Berlin - Molkenmarkt und Klosterviertel

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    Mir ist auch kaum eine Großstadt bekannt, die eine Hauptverkehrsader mitten durch den sehr kleinen Bereich ihrer (ehemaligen) Altstadt leitet.

    Oh, da fallen mir gleich mehrere ein: Nord-Süd-Fahrt Köln (teilweise als Trog mitten durch römische Fundamente), Ost-West-Strasse Hamburg, Leibnizufer Hannover (unter Aufgabe eines Leinearms und der kleinteilig überwiegend mit Fachwerkhäusern bebauten Leineinsel - "Klein Venedig" - die Häuser hatten teilweise sogar den Krieg überstanden)

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Na dann...tanzt Berlin ja nicht aus der Reihe und es fällt nicht weiter negativ auf.

    Deutschland ist eben ein Autofahrerland, und entsprechend sehen dann eben auch die "Altstadtbereiche" in diesen Städten aus.
    Über die darauf folgende Architektur braucht sich dann keiner ernsthaft wundern oder gar jammern.

  • Für den Petriplatz, den Gründungskern Alt-Köllns, gab es auch einen rechtgültigen Bebauungsplan. Dann wurde gegraben und der Plan umgeworfen. Hernach schwor der Senat immer erst zu graben, dann zu planen.

    Dann kam der Molkenmarkt. Wieder wurde der Platz beplant und ein B-Plan aufgestellt - ohne zu graben. Das Beispiel des Petriplatzes vor Augen gab es aus Sicht des Senats nur eine Lösung, das dortige Desaster am Molkenmarkt nicht zu wiederholen: es wird am ältesten Platz der Stadt einfach NICHT gegraben. Dann kann man auch nichts finden, das einem den B-Plan wieder umschmeißt.

  • Am Molkenmarkt plant man doch auch 6-spurig und die Leipziger Straße wird auch weiterhin eine wichtige Verkehrsachse bleiben. Es wäre in der Tat absurd, wenn man auf der Brücke auf 4 Spuren verengt, während davor und dahinter 6-spurige Straßen liegen/ geplant sind.
    Die Brücke stattdessen mit Häuser zu bebauen, wie gefordert..., beim besten Willen und Verständnis, aber das kann nicht wirklich ernst gemeint sein. Dann könnte man auch gleich die ganze Leipziger Straße und die Straße bis zum Alexanderplatz zur Fußgängerzone erklären.

  • Hoffnung? Es wird klar jegliche Rekonstruktion abgelehnt. Die Wunschvorstellungen der Vereine interessieren die Senatsverwaltung wohl eher weniger. Banalität wird wohl auch hier vorherrschen.

  • Richtig. Und gegraben wird am Molkenmarkt eben leider auch nicht (#523). Deshalb kann man auch nichts finden, was eine Wiederherstellung der Platzfläche evozieren würde.

  • Danke Spree-Athener für den rbb-Beitrag, ohne den nervigen und immer negativ-redenden Moderator wäre er noch besser gewesen - aber das ist eben der RBB - immer schön negativ.

  • „Der Stadt fehlen Wohnungen, Büros und Gewerbeflächen“

    Dieser Satz zeigt sehr deutlich, wohin die Reise geht. Ich schätze mal, dass Berlin die einzige europäische Hauptstadt Europas ist, die das (winzige) historische Zentrum mit Büros und Gewerbeflächen zumüllen möchte. Den „Stil“ dieser Bürogebäude kennt man zudem ebenfalls: Rasterfassaden und Flachdächer. Hier hätte man die einmalige und sich nicht wiederholende (!) Chance, der historischen Mitte ihr Gesicht und den Berlinern einen Teil ihrer Identität zurückzugeben. Zumindest Leitbauten hätte man vorsehen können. Man entscheidet sich aber auch am sensibelsten Punkt der Stadt für same of the same und macht daraus eine unansehnliche Gerümpelkammer, für die man sich in anderen Ländern sogar in der Agglomeration schämen würde.

