Potsdam - sonstiges Baugeschehen

  • anhand der Fresken, die im 20er Jahre Art Sportspiele darstellen, würde ich auf Jugendstil / Heimatstil tippen. Also ebeso wie die gegenüber liegenden Gebäude und die besagten Bauhaus-Villen, gleiche Epoche.
    Noch vor wenigen Jahren war ein Schriftzug auf dem Portikus zu lesen.

    Ach ja, die oben gezeigte vierte Villa (Art Neo-Klassizismus von 1928) steht ebenfalls zum Verkauf. Mir schwant böses...

    Einmal editiert, zuletzt von Luftpost (19. Juli 2011 um 21:15)

  • Luftpost

    Nichts gegen dich, aber in meinen Augen und wahrscheinlich der anderen auch entsteht immer mehr der Eindruck, dass du bezüglich Potsdam nur schwarzmalst. Man könnte anhand deiner Meldungen meinen, dass immer mehr und mehr historische Gebäude weggeräumt werden und sich die Moderne in Potsdam rasant ausbreitet und Plattenbauten renoviert werden, damit sie erhalten bleiben sollen (als DDR-Andenken). Da muss ich dir leider widersprechen, auch wenn du viel näher am Geschehen dran bist als ich. Wenn ich mich nicht täusche, gibt es auch von Seiten der Stadt ernsthafte Bemühungen z.B die Kellertorbrücke zu rekonstruieren oder das Neustädter Tor (Potsdam: Rathaus verscherzte sich Hauptstadtvertrag - Neueste Nachrichten aus Potsdam). Ich glaube es ist auch im Sinne dieses Forums nicht nur den schwarzen Peter an die Wand zu malen, sondern auch über Bemühungen seitens der Stadt oder der Bürger zu informieren.

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • soll ich mal die sanierten Plattenbauten fotografieren? Ganz ehrlich: habe keine Lust darauf, meine Speicherkarten zu verschwenden. Besagte Kellertorbrücke und Neustädter Tor sind zwei Meldungen, die erstmalig und einzig in dem oben verlinkten Artikel der PNN auftauchten und dienen -meiner Ansicht nach- nur als Feigenblatt dafür, was die eigentliche Intention der Potsdamer Stadtregierung und nun besonders der Landesregierung ist: den großflächigen Abriss der Bauten, die die DDR mangels Ressourcen nicht durchführen konnte, nun zu vollenden.
    Weiterhin macht es doch keinen Sinn, eine Kellertorbrücke zu errichten, wenn der dazu gehörige Stadtkanal an der Stelle noch garnicht ausgegraben ist, die Breite Straße an dieser Stelle nicht auf 2 Fahrspuren verengt wurde. Zudem kenne ich keinen Bebauungsplan Potsdams, in dem diese Unternehmen angekündigt, eingezeichnet oder auch nur angedacht wurden. Und den 2. Obelisken des Neustädter Tores hätte man schon aus der Portokasse der Potsdamer Stadt in jedem, der letzten 20 Nachwendejahren errichten können. Alles Aussagen eines Nicht Wollens. Nicht eines Nicht Könnens. Oder anders Feigenblattbehauptungen. Warum werden jetzt also diese "Bauvorhaben" in der mittlerweilen Kirschroten PNN benannt, wenn im gleichen Artikel die Streichung aller weiteren Rekonstruktionen und Baumaßnahmen für Rekonstruktionen aufgrund der Streichung des Hauptstadtvertrages beschrieben wird. Damit muss man nun dies also nicht mehr Verwirklichen und kann wunderbar behaupten, man hätte ja, wenn da nicht... Pure Propaganda dieser Zeitung oder der Stadtoberen oder beides zusammen. Bestens gelernt von der DDR, aber dazu kommen wir noch...

