Halberstadt (Galerie)

  • Halberstadt war eigentlich der Hauptgrund, warum ich mal für ein paar Tage in den Harz reisen wollte, da ich unbedingt wissen wollte, was aus dieser Stadt geworden ist, die auf den Fotos im Bildindex ziemlich übel zugerichtet zu sein schien. Auf dem Weg nach Halberstadt bin ich mit dem Zug übrigens an Vienenburg vorbeigekommen, wo sich das älteste noch erhaltene Bahnhofsgebäude Deutschlands von 1840 befindet:


    In Halberstadt angekommen (heute mit strahlendem Sonnenschein, aber auch ziemlich kalt - was man auf den Fotos zum Glück nicht sieht) warf ich erstmal einen Blick auf das Bahnhofsgebäude, das gerade in der Anfangsphase einer großen Sanierung steht - was offenbar auch dringend nötig ist. Erstaunt war ich, dass sich hinter der (in Teilen noch vorhandenen) Verkleidung aus der Nachkriegszeit noch das alte gründerzeitliche Bahnhofsgebäude befindet. Hoffentlich richten die das ordentlich wieder her, vor allem mit einem vernünftigen Dach.


    Hinter dem Bahnhof erhebt sich ein vor sich hin rostender Wasserturm:

    Die Richard-Wagner-Straße führt in Richtung Altstadt und begrüßt einen gleich mit Plattenbauten, die aber zum Großteil gut saniert sind:

    Wie die Straße vor dem Krieg vermutlich aussah, zeigen noch das Landgericht von 1911 und ein Mietshaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite:


    Ich gehe nicht gleich über die Kühlinger Straße in die Altstadt (die eh nur von Plattenbauten gesäumt ist), sondern umrunde erstmal den Ostteil der Altstadt, weil sich dort noch ein gut erhaltenes Stück der Stadtmauer befindet:



    Ein Blick in den Breiten Weg, der vor dem Krieg so aussah:


    (Quelle: Bildindex)

    Und heute...

    Sieht man mal von dem Hochhaus am linken Bildrand auf dem obigen Bild ab, sieht die Straße heute zum Wohnen sogar recht gemütlich aus. Sie ist Fußgängerzone, schön begrünt, das Straßenpflaster sieht auch ganz gut aus, und sie führt direkt auf das heutige Geschäftszentrum rund um Holzmarkt und Fischmarkt zu, was als solches aber erst in den Neunzigern entstand. Also eigentlich eine ideale Wohnlage - nur sieht das ganze eher aus wie ein vorstädtisches Wohngebiet, nicht wie eine Altstadt auf historischem Boden. Trotzdem wird sich an diesem Anblick wohl in naher Zukunft nicht viel ändern, ein Rückbau hin zu einer kleinteiligen Altstadtstruktur oder gar eine Rekonstruktion (wobei die Straße ohnehin stark historistisch überformt zu sein schien) ist wohl nicht zu erwarten, denn die Wohnungen scheinen durchaus beliebt zu sein. Ist ja auch kein Wunder, wie gesagt, sie liegen sehr zentral, trotzdem in der ruhigen Fußgängerzone und mit Durchgrünung. Nur die 50er-Jahre-Läden in Zeilenbauweise stehen größtenteils leer:


    Ich geh jedoch erstmal weiter die Stadtmauer entlang.

    Den Baum, der aus dem Mauerturm wächst, hätte ich am liebsten rausgezupft. Auf die Dauer ist der alles andere als gesund für das Mauerwerk - und die Stadtmauer sowie der ehemalige Wall als Grüngürtel sind das einzige, was in diesem Teil Halberstadts noch nach Altstadt aussieht und sie klar von den neuzeitlichen Stadterweiterungen trennt:

    In der Antoniusstraße sehe ich erstmals ein altes Fachwerkhaus (wenn auch "nur" eins aus dem späten 18. Jahrhundert). Die Straße wird derzeit offenbar neu gepflastert (und hoffentlich nicht geteert):

    Gegenüber der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Franzosenkirche...


