Berlin - Unter den Linden

  • Dass vor solchem Geschmacksdiktat sogar der sonst allgegenwärtige ökonomische Sinn kuscht, ist unbegreiflich; denn welcher Cafébetreiber will schon mitansehen, wie Touristen, die voller Erwartung dieses schmucke Gebäude betreten, nach dem ersten Augenschein des Ambientes wieder kehrtmachen.

    Ich fürchte, die Cafébetreiber werden vermutlich eher damit rechnen, dass die Touristen - angelockt von der äußeren Schale - nicht gleich wieder kehrtmachen, sondern schon kurz verweilen und konsumieren wie in einer Starbucks-Filiale. Allerdings werden sie sich auch nicht länger als nötig aufhalten, etwa um sich am bisherigen Interieur zu erfreuen, sondern bald wieder gehen und Platz machen... für die nächsten Kunden.

  • Hallo Newly,

    du magst recht haben. Das wäre Umsatzmaximierung auf niedrigstem Niveau. Die schöne Fassade des Hauses wäre dann nur der Lockvogel oder die Falle, man könnte es auch ein nicht eingelöstes Versprechen nennen, oder Irreführung, oder wie auch immer.

  • Man schämte sich wohl des "Oma-Schicks" und wollte ihn loswerden und hat sich damit gänzlich einer menschlich warmen und einladenden Atmosphäre entledigt. Kenne das alte Interieur ja nicht.
    Hier auf dem ersten Foto, oder?
    https://yandex.ru/images/search?…=101&source=wiz
    Das wird Kritik hageln, wenn erst einmal der Opernbetrieb voll läuft und die alten Operngänger in ihr Kaffet'scherl, äh das ist Wien, in ihr Café wollen!

  • Sicher, dass die alten Bilder wirklich die Innenausstattung der 1950er zeigen?

    Aus meiner Sicht heraus war das Kitsch allererster Güte; so, wie man in den 80ern das Nikolaiviertel in Plattenbauweise auf "Altstadt" getrimmt hat.

    Insofern ist der neue Innenausbau tatsächlich ehrlicher, denn er zeigt, dass es sich eben nicht um eine originale Rekonstruktion handelt, sondern einen Hybrid mit historisierender Fassade.
    Bei solchen Lösungen erachte ich immer nur zwei Extreme für sinnvoll: Komplette Rekonstruktion / wenigstens eine sehr starke Anlehnung an den Originalzustand - oder eben den bewussten Kontrast. Letzter führt bei der nächsten Sanierung eher zu der Begehrlichkeit, diesen wieder verändern zu wollen.

    Das jedenfalls ist nicht historisch und auch nicht im Sinne der klassischen Architektur:

    http://www.alamy.com/stock-photo-th…r-58063378.html

    Das ein Kaffeehaus überholt oder altbacken sei, ist natürlich Quatsch. Ein Trend, der in wenigen Jahren wieder umschwenken wird, genauso wie die Gemütlichkeit und Rückzug ins Private in den Ökomilieus längst wieder eingezogen ist. Nur von Hipstern werden sie nicht leben können und deren Gattung stirbt in Mitte bereits wieder aus.

  • ^

    Genau das meinte ich. Ein Wideraufbau der 1950er hätte eine ganz andere Qualität, deren Verlust in der Tat schwer zu verschmerzen gewesen wäre. Siehe die zwischenzeitlichen Pläne, den Paulick-Wiederaufbau der Staatsoper zu zerstören.
    Deko aus der Zeit (vermutlich) der 750-Jahr-Feier Berlins hingegen war schlechter Kitsch, der nichts mit dem Ursprungszustand zu tun hatte.

  • Nova, so wie du redet wahrscheinlich auch das Feuilleton. Ich sehe das anders. Das Interieur war behaglich und im traditionellen Stil eines Kaffeehauses. Und jetzt haben wir eine richtig doll "ehrliche" Kargheit ohne jeglichen Wohlfühlfaktor. Aber bei der heutigen Kunst soll man sich ja ohnehin nicht wohlfühlen sondern nur "konfrontiert" werden. Insofern sind diese neuen Innenräume ganz zum Zeitgeist passend.

    In dubio pro reko

  • Das Feuilleton wird das neue "Interieur" wahrscheinlich ob seiner selbst feiern. Genau das tue ich nicht.

    Ich bin kein Freund der Behaglichkeit des Nikolaiviertels und auch kein Freund bspw. des Konzerthauses, welche beide den Mief der DDR versprühen. Kleine Inseln des Traditionellen, während nicht weit weg nach wie vor ganze Häuserblöcke abgerissen werden sollten oder bspw. das Tacheles fiel.

    Ich sagte auch selbst, dass ein originalgetreuer Wiederaufbau wahrscheinlicher wird, je größer der Kontrast ist. Diese falsche Behaglichkeit, die das Kaffeehaus ausgestrahlt hatte, war ein billiger Umbau des schlichten Interieurs der 1950er (siehe Fotos von SchortschiBähr). Dieser ist in etwa so authentisch wie rustikale Möbel von Poco oder "asiatische" Restaurants mit Winkekatze und Buddha-Statue.

