleib bei deinen Leisten' Mentalität nicht das Projekt als wahnwitzig melagomane 'bau mir ein Schloß Politposse“ schon im Ansatz zerreißt (ein barockes Landtagsschloss!!!!), und dies gerade auch noch im traditionell linksalternativen Berlin-Umfeld, all das zeigt doch nur, wie stark das Verlangen nach einer historisch-kulturellen Stadtreparatur und einem ästhetisch annehmbaren Lebensumfeld durchschlägt, wie sehr im Hintergrund begüterte Potsdamer ihre Stadt verschönern und Immobilenwerte erhöhen wollen und wie sehr, andererseits, der Rebellionsgeist der Leute heutzutage ermüdet ist.

    Wie stehen denn die Chancen, ohne dieses m.E. vom Himmel gefallene Geschenk eines Landtagsneubaus, dieses Schloß und somit die Stadtmitte Potsdams überhaupt jemals wieder annehmbar aufzubauen? Wie um Himmels willen kann man einen immens teuren, lachhaft kreditfinanzierten NEUEN Landtag aus Lust an der Freude von vorne herein mit Platzmangel projektieren? Wenn wirklich Alternativen über Auslagerung oder bessere Raumplanung des Neubaues bestehen, wer hat hier die Kompetenz und die Mittel, um dies planerisch aufzuzeigen und öffentlich einzufordern? macht das bitte, alle meine Vorschreiber, setzt euch zusammen und bringt den Alternativvorschlag öffentlich vor.

    Wie stehen wir da, mit unseren Maximalforderungen, ohne eben solche Mittel und Fachkompetenz vorweisen zu können, ohne politisch aktiv dort mitzuarbeiten! Ich habe hier im Forum gelesen, daß einige den Wiederaufbau erträumen am besten ganz OHNE den Landtag. Einfach nur ein Schlößchen aufbauen, während weltweit die Wirtschaftskrise '29.2 wütet, die Bundesregierung das Land endgültig und unumkehrbar in den Schuldenwahnsinn, den absehbaren Totalruin treibt und mal wieder die halbe Menschheit verhungert. Ich sehe außerhalb der öffentlichen Meinungsbildung keine Handlungsmöglichkeit unsererseits, und ich denke daß wir hier durch unsere Maximalforderungen nicht dem Disneyland Argument entgegenwirken sondern im Gegenteil von einigen ganz schnell als phantasierende Reko-Hardliner empfunden werden.

    Ich möchte schon unterstreichen, daß wir eigentlich die originalgetreue Rekonstruktion einfordern müssen und gerade mich persönlich dieser aufgeblasene Schloßfettie besonders deprimieren wird, die Frage ist aber eben doch, ob wir dies überhaupt fordern können, wie wir es machen, wie groß die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges ist und welches Ergebnis wir dadurch letztlich erhalten. Den originalen Wiederaufbau oder doch bloß die öffentliche Wahrnehmung unserer Sache und Arbeit als ausgesplitterte Reko-Fraktion?

    Schuld daran haben wir eigentlich alle selber, nach über 6 Jahren unserer Aktivität haben wir noch immer nur wenige Mittel zur Verfügung, im Forum wird zwar viel geredet, aber die Meisten schaffen es hier nicht einmal, unserem Verein selbst online per Klick beizutreten oder auch nur EINMAL im Jahr 50 Euro zu spenden, die man aber sicher an einem Samstagabend in der Disko ausgibt, und das Rumtippseln im APH über Wunschvorstellungen eines neuen Rekolandes ist ja umsonst. Aber nicht einmal das ist ja wirklich umsonst, denn die Domainkosten, Wartung, Moderation usw. kosten letztlich Geld, welches dann einige wenige privat mit Zeit und Geld bezahlen müssen. Da nehme sich mal einer den Boddien als Vorbild. Und mich selbst schliesse ich da ein.

