Neubrandenburg - Historische Fotos (Galerie)

  • Ahoi! Ich wollte euch meine Heimatstadt Neubrandenburg schon seit langem mal etwas näher bringen, doch die boomende Mecklenburger Wirtschaft hielt mich ständig von solch edlen Motiven ab :zwinkern:

    Eines gleich vorweg: Wer auch immer hier rein schaut - haltet euch mit Kommentaren bitte nicht zurück!
    Ich werde hier vielleicht keine absolut spektakulären Altaufnahmen einstellen, aber auch so ein kleiner Strang macht durchaus etwas Arbeit. Und ich finde, es ist nicht zu viel verlangt, hier mal ein paar Zeilen samt Meinung/Kritik zu lassen, wenn man sich schon die ganzen Bilder anschaut. Oder?

    Ach ja: Bitte auch nicht vom vielen Text abschrecken lassen, der ist nur als Ergänzung gedacht (wichtige Infos sind per Trennstrich von nebensächlichen abgespalten) - bin eben in die Ostprovinz verliebt :peinlich:

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    Im Regelfall werden ja in der Galerie zunächst aktuelle Bilder gezeigt, worauf nach einer Weile noch auf die ein oder andere Vorkriegsansicht eingegangen wird.
    Da die Erbse jedoch anders ist, macht sie's einfach mal umgekehrt: Ich werd euch hier zunächst einen Gang alte Pracht servieren und später dann mal einen Nachschlag mit aktuelleren Bildern anbieten - so wird quasi der geschichtliche Ablauf nachvollziehbar und ich kann euch zunächst im Glauben über eine heile Welt lassen :gg:

    Bevor ich soweit bin und eine frische Bilderschau abliefern kann, solltet ihr mal die Möglichkeit nutzen und dieser Seite einen Besuch abstatten.
    Dort finden sich nicht nur viele Aufnahmen von NB samt Umgebung, sondern auch jede Menge kurz gefasste Infos zur Metropole und seiner leiderfüllten Geschichte.

    Neubrandenburg wurde vor den Wirren des 2. WK nicht ohne Grund als "Rothenburg des Nordens" bezeichnet. Leider verdient es diesen klangvollen Beinamen seit dem Einfall der Roten Armee definitiv nicht mehr, vom mittelalterlichen Charme blieb nicht mehr viel. Trotz der heftigen Attacken konnte sich die beeindruckende Wallanlage samt der Stadttore in Backsteingotik jedoch erhalten - und seit jeher hat NB noch einen 2. Beinamen: Vier-Tore-Stadt.

    Die Stadt gehörte zu jenen im östlichen Mecklenburg-Vorpommern, die besonders heftig in Mitleidenschaft gezogen wurden - sie brannte lichterloh; die Sowjets raubten, mordeten und brandschatzten was das Zeug hielt.
    In der unmittelbaren Wiederaufbauzeit der 50er hat man glücklicherweise einen Großteil der Innenstadt in stalinistischer Prägung wiederaufbauen können - das Resultat ist für eine zu über 80% zerstörte Altstadt wirklich mehr als akzeptabel.

    Leider musste ausgerechnet der Marktplatz bis zum Jahre 1965 auf seine Fertigstellung warten und dem Zeitgeschmack entsprechend "angepasst" werden - seitdem krankt dieser auch an einem solchen Platz unwürdiger Plattenarchitektur. Doch dazu später mehr.

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    Zu den Bildern an sich: Da werde ich sowohl Aufnahmen aus verschiedensten literarischen Quellen zu Rate ziehen, als auch mein eigenes Archiv sowie diverse Internetseiten.
    Zudem werde ich die Aufnahmen je einmal bildschirmgerecht (ca. 800x600) und einmal als Thumbnail in Originalauflösung posten. Letzteres ist sicher nötig, um das ein oder andere Teile überhaupt erfassen zu können. Leider habe ich meinen guten vorigen Scanner nicht mehr (derzeit im Eimer) und muss mit einem recht alten Modell vorlieb nehmen. Bitte deshalb die sicher nicht überragende Qualität zu entschuldigen.

    Falls es irgendwelche Fragen gibt - einfach stellen! Mich dürstet geradezu nach eurem Unwissen :gg:

    Und nun viel Freude! Hoffe, dass ich ein wenig Interesse für meine Heimat wecken kann.

