Berlin - Molkenmarkt und Klosterviertel

  • ^Bester, bei aller Liebe zum Thema aber eine halbe Stunde leeres Senatsgesülze ohne jede harten Fakten anzuhören machen ich sicher nicht (mehr). Zuviele Stunden sind mit dieser Pseudobeteiligung draufgegangen. Es mag ja sein, daß Büros schon etwas entworfen haben, Testentwürfe gibt es seit 20 Jahren viele, alle von Lieblingsarchitekten der Senatsbaudirektorin.

    Zuerst müßte einmal der Senat die Parzellen festlegen und das Baurecht abschließend festsetzen. Da ja auch kein Wohnungsbau am Molkenmarkt geplant ist werden sicher keine Stadthäuser gebaut.

  • Der Stadtbild-Ortsverband Berlin möchte sich angesichts der von den zuständigen Senatsabteilungen explizit erwünschten und erbetenen Bürgerbeteiligung gerne zu der aus unserer Sicht wichtigsten Frage positionieren: der Fassadengestaltung. Wir haben die Befürchtung, dass es zwar eine gewisse Kleinteiligkeit bei den Bauparzellen geben könnte, die Fassaden jedoch auf Grund der weitgehend fehlenden Vorgaben nicht befriedigend gestaltet werden.

    Wir denken, dass die beste Lösung darin bestehen würde, eine gewisse Orientierung an den baukünstlerischen Zeitschichten, die Molkenmarkt und Klosterviertel geprägt haben, in einer Handreichung für die Architekturbüros vorzugeben. Vorbildlich wäre hier in unseren Augen das Lübecker Gründerviertel.

    Nun unsere Bitte an die versierten Bildarchivkenner unter den Forumskollegen: wir bräuchten Bildmaterial über einzelne, baukünstlerisch oder historisch überdurchschnittlich wertvolle Leitbauten dieser Gegend, deren Baugrund möglichst noch nicht irreversibel überbaut ist bzw die bei einer eventuellen Rekonstruktion als Erinnerungsbau geringfügig transloziert werden könnten. Baumotive und Kubaturen dieser Gebäude könnten dann in punktuelle Erinnerungsbauten aufgenommen werden. Füllbauten könnten gewisse Grundmotive aufnehmen.

    So könnten die neuen Blöcke in Molkenmarkt und Klosterviertel diesem vielversprechenden und wichtigen Bereich der Innenstadt - entsprechend den Bürgerwünschen im Beteiligungsverfahren - eine an die baugeschichtliche Identität dieser Quartiere anknüpfende Wirkung verleihen und wären eine echte Bereicherung für die geschundene historische Mitte der Stadt.

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  • Nun noch ein paar aktuelle Ansichten der Grunerstraße in Höhe Klosterviertel.

    Blick Richtung Süden in die Klosterstraße mit Parochialkirche:

    Klosterviertel Berlin 11-2020

    Ruine der Franziskaner-Klosterkirche:

    Klosterviertel Berlin 11-2020

    Nordseite der Grunerstraße - die sehr hässlichen und unpassenden, nicht mehr zeitgemäßen Parkhäuser stellen quasi die Rückseite des Rathauspassagen-Blocks dar:

    Klosterviertel Berlin 11-2020

    Etwas nach Nordosten geschwenkt: der klotzige, grau gestrichene, mit Polystyroldämmung-unter-Rauputz-Fassade versehene Hotelturm ist erst vor ein paar Jahren erbaut worden. Die im Bereich Alexanderplatz gelegenen 70er-Jahre-Bauten der DDR-Moderne weisen da noch eine höhere ästhetische Qualität auf.

    Klosterviertel Berlin 11-2020

    Dies ist ein Parkhaus, auch wenn es optisch eher an ein Wohnhaus erinnert:

    Klosterviertel Berlin 11-2020

    Freifläche des Grauen Klosters zwischen Kloster- und Littenstraße, Blickrichtung West:

    Klosterviertel Berlin 11-2020

    Auf diesem Foto sieht man das (zerstörte) Schulgebäude des Grauen Klosters neben der Kirche.

    Weitere Ansicht Blickrichtung Osten, rechts die Klosterruine:

    Klosterviertel Berlin 11-2020

    Etwas links davon, gleiche Perspektive:

    Klosterviertel Berlin 11-2020

    Blickrichtung Südwest zum Turm des Alten Stadthauses hinter dem Neuen Stadthaus aus den 1930er Jahren:

    Klosterviertel Berlin 11-2020

    Straßenbauarbeiten:

    Klosterviertel Berlin 11-2020

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  • Nordseite der Grunerstraße - die sehr hässlichen und unpassenden, nicht mehr zeitgemäßen Parkhäuser stellen quasi die Rückseite des Rathauspassagen-Blocks dar

    Richtig, solche bunkerartigen Parkhäuser-Klötze passen in Zeiten des Klimawandels absolut nicht mehr in das Zentrum einer Hauptstadt mit ökologischem Bewusstsein.