    (Quelle: Bildindex)

    ...einem Zentralbau von 1713-18, die heute als Ruine ihr Dasein inmitten einer Brache fristet...


    ...befindet sich dieser Nachwendeneubau, der leider auch keine Stadtreparatur betrieben hat (Stichwort Kleinteiligkeit, Wiederaufnehmen der alten Parzellenstruktur):

    Stark verfallenes Haus aus dem späten 18. Jahrhundert in der Antoniusstraße:

    Die Antoniusstraße wird in der Gerberstraße und diese in der Dominikanerstraße fortgeführt. Hier im Randbereich zwischen kriegszerstörtem und unzerstörtem Gebiet sieht man eine wilde Mischung aus historischen Bauten (hinten die Dominikanerkirche und ein paar Fachwerkhäuser), Nachkriegsbauten, Bauten aus der Stadtsanierung in den 1980ern (rechts, teils auf kriegsbedingtem Brachland, teils anstelle abgerissener historischer Bauten errichtet) und Nachwendelückenfüllern (hinter der Reihe der 80er-Jahre-Bauten):

    Doch bevor ich mich dem Zentrum der Altstadt nähere, will ich erst noch einige historische Bauten am Rande bzw. außerhalb begutachten. Zuerst wäre da der Wassertorturm, der letzte Rest eines Stadttors in Halberstadt:

    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind die Reste einer historischen Sandsteinmauer erhalten. Für die Stadtmauer scheint sie mir aber zu schwach dimensioniert zu sein. Möglicherweise war die Mauer ehemals eine Grundstückseinfriedung - oder aber die Mauer des Friedhofs der Franzosenkirche, der heute nur noch aus wild wucherndem Gestrüpp besteht:

    Direkt außerhalb der Altstadt befindet sich an der Gleimstraße das (ehemalige?) städtische Salvator-Krankenhaus, das aus einem mittelalterlichen Hospital entstand. Neben historistischen Bauten...

    ...ist auch ein Rest des gotischen Kreuzgangs mit Brunnenhaus erhalten, wenn auch stark überformt:


    Schöne Villa an der Gleimstraße:


    Blick in die Größerstraße stadteinwärts. Hier fielen bei der "Stadtsanierung" in den Achtzigern reihenweise Fachwerkhäuser, wenn auch größtenteils "nur" kleinere Häuser aus dem 18./19. Jahrhundert:

    Außerhalb der Altstadt sieht die Straße heute erstaunlicherweise historischer aus als innerhalb:

    Die meisten Häuser sind hier auch schön saniert. Dafür sehen die unsanierten umso übler aus:


    Am Ende der Gröperstraße liegt der ehemalige Siechenhof, dessen Gebäude aus ganz unterschiedlichen Zeiten in DDR-Zeiten verfielen, heute aber offenbar wieder genutzt werden.

    Nur das älteste der Gebäude, die romanische Kapelle, verfällt weiterhin. Auf dem Foto im Denkmalverzeichnis, das 1994 erschien, hatte sie wenigstens noch ein Schutzdach:


    Bevor ich mich nun endlich ins Altstadtgetümmel wage, noch ein kurzer Blick auf die Kirche des ehemaligen Burchardiklosters, die zu DDR-Zeiten als Lagerhaus genutzt wurde, heute aber zum Glück wiederhergestellt ist. Das Kloster war ursprünglich Prämonstratenserstift, wurde aber ab 1208 bis zur Säkularisation von Zisterzienserinnen belegt.
    Die Klosteranlage mit Wirtschaftsbauten ist noch ziemlich gut erhalten, vor allem der Torbau beeindruckt:




    Taubenturm:

    Der turmlosen romanischen Basilika fehlt heute das südliche Seitenschiff, dessen Dimensionen sich aber noch gut am Querhaus abzeichnen:



    Auch das nördliche Seitenschiff scheint stark erneuert zu sein:

    Blick ins Kircheninnere (durch ein Fenster, da die Kirche selbst verschlossen war):

    An einem Schuppen neben der Kirche sind ein paar Spolien eingemauert:

