Diez - Neubau eines Schlosses

  • Wie ich eher zufällig gelesen habe, errichtet der Limburger Unternehmer Marcus Frey auf dem Sonnenberg in Diez bei Limburg an der Lahn einen Schlossneubau im Stil (?) des 18. Jahrhunderts. Das Ganze soll offenbar sowohl an Privatleute vermietet als auch zum neuen Domizil des Unternehmers selbst werden:

    http://www.neues-schloss-diez.de/index.php

    Die Bilder sehen ganz vielversprechend aus, abgesehen vom unbegreiflicherweise nur gefaketen Mansarddach, das dann doch ein Flachdach ist, wenn man nach den Visualisierungen geht. Die scheinen aber ohnehin nur Vorabvisualisierungen zu sein, wenn man etwa Bilder wie diese mit einem Vordach wie bei einem 60er Jahre-Kino sieht:

    http://www.neues-schloss-diez.de/Bilder/Modellv…mber-2007-1.jpg

    Ob das Ganze letztlich Kitsch oder Kunst wird, bleibt entsprechend abzuwarten. Auch die Innenräume sollen prachtvoll werden, davon ist aber noch nichts zu sehen.

  • Hätte nicht damit gerechnet, das bei uns in Deutschland überhaupt heutzutage noch sowas völlig neu gebaut wird.

    :D:D:D Bin wirklich begeistert!

    Danke für den Fund!

    mfg :zwinkern:

    Auf dass das baukulturelle Gedächtnis der Städte in unser
    aller Interesse und für die Zukunft erhalten bleibt !

  • Das nenne ich doch mal einen RIESEN Zufall! Gestern habe ich mit meiner Schwester eine Fahrt nach Aschaffenburg, Darmstadt und Worms unternommen.
    Da ist mir an der Autobahn auch schon das Schild für dieses Schloss aufgefallen. Es kenn ja sicher jeder diese Hinweisschilder für Sehenswürdigkeiten. Diese braunen mit weißem Aufdruck. Da ich den Namen des Schlosses aber so schnell nicht lesen konnte, habe ich auch im Internet nichts gefunden.

    Auf den Zeichnungen sind aber ganz eindeutig Mansarddächer zu sehen. Ich hoffe, daß sich da einer mit dem Computerprogramm einfach keine Mühe gegeben hat.

  • Hmm, die Zeichnungen zeigen ein Dachgeschoss und ein echtes Mansarddach (was stilecht wäre), die Visualisierungen dagegen zwei Dachgeschosse + Fake-Mansarddach (was bös in Richtung maximale Raumausnutzung à la Investorenarchitektur geht).

    Die Pläne hier:

    http://www.neues-schloss-diez.de/schloss-dokumente.php

    ...zeigen aber zwei Dachgeschosse, was mit einem Dachkonzept, wie es auf den Zeichnungen zu sehen ist, nicht realisierbar scheint. Schade, damit geht das ganze Projekt eher in Richtung dieser stilunechten Großvillen, wie sie in Massen in Hollywood oder Miami herumstehen.

  • Zitat von "Neußer"

    Das nenne ich doch mal einen RIESEN Zufall! Gestern habe ich mit meiner Schwester eine Fahrt nach Aschaffenburg, Darmstadt und Worms unternommen.
    Da ist mir an der Autobahn auch schon das Schild für dieses Schloss aufgefallen. Es kenn ja sicher jeder diese Hinweisschilder für Sehenswürdigkeiten. Diese braunen mit weißem Aufdruck. Da ich den Namen des Schlosses aber so schnell nicht lesen konnte, habe ich auch im Internet nichts gefunden.

    Auf den Zeichnungen sind aber ganz eindeutig Mansarddächer zu sehen. Ich hoffe, daß sich da einer mit dem Computerprogramm einfach keine Mühe gegeben hat.

    Nein, Neußer, da muss ich dich enttäuschen, das Schloss auf dem Autobahnschild ist Schloss Oranienstein, auf den ersten Blick vielleicht ähnlich, aber schon real existierend. Hier die Lage (roter Kreis) und die Lage des "Neuen Schlosses" (grüner Kreis). Private Werbeschilder sind ja an der Autobahn auch nicht erlaubt...


    Quelle: GoogleEarth

    Ich halte euch mit Fotos auf dem Laufenden, wohne in der Nähe.

  • Zitat von "RMA"

    Ob das Ganze letztlich Kitsch oder Kunst wird, bleibt entsprechend abzuwarten.