    Wer jetzt die so hochgejubelte "Rekonstruktion" des Stadtschlosses noch heran zieht, dem kann ich nur sagen, der hat keine Ahnung. Die wird eine Persiflage auf den ehemals so wunderschönen Knobelsdorff - Bau. Es ist doch bezeichend, dass die Stadt entscheidet, eine Straßenbahn durch die Kolonaden zu leiten und damit
    1. die Rekonstruktion des Schlosses zwingend zu stauchen, da das Lichtraumprofil nicht mehr gegeben ist,
    2. damit natürlich auch die zugehörigen Kolonaden zu verhindern,
    3. auch die Hohewegstrasse, (heutige Friedrich Ebert Straße) zu verhindern, womit auch die Acht-Ecken-Kreuzung unmöglich wird!
    4. und Rekontruktionen auf der einen Seite der Hohewegstraße auch unmöglich werden, da die Fassaden / halben Gebäude nun durch die Straße abgeschnitten wurden und nicht mehr an ursprünglicher Position errichtet werden können.
    Gleichzeitig hat die Stadt keine 10 Millionen um die wesentliche Sichtachse, die durch das Interhotel (heute Mercure) gestört wurde, zurück zu kaufen und abzureissen; kann aber 13 Millionen für einen 500-Meter-Uferweg am Griebnitzsee ausgeben, damit ein ehemaliger Patroullienweg der Mauer, ein dauerhaft öffentlich begehbarer Uferstreifen wird (mit den 13 Millionen werden die Anreiner enteignet und das BfI bezahlt). Anderseits will man 60 Märkische Seen vom BfI geschenkt haben, weil die ja zu DDR Zeiten Volkseigentum waren und damit "noch immer sind" und keinesfalls wie Mecklenburg-Vorpommern dafür 1.5 Millionen Euro zahlen...

    Wenn man daneben vergleicht, welche Neubauten, Sarnierungen und Rekonstruktionen seither genehmigt werden, unterstreicht dies den Duktus meiner hier kritisierten Aussagen. Potsdam ist die Hauptstadt der "Kleinen DDR". Und die DDR ist nicht sorgsam sondern vernichtend mit dem preussischem Erbe umgegangen. Vernichtet wurden seit der Wende (hier nur das Gröbste):
    - Abriß der Lindenstraße zwischen Gutenberg Str. und Hegelallee als Verwirklichung der Abrissbeschlüsse der DDR im UNESCO-Welterbegebiet noch 1990 / 1991
    - Abriß O&K Werk, (zu DDR Zeiten Karl-Marx-Werk) in Babelsberg ca. 1995
    - Abriß Standbahnhof Potsdam und RAW (das älteste zusammenhängende Bahnausbesserungswerk Europas, 150 Jahre Industrie- und Baugeschichte) 1997 / 2007
    - Abriß / Entkernung der Speicherstadt 1993 / 2011 (300 Jahre Baugeschichte, aus jedem Jahrhundert mindestens ein Speicher, der älteste Wurde zuerst abgerissen)
    - Entkernung des Karstadt-Kaufhauses (Jugendstil) 2003
    - diverse Entkernungen in der 2. Barocken Stadterweiterung (besagtes UNESCO Welterbe) und der weiteren Innenstadt
    - Abriß Alter (1903) und bald auch Neuer (1930) Straßenbahnhof (man hat ja nun einen Nagelneuen auf der grünen Wiese).
    Ach übrigends: gerade wurde Potsdams ältestes Gebäude (1640) zum Mindestgebot versteigert. Zuvor hat eine 100%tige Tochter der Stadt "Pro Potsdam GmbH" (die haben sich gerade eine "schicke" Repräsentanz im Bornstedter Feld errichtet) das Gelände mit den 4 enthaltenen Gebäuden 20 Jahre verfallen lassen. Interessenten haben von denen eine Forderungshöhe von 700.000 € gehört, verhökert wurde es nun für 195.000 € (inklusive der 5000m² Land). Glücklicher Weise hat die Stadt Potsdam, schon vor der Versteigerung, die Abrißgenehmigung für die Ruine eines Fachwerk-Hofgebäudes, welches ein gewisser Persius errrichtete, auf diesem Gelände steht und dessen Erstes war, verfügt. Als Pro Potsdam das Gelände überschrieben bekommen hatte, befanden sich auf allen Gebäuden noch Dächer... Ein Schelm wer böses....