  • Die folgenden Aufnahmen entstammen dem kleinen aber feinen Werk "Neubrandenburg in alten Ansichten" (Verlag Europäische Bibliothek).
    Die Fotos sind enstprechend der Buchgröße geradezu winzig, meine Scans sind wesentlich größer als die eigentlichen Abbildungen.
    Dementsprechend lässt die Qualität etwas zu wünschen übrig, man erkennt aber immernoch genügend, um einen Anstieg des Wehmutsbarometers in Richtung Kaiserzeit verspüren zu können :zwinkern:

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    Zunächst mal ein Luftbild zum Überblick. Es zeigt Neubrandenburg um 1930, als die Stadt zu einem Top-Touristenstandort avanciert war.

    Hier fällt vor allem das klare Straßenraster Neubrandenburgs auf, durch welches es in 30 regelmäßige Quartiere gegliedert wurde. NB war eine der ersten Planstädte Mitteleuropas, die strukturierte Grundform erhielt sie schon im 13. Jahrhundert mit Errichtung der ersten Wallanlagen.

    Am oberen Rand erkennen wir die dominante Marienkirche (heute als Konzertkirche genutzt); bei der großen Platzanlage in der Bildmitte handelt es sich ganz offensichtlich um den alten Marktplatz samt Rathaus, zur linken dann das Palais - darauf geh ich auch noch ausführlicher ein.



    > Volle Auflösung (anklicken zum vergrößern):

  • Und weiter geht's. Die folgende Aufnahme stammt ungefähr aus dem selben Zeitraum wie vorige, wahrscheinlich anno 1931.
    Sie zeigt den Marktplatz vom Turm der Kirche St. Marien in Rchtung Norden blickend.

    Die pittoresken Fachwerkhäuschen im Vordergrund sind leider während der letzten Kriegswirren restlos abgebrannt.
    Ein ebensolches Schicksal ereilte das frühere Rathaus - es brannte 1945 aus, die Gebäudereste wurden Anfang der 50er abgeräumt, die Keller blieben jedoch (bis heute ) erhalten.

    Zur rechten vom Rathaus steht das 1775 erbaute fürstliche Palais. Der große Klotz am rechten Bildrand ist dann tatsächlich das erste Kaufhaus von Karstadt in Mecklenburg, gottlob :zwinkern: Die Neubrandenburger müssen sich sehr geehrt gefühlt haben, als der Betonbau 1927 eingeweiht wurde. Aber wenigstens war die Kundschaft sehr zahlungskräftig.

    Der Turm im Hintergrund gehört dann zur evangelischen Kirche St. Johannis, die auch heute noch für Gottesdienste und Orgelkonzerte genutzt wird.

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    Mehr zur Geschichte der beschriebenen Bauten gibt es u.a. auf der Seite schatzsuche-nb.de, die sich hauptsächlich mit der momentanen Umgestaltung auf dem Marktplatzareal und den vorangegangenen Ausgrabungen beschäftigt (bei der teils sehr wertvolle mittelalterliche Artefakte gefunden wurden).

    Seit dem Jahre 2006 wird unter dem Marktplatz eine neue Tiefgarage gebaut, über dieser wird der öffentliche Raum neu gestaltet und begrünt.
    Leider lassen die Planungen hier nichts gutes vermuten. Ich habe auch schon versucht, mit Stadtoberen eine Rekonstruktion des Rathauses bzw. eine historischere Platzgestaltung anzuschieben - leider vergebens. Vielleicht könnte ein wenig Druck von einer Gruppe Architekturinteressierter noch was bewirken :zwinkern:

    Werde später noch mal drauf zu sprechen kommen. Hier erstmal das besagte Foto vom Kirchturm:



    > Volle Auflösung (anklicken zum vergrößern):

  • Die erste kleine Bilderfuhre beende ich dann mal mit einigen Aufnahmen vom alten Rathaus auf dem Neubrandenburger Marktplatz
    (Hier nochmal Infos dazu - und hier ein paar Fakten inkl. aktuelle Bilder - nur für Hartgesottene! :zwinkern:).

