Heidelberg - Stadthalle

  • Und trotzdem verschwindet der Montpellierplatz, ein lauschiger Verweilort mit viel Grün, in der Altstadt und am Fluß gelegen - das allein macht das ganze Projekt für mich inakzeptabel.

  • Lauschig ist relativ. Tagsüber fahren 30.000 Autos nebendran vorbei (zwischen Platz und versifftem tiefergelegenem Schiffsanleger, erst dahinter kommt der Fluß), nachts dröhnt die "Havanna-Bar" am Ostbalkon der Stadthalle die ganze Umgebung zu (die Hinterlassenschaften von deren Besuchern findet man dann durchaus auch auf dem Montpellierplatz).

    Was mit Einschränkungen - auch bezüglich der Stadthalle selbst - zu wenig dargestellt wird sind die Auswirkungen des geplanten Neckarufertunnels. Durch diesen wird es beispielsweise möglich, die Stadthalle wieder zur Neckarseite hin zu öffnen, da dort die Straße verschwinden würde. In der aktuellen Fassung ist der Nordeingang doch (aus der Nähe) eher unansehlich.

  • Im Bürgerentscheid wurde nun erfolgreich entschieden, das Projekt zu begraben - allerdings denkbar knapp, die Gegner des Projekts erreichten bei einem nötigen Quorum von 25% auch nur 26% der Heidelberger Wähler. Im Süden und Westen Heidelbergs wäre das Quorum deutlich verfehlt worden.

    Angesichts dessen, dass die Stadthalle im derzeitigen Zustand alles andere als wirtschaftlich ist - städtischer Zuschuß 1 bis 1,2 Millionen pro Jahr - könnten sich hieraus allerdings auch für den Altbau negative Konsequenzen ergeben (im Gemeinderat haben die Befürworter des Ausbaus eine klare Mehrheit und könnten so etwa auch die Zuschüsse kappen).

  • :applausgrinsen:

    Gute Nachricht, sehr erfreulich!

    Natürlich muß man auch den wirtschaftlichen Aspekt berücksichtigen, nicht nur den ästhetischen. Aber da es ja durchaus Vorschläge für Alternativstandorte gab, muß diese Entscheidung ja nicht das Ende aller Bemühungen sein, HD als Kongreß-Standort zu stärken.

  • Von den Bürgern, die beim Bürgerentscheid abgestimmt haben, hat eine deutliche Mehrheit von 67,1 % den Anbau abgelehnt, nur 32,8 % stimmten für den Anbau. Vor dem Bürgerentscheid hatte die Stadtverwaltung (aus den Steuermitteln der Bürger) die Stadt mit Werbeplakaten für ihre Position geradezu gepflastert. Auch das offizielle Mitteilungsblatt der Stadt war rechtzeitig zur Werbebroschüre für den Neubau umfunktioniert worden. Die wenigen Plakate der Bürgerinitiative gingen dagegen unter. Von Waffengleichheit im Kampf um die Stimmen der Bürger, wie sie im Ausland teils gesetzlich vorgeschrieben ist, konnte keine Rede sein. Die Unbestechlichkeit der Bürger und das breite Bürgerengagement durch alle Schichten verdienen desto mehr Respekt.

    http://www.rnz.de/zusammen19/00_20100726060000_Heidelberger_kippen_Stadthallenanbau.php\r
    http://www.rnz.de/zusammen19/00_2010072 ... nanbau.php

  • Natürlich ist die Heidelberger Stadthalle als öffentlicher kultureller Veranstaltungsort ein Zuschussbetrieb, eine "Kommerzialisierung" der öffentlichen Kultur oder drastische Anhebung der Eintrittspreise nicht gewollt. Dass die Parallelnutzung als Kongresshaus, um Einnahmen zu generieren, heute nicht funktioniert, ist nicht weiter verwunderlich, da die Stadthalle nie für diesen Zweck gebaut wurde. Schon aus Denkmalschutzgründen stoßen Umbauten im Innern der Stadthalle an enge Grenzen. Die historische Bausubstanz mit üppiger Inneinrichtung im Stil von Neorenaissance mit Anklängen an Neobarock ist bemerkenswert gut erhalten. Höhepunkt ist eine der wenigen vollständig erhaltenen Konzertorgeln der Spätromantik in Deutschland, die heute ein Schattendasein führt.
    Die Chancen, einen Investor für ein modernes und funktionales Kongreszentrum an anderem Standort zu finden, dürften dagegen wegen der aktuell entstehende Bahnstadt, die zu den größten städtebaulichen Projekten in Deutschland gehört, deutlich gewachsen sein. Die Befreiung der Stadthalle von der heutigen unbefriedigenden und unwirtschaftlichen Doppelnutzung könnte sich für alle Beteiligte als Segen erweisen.

  • Ein Sieg von aufrechten Bürgern, die sich nicht ihre Stadt verschandeln lassen wollen und eine Niederlage von engstirnigen Stadtvertretern. Das ist ein deutliches Signal.

    ...