    Und damit schließe ich meinen Kurzvortrag an die Unwissenden, Nichtwissenden oder Nicht-Wollenden.
    Herzlichst, Euer Luftpost

    18 Mal editiert, zuletzt von Luftpost (20. Juli 2011 um 21:00)

  • Ich muss eh sagen, das mir die bisherigen Visualisierungen des Landtagsschlosses als eher misslungen erscheinen. Es sieht einfach...merkwürdig aus. Am schlimmsten ist die Dachlandschaft. Es scheint so ein pseudohistorischer Zwitterbau zu werden. Nicht Halbes nichts Ganzes. Von einer Rekonstruktion kann man nicht mehr unbedingt reden. Eher vielleicht von einer modernen Interpretation.

  • Ich muss Breslau06 uneingeschraenkt Recht geben.

    Der User "Luftpost" versteift sich absolut auf die in seinen Augen negativen Aspekte der Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte. Selbst obige Liste ist doch zum Teil nur ein schlechter Witz.
    Kaum jemand in Potsdam oder auch anderswo erwartet eine 100%ige Wiederherstellung der alten historischen Mitte. Wir leben schliesslich nicht mehr im 17./18. Jahrhundert, sondern im Jahre 2011. Daher ist es nur logisch, dass bsplw. eine Strassenbahn in den Umplanungen der Potsdamer Mitte integriert wird und nicht jeder alte Schuppen (s. RAW oder Speicherstadt) erhalten bleibt.

    Ja, dabei geht hin und wieder - manchmal sicherlich auch mutwillig - historisch wertvolle Bausubstanz den Bach runter, aber ansich kann man mit der derzeitigen Stadtregierung noch zufrieden sein, da sie sich darauf festgelegt hat, im groben Rahmen die Potsdamer Innenstadt wieder aufleben zu lassen.

    Wuerde man eine konsequente und kompromisslose Linie wie von Luftpost gefordert und bsplw. von den Gruenen und der FDP im Stadtparlament verteten durchsetzen, wuerde dies nur in die Haende des Gegners eines historischen Wiederaufbaus auch nur eines Gebaeudes spielen - der Linken. Von daher sind die Kompromissloesungen, die in Potsdam gefunden werden, mehr als in vielen anderen deutschen Staedten ueberhaupt erreichbar waeren. Luftposts Gejammer ist dementsprechend auch auf sehr hohem Niveau.

  • Solche Dinge kann man auch privat schreiben, dafür gibt es PNs. Es wäre schön, wenn man sich im öffentlichen Forum Sachthemen zuwenden könnte.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • ^^ richtig.

    Nur leider wird hier nicht auf das Sachthema oben eingegangen, sondern die nachweisbare Liste als "schlechter Witz" diffarmiert. Wer die Speicher-Gebäude in der Speicherstadt von Persius, Schinkel und Schlüter oder auch die ehemaligen Gebäude der Berlin-Potsdamer Eisenbahngesellschaft als "Schuppen" bezeichnet, hat -nach meiner Ansicht- sich selbst hier mit seinem achritektonischen Sachverstand deklassiert.
    Oder auch: wir leben im 21. Jahrhundert, also richtet sich das Schloss nach der Straßenbahn und nicht die Straßenbahn nach dem Schloss. Es gab auch keinen mahrfach bestätigten Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, in dem es heißt, das das Schloß originalgetreu in seinen Um- und Aufmaßen wiederzuerrichten ist? Und die Straßenbahn gehört auch nicht der Stadt Potsdam, der Oberbüergermeister der Stadt hat demnach auch keinen Einfluß darauf, das die für den Schlossneubau geänderte Linienführung auch nicht den Schlossneubau behindert? Schließlich ist ja nun die Straßenbahn zuerst da, und auch wenn die Gleisführung extra für das Schloss verlegt wurde, was kann denn der Oberbüergermeister dafür, das sich da anscheinend jemand um ein paar Zentimeter oder Meter vermessen hat, sodaß das Schloss nunmal nun weichen muss. War alles keine Absicht, natürlich nicht. Huch, haben wir da etwa ein Problem mit dem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung wegen den Um- und Aufmaßen. Nun sein Sie mal bitte nicht so Kleinlich, Luftpost....