    Es wurde wie gesagt '45 niedergebrannt, in den 50ern hat man die letzten Überreste abgeräumt, während die Keller bis heute konserviert werden konnte. Der Platz dieses Baus bleibt auch nach Fertigstellung des Marktplatzumbaus 2009 unbebaut - und eine kleine Reko könnte Neubrandenburg wirklich verdammt gut tun :zwinkern:

    Zumal es sich hier um einen ziemlich schlichten Barockbau handelt.
    Ursprünglich im Jahre 1588 errichtet, war er zahlreichen Bränden ausgesetzt (Stadtbrand 1676, 1737, diverse kleine) und wurde vielfach verändert.
    Seine hier gezeigte, zurückhaltende Form erhielt er anno 1747. An seine Bauzeit erinnerte nur noch ein Portalstein im Durchgang des Rathauses.

    Hier mein Scan aus "Neubrandenburg in alten Ansichten":


    > Volle Auflösung (anklicken zum vergrößern):


    Ergänzend dazu noch 2 Aufnahmen vom Bildindex:


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    Wie gesagt, ich habe mich hier zeitweilig auch für eine Rekonstruktion eingesetzt - sowas stößt in der (finanziell knapp bemessenen) Provinzstadt leider weitgehend auf taube Ohren. Dabei gäbe es handfeste Vorteile eines solchen Baus: NB hätte endlich wieder einen historischen Mittelpunkt (der noch aus nichts als sozialistischer Einöde besteht), es wäre der ideale Standpunkt für eine kulturelle Nutzung (der Platz wurde vor Beginn d. Bauarbeiten stark frequentiert), der ehemalige Ratskeller könnte als urige Kneipe wieder hergestellt werden (Fritz Reuter erdachte dort einige seiner bekanntesten Werke), die Mitte hätte wieder einen architektonischen Anhaltspunkt ihrer großen Historie und es gäbe schlicht weniger enttäuschte Gesichter beim Betreten des Marktplatzes, und - besonders wichtig - es gäbe den von Modernisten so oft geforderten spannenden Kontrast :aetsch:

    Ein barockes Rathaus zwischen stalinistischen Geschäftshäusern, einem 4-Sterne-Plattenbauhotel, einem 70m-Soziophallusturm und einem modern Einkaufszentrum - wo gibt's sowas schon? Vielleicht wäre die Wirkung etwas kurios, aber auf jeden Fall interessant. Außerdem fehlt hier einfach ein baulicher Bezugspunkt, der Marktplatz wird auch nach Fertigstellung der Tiefgarage nichts als eine Betonwüste sein.

    Jetzt werden sicher einige sagen: Aber das war doch nun wirklich kein besonderer Bau, wozu rekonstruieren? Gerade das ist der Vorteil mMn - es war ein schlichtes Gebäude, ergo: einfach/kostengünstig zu rekonstruieren (kaum Stuck & Dekorelemente, Aufbauten usw.). Zudem kann dadurch niemand ernsthaft mit dem Disney-Kitsch-Argument kommen. Auch wichtig: So ein schlichter Bau würde sich nicht so mit der umgebenden "Architektur" beißen, aber trotzdem richtig aufregend wirken.

    Und um mal zu zeigen, dass so etwas in M-V auch heutzutage noch geht (sogar mit aufwendigeren Bauten): Das 1998 rekonstruierte Rathaus von Demmin hat dem altehrwürdigen Marktplatz seine Fassung zurückgegeben und sich ein Plätzchen im Herzen der Demminer erkämpft. Ich habe es selbst von Bewohnern gehört, wie begeistert sie darüber sind, dass man diesen Bau wiederauferstehen ließ. Bei Stadtbild Deutschland wird u.a. auf dieses Projekt hingewiesen.


    Was meint ihr? Hat das alte Rathaus von Neubrandenburg noch eine Chance? Wie könnte man für einen Wiederaufbau argumentieren und wo die Gelder dafür auftreiben?

    Meine Meinung: NB braucht seine Mitte zurück! (Am besten samt Palais, Café Zandering, Hotel zur Goldenen Kugel, Gründerzeiteckbauten, Laternen, Denkmäler usw.)