  • An Molkenmarkt und Grunerstraße entstehen 7-geschossige Gewerbebauten. Wohnen ist aus Schallschutzgründen lt. B-Plan nur im DG möglich.

    Wie sollen historische Leitbauten diese 7-Geschosser anleiten?

  • ^Aber gern. In der Anlage sichtbar und unter https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/staedte…/download.shtml herunterzuladen.

    1. Alle Gebäude am Markt und an der Grunerstraße sind aus Schallschutzgründen Kerngebiet (MK). Die Vorstellung irgendwelcher gemischter Wohn-und Geschäftshäuser, wie sie vor 1945 standen, ist deshalb unrealistisch.

    2. An der Grunerstraße entstehen 6 Vollgeschosse plus Staffel - also Siebengeschosser. Da brauchen wir uns über historische Gestaltungen - fürchte ich - keine Gedanken zu machen. Wenn der Senat diese Bauten nicht selbst nutzt (Verwaltung) werden es wohl irgendwelche seelenlose Bürobauten werden, da Hotels und EKZ keiner mehr baut.

    3. Einzig direkt am MM wird nur mit 4 Vollgeschossen plus Dach/Staffel geplant. Allerdings muss dort der Platz vor dem Stadthaus - ebenfalls aus Schallschutzgründen - vom Hof mit Glas o.ä. abgeschlossen sein. Die städtebauliche Figur einer architektonisch gleichartigen Bebauung vor dem Stadthaus ist ein völlig neues Element, das maximal so gut ausfallen wird wie bem Walter-Benjamin-Platz von Hans Kollhoff am Kudamm - vermutlich aber architektonisch schlichter.

    4. Eine Wiederherstellung von historischen Gebäude ist nur in der Parochialgasse möglich, dort soll das Minihaus des Antikriegsmuseums wiederentstehen, da es sich hier um eine pazifistische Pilgerstätte handelt. Die Rekonstruktion des Jüdenhofes wurde bis dato stets einhellig abgelehnt.

    5. In der Begründung steht klar, daß die Gewerbebauten stehen müssen bevor Baugenhmigungen für Wohnen in der zweiten Reihe ausgesprochen werden können.


  • Die Vorstellung irgendwelcher gemischter Wohn-und Geschäftshäuser, wie sie vor 1945 standen, ist deshalb unrealistisch.

    Zitate aus dem verlinkten Bebauungsplan von 2016:

    "Gegenüber der künftigen Grunerstraße und der Stralauer Straße ist dabei abschnittsweise ebenfalls ein 5. und 6. Vollgeschoss vorgesehen. Hier sollen grundsätzlich auch Wohnungen zulässig sein" - was angesichts des hohen Wohnungsbedarfs sicherlich auch eine anstrebenswerte Option darstellt. Wie die Grundstücksbreiten und die Architektur gestaltet werden, wird dann sicherlich spannend werden. Immerhin hat sich der Senat zur Kleinparzelligkeit bekannt.

    An der Grunerstraße entstehen 6 Vollgeschosse plus Staffel - also Siebengeschosser.

    Leider habe ich keine Textstelle gefunden, die die Zulässigkeit von Staffelgeschossen erwähnt. Hierzu vielleicht folgendes Zitat: "Überschreitung der festgesetzten Oberkanten: Die festgesetzte Höhe baulicher Anlagen kann im Mischgebiet, im Kerngebiet und im allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise um bis zu 2,0 m durch Dachaufbauten überschritten werden (...). Die Überschreitung wird zum einen für technische Einrichtungen wie Schornsteine, Anlagen der Belüftung und Klimatechnik, Aufzugsbetriebsräume und Austrittsbauwerke für Dachterrassen, (...) ermöglicht (...), zum anderen zur Errichtung von Anlagen zur Nutzung der Sonnenenergie. Um die optische Wirkung von Dachaufbauten auf den Straßenraum und von weiter entfernten Blickpunkten aus möglichst gering zu halten, wird (...) ferner bestimmt, dass solche Aufbauten ... nur zulässig sind, wenn sie einen Winkel von maximal 60° hinter die Baulinie bzw Baugrenze zurücktreten"

    Bei den Gebäudehöhen zur Grunerstraße spielt der Schutz vor Schallimmission für den Blockinnenbereich die maßgebliche Rolle.

