Potsdamer Stadtschloss

  • Deutsche Bezeichnungen decken sich nicht immr 1:1 mit anderen. Was wir Klassizismus nennen, wird in anderen Sprachen (Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugisisch) als Neoklassizismus bezeichnet, worunter wir wieder etwas anderes verstehen.

    Offenbar "distanzieren" sich die Franzosen vom Barock, weils zu der Zeit mal wieder machtpolitische Differenzen mit Italien/dem Kirchenstaat/Habsburg gab. Aber es ist letztendlich nur eine Bezeichnung. An der Zugehörigkeit oder dem Erscheinungsbild ändert es ja - von regionalen Eigenheiten abgesehen - nichts...

  • In Frankreich und in der Fachliteratur wird aber Versailles dem classicisme à la française in ausdrücklicher Abgrenzung zum Barock zugerechnet, auch wenn der französische Klassizismus dem damals im Ausland vorherrschenden Barock einiges zu verdanken hat.

    Es ist ein beliebter Fehler "classicisme" mit "Klassizismus" zu übersetzen. Gemeint ist aber "Klassik", mit der der klassizistische Barock Frankreichs beschrieben werden kann. Versailles ist vor allem dem frühen Barock und jenem klassizistischen Barock zuzuordnen. Nur weil die Ausprägung des Barocks in Frankreich eine andere als in Deutschland ist, heißt das nicht, dass der Barock in Frankreich nicht stattfand. Ganz im Gegenteil! Der Barock ist ein internationaler Stil, der nicht nur in ganz Europa, sondern auch auf anderen Kontinenten die Architektur vom 16. bis zum 18 Jh. prägte.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • camillositte Ich habe in meinen kunsthistorischen Vorlesungen (Katholische Universität Eichstätt, 1998-2001, und Universität Wien, 2001-2005) gelernt, dass Versailles im Stil des Barockklassizismus, der französischen Spielart des Barock, erbaut wurde. Woher beziehst Du Deine überaus interessanten Theorien?

  • UrPotsdamer: Aus den in Frankreich und in der französisch- und englischsprachigen Fachliteratur üblichen Bezeichnungen. "Barockklassizismus" ist schon ein Quäntchen richtiger als nur "Barock" - aber auch nur ein Quäntchen. Denn man muss das Gesamtbild der Architektur des 17. und 18. Jahrhunderts in Frankreich sehen. Außer im Elsaß, in Savoyen und im Baskenland, teilweise in einigen flandrischen Gemeinden, alles Territorien, die noch nicht dem damaligen Frankreich einverleibt worden waren, trifft man heute in diesem Land so gut wie nirgendwo auf Barockarchitektur, die diesen Namen verdient. Frankreich steht eindeutig außerhalb der barocken Welt Europas. Das ist einerseits das Zeichen einer zutiefst zentralstaatlich verordneten Kultur und zentralstaatlich organisierten Gesellschaft, andererseits hat das enorme Wirkung auf die Mentalitäten gehabt - bis heute.

  • Heute war ich beim Stadtschloss/Landtag und habe doch tatsächlich eine Infotafel zu der Kunstinstallation gefunden:

    Das Bild ist von mir.

    Herrje wie kindisch. Und wenn ich so einen Schwachsinn schon lese: "Einerseits konterkarieren sie in demokratischer Offenheit..."

    Der innere Schlossplatz sieht grässlich aus. Steril und fantasielos. Der Jardin du Palais Royal in Paris zeigt, wie ein Innenhof auszusehen hat.

  • UrPotsdamer: Aus den in Frankreich und in der französisch- und englischsprachigen Fachliteratur üblichen Bezeichnungen. "Barockklassizismus" ist schon ein Quäntchen richtiger als nur "Barock" - aber auch nur ein Quäntchen. Denn man muss das Gesamtbild der Architektur des 17. und 18. Jahrhunderts in Frankreich sehen. Außer im Elsaß, in Savoyen und im Baskenland, teilweise in einigen flandrischen Gemeinden, alles Territorien, die noch nicht dem damaligen Frankreich einverleibt worden waren, trifft man heute in diesem Land so gut wie nirgendwo auf Barockarchitektur, die diesen Namen verdient. Frankreich steht eindeutig außerhalb der barocken Welt Europas. Das ist einerseits das Zeichen einer zutiefst zentralstaatlich verordneten Kultur und zentralstaatlich organisierten Gesellschaft, andererseits hat das enorme Wirkung auf die Mentalitäten gehabt - bis heute.