  • [quote="erbsenzaehler"]

    , aber auch so ein kleiner Strang macht durchaus etwas Arbeit. Und ich finde, es ist nicht zu viel verlangt, hier mal ein paar Zeilen samt Meinung/Kritik zu lassen, wenn man sich schon die ganzen Bilder anschaut. Oder?
    quote]

    Schöne Einstellung, gefällt mir:

    Tue Gutes und rede darüber, nicht wahr? Die meisten Leute sind doch eher verhuscht.

    Ja, das arme Neubrandenburg, dessen wundervolle Tore wenigstens noch erhalten sind, dem wünschen wir von ganzem Herzen sein Herz, ähm, Rathaus zurück.
    :!:

  • Scheint eine sehr interessante Galerie zu werden - schön, dass Du so viel schreibst. Kurz nach der Wende war ich in Deiner kleinen Mecklenburg-Metropole, und als man die unglaublich beeindruckende Stadtumrahmung durchtreten hatte, befand man sich in einem gleichförmigen, monotenen Etwas in Grau - ein unbeschreibliches Gefühl!

    Die Stadt scheint im Vergleich zu ihren Nachbarn weniger fachwerkgeprägt gewesen zu sein?

    Zitat von "erbsenzaehler"

    Und ich finde, es ist nicht zu viel verlangt, hier mal ein paar Zeilen samt Meinung/Kritik zu lassen, wenn man sich schon die ganzen Bilder anschaut. Oder?

    Das gilt natürlich auch für Dich. Ich konnte Dich in meiner Freiburg-Galerie bisher leider nicht entdecken... :zwinkern:

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Zitat von "erbsenzaehler"

    Jetzt werden sicher einige sagen: Aber das war doch nun wirklich kein besonderer Bau, wozu rekonstruieren? Gerade das ist der Vorteil mMn - es war ein schlichtes Gebäude, ergo: einfach/kostengünstig zu rekonstruieren (kaum Stuck & Dekorelemente, Aufbauten usw.). Zudem kann dadurch niemand ernsthaft mit dem Disney-Kitsch-Argument kommen. Auch wichtig: So ein schlichter Bau würde sich nicht so mit der umgebenden "Architektur" beißen, aber trotzdem richtig aufregend wirken.


    Welche Nutzung soll dem Gebäude zugeführt werden (Rathaus unwahrscheinlich)?
    Wie gut ist das Innere des Gebäudes dokumentiert?
    Wie gut sind die Kellerreste erhalten?
    Wie viel würde eine Rekonstruktion kosten?
    Wie soll der Bau finanziert werden (grobe Skizze)?

    Zitat

    Wie gesagt, ich habe mich hier zeitweilig auch für eine Rekonstruktion eingesetzt - sowas stößt in der (finanziell knapp bemessenen) Provinzstadt leider weitgehend auf taube Ohren.


    Hier würde mich interessieren, wie du vorgegangen bist.
    Hast du Vergleichsbilder erstellt? Und damit meine ich nicht alte Fotos und neue nebeneinander zu halten. :zwinkern: Dabei fühlen sich die "Stadtoberen" schnell überfordert.

  • Zitat

    Meine Meinung: NB braucht seine Mitte zurück! (Am besten samt Palais, Café Zandering, Hotel zur Goldenen Kugel, Gründerzeiteckbauten, Laternen, Denkmäler usw.)


    meine Meinung!

    Zitat

    Hast du Vergleichsbilder erstellt? Und damit meine ich nicht alte Fotos und neue nebeneinander zu halten. Dabei fühlen sich die "Stadtoberen" schnell überfordert.


    So wie es fuer die Ulrichskirche in Magdeburg gemacht wurde auf http://www.ulrichskirche.de

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Zitat von "Brandmauer"

    So wie es fuer die Ulrichskirche in Magdeburg gemacht wurde auf http://www.ulrichskirche.de


    Genau, denn der Vergleich heute - morgen stöß in der Regel auf einen viel größeren Zuspruch als der Vergleich heute - gestern, obwohl im Idealfall ein und dasselbe dargestellt wird. :zwinkern:

  • Erstmal vielen Dank für die Reaktionen. Hatte schon befürchtet, mich hier langweilen zu müssen. Auf euch ist halt Verlass :zwinkern:

    Zitat von "FriedrichvonGaertner"

    Schöne Einstellung, gefällt mir:

    Tue Gutes und rede darüber, nicht wahr? Die meisten Leute sind doch eher verhuscht.