    Der Schinkelplatz war wohl die Fingerübung dafür, was noch kommen sollte. Hier ist das typische nachkriegsdeutsche, wohlstandsverwahrloste Wirtschaftswunder-Profitmaximierungs-Denken am Werk, das jeglichen Bezug zu Kultur und Stil verloren hat und vermutlich glaubt, dass in allen Ländern ausschließlich die Ökonomie das Stadtbild diktiert und in Hinterzimmern stattfindende „Wettbewerbe“ ein in sich geschlossenes, attraktives und von den Bürgern akzeptiertes Konzept ersetzen. Dem ist natürlich nicht so, bereits in Polen gilt dies nicht mehr. Natürlich kennen die meisten Städte dieses Problem gar nicht, da sie nicht zerstört bzw. deren Reste nicht von Proleten mit Hornbrillen und Anzügen abgerissen und gesprengt wurde.

    Wir sprechen hier immerhin von der Altstadt, dem historischen Herzen einer Stadt. Und der dumpfe, identitätslose, viehisch im Moment lebende Pöbelmann an den Schalthebeln der Macht sieht hier in erster Linie „Gewerbeflächen und Büros“. Im Großraum Berlin gibt es davon wohl noch nicht genug, dieser kleine Altstadt-Fleck scheint die letzte Möglichkeit zu sein, den obdachlosen und unter Brücken notdürftig arbeitenden Unternehmen und Betrieben noch ein letztes Plätzchen zu sichern. Die Bauakademie wird vermutlich ebenfalls gestrichen bzw. „modern interpretiert“. Da muss man sich nun auch nichts mehr vormachen. Man sagt sich wohl: jetzt haben die „Ewiggestrigen“ ihr Schloss, lasst uns also zu unseren Geschmacksverirrungen zurückkehren.


    Ja, jetzt könnt ihr mich wieder angreifen, weil ich ungehalten formuliere und vielleicht übertreibe. Aber es macht mich nur noch sauer. Auch der teilnahmslose, abgestumpfte Artikel, der von solchen Ungeheuerlichkeiten berichtet, als ginge es um eine neue Ampel in irgendeinem weit entfernten Dorf, sorgt bei mir für erhöhten Puls.

  • Ich sage es mal so: Ich hätte gegen das Argument von den Wohnungen und Gewerbeflächen gar nichts einzuwenden, wenn man damit auch etwas kurzsichtig denkenden Menschen mit der Ökonomie-Brille auf der Nase ein gutes Projekt nahebringen kann. Und, besser als die jetzige Verkehrsbrache wird das Ergebnis aus städtebaulicher Sicht sicherlich schon. Aber, da hast Du vollkommen richtig erkannt, es steht zu befürchten, dass dort ein architektonisches Einerlei a la Schinkelplatz entsteht. Ich hoffe deshalb, dass das die Stadtbild-Freunde noch etwas zum Positiven beeinflussen können.

  • Heimdalls letzten Satz (zunächst in Bezug auf die Verkehrsflächen) aufnehmend, zitiere ich diesen Brief:

    "An die Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz
    Frau Regine Günther

    Keine Stadtautobahn in der Berliner Innenstadt

    Sehr geehrte Frau Senatorin Günther,
    mit Unverständnis haben wir die am Sonnabend, dem 18. Mai 2019, von SenUVK auf dem Molkenmarkt präsentierten Planungsunterlagen zum Umbau des Molkenmarktes und der Verschwenkung der Grunerstraße zur Kenntnis genommen.
    Die meisten der Unterzeichner hatten bereits im B-Plan-Verfahren eine Reduzierung des Autoverkehrs auf dem Molkenmarkt gefordert. Obwohl inzwischen eine breite politische Einigkeit in der Koalition darüber besteht, den Autoverkehr in der Innenstadt zu reduzieren und den Durchgangsverkehr zu minimieren und obwohl im Koalitionsvertrag steht, dass die Verkehrsflächen auf dem Molkenmarkt neu aufgeteilt würden, ist die Straßenumbauplanung auf der Grundlage von 20 Jahre alten Annahmen unbeirrt und unverändert weitergeführt worden. Neuere Klimaschutzanforderungen hinsichtlich des CO2-Ausstoßes werden komplett ignoriert.