    Oder fürs einfache Gemüt habe ich hier noch einen passenden Spruch parat: getroffene Hunde bellen.

    Herzlichst
    Luftpost

    Einmal editiert, zuletzt von Luftpost (20. Juli 2011 um 23:55)

  • also ich bin auch der Meinung, dass die Strassenbahn dem Schloss zu weichen hat !! Luftpost hat völlig recht, wie weit wird denn das " Schloss" gestaucht werden?

  • Und das Sachthema waere? ;)

    Aber um nochmal auf die Liste zurueck zu kommen:

    - Abriß der Lindenstraße zwischen Gutenberg Str. und Hegelallee als
    Verwirklichung der Abrissbeschlüsse der DDR im UNESCO-Welterbegebiet
    noch 1990 / 1991
    -- Tatsaechlich ein trauriger Verlust, aber aufgrund der ansonsten erhaltenen und restaurierten Substanz verschmerzbar. Die Gebaeude waren unbestritten in einem vernachlaessigtem Zustand.


    - Abriß O&K Werk, (zu DDR Zeiten Karl-Marx-Werk) in Babelsberg ca. 1995
    -- Nicht das gesamte Werk wurde abgerissen (s. Lok-Zirkus). Ansonsten bestand das Gelaende zumeist aus obsolet gewordenen lndustriebrachen.


    - Abriß Standbahnhof Potsdam und RAW (das älteste zusammenhängende
    Bahnausbesserungswerk Europas, 150 Jahre Industrie- und Baugeschichte)
    1997 / 2007
    -- Hier wurden im damaligen Potsdamer Groessenwahn tatsaechlich einige Fehler beim Abriss des Bahnhofs und vor allem bei der Neubebauung getan. Bzgl. des RAWs gilt hauptsaechtlich das gleiche wie beim O&K Werk. Auch hier wurden wenige Relikte belassen.


    - Abriß / Entkernung der Speicherstadt 1993 / 2011 (300 Jahre
    Baugeschichte, aus jedem Jahrhundert mindestens ein Speicher, der
    älteste Wurde zuerst abgerissen)
    -- Auch hier gilt, dass signifikante Gebaeude belassen wurden. Da die Grundrisse der Speicher eine andere Nutzung - ob Gewerbe oder Wohnungen - nahezu unmoeglich machen, ist eine Entkernung nun wirklich nichts anklagenswertes. Andererseits waere die Substanz vollends verloren gewesen.
    Welche Persius-, Schinkel- und Schlueterspeicher, die sanierungswuerdig gewesen waeren, wurden denn abgerissen? Kenne nicht die Architekten eines jeden Gebaeudes der Speicherstadt/Schlachthof.


    - Entkernung des Karstadt-Kaufhauses (Jugendstil) 2003
    -- Warst Du mal im Horten drin nachdem (unter welchen Umstaenden auch immer) es ausgebrannt war? Das wichtigste ist, dass der Lichthof, wenn auch leicht versetzt erhalten blieb. Die alte Raumaufteilung und das ausladende Treppenhaus, nicht zuletzt der kleine Grundriss haetten eine zukuenftige Kaufhausnutzung unmoeglich gemacht.


    - diverse Entkernungen in der 2. Barocken Stadterweiterung (besagtes UNESCO Welterbe) und der weiteren Innenstadt
    -- Das die barocke Raumaufteilung in diesem Bereich nicht mit modernen Anforderungen der Einwohner und Gewerbetreibenden vereinbar ist, sollte einleuchtend sein. lch sehe hier keinen Frevel.


    - Abriß Alter (1903) und bald auch Neuer (1930) Straßenbahnhof (man hat ja nun einen Nagelneuen auf der grünen Wiese
    -- Von welchen Bahnhoefen sprichst Du hier? Einen "Strassenbahnhof" gibt und gab es meines Wissens nach nicht in Potse.

    Das zeigt doch schon, dass die Aussage, dass Landesregierung und Stadtverwaltung "den großflächigen Abriss der Bauten, die die DDR mangels Ressourcen nicht durchführen konnte, nun zu vollenden" versuchen, nicht stimmt.