    Ja, das arme Neubrandenburg, dessen wundervolle Tore wenigstens noch erhalten sind, dem wünschen wir von ganzem Herzen sein Herz, ähm, Rathaus zurück. :!:

    Zu ersterem: Eben. Insgeheim freuen sich viele über alle möglichen Inhalte in solchen Foren, haben aber nicht die Eier, sich auch mal dazu zu äußern.

    Und ja, Neubrandenburgs Wallanlage hat wirklich Schwein gehabt. Man hat ja in den 70ern/80ern sogar zahlreiche der Wiekhäuser auf der Stadtmauer wiederhergestellt, allesamt in authentischer Fachwerkbauweise.

    Die komplett erhaltene Wallanlage in Backstein gilt in dieser Größenordnung weltweit als absolut einzigartig - daher rührte damals auch der Titel "Rothenburg des Nordens".
    NB gehört der "European Route of Brick Gothic" an und wird damit international vermarktet in dieser Hinsicht. In meinem Baedeker Reiseführer gibt's auf den ersten 5 Seiten gleich 2 stolze Abbildungen von den Stadttoren - so wird dort sonst keine Stadt geehrt :P

    Zitat von "youngwoerth"

    Kurz nach der Wende war ich in Deiner kleinen Mecklenburg-Metropole, und als man die unglaublich beeindruckende Stadtumrahmung durchtreten hatte, befand man sich in einem gleichförmigen, monotenen Etwas in Grau - ein unbeschreibliches Gefühl!

    Ja, die Stadt sah wie viele andere im Osten einfach nur furchtbar aus und es hing eine penetrante Braunkohlewolke über der Stadt. Es war dreckig und ungemütlich. Zum Glück bekam ich davon nicht viel mit, war damals noch sehr jung (aber kein Werther=). Seit dem hat sich aber eine Menge getan - der Großteil der stalinistischen Wohn- und Bürobauten ist vorbildlich saniert, die Altbauten sind allesamt fein rausgeputzt (viele gibt es ja eben nicht mehr). Das tolle ist, dass das Straßenraster noch genau dem von vor '45 entspricht - theoretisch könnte man alles rekonstruieren.
    Aber das wäre nicht mal in meinem Sinne - das Stalinismus-Ensemble hat schon irgendwie seinen eigenen Reiz und ist in diesem Umfang und der Qualität ziemlich einmalig (viell. kann Eisenhüttenstadt noch mithalten).
    Der Marktplatz könnte (bis auf das Center) aber komplett plattgemacht werden.

    Warst du denn mal in der Marienkirche drin? Oder auf dem "Kulturfinger" (HKB-Hochhaus am Marktplatz)? Die Aussicht von da oben ist einfach klasse, auch wenn der Turm potthässlich ist. Noch gibt's da eine Art DDR-Bar mit fast musealer Ausstattung - das Café Koni! Ich bin oft mit Freunden da oben, die Cocktails sind einfach geil und schlicht riesig. Leider wird der HKB-Turm im Zuge des Marktplatzumbaus demnächst saniert - es soll eine Art Medienzentrum entstehen. Zu diesem Zweck verjagt man mal eben eine der größten Attraktionen in der Stadt (eben jene Bar) aus ihren Räumlichkeiten, da so etwas angeblich nicht in ein "seriöses, modernes" Medienzentrum passen kann.
    Im Forum der Neubrandenburger Hochschule gibt's dazu auch eine Diskussion, sowie in vielen anderen Online-Foren rund um die Stadt. Niemand kann das verstehen!

    Das Problem: Ich kenn Koni (also den Betreiber) sehr gut - er findet in NB einfach keine geeigneten Räumlichkeiten, in denen er sich nach dem Umzug einquartieren könnte. Er hat schon Überlegungen angestellt, die Bar in Rostock oder anderswo zu eröffnen. Woran man wieder sieht: Politiker sind einfach unfähig, hinter den Bürgern zu stehen und 'ihre' Stadt sinnvoll voranzubringen :boese:
    Das HKB ist noch ganz gut vermietet, nach der Sanierung werden die Mieten stark erhöht werden und die jetzigen Mieter dürfen alle ausziehen. Bloß wo sollen die neuen herkommen? Die Medien, die in NB vertreten sind (NDR-Studio, Hauptzentrale vom Nordkurier, neu.eins TV-Studio usw.), haben alle ausreichende Räumlichkeiten. Kein Mensch braucht so ein Medienzentrum am Marktplatz!