    Das Ziel, ein lebendiges Altstadtviertel aufzubauen, wird mit dieser Straßenplanung konterkariert. Wenn schon im B-Plan dargelegt wird, dass der Lärm dieser Straße so groß ist, dass Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen – zum Beispiel transparente Schallschutzwände an den Zugängen zu den Höfen –, so ist doch unschwer zu erkennen, dass hier Aufenthaltsqualität dem Durchgangsverkehr geopfert wird und die Planung absurde Blüten treibt.
    Der Molkenmarkt, der älteste Platz Berlins, soll zukünftig komplett vom Verkehr dominiert werden. Fast die Hälfte (46 Prozent) der Fläche des Platzes dient dem Autoverkehr. Der Fußgänger wird auf schmale Gehwege an die Ränder gedrückt und hat gerade mal ein Viertel (26 Prozent) der Platzfläche zur Verfügung. Lediglich zwei dreieckige (Rest-)Flächen an der Einmündung der Stralauer Straße sind als Platzflächen identifizierbar, diese machen zehn Prozent(!) der Gesamtfläche aus. Der Ausführungsplan der Senatsverwaltung spricht für sich und zeigt deutlich diesen Mißstand.
    Wir rufen Sie auf, sehr geehrte Frau Günther, Ihren Einfluss geltend zu machen und dafür zu sorgen, dass das Ausschreibungsverfahren nicht begonnen bzw. gestoppt wird. So lange noch keine Beauftragung an Baufirmen erfolgt ist, sollte dem Land Berlin bei Planänderung kein Schaden entstehen.
    Berlin sollte sich auch im Bereich der Stadtentwicklung und Verkehrsplanung an die Spitze der gegenwärtigen, eng dem Klimaschutz verbundenen, neuen internationalen Verkehrspolitik stellen!

    Mit freundlichen Grüßen
    gez. Tobias Nöfer, Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin e.V. seit 1824 ;
    Jens Wieseke, Berliner Fahrgastverband IGEB e.V. ;
    Annette Ahme, Hubertus Müller , Berliner Historische Mitte e.V. ;
    Dr. Benedikt Goebel, Bürgerforum Berlin e.V. ;
    Volker Hobrack, Bürgerverein Luisenstadt e.V. ;
    Tilmann Heuser, BUND Berlin e.V. ;
    Prof. Dr. Harald Bodenschatz, Council for European Urbanism Deutschland C.E.U.D. ;
    Prof. Dr. Wolfgang Sonne, Deutsches Institut für Stadtbaukunst e.V., Dortmund ;
    Andreas Volkmann, Forum Stadtbild Berlin e.V. ;
    Roland Stimpel, Fuss e.V. Berlin-Mitte ;
    Wolfgang Severin, Initiative Bundesplatz e.V. ;
    Dr. Peter Bahl, Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg e.V. gegr. 1884;
    Vinzenz v. Feilitzsch und Lutz Mauersberger, Planungsgruppe Stadtkern;
    Dr. Manfred Uhlitz, Verein für die Geschichte Berlins e.V. gegr. 1865 ;
    Heiner von Marschall, Landesvorsitzender des Verkehrsclub Deutschland, Landesverband Nordost e.V. (VCD Nordost);
    Tim Heide, werkbund berlin e.V.;"

    Quelle: https://www.molkenmarkt-berlin.de/

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    Einmal editiert, zuletzt von Mantikor (11. Juni 2019 um 17:39)