    Das wird nicht mal Kitsch, sondern nur neureicher, wertloser Quatsch! Es lohnt sich wirklich, diese Pläne genauer anzuschauen; ist die reinste Lachparade, was hier ein Laienprediger entworfen hat. Auch wenn diese Ansicht nur ein Modellvorentwurf ist, würde ich mich als Architekt schämen, so etwas unproportioniertes nur schon zu skizzieren. Diese freischwebenden, säulenlosen Dreiecksgiebel über den Loggien im Dachbereich... ts ts ts tsssss... Oder wie die Dachgauben in den Fassadenplänen eingezeichnet sind... vorstehende Taucherbrillen? (keine Angst, hier ist wohl nur der Schatten falsch gezeichnet). Der Entwerfer dieses Undings offenbart sich als jemand, der weder von traditioneller noch moderner Architektur eine Ahnung hat. Nicht mal richtig zeichnen kann er...

    Wie schon RMA erkannt hat, ist dieses "Mansarddach" reinstes Fake! Was auf den ersten Blick wie ein echtes Mansarddach aussieht, ist in Tat und Wahrheit ein vor die Fassaden eines 3 resp. 4-geschossigen Baukörpers mit zurückgesetztem Attikageschoss mit Flachdach angeklebtes Mansarddach. Deshalb steht es auch über die Fassaden zu weit vor, und wirkt wie eine Schuhnummer zu gross. Bei einem richtigen Manssarddach fluchtet die Schräge des Mansardgeschosses mit der Fassade, und der Dachvorschprung wird mittels Aufschieblingen (mit flacherer Neigung) gebildet.

    Hinter dem vermeintlichen First folgt dann das Flachdach. Auf diesem Schnitt kann man das ganz gut erkennen. Dieselbe Flachdach-Problematik geschah bekannterweise auch bei den ersten Rekonstruktionen am Neumarkt in Dresden (Hotel de Saxe), nur dass dort wenigstens die Dachschräge mit den Fassaden richtig fluchtet. Dass Flachdächer (eingetiefte Dachterrassen) tatsächlich vorgesehen sind, offenbart sich aus folgendem Grundriss.

    Ich finde dieses Projekt auch aus raumplanerischer Sicht fragwürdig, indem mitten auf die grüne Wiese so eine Wohn- und Büroresidenz gesetzt wird.

  • Na nun übertreib mal nicht Riegel. Ist mir jedenfalls allemal lieber, als wenn man dort eine 08/15-Wellblechhütte hinpflanzt :zwinkern:

    Vielleicht etwas kitschig, aber zum Bleistift nicht so derb wie das Projekt in St. Petersburg, bei dem man dreiste Kopien von europäischen Adelssitzen als Wohnvillen verkauft.

    Außerdem stört das Ding dort oben auf der Wiese doch niemanden, kann also eigentlich nur ein Gewinn für die Region werden. Zumal damit ja auch nicht wenige Arbeistplätze verbunden sein werden.

    Wie RMA schon richtig anmerkte: Hier kommt's dann drauf an, was man am Ende aus den Plänen macht. Ich bin da mal verhalten optimistisch und begrüße dieses Projekt als Trittbrettfahrer des aktuellen Neoklassik-Trends :daumenoben: Immer her mit den Yuppies!

    (In Neubrandenburg können die ruhig auch noch so ein Teil hinstellen)

  • Danke für deine Analyse, Riegel.

    Äußerst schade, dass sich der Bauherr ganz offensichtlich aus Unkenntnis (?) so über den Tisch ziehen lässt. Wenn man soviel Geld hat, so ein Projekt zu realisieren, mein Gott, was könnte man daraus machen! Eben den Beweis aufstellen, dass ein solcher Bau auch im 21. Jahrhundert noch möglich ist! Und die gewissen Details, die Kunst und Kitsch voneinander trennen, kann man sich auch als Laie mit etwas Bücherstudium problemlos erschliessen.

    Das eine Aufmaß hatte ich in der Tat übersehen, darauf sieht man dann auch, dass die Proportionen des Gebäudes, wie Riegel schon angesprochen hat, überhaupt nicht mehr stimmen. Die Leute aus dem 18. Jahrhundert würden uns auslachen ob solch dilettierender Ästhetik. Traurig.

    @ erbsenzaehler: Sicher ist das Ganze, wenn man ihm überhaupt etwas positives abgewinnen kann, Kennzeichen eines Trends zum Traditionellen. Doch war der im privaten Profanbau eh jemals richtig tot? Dazu kommt, ich stimme jedem Architekten zu, wenn er bei einem Bau wie diesen das böse Wort "Disneyland" in den Mund nimmt. Das Ganze ist einfach nicht stilecht, ja noch nicht einmal neohistoristisch. Der Bauherr hätte ja auch ein Flachdach mit Attika haben können - wäre der Bau neoklassizistisch! Doch hier ist eins mit dem anderen grausam verquirlt.