    Leider zeigt man sich auch da wenig kooperativ. Der Bürgermeister Paul Krüger ist vielleicht noch am einsichtigsten, aber vorallem scheitert es auch an den arroganten Investoren. Aber auch dazu später noch mehr.


    Zitat von "youngwoerth"

    Die Stadt scheint im Vergleich zu ihren Nachbarn weniger fachwerkgeprägt gewesen zu sein?

    Das kommt darauf an, welche Städte du als "Nachbarn" betrachtest. Das kleine, auch heut noch sehr hübsche Burg Stargard bspw ist eher mittelalterlich geprägt und hat dadurch noch einige Fachwerkbauten zu bieten.

    Neustrelitz hingegen ist überwiegend vom Barock geprägt, auch viele Bauten des Klassizismus und der Gründerzeit finden sich. Beide Städte wurden vom Krieg einigermaßen verschont und sind dementsprechend noch wirklich sehenswert. Leider wurde jedoch das prachtvolle Neustrelitzer Schloss geplündert und angezündet, später von der DDR abgerissen.
    Der Schlosspark hingegen ist erhalten und wird grad aufwendig saniert - anstelle des Schlosses steht ein Platzhalter, der als Bühne für die Festspiele im Schlossgarten genutzt wird.

    Neubrandenburg hatte sogar sehr viel Fachwerk zu bieten, der Großteil der Fassaden war jedoch im 19./20. Jahrhundert verputzt worden. Das sieht man auf einigen Aufnahmen noch recht deutlich, die ich hier demnächst zeige.


    Zitat von "youngwoerth"

    Das gilt natürlich auch für Dich. Ich konnte Dich in meiner Freiburg-Galerie bisher leider nicht entdecken... :zwinkern:

    Sowas hatt ich schon erwartet :gg: Muss zu meiner Verteidigung allerdings sagen, dass ich nur mal einen flüchtigen Blick in deinen Freiburg-Thread geworfen hab. Ich war schon 2 mal (in der wirklich deftigen) Stadt im Breisgau und verspüre deswegen nicht so das Bedürfnis, mir das online noch mal alles anzuschaun. Live ist es eh viel schöner :zwinkern: Bei Gelegenheit werd ich aber sicher trotzdem noch mal reinschaun.
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    Anbei mal noch eine Postkarte von deutsche-schutzgebiete.de, die das Rathaus sowie das Palais im Hintergrund auf dem Marktplatz zeigt:

    Und noch mal fast das selbe Motiv von Zeno.org:

    Bild vom Rathaus in voller Auflösung

  • Vielleicht könnte man die Rekonstruktion des alten Rathauses den Stadtoberen auch tourismustechnisch schmackhaft machen. Die Bürger wären sicher auch dafür zu mobilisieren. Helfen würde dabei eine virtuelle Visualisierung, die das rekonstruierte Gebäude in der heutigen Umgebung sinnlich erfahrbar macht.

  • ^ Allerdings. Das meinte ich ja - dem Gebäude könnten zahlreiche Aufgaben zukommen, ob als Hotel mit Restaurant, Touristeninfo, Rathaus, Ausstellungsbau/Museum/Gallerie, Einzelhandel, Verwaltungsbau, ja vielleicht sogar als Wohnbau. An diesem Ort ist alles möglich.

    Zitat

    Helfen würde dabei eine virtuelle Visualisierung, die das rekonstruierte Gebäude in der heutigen Umgebung sinnlich erfahrbar macht.


    Du meinst, ich sollte jörg um Hilfe bitten? :gg:

  • Zitat

    Die Bürger wären sicher auch dafür zu mobilisieren.