    Zusammenfassend moechte ich noch sagen, dass ich hier gar nicht als Kontrapunkt auftreten moechte, aber es auch nicht verstehen kann, wie ein Abriss einer jeden lndustriebrache (drei davon sind oben vorgestellt) bis auf's letzte verteidigt wird. Die Gesellschaft und auch Architektur entwickelt sich weiter. ln jedem der angebrachten drei Beispiele wurden signifikante Reste belassen und zum Teil liebevoll saniert - dies muesste meiner Meinung nach auch einmal wertgeschaetzt werden, da es keine Selbstverstaendlichkeit in Zeiten von ROls ist.

  • Zitat

    Da die Grundrisse der Speicher eine andere Nutzung - ob Gewerbe oder Wohnungen - nahezu unmoeglich machen, ist eine Entkernung nun wirklich nichts anklagenswertes.

    Zitat

    Das wichtigste ist, dass der Lichthof, wenn auch leicht versetzt erhalten blieb. Die alte Raumaufteilung und das ausladende Treppenhaus, nicht zuletzt der kleine Grundriss haetten eine zukuenftige Kaufhausnutzung unmoeglich gemacht.

    Zitat

    Das die barocke Raumaufteilung in diesem Bereich nicht mit modernen Anforderungen der Einwohner und Gewerbetreibenden vereinbar ist, sollte einleuchtend sein. lch sehe hier keinen Frevel.

    Das ist aber eine sehr gewagte Argumentation bzw. ein Denkmalbegriff, der aus der Gründerzeit stammen könnte. Wenn man sowas anhängt, reduziert man den Wert eines Baudenkmals auf seine Fassade und leistet auch noch Bestrebungen Vorschub, eben mal was abzureißen und dann als Betonfake wieder aufzubauen. Wobei Fake die einzig richtige Bezeichnung ist, da schon aufgrund von Bauvorschriften eine originalgetreue Errichtung bereits gründerzeitlicher Gebäude heute gar nicht mehr möglich wäre. Es ist ein Mythos (gerne von Politikern und gewissen Stararchitekten kolportiert), dass eine „zeitgemäße“ (was auch immer das sein soll) Nutzung alter Gebäude nur mittels Entkernung zu realisieren wäre.

    Ich kann dir nur ans Herz legen, dich mal eingehend mit Literatur zur Denkmalpflege (beispielsweise jüngeren Denkmaltopgoraphien etwa zu Lüneburg) zu befassen. Oder mal vom Krieg verschonte Städte wie Naumburg an der Saale oder Freiberg in Sachsen anzugucken, wo ein Geschäftsleben trotz Gewölben in fast jedem Erdgeschoss und bemalten Holzbalkendecken in den Obergeschossen normal stattfinden kann. Entkernung bedeutet für einen Profanbau das, was das totale Ausbrennen einer Kirche im Zweiten Weltkrieg bedeutete - den Verlust aller Zeitschichten, die ein Gebäude konserviert hat. Beispiele gibt's ja gerade in den neuen Bundesländern genug, was da teilweise nach Jahrhunderten unter alten Tapeten hervorgeholt wird.

  • Wobei Entkernung natürlich nichts neues ist - schon der Frankfurter Römer oder das Dresdner Hotel de Saxe (ich meine die Originale) enstanden durch Entkernung und Zusammenfügung mehrerer Gebäude. Überhaupt ging man doch früher recht locker mit Gebäuden um, mal wurde die Fassade komplett umgestaltet, mal ein Kirchturm neu angefügt (der heute natürlich auch wieder unter Denkmalschutz steht und nicht mehr entfernt werden darf).

    Gebäude sind meines Erachtens einfach work in progress, da stimme ich Philippe zu.