    Ich weiß, wissenschaftliche Qualifikation wird hier im Forum nicht gern gesehen, aber ich wüsste jetzt schon gerne, ob ich mit einem Kollegen Kunsthistoriker spreche oder mit einem Hobbyforscher. Für meine akademisch verbildeten Ohren klingt das alles verdächtig nach gefährlichem Halbwissen. Aber was weiß ich schon über Barockarchitektur (außer meiner Magisterarbeit über das Thema)?

  • Wo hängt denn diese Tafel? Bin regelmäßig im Hof und habe sie noch nie gesehen

    Ich bin selten da, habe die Infotafel aber schon gesehen. Dem Foto kannst du entnehmen, wo sie hängt. Im Fortunaportal. Achte auf die Wandfarbe und auf die Spiegelung auf der Tafel! Man sieht ein Gitter, das zum Fortunaportal gehört, und einen Turmdrehkran von der Baustelle auf dem FH-Areal. Die Tafel befindet sich also auf der linken Seite (vom Alten Markt kommend) des Durchgangs zum Schlosshof. Auf dem Foto spiegelt sich die Portalöffnung zum Alten Markt. Das lässt sich anhand des Torgitters zweifelsfrei bestimmen.

  • Rastrelli hat recht, die Tafel befindet sich im Fortunaportal. Ich habe sie auch erst das erste mal bei meinem letzten Besuch wahrgenommen.

  • Für meine akademisch verbildeten Ohren klingt das alles verdächtig nach gefährlichem Halbwissen.

    Ich möchte davon ausgehen, dass in diesem Forum nur Menschen mit Anstand und Kenntnis der Materie verkehren. Daher will ich diesen nicht sehr freundlichen Einwurf schnell vergessen. Wenn es aber UrPotsdamer und allen Vollwissenden gefällt: ja, ich bin Halbwissender, seit 30 Jahren Deutschlandforscher zwischen zwei Ländern und Architekturjournalist, der ständig und mit großer Freude recherchiert und lernt - und dabei, Gott sei Dank, nicht den Anfang vom Ende der Fahnenstange sieht.

  • Zurück zum friderizianischen Rokoko und seinen Details.

    Die goldene Fortuna dreht sich im Wind wie eine Wetterfahne, denn Schicksal ist launisch, wie Friedrich in den Schlesischen Kriegen gelernt hat.

    Das Fortunaportal wurde eigentlich schon 1701 gebaut von Jean de Bodt, aber damals noch mit einem Adler auf der Spitze und einer Uhr. Ob es wohl damals schon Fortunaportal hieß?

    Potsdam_Fortunaportal1.jpg

    Auf diesem nicht ausgeführten Ausbauplan von (vor?) 1733 ist noch der kleine Adler zu sehen auf dem Fortunaportal.

    1024px-Broebes%2C_Jean_Baptiste_-_Idealpospekt_des_Potsdamer_Stadtschlosses.jpg?uselang=de

    1755 war die goldene Fortuna dann vorhanden, wahrscheinlich während des vorherigen Umbaus 1747–1750 durch Knobelsdorff raufgesetzt (noch mit der Uhr). Ein wohl typisches Detail aus dem Geschmack Friedrichs II.

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  • Das Fortunaportal wurde eigentlich schon 1701 gebaut von Jean de Bodt, aber damals noch mit einem Adler auf der Spitze und einer Uhr. Ob es wohl damals schon Fortunaportal hieß?

    Potsdam_Fortunaportal1.jpg

    Da muss ich wiedersprechen. Das Fortunaportal wurde zwar 1701 errichtet, besaß damals aber schon eine bekrönende Fortunastatue, die dem Portal auch seinen Namen gab.

    Nachzulesen im Buch über das Potsdamer Stadtschloss von Hans-Joachim Giersberg von 2008

  • Im Fortunaportal hängt dieses Glasschild, daß der Verein Potsdamer Stadtschloß aufgehängt hat.

    Ja, das von dir gezeigte Schild ist rechts im Durchgang zum Hof befestigt.

    Der Hinweis auf die Kunst am Bau befindet sich an der linken Seite (in etwa die gleiche Position) - hab gestern extra einen kleinen Umweg vom Barberini zur Weißen Flotte gemacht und bin (natürlich auch um die Engeltreppe zu bewundern) ein Mal ums Schloß herumgelaufen.

  • Tatsächlich ist es so, daß mir das Schild zur "Kunst am Bau" nie aufgefallen ist. Das geht offenbar auch den meisten Touristen so, die fünf Meter nach dem Durchqueren des Fortunaportals Halt machen, einmal ihren Blick schweifen lassen und sich wieder umdrehen und das Schloß verlassen.