  • Also um den letzten pseudo-historischen Zustand ist es wirklich nicht schade. Man kann aber sicher auch mit heutigen Stilmitteln ein gutes, behagliches Interieur machen, das zum Äußeren passt. Ich kenne jetzt nur das eine Bild aus dem Link von der Morgenpost, Beitrag von Vulgow, aber das ist mir doch zu minimalistisch . . .

    Da möchte ich meinen Kuchen doch lieber woanders fressen . . . ups, sorry, der Schwabe kommt durch! ;)

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Da es Unter den Linden bald weniger Baustellen geben wird, wird beim HU-Hauptgebäude für Nachschub gesorgt (Grundinstandsetzung Hauptgebäude, 1.Bauabschnitt). Saniert wird derzeit der Hoffmann'sche Ostflügel, der es aber auch bitter nötig hat.

    Rück- und Hofseite an der Dorotheenstraße.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    Einmal editiert, zuletzt von Mantikor (11. März 2018 um 20:45)

  • Im Vordergrund der repräsentative Funktionsbau der Komischen Oper mit dem freien Grundstück an der Ecke Glinkastraße.

    • Wer weiß, wie der Stand der Planungen ist?

    Das ehem. Geschäftshaus Friedländer, heute UdL N°67. Das Haus (Bj. 1908) ist der einzige Vorkriegsbau westlich der Glinkastraße/Kirchstraße.

    Offenbar ist immer noch die benachbarte russische Botschaft Inhaber/Nutzer des Gebäudes. Schön wäre es, wenn es einer mehr "zivilen" Nutzung zugeführt werden könnte.

    • Weiß jemand irgendetwas Genaueres?

    Mehr im Kontext

    Zum Vergleich eine Ansicht aus dem Jahr 1936.

    Bildquelle: Staatsarchiv Freiburg, Fotograf Willy Pragher, CC BY-SA 3.0

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • was sich mit dem forciert jugendlichen, hippen Image dieser Stadt angeblich nicht verträgt


    p.s. Hipster oder wer sich dafür hält, stehen total auf skurilen Kitsch. Finden es voll "kultig" und hängen dort wo sie niemand erwartet hätte triefend vor selbstironie massenhaft ab.

    Am Ufer der Sonne wo die wesen vom sehen träumen ist in Echtzeit überall Nacht

  • Bülow und Scharnhorst fand ich aktuell ohne Holzverdecke - soweit ich mich erinnere, waren sie in 2017 das ganze Jahr über verhüllt. So machte ein Wiedersehen mit diesen schönen Kunstwerken Freude - wenngleich sie, wie Ihr ja wisst, historisch korrekt eigentlich auf die andere Straßenseite, nämlich vor die Neue Wache, gehören (dass sich an der Aufstellung etwas ändert, dürfte unter dem jetzigen R2G-Senat kaum zu erwarten sein. Vielleicht kommt dereinst unter Monika Grütters wieder Bewegung in die Angelegenheit :augenrollengruen: ).




    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Ja, es ist sehr schade, dass die beiden Statuen auf Dauer wie bestellt und nicht abgeholt am Straßenrand stehen bleiben werden. Hätte man sie nicht wenigstens etwas symmetrischer auf der Grünfläche anordnen können? Und diese Billiggitter drumherum... :/

  • Gibt es eigentlich im Zentrum von Berlin ein Denkmal von Friedrich Wilhelm III?
    Dieser König war kein Kriegstreiber und hat versucht durch Neutralität Frieden zu erhalten, was Napoleon damals unmöglich gemacht hatte.
    Außerdem war er und seine Frau Luise sehr bescheiden und hatten die Schlichtheit dem Prunk vorgezogen. Sie flanierten damals oft wie normele Bürger under den Linden, was damals für ein Königspaar sehr ungewöhnlich war.
    Das Denkmal von dessen Sohn (später Kaiser Wilhelm I) wurde ja leider zusammen mit der schönen Kolonnade von der DDR Regierung zerstört. Somit gibt es von Wilhelm I wohl kein Denkmal in der Berliner Mitte mehr.

  • Hier:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Reitersta…h_Wilhelms_III.

    sehr schönes Denkmal. Leider zerstört. 2 Sockelfiguren im Nikolaiviertel erhalten.

    Ansonsten hier noch: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich…ke_FW_III_2.jpg

    Aus Wikipedia: "Im südlichen Großen Tiergarten steht ganz in der Nähe des Denkmals der Königin Luise ein 6,50 Meter hohes Standbild des Königs, das der Bildhauer Friedrich Drake geschaffen hat. Es stellt Friedrich Wilhelm in einfacher Kleidung dar, die Inschrift lautet: Ihrem Könige Friedrich Wilhelm III. Die dankbaren Einwohner Berlins 1849. Das Denkmal entstand als Dank für die Verschönerung des Tiergartens, die vom König veranlasst worden war. Finanziert wurde es durch Spenden aus allen Teilen der Bevölkerung. Termin der Aufstellung war der 3. August 1849."

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Unter den Linden 76
    Unter den Linden 76, alte Nummerierung mit Blick in die Wilhelmstr. Rechts noch das alte Palais der Familie Reedern vor dem Abriss durch Adlon, das war glaub ich von Schinkel.