  • Überhaupt ging man doch früher recht locker mit Gebäuden um


    Da konnte man es sich auch mehr oder weniger erlauben. In kriegszerstörten Städten sieht das schon anders aus. Andere Zeiten verlangen andere Prioritäten.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
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  • - Abriß der Lindenstraße zwischen Gutenberg Str. und Hegelallee als
    Verwirklichung der Abrissbeschlüsse der DDR im UNESCO-Welterbegebiet
    noch 1990 / 1991
    -- Tatsaechlich ein trauriger Verlust, aber aufgrund der ansonsten erhaltenen und restaurierten Substanz verschmerzbar. Die Gebaeude waren unbestritten in einem vernachlaessigtem Zustand. .

    Soso, wenn es um den Zustand der Gebäude ging, auf denen Demkmalschutz- oder gar UNESCO-Welterbestatus liegt, dann hatte die DDR guten Grund, sogut wie jegliches historisches Erbe abzureissen. Nach 40 Jahren nichtstun sieht einfach jedes Gebäude herunter gekommen aus.
    Oder geht es hier darum, dass hier ein Gebäude als Schandfleck titulliert wird, weil gerade die Farbe abblättert und damit der historische Wert des Gebäudes unwiederbringlich verlohren und somit zu beseitigen ist. So scheint mir die heutige Argumentationslage zu liegen.
    In beiden Fällen empfehle ich, sich noch einmal eingehend mit Kulturgütern im allgemeinen, dem Denkmalschutzgesetz im besonderen und der zusätzlich besonderen politischen Situation von Potsdam auseinander zu setzen. Meine Beiträge hier sollten dies eigentlich schon ein wenig aufgehellt haben...


    - Abriß O&K Werk, (zu DDR Zeiten Karl-Marx-Werk) in Babelsberg ca. 1995
    -- Nicht das gesamte Werk wurde abgerissen (s. Lok-Zirkus). Ansonsten bestand das Gelaende zumeist aus obsolet gewordenen lndustriebrachen.


    Von dem besagten Werk steht nichts mehr, ausser dem herausragendsten Gebäude: der Ringfabrikationshalle. In der Halle befand sich eine Drehscheibe und Sternmäßig gingen Flügel davon ab, in denen die Dampfloks montiert wurden. Dieser Halle hat man nicht nur die Drehscheibe genommen, sondern auch sämtliche Flügel abgerissen, sodaß der Sinn des Gebäudes komplett verloren gegangen ist. Heute ist es nicht mehr ohne Geschichtswissen zu verstehen. Zudem muss man sagen, dass das gesamte Gebäude unter Denkmalschutz stand. Errichtet 1899. Schön markiert in dieser Karte. Und das die weiteren Gebäude nicht alles belanglose Schuppen waren, ist hier zu erkennen.


    - Abriß Standbahnhof Potsdam und RAW (das älteste zusammenhängende
    Bahnausbesserungswerk Europas, 150 Jahre Industrie- und Baugeschichte)
    1997 / 2007
    -- Hier wurden im damaligen Potsdamer Groessenwahn tatsaechlich einige Fehler beim Abriss des Bahnhofs und vor allem bei der Neubebauung getan. Bzgl. des RAWs gilt hauptsaechtlich das gleiche wie beim O&K Werk. Auch hier wurden wenige Relikte belassen.


    Die besagten "wenigen Relikte" sind einmal der unter Denkmalschutz stehende alte Wasserturm (der von der DB beim Bahnhofsneubau halb abgerissen wurde und wieder rekonstruiert werden musste - warhscheinlich die einzig wahre Rekontruktion in Potsdam), die Alte Wagenhalle (ebenfalls Denkmalschutz), welche gerade erst 2 Wagenhallen-Stände wegen Abriß eingebüßt hat, da die Stadt Potsdam eine Taxihaltestelle als wichtiger Empfand. Beide Gebäude wurden noch von der Berlin-Potsdamer Eisenbahngesellschaft 1835 errichtet, sind also die ältesten Bahndenkmäler in Deutschland. Zugehörig hätten noch 3 Lokstände des Ringlokschuppens benannt werden können. Doch die wurden zusammen mit dem Schlachthof (neben der Speicherstadt) im Frühjahr platt gemacht.
    Zudem existiert noch die "Neue Halle" von irgendwas um 1900 herum. Die wurde zunächst für eine "Messe Potsdam" stehen gelassen. Da Potsdam bis heute keine Messe hat, mehrt sich Abrissstimmungsmache in der Presse. Das Ganze habe ich schon mal hier und hier beleuchtet und mit reichlich Fotos angereichert.