  • Dann schreibt dem Bauherren doch mal einen Brief mit Eurer Kritik und Euren Verbesserungsvorschlägen. Vielleicht kann man an dem Projekt ja noch etwas zum Besseren beeinflussen, wenn der Bauherr die Chance einer Überarbeitung erkennt.

  • Wenn sich ein moderner Architekt an den "Stil des 18. Jh." wagt, kann doch nur Mist bei herauskommen. 100 Jahre Traditionsbruch lässt sich nicht einfach weglügen. Es bräuchte eine ganz neue Architektengeneration, um einigermaßen die Proportionsgesetze des traditionellen Bauens zu verwirklichen.
    Nachdem ich die Pläne des "Neuen Schlosses" gesehen habe, war ich entsetzt. Besonders hässlich ist das für Schlösser völlig untypische hohe Mansarddach, das zu allem Überfluss in ein Flachdach übergeht (Baywobau lässt grüßen). Und dann die in das Dach eingeschnittenen Balkone, die auch noch mit einem Dreiecksgiebel bekrönt sind - entsetzlich! Insgesamt beweist der Architekt ein massives Unvermögen, den Giebel als Herrschaftsform richtig einzusetzen, das hieße akzentuiert, nicht wahllos.

  • @ Erbsenzähler
    Ich denke nicht, dass ich übertrieben habe. Denn eine solche Architektur ist völlig kontraproduktiv für die Bestrebungen, sich für traditionelle Architektur einzusetzen. Sie zieht frühere Stile völlig ins lächerliche, wie es RMA schon treffenderweise formuliert ht ("Die Leute aus dem 18. Jahrhundert würden uns auslachen ob solch dilettierender Ästhetik.")

    Unterbreite dieses Projekt mal einem Architekten oder Fachmann des beispielsweise in Berlin herrschenden aktuellen Neoklassik-Trends. Ich bin sicher, dass auch sie nur noch mit einem Kopfschütteln ihre Kritik zum Ausdruck bringen werden.


    @ Heimdall
    An diesem Projekt gibt es schlicht nichts zu verbessern, denn es ist schon von Grund auf falsch angegangen worden. Denn der Bauherr will ja etwas vornehm Repräsentatives, aber von der Funktion/Nutzung her trotzdem auch etwas Zeitgemässes.

    Die aktuelle moderne Architektur kann dem ersten Kriterium nicht genügen, da diese Massenware darstellt, welche man auf jedem Kontinent in gleicher Art und Weise finden kann (Glas, Stahl, exzessiv weit vorspringende Vordächer, versetzte Fenster etc.). Den Begriff "repräsentativ" würde ich der modernen Architektur noch zugestehen; da hat sie in der Tat viele innovative Ergebnisse gezeigt. Aber dem Begriff "vornehm" vermag sie nicht zu genügen. Liegt das evtl. an der Kälte der heutigen Architektur? Also muss ein "Schloss" her, oder sonst irgendwas "Barockes". Schau Dir mal die vielen Soap-Operas an, oder Krimiserien wie Derrick etc.; die spielen doch oft in neureichem Milieu, und damit oft auch in neobarocken Villen. Darin wiederspiegelt sich doch die Sehnsucht nach vergangenen Herrschaften, welche zuletzt in grossartigen, barocken Schlossanlagen residierten (bis der Feudalismus Ende des 18. Jahrhunderts unterging...).

    Das zweite Kriterium "zeitgemäss" wird durch die Grundrisse vermittelt. Es handelt sich um Grundrisse, welche in jedem neueren Büro- oder Wohngebäude zu finden sind. Vergleiche mal die Fassaden und die regelmässigen Fensterachsen mit dem wilden Durcheinander im Innern! Kein blasser Dunst von axial ausgerichteten Räumen. Wo bei echten Barockschlössern in der Mitte die Häupträume angeordnet sind, findet sich hier lediglich eine riiiiesige, durchgehende Eingangshalle mit umlaufenden Galerien. Schau mal im Dachgeschoss die vielen toten Ecken... Eine Raumhierarchie vermisse ich auch in den Seitenrisaliten.

    Aus der Diskrepanz dieser beiden Kriterien kann nichts Echtes resultieren. Und ich hüte mich, an einem Projekt, welches schon von Grund auf nicht stimmt, noch Detailkorrektur anzubringen. Allzu schnell würde einem dann das Einverständnis mit dem Grundgedanken des Projekts unterschoben. Hier wird tatsächlich "Fassadismus" betrieben, und dazu noch auf dilettantische Art und Weise erster Güte!