    Ich frage mich, warum das nicht schon längst (erfolgreich) geschehen ist. - Ich meine, in einer Kleinstadt wie Neubrandenburg ist die Verbundenheit der Bürger mit der eigenen Stadt meist recht groß und das Interesse an einem derartigen Projekt vorhanden. :keine ahnung:

  • Zitat von "erbsenzaehler"

    Warst du denn mal in der Marienkirche drin? Oder auf dem "Kulturfinger"

    Leider nicht - hätte ich die damalige Dunstglocke mal von oben betrachten können. :zwinkern: Aber irgendwie hatte es auch was Eigentümliches, gar nicht nur negativ. So eine verlorene, vergessene Stimmung, andere Zeit, andere Welt - man konnte so auch mal für ein paar Momente der kapitalistischen Gegenwart mit ihren marmorbodigen Sparkassenfilialen entfliehen. Ich habe den deftigen Duft noch ein bißchen in der Nase...

    Zitat

    Niemand kann das verstehen!

    Es ist oft so, dass die wenigen Potentiale nicht erkannt werden, und diese stattdessen noch zunichte gemacht werden. Mit ein paar wenigen Handgriffen bspw. könnte Dresden so Viel gewinnen, aber stattdessen wird anhand einer kurzsichtigen und nicht nachvollziehbaren Logik agiert. (z.Bsp. die vorgeschriebene (und von den Verantwortlichen hochgelobte) Nase am Altmarkt, die die Proportionen des Neubaus verdirbt, und noch dazu das bißchen Historie am Altmarkt hinter Investitionsdreck versteckt - oder die Sanierung des Hochhauses Pirnaischer Platz)

    Zitat

    Das kommt darauf an, welche Städte du als "Nachbarn" betrachtest.

    Da hast Du Recht, Neustrelitz ist schießlich auch ein Nachbar. Ich dachte jetzt an die vielen kleinen Orte wie Waren, Röbel, Plau, Kyritz, Wittstock, usw.

    Zitat

    Ich war schon 2 mal (in der wirklich deftigen) Stadt im Breisgau


    :applaus: :D

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Die Rekonstruktion des Rathauses sehe ich genauso wie Du als ein städtebauliche Notwendigkeit an. Hattest Du denn schon mehrer Neubrandenburger dafür begeistern können, dass man einen Verein gründen könnte? Ich denke, angesichts der finanziellen Lage, müsste es das Ziel sein, ein Konzept vorlegen zu können und dann dafür einen Investor zu finden. Ist denn die Stadt, vom Geld abgesehen, denn überhaupt bereit? stehen denn die Fundamente nach Bau der Tiefgarage nochoder wurden diese mittlerweile beseitigt?
    Der Kulturfinger sieht ja auf den Bildern richtig übel aus, kein Vergleich mit dem Kulturpalast in Dresden und auch nicht mit dem Berliner Fernsehturm! Die Sanierung erscheint mir persönlich fragwürdig.
    Nachdem die Marienkirche nun Konzertkirche ist, welche fungiert denn jetzt als Stadtkirche? St. Johannis?

  • Also, als Erstes müßte mal dieses entsetzliche Hochhaus weg, das sowohl in Kubatur als auch Standort für eine Stadt dieser Größe einen absoluten Stilbruch darstellt. Das Hochhaus dominiert die ganze Stadt (ähnlich wie das MDR-Hochhaus in [lexicon='Leipzig'][/lexicon]).

    Daher sollte man eine Rekonstruktion des Marktplatzes unbedingt anstreben. Vielleicht ist das Rathaus ja der richtige Einstieg für größere Reko-Vorhaben in Neubrandenburg. Doch eingedenk der bisherigen Erfahrungen mit Rekos nach dem Motto "10 Jahre debattieren und dann ein Drittel von dem bekommen, was man verlangt hat", sollte man die Gründung eines Vereins auf die wichtigste Aufgabe konzentrieren.
    Und die lautet aus meiner Sicht - wie gesagt - Hochhaus weg und Marktplatz rekonstruieren. :zwinkern:

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Bevor ich auf die letzten Beiträge eingehe (vielen Dank dafür!) erstmal noch ein paar Bilder, damit das hier nicht zu textlastig wird :zwinkern:

    Kommen wir nun also zum Palais auf dem Marktplatz. Da ich heute zugegebenermaßen etwas schreibfaul bin, verweise ich bezüglich der Historie des Baus auf diese Seite.