    Entscheidend werden schlussendlich sicherlich die gestalterischen Qualitäten der Einzelbauten sein. Vielleicht sollte man in dem Zusammenhang die Ergebnisse der von der Senatsverwaltung selbst durchgeführten Bürgerbeteiligung ernstnehmen. Hier einige Kostproben:

    "Historische Gebäude sollten in Kubatur und Fassaden rekonstruiert werden (...)". Pro: 45 Stimmen. Kontra: 5 Stimmen.

    "Rekonstruktion orientiert an Frankfurter Altstadt". Pro: 28. Kontra: 6

    "Die Klosterkirche sollte ähnlich wie das Neue Museum wieder aufgebaut werden". Pro: 47. Kontra: 4

    "Rekonstruktion quartierprägender Leitbauten": Pro: 82. Kontra: 18

    "Verbindliche Gestaltungssatzung zur Sicherung von Kleinteiligkeit und Schrägdächern". Pro: 54 Stimmen. Kontra: 9 Stimmen.

    "Das heterogene Nebeneinander verschiedener Epochen gehört zum Wesenszug Berlins, Vergangenes sollte daher nicht kopiert werden". Pro: 4 Stimmen. Kontra: 14 Stimmen.

    "Insbesondere am Jüdenhof sollten historische Fassaden mit Schrägdach rekonstruiert werden (Berliner Version des Frankfurter Dom-Römer-Projekts)". Pro: 72 Stimmen. Kontra: 11 Stimmen.

    "Kapitelhaus des Grauen Klosters wiedererrichten und erhaltenes Kellergeschoss sichtbarmachen". Pro: 63 Stimmen. Kontra: 9 Stimmen.

    "Rekonstruktion ähnlich wie in Potsdam, Dresden, Warschau oder Frankfurt". Pro: 63 Stimmen, Kontra: 10 Stimmen.

    "Kleinteilige, individuelle Bebauung ohne Flachdächer (...)". Pro: 37 Stimmen. Kontra: 10 Stimmen.

    Quelle (pdf)

    Sicherlich eine kleine Stichprobe - aber doch aussagekräftig und Wasser auf unsere Mühlen!

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  • Sehe ich das richtig? In einer Millionenstadt gibt es eine Bürgerbeteiligung, und nur eine zweistellige Zahl von Personen beteiligt sich an den einzelnen zur Abstimmung gestellten Fragen? Das kann man ja glatt vergessen.

    In dubio pro reko

  • reklov2708: ich hätte vielleicht noch erwähnen sollen, wie diese Statements zustandegekommen sind (wird in der verlinkten Quelle erläutert).

    Es handelt sich um die Reaktionen von Teilnehmern auf die digital oder in Papierform eingereichten Pinnwand-Beiträge teilnehmender Bürger/-innen. Zur Stimmzählung war es möglich, Pinnwand-Beiträgen zuzustimmen (pro) oder die abzulehnen (kontra). Je früher ein Beitrag verfasst wurde, desto häufiger konnte er bewertet werden. Einzelne Diskussionsteilnehmer konnten beliebig viele Beiträge oder Kommentare verfassen.

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  • Königsbau,Architektur und Städtebau ist ein spezifisches Thema das nur sehr wenige Bürger interessiert.Das könnte auch die geringe Anzahl der Abstimmung erklären.Wer sich nicht mit dieser Thematik beschäftigt und interessiert hat auch kein Urteilsvermögen.Wir Menschen haben nun mal alle unterschiedliche Interessengebiete.

  • Wenn ich sehe, wie solche Debatten und Abstimmungen in puncto Beteiligung im viel viel kleineren Dresden ablaufen, ist es dennoch ein Armutszeugnis für "det große Balin", Herr Hermann. Ich erinnere nur an das Bürgerbeteiligungsverfahren zum Neustädter Markt/Königsufer.

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia

  • Es stimmt, das Thema ist in der öffentlichen Diskussion kaum präsent. Dabei geht es um ein durchaus recht großes Areal in Innenstadtlage.

    Was ist die Ursache für diese erstaunlich geringe Wahrnehmung? Eine Erklärung wäre vielleicht, dass es vom Klosterviertel aus zu anderen touristisch relevanten Orten der Innenstadt keine echte Sichtbeziehung gibt - selbst das Nikolaiviertel wendet dem Molkenmarkt quasi den Rücken zu. Außerdem gibt es kein wirklich baukünstlerisch herausragendes Gebäude in Molkenmarkt und Klosterviertel, um dessen Wiedererrichtung man streiten könnte. Anders als in Potsdam wird dort weitgehend freies Baugelände neu bebaut, und es muss kein DDR-Bau wie die Fachhochschule abgerissen werden. Daher gibt es keine nennenswerten Konflikte, aber eben auch wenig Beachtung.