    Dazu gehört doch auch das Sich-Absetzen vom gemeinen Volk, deshalb wird abgeschieden auf der grünen Wiese gebaut. (A propos Arbeitsplätze: die werden nicht zusätzlich neu geschaffen; die werden lediglich von der Stadt auf's Land veschoben.)

  • Abgesehen von dem klobigen, kastenartigen Dach finde ich es abartig, auf dem platten Land ein neuen Phantasieschloß zu bauen, während zahlreiche echte historische Schlösser, die man mit dem Geld retten und sanieren könnte, langsam aber sicher verfallen. :augenrollen:

  • Neues vom Neubau-Schloss bei Limburg:

    Die Homepage des Projektes verweist auf einen im Juni gebauten Holzturm, der quasi als Modellachse für die Interieurs und die Fassadengestaltung gelten soll.

    Des Weiteren gibt es nun ein mit höfisch-kitschiger Musik untermaltes 3D-Video des Schlosses zu bestaunen, welches die bekannten Ansichten in Bewegung zeigt.


    Es weist also einiges darauf hin, dass es sich hier schon um eine annähernd endgültige Fassadengestaltung handeln könnte.
    -> Vielleicht sollte jemand aus unseren Reihen den Unternehmer mal darauf hinweisen, in welchen konkreten Punkten der Bau im Sinne einer ästhetischeren und vorallem authentischeren Gestaltung zu verändern ist, um ihm eine Blamage zu ersparen.

    Ich würde mir wünschen, dass dies kein absolut peinlicher Kitsch wird - sondern ein durchaus vorzeigbarer Schlossneubau, der nicht sofort nach Nouveau-Riche und Russenprotz stinkt.

    Ich denke, dies wäre durchaus im Sinne aller hier - vorallem im Hinblick auf historisierende Neubauten. Ein miserables Resultat bei einem solch großen Projekt könnte diese Bauart schneller in Verruf bringen, als sie überhaupt richtig populär werden kann.

    Vielleicht lässt der Investor ja mit sich reden?! 8)

  • habt ihr ja hier extrem verissen, das projekt...

    vielleicht sollte man mal etwas moderater urteilen und sagen:
    ok, in einem derart gestalteten modernen hotel kann man ohne hässlichkeitsstress übernachten, besser wäre es aber im dachbereich folgende änderungen vorzunehmen...

    aber dieses einseitig und völlig vernichtend 'in die pfanne hauen', naja, etwas übertrieben...

  • Was bedeutet eigentlich :

    Zitat

    Gelbe Natursteinfassade


    Meinen die damit Sandstein, dann hätten sie nicht weiter unten von Sandsteinsäulen und Sandsteintreppen geredet.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • @ marc!
    Auf dieser edlen und feinen Homepage wird alles extrem schöngeredet, von "stilvoll" (sinniere mal über dieses Wort!) und "Goldener Schnitt" (wo???) und und und... Dabei ist doch das Projekt von Grund auf falsch angegangen worden. Ein Schloss war ursprünglich ein Herrschaftssitz einer Familie. Nun wir hier aber um Anwaltskanzleien, Firmensitze und "Wohnresidenten" geworben... also von allem ein bisschen. Und der Bauherr hat einen "Architekten" ohne jegliches Selbstbewusstsein gefunden, der ihm jeden planerischen Wunsch erfüllt. Seine Schlossfassade um seinen Käufermix.

    Ist es so nicht verständlich, dass deshalb das Dach beispielsweise eine Nummer zu gross geraten ist? Möchtest Du mit so einem Bauherrn diskutieren, das Dach ein bisschen kleiner zu machen? Keine Chance, da wird um jeden Quadtratmeter gekämpft. Oder beispielsweise das Sockelgeschoss wenigstens einen halben Meter (erforderlich wäre 1 m!) höher zu machen, damit das Schloss eine richtige Basis hat? Da werden knallhart die Mehrkosten berechnet, und dein Wunsch damit abgeschmettert.

    Denn mit "Schönreden" kommen die zu ihrer "edlen" und "feinen" Käuferschaft, auch wenn der Goldene Schnitt nicht angewendet wird, trotz Versprechen! Und eine solche neureiche Käuferschaft hat im allgemeinen kein Wissen um Stil und Proportionen. Eindruck schinden (schöngeredet heisst das "repräsentieren") hat da einen höheren Stellenwert. Was wird repräsentiert?