    - Abriß / Entkernung der Speicherstadt 1993 / 2011 (300 Jahre
    Baugeschichte, aus jedem Jahrhundert mindestens ein Speicher, der
    älteste Wurde zuerst abgerissen)
    -- Auch hier gilt, dass signifikante Gebaeude belassen wurden. Da die Grundrisse der Speicher eine andere Nutzung - ob Gewerbe oder Wohnungen - nahezu unmoeglich machen, ist eine Entkernung nun wirklich nichts anklagenswertes. Andererseits waere die Substanz vollends verloren gewesen.
    Welche Persius-, Schinkel- und Schlueterspeicher, die sanierungswuerdig gewesen waeren, wurden denn abgerissen? Kenne nicht die Architekten eines jeden Gebaeudes der Speicherstadt/Schlachthof.


    Nur mal, um zu zeigen, was für "Schuppen" dort verschwunden sind. Diese Schuppen hätten in anderen Städten an den zentralen Marktplätzen gestanden. Bildrechte bei mir.
    Abgerissen:

    Zukunft offen:


    Abgerissen:

    Schinkelspeicher, der nach vorn strebende Flügel wurde als erstes in den 90ern abgerissen.

    Und so sieht selbiger Specher nun von innen aus! Man beachte die abgesägten Holzträger, auf denen die Decken ruhten! Ca. 50x50cm Stärke, die hätten locker noch 500 Jahre gehalten!



    So sieht ein entkerntes Gebäude aus! Das ist somit völlig geschichtslos! Und in wenigen Jahren wird man sagen, da da nur noch eine 3 Ziegelstein-Hülle um einen fremden Baukörper steht, kann man die auch noch abreissen!


    Auf den dann folgenden Mist gehe ich nicht mehr groß ein. Klar ein ehemaliges Kaufhaus kann nicht als Kaufhaus genutzt werden. Wie platter wird's denn noch? In Gebäuden, die seit 150 Jahren im Straßengeschoß als Läden betrieben werden, kann man keine Läden betreiben. Deshalb müssen die entkernt werden. Mann, mann, mann, Herr PhillippK, Sie haben die Propaganda der Architektengilde und Modernistenverfechter voll gefressen...


    - Abriß Alter (1903) und bald auch Neuer (1930) Straßenbahnhof (man hat ja nun einen Nagelneuen auf der grünen Wiese
    -- Von welchen Bahnhoefen sprichst Du hier? Einen "Strassenbahnhof" gibt und gab es meines Wissens nach nicht in Potse.


    Ja ja, ich war undeutlich. Ich meine das alte und neue Straßenbahndepot. Hieß in Potsdam nun mal Straßenbahnhof. Auch dazu gibts Bilder. Das hatte ich in den frühen 90ern aufgenommen. Das Gebäude hatte sich in Nachwendezeiten nicht verbessert, die Verkehrsbetriebe haben von Beginn an auf einen neuen Straßenbahnhof spekuliert und ihn auch noch vor der Privatisierung von der Stadt bezahlt und gebaut bekommen. An der Stelle steht heute die Hauptwache der Feuerwehr: ein rotes 300 Meter Beton-Monstrum, das sämtliche Dimensionen sprengt. Daher Bild betrachten, geniessen und schweigen:

    So, da ich das Ganze sogar noch mit Bildern unterfüttern kann, bin ich gespannt auf die nächsten "Argumente".
    Herzlichst
    Euer Luftpost

    2 Mal editiert, zuletzt von Luftpost (21. Juli 2011 um 22:50)

  • Du wirst mir zu aufbauschend und persoenlich, da steige ich aus. Muss hier ja nicht im Zank enden.