    Es ist doch erstaunlich, wieviel in unserem Sinne in letzter Zeit erreicht wird, gar nicht auszudenken, was noch alles machbar wäre, wenn wir da besser organisiert und in größerer Zahl wirklich aktiv wären, wenn wir den Speer, Jauch, Bobel und Plattner einmal treffen könnten, echte Öffentlichkeitsarbeit auf finanziellem Fundament betreiben würden, so aber sind unsere berechtigten Maximalforderungen schnell öffentlich mißverständlich und leider einfach nur pathetisch.

  • Lieber Jungwert, Deine Entgegnung zeigt mir, daß Du vielleicht nicht ganz verstanden hast, was ich meine:
    Die rein berechnete Harmonie wirkt akademisch, dann bekommen wir historistische Bauten. Kommt das im Gefühl haben, die Intuition hinzu, vereint sich der Baumeistergeist mit der Künstlerseele dann erhalten wir so wunderbare Bauten wie von Schlüter, Balthasar Neumann, Fischer von Erlach oder Dientzenhofer etc..
    Man kann den GS mit dem Phi-Quotienten von 0,618 berechnen oder es auch der Natur abschauen und besser die Fibonacci-Zahlenreihe als Annäherung an den GS-Schnitt anwenden. Das wird dann künstlerisch freier. Eine gute Künstlerseele hat das im Blut sozusagen.
    Ach, und zuweilen finde ich Deine Haltungen etwas starrsinnig. Habe nicht nicht Eindruck, daß Argumentationen anderer Leute etwas mit Dir und Deinen Haltungen machen. Diskussion ist für mich auch Erkenntisgewinn von etwas Neuem, was man beidseitig zuvor noch nicht wußte. Howgh!
    @marc

    Zitat

    Wenn wirklich Alternativen über Auslagerung oder bessere Raumplanung des Neubaues bestehen, wer hat hier die Kompetenz und die Mittel, um dies planerisch aufzuzeigen und öffentlich einzufordern? macht das bitte, alle meine Vorschreiber, setzt euch zusammen und bringt den Alternativvorschlag öffentlich vor.


    Den gibt es doch schon. Die jungen angehenden Architkekten aus Potsdam hatten doch letztes Jahr ein Alternativkonzept vorgestellt. Weiß jetzt keinen link dazu... (siehe in diesem thread weiter oben)

    EDIT:
    Jetzt habe ich's gefunden in diesem thread:

    Zitat

    Artikel der PNN:

    http://pnn.de/potsdam/index.asp?gotos=h" onclick="window.open(this.href);return false;\r
    pnn.de/potsdam/index.asp?gotos=h ... 15.pnn#art

    Damit werde nicht nur der einmalige barocke Innenhof nicht mehr erlebbar sein. Eine Änderung der Proportionen zerstöre auch den „Goldenen Schnitt“ des Schlosses. Dieser gilt bekanntlich in Kunst und Architektur als ideale Proportion und als Inbegriff von Ästhetik und Harmonie: Zwei Strecken stehen im Verhältnis des „Goldenen Schnittes“, wenn sich die größere zur kleineren verhält wie die Summe aus beiden zur größeren. Dies sei beim Knobelsdorffschen Stadtschloss durch und durch der Fall gewesen, sagt Kühn.

  • @schortschi

    du hast ja so recht, aber leider

    Zitat

    Den gibt es doch schon. Die jungen angehenden Architkekten aus Potsdam hatten doch letztes Jahr ein Alternativkonzept vorgestellt. Weiß jetzt keinen link dazu... (siehe in diesem thread weiter oben)

    reicht das nicht, da braucht es ein vielköpfiges, erfahrenes Projektteam mit monate-, jahrelanger Projektarbeit, im politischen Umfeld eingebunden und in Historie und Architektur, sowie persönlicher Einstellung dem Leitgedanken und der regionalen Geschichte verpflichtet, ausgebildet und in diesem Geiste aufgewachsen. Davon haben wir in D alle keine Ahnung, solche Kompetenzen baut man über Jahrzehnte auf. In Deutschland sind solche 'Teams' sehr rar, vielleicht zahlenmässig relevant überhaupt nur in Frankreich oder Italien auffindbar.

    Wir beginnen gerade erst, diese Kompetenzen wiederzuentdecken und vielleicht aufzubauen. Cultural Bombing plus 68er Revolution. Das ist wohl die Realität.