  • Zitat von "Schloßgespenst"

    Aber da es ja durchaus Vorschläge für Alternativstandorte gab, muß diese Entscheidung ja nicht das Ende aller Bemühungen sein, HD als Kongreß-Standort zu stärken.


    Mir ging es bei den wirtschaftlichen Aspekten weniger um den Kongreßstandort, sondern um das Gebäude Stadthalle an sich. Ich würds nämlich der Stadt durchaus zutrauen, die jetzt innerhalb der nächsten 5 Jahre dichtzumachen um Geld zu sparen. Schließlich gibt es auch für die anderen Sachen, die in der Stadthalle laufen, ausreichend Alternativstandorte.

    Zitat von "Mathias"

    Von den Bürgern, die beim Bürgerentscheid abgestimmt haben, hat eine deutliche Mehrheit von 67,1 % den Anbau abgelehnt, nur 32,8 % stimmten für den Anbau.


    Relevant ist ausschließlich das Quorum von 25%, zumindest solange wir unter einer Wahlbeteiligung von 50% bleiben. Und die würde man nur erreichen wenn man derartige Entscheide an die Bundes- oder Landtagswahlen knüpft.

    Zitat von "Mathias"

    Vor dem Bürgerentscheid hatte die Stadtverwaltung (aus den Steuermitteln der Bürger) die Stadt mit Werbeplakaten für ihre Position geradezu gepflastert.


    Die Anbaugegner ebenso - nur eben mit 3 Wochen Vorsprung. Und inhaltlich kamen da auf beiden Seiten Sachen, wo man nur den Kopf schütteln konnte.

    Zitat von "Mathias"

    das breite Bürgerengagement durch alle Schichten


    Tut mir leid, aber genau das muß ich den Anbaugegnern doch deutlich absprechen. Die Stimmverteilung und Wahlbeteiligung bei der Abstimmung macht deutlich, daß diese ausschließlich in den gehobeneren Vierteln, das heißt gleichzeitig auch den eigenen Parteihochburgen, ausreichend mobilisieren konnte. Das gilt allerdings genauso auch für die Befürworter.

    Im Süden (Rohrbach, Kirchheim, Emmertsgrund, Boxberg) und Westen (Pfaffengrund, Wieblingen), wo die weniger gehobenen Schichten Heidelbergs wohnen, wäre das Quorum in keinem einzigen Stadtteil erreicht worden.
    Deswegen fiel ja auch das Ergebnis hinterher so knapp aus - nur ums zu vergewärtigen, das notwendige Quorum wurde nur um 999 Stimmen übertroffen.

  • Zitat von "kato"

    Im Süden (Rohrbach, Kirchheim, Emmertsgrund, Boxberg) und Westen (Pfaffengrund, Wieblingen), wo die weniger gehobenen Schichten Heidelbergs wohnen, wäre das Quorum in keinem einzigen Stadtteil erreicht worden.

    Naja, ein Plattenbauviertel wie Emmertsgrund dürfte auch in anderen Großstädten nicht repräsentativ sein, wenn es um eine Meinung zur städtebaulichen Entwicklung der eigenen Stadt geht.

  • Aber dort gibt es bei fast jeder Abstimmung (z.B. bei Kommunalwahlen) eine deutlich geringere Wahlbeteiligung. Mit diesem Argument könnte man also auch die Legitimtät von Stadtrat und Oberbügermeister bestreiten. Es ist nunmal so, dass wohlhabende Bürger sich an der demokratischen Meinungsbildung ( wie auch bei allen anderen gesellschaftlichen Aktivitäten) stärker beteiligen als ärmere Schichten - war immer so und wird so bleiben. Insofern scheint mir die These ein bisschen konstruiert.

  • Ich hatte Verwandte in Wieblingen wohnen. Schickes Einfamilienhaus. Es kam mir eigentlich nie als ein Viertel "ärmerer Schichten" vor. Eher als ein nettes Vorstädtchen mit teils dörflichem Charakter. Aber vielleicht gibt es da ja Ecken, die ich nicht gesehen habe.

  • Zitat von "HalleLuja"

    Aber dort gibt es bei fast jeder Abstimmung (z.B. bei Kommunalwahlen) eine deutlich geringere Wahlbeteiligung.


    Das gilt vielleicht für den Emmertsgrund (Kommunalwahl 31%, Bürgerentscheid 20%), aber nicht für die restlichen fünf Stadtteile in denen ein vielfaches deren Einwohner wohnt. Die liegen üblicherweise ziemlich "mittig".

    Zitat von "Heimdall"

    Aber vielleicht gibt es da ja Ecken, die ich nicht gesehen habe.


    Die Hälfte der Wieblinger Einwohner wohnt entweder in Wieblingen-Süd (Plattenbauten) oder Wieblingen-Ost (GGH-Sozialbausiedlung, derzeit im Umbau).

    Wieblingen wählt dazu generell eher "schwarz-grün". Allerdings läßt sichs darauf nicht zurückführen, da in sämtlichen Stadtteilen Heidelbergs die Anbaugegnerparteien in der letzten Kommunalwahl keine 50% geschafft haben. Rangiert auch in den "ablehnenden" Stadtteilen teilweise unter 40%.