    Eine Sache aber noch hinterher geschoben: Ich habe durchaus ein anderes Architektur- und Denkmalverstaendnis als Du. Fuer mich zaehlt es, dass eine historische Struktur auch in der Zukunft einen Sinn und einen Nutzen hat. Dementsprechend muessen auch historische Gebaeude umgebaut werden, um modernen Anfordernissen gerecht zu werden. Ein 150 Jahre altes Warenhaus entspricht naehmlich nichtmehr modernen Begebenheiten. Ein alter Ringlokschuppen mit Drehschreibe wird heute eben nicht mehr benoetigt und kleine, einzelne Geschaefte mit minimaler Lagerkapazietaet passen naemlich nicht mehr in das Konzept der Filialisten.

    Um historische Gebaeude ueberleben zu lassen - und sei es nur die Huelle - habe ich absolut gar nichts gegen eine Umstrukturierung der inneren Begebenheiten des Gebaeudes. Denkst Du das war frueher anders? Schon immer wurden Gebaeude umgebaut um sie dem jeweiligen zeitgenoessischen Geschmack gerecht bzw. nutzbar zu machen.

    Ganz konkretes Beispiel: Ich komme urspruenglich von einem kleinen Dorf aus der Naehe von Beelitz. Unser Gehoeft steht dort seit 1837 und wurde seitdem zahllose Male umgebaut, angebaut, abgerissen und wieder umgebaut. Wir haben aus dem Rinderstall die Traenken rausgerissen, den alten Ruebenkeller verfuellt und den Stall sammt Heuboden zu Bueros ausgebaut. Im Haus wurden die alte Backstube und das Waeschetrockenzimmer nebst der alten Raeucherkammer zu Gaestezimmern und einem weiteren Bad ausgebaut. Die zwei Maegdezimmer und die Kutscherstube wurden zusammen gefasst, um einen grossen Raum fuer Familienfeiern zu haben.
    In deinen Augen mag das jetzt alles (und es sind nur ein paar Beispiele) Frevel sein, aber um das Gehoeft weiterhin nutzen zu koennen und lebenswert zu gestalten, sind solche Eingriffe einfach mal notwendig.

    Zeiten aendern sich und so aendern sich auch Gebaeude.

  • Zitat

    Architektur- und Denkmalverstaendnis

    Noch eine Anmerkung: entkernte Gebäude sind meistens keine Denkmale bzw. erhalten gar keinen Denkmalschutzstatus. Einer der häufigsten Gründe, warum viele Gründerzeitler eben nicht unter Denkmalschutz stehen (vor allem in den alten Bundesländern, dank des Modernisierungswahns der 1960er und 1970er Jahre). Dein Denkmalverständnis ist also eigentlich keines. Zugegeben ein Architekturverständnis.

  • Dann haben wir die Loesung gefunden. ;)
    Obwohl das auch nur die halbe Wahrheit ist. Bei wirklich denkwuerdigen Gebaeuden sehe ich den Denkmalschutz in jenem Sinne als absolut relevantes Mittel. Das kann aber nicht bei jedem Profanbau gelten, nur weil er alt ist.

  • Hallo zusammen,

    Potsdam macht es mir dieser Tage zu einfach, mit den Negativ-Meldungen. Bereits gestern wurden schon große Teile des ältesten Restaurants von Potsdam abgerissen. Und das bei einem Bau, der ursprünglich unter Denkmalschutz stand. Der Status wurde dann aufgehoben, weil der neue Eigentümer, der das Gebäude erst kürzlich in diesem Zustand erworben hatte, der Potsdamer Verwaltung (Sprich Baudezernat) weismachen konnte, dass eine Sanierung "wirtschaftlich nicht tragbar" ist. Dabei hatte er dieses Gebäude nur unter der Auflage erwerben dürfen, es zu sanieren. Neben dieser inhaltlichen Anekdote, gibt es noch Eine in der Formulierung "denkmalrechtliche Abrisserlaubnis"... Wenn Schildbürger regieren...

    Grüße aus der Schildbürgerstadt Potsdam
    Luftpost

  • Abgerissen:


    Schinkelspeicher, der nach vorn strebende Flügel wurde als erstes in den 90ern abgerissen.

    Hallo Luftpost. Ich habe mal eine Frage (komme nicht aus der Umgebung):

    Existiert der Turm samt Hallen noch?? Wenn ja wird er erhalten oder auch "liquidiert"???