    Hinzu kommt, dass es bisher im Bereich Schloss - Museumsinsel - Unter den Linden - Pariser Platz einfach zu viel zu streiten gab, um sich "auch noch" dem Klosterviertel zu widmen. Ich denke allerdings, dass die öffentliche Wahrnehmung spätestens dann stärker werden wird, wenn erste konkrete Visualisierungen der Bebauung veröffentlicht werden. Aber dann ist es ja für Einwendungen von Bürgerseite schon reichlich spät.

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  • "Sollen", Snork, sind aber nicht. Wie geschrieben: die Gewerbebauten schirmen baurechtlich die Wohnbebauung ab und müssen errichtet sein, bevor Baugenehemigungen für den Wohnungsbau in "zweiter Reihe" zulässig sind. Bei den als 4-Geschosser ausgelegten Gewerbebauten sollen - nach Errichtung des Gewerbes, ein 5. und 6. Geschoss für Wohnungen zulässig sein. Noch ist dem nicht so, also muss erst das reine Gewerbe errichtet werden.

    Was soll das denn für ein Gewerbe - 6 und 4-geschossig, an der Stadtautobahn sein? Sicher kleinteilige, historische Gebäude... Nei, das Werden Bürosbauten wie im "Europaviertel" am Hauptbahnhof oder in der nahe gelegenen Liebknechtstraße.

    Die geringen Beteiligungszahlen gingen schon mehrfach durch die Presse. Von den wenigen, die sich überhaupt interessieren, waren 90 % für Rekonstruktionen - das interessiert aber den Senat nicht. So bleibt das Thema Berliner Mitte für alle ein Orchideenthema, das niemand ernst nimmt und es wird weitergehen wie bisher. Das liegt auch daran, daß die "Opposition" im Abgeodnetenhaus, CDU und FDP, sich des Themas ebenfalls nicht annehmen.

    Also wird erst die Straße umgebaut und dann wird parzelliert. Ich garantiere, daß weder vom Grauen Kloster noch vom Jüdenhof ein Haus zurückkehrt. Leider.

  • Aus den bisher veröffentlichten Plänen einschließlich des Bebauungsplans ergibt sich meines Erachtens nicht die zwingende Konsequenz, dass es schlecht wird.

    Das Problem bei Rekonstruktionsforderungen für das Quartier ist doch auch, dass eigentlich nur der Grundriss des Viertels bis zur Zerstörung in den 1930er Jahren und im 2. WK weitgehend konstant geblieben ist - und dieser Grundriss wird ja laut Bebauungsplan auch wiederhergestellt. Die Bebauung selbst hat sich - wie man auf den alten Fotografien erkennen kann - doch bis zum Untergang des Quartiers fortlaufend gewandelt: in den letzten Jahrzehnten seit den 1890er Jahren zumeist von zwei- bis dreigeschossigen Häusern hin zur Berliner Traufhöhe - durch Abriss und Neubau. Dass nun an der Grunerstraße 6-geschossige Häuser entstehen, steht doch durchaus in der Tradition des gründerzeitlichen Berliner Straßenbilds - nur dass die Situation vor der Zerstörung vermutlich (habe leider keine Fotos dieses Bereichs gefunden) noch nicht eine durchgehende Traufhöhen-Höhenlinie war, sondern (noch) von niedriggeschossigen Häusern durchsetzt.

    Am wünschenswertesten wäre es somit wohl, dieses Straßenbild durch Gestaltungsvorgaben in Bezug auf Fassaden und Dächer wieder in Erinnerung zu rufen. Damit würde man dem historischen Ort vielleicht am ehesten gerecht werden und die stadtbildliche Wirkung wäre die vorteilhafteste.

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  • Na, dann viel Spaß mit einer 35-Meter-breiten Durchgangsstraße und 6-geschossigen Gewerbebauten. Es wird sicher noch schön werden, ganz sicher.

    Vor allem Gestaltungsvorgaben hat Berlin ja an sensiblen Punkten immer sehr im Sinne dieses Forums erlassen. Man muß schon sagen: der Grad der Wirklichkeitsverweigerung ist hier schon wirklich ausgeprägt. Bei soviel Rosa Brille bin ich in diesem Strang vorerst raus.