    Ich werd nur kurz die wichtigsten Eckdaten nennen: Es wurde anno 1770 von Herzog Adolf Friedrich IV. von Mecklenburg-Strelitz als fürstliche Sommerresidenz in NB geplant. Fünf Jahre dauerten die Bauarbeiten an, das Palais wurde 1775 fertig gestellt. Fortan hat der Fürst mit seiner Familie hier seine Sommerfrische verbracht.
    Ab 1920 beherbergte das Gebäude dann die bedeutende Städtische Kunstsammlung von Neubrandenburg (welche 600 Gemälde, über 3000 Grafiken, Porzellan, Bronzen, kunsthandwerkliche Erzeugnisse sowie eine prachtvolle Bibliothek umfasste) und seit 1924 die Reutersammlung - die Stadt war wie besessen von ihrem großen Dichter Fritz Reuter.

    Den Rest kann man sich wohl (leider) denken - das Palais brannte während der letzten Kriegstage 1945 bis auf die Grundmauern nieder und wurde in den 50ern abgetragen. Die Städtische Kunstsammlung (welche vorher ausgelagert wurde) ist bis zum heutigen Tage verschollen, man vermutet, dass sie sich in russischem Privatbesitz befindet.


    Nun aber zu den Bildern. Dies folgenden stammen wieder aus meinem Büchlein "Neubrandenburg in alten Ansichten":


    > Anklicken für volle Auflösung:


    Und noch mal das Bild von zeno.org mit dem Rathaus auf dem Marktplatz im Vordergrund, damit hier noch mal etwas Farbe reinkommt (anklicken, um es in hoher Auflösung anzuzeigen):


    Und nun bewegen wir uns schon mal auf die Palaisstraße zu, um das Palais im Kontext zu betrachten. Ich komme aber später noch mal auf den Marktplatz selbst zurück.
    Die Palaisstraße war von prächtigen Bauten der Gründerzeit geprägt und war eine der 2 Hauptverkehrsadern in der Innenstadt (neben der Treptower Straße und der Turmstraße - siehe hier), sie bildete die Nord-Süd-Magistrale und war die Verlängerung der Eisenbahnstraße (welche vom Bahnhof aus in die Altstadt mündete).

    Links die Gründerzeitbauten, in der Bildmitte die Marienkirche, rechts das herzogliche Palais. Am Ende der Straße befindet sich (glücklicherweise auch heute noch) das prachtvolle backsteingotische Stargarder Tor.


    > Anklicken für volle Auflösung:


    Anschließend bewegen wir uns etwas weiter vom Palais weg, in Richtung Bahnhof. Hier sehen wir links ganz im Vordergrund einen Teil der Kaiserlichen Post (Reichspostgebäude), welche 1885 eingeweiht wurde. Hier mündet die Palaisstraße dann in die Eisenbahnstraße - auch dies ein Bereich, der überwiegend von Gründerzeitbauten geprägt ist. Sie wurden nach der Errichtung des Bahnhofes gebaut, um mehr Bewohner und Gewerbe in der Stadt aufnehmen zu können, da sie zunehmend beliebter wurde (vorallem in der Tourismusbranche). Die Neubauten ersetzten meist eher schlichte Fachwerkbauten sowie einige kleine barocke Bürgerbauten.

    Dies ist wiederum eine Aufnahme von zeno.org (anklicken, um das Bild in der Vollansicht anzuzeigen):


    Ik greut Di un segg! (Plattdeutsch für "Ringehaun" :zwinkern:)

  • Zitat von "erbsenzaehler"

    Die Städtische Kunstsammlung (welche vorher ausgelagert wurde) ist bis zum heutigen Tage verschollen, man vermutet, dass sie sich in russischem Privatbesitz befindet.


    ...oder in den großen staatlichen Depots, in denen keiner mehr durchblickt!

  • hallo Erbsenzähler,

    schön gemacht, anhand Deiner Galerie spürt man mal wieder wie brutal der Krieg gewütet hat. Es wäre schön wenn das Rathaus, St marien von innen ( Konzertkirvhe oweia ) und das Palais rekonstruiert würden.

    Weiter so !!