    Einige weitere (vornehmlich Grabsteine) liegen mehr oder weniger achtlos herum:


    Doch nun geht's endlich in die Altstadt, die ich von Norden, durch die Gröperstraße betrete. Bis auf ein paar einzelne Bauten sind die ehemaligen Fachwerkhäuser wie gesagt in den 80ern abgerissen worden:


    Die Neubauten sind alles andere als ein würdiger Ersatz:

    Lediglich der Neubau an der Einmündung der Straße Bei den Spritzen ist meiner Meinung nach recht gelungen, da er zwar das historische Fachwerk zitiert, sich aber trotzdem klar als Neubau zeigt:

    Das Haus Gröperstraße 18 aus dem späten 16. Jahrhundert (nicht aus dem 17. Jh., wie im Bildindex steht) war 1992 noch erhalten:


    (Quelle: Bildindex)

    Heute sieht es so aus:

    Reste der Schmuckformen auf den Eckständern bzw. Balkenköpfen. Die Oberstockschwelle wurde brutal abgesägt:


    Ähnliche Verzierungen an einem Nachbarhaus:

    Ganz in der Nähe steht die romanische Moritzkirche:


    Die ehemals wohl schönsten Häuser der Straße (den Schmuckformen nach alle drei aus dem 16. oder frühen 17. Jahrhundert) wurden vermutlich noch zu DDR-Zeiten entkernt und stehen seit mindestens 1992 so herum - na, wenigstens scheinen die Dächer dicht zu sein:



    Blick in die Gröperstraße Richtung Dom, der noch einmal zeigt, wie stark der Kahlschlag in den 80ern war. Nur noch mal zur Erinnerung, die Straße hat den Krieg unzerstört überstanden:

    Ähnliche Perspektive vor dem Krieg:


    (Quelle: Bildindex)

    Größerstraße 31 aus der Mitte des 18. Jahrhunderts:

    Dahinter liegen ein Fachwerkhaus von 1575 sowie der ehemalige Pfarrhof mit barocker Einfriedung und bemerkenswertem schmiedeeisernem Gitter:




  • Blick in das, was mal die Taubenstraße war:

    Nun gehe ich an der Moritzkirche vorbei in Richtung Dominikanerkirche. Neben der Moritzkirche steht noch das Haus Kulkstraße 34 aus dem frühen 17. Jahrhundert. Leider momentan unbewohnt:



    Historistisches (?) Hofgebäude inmitten von Plattenbautristesse, ebenfalls in der Kulkstraße:

    Am Kulke 7, bedeutender Bau des späten 16. Jahrhunderts mit massivem Untergeschoss und Fachwerkobergeschoss. Das Dach ist aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung eingestürzt. Ob das Haus noch zu retten ist?


    Gleich nebenan sieht man die Rückgebäude des Dominikanerklosters (heute leben dort Nonnen des Karmeliter-Ordens):


    Daneben beginnt der Hohe Weg, der sich bis zur Martinikirche und bis zum Holzmarkt, dem Zentrum der Altstadt, hinzieht. Historische Bebauung besitzt er jedoch nur noch bis zur Dominikanerstraße. Die vier dort stehenden Fachwerkhäuser sind jedoch das bedeutendste Ensemble an historischen Häusern im historischen Stadtkern. Da hätten wir zum einen die ehemalige Ratsmühle von 1594:

    Gegenüber liegt ein reich verziertes Eckhaus (um 1600):

    Zwischen der Mühle und der Dominikanerkirche steht das Gerberhaus Hoher Weg 2, das sich vor allem durch seine Dachgauben auszeichnet (hab leider keine bessere Aufnahme):

    Das prächtigste der vier Häuser ist jedoch das Kaufmannshaus Gerberstraße 10, ehemals Hotel St. Florian (heute leider leerstehend), das schon zu DDR-Zeiten saniert wurde:


    Gegenüber der Dominikanerstraße setzt sich der Hohe Weg so fort:

    Kaum zu glauben, aber wahr: Gleicher Blick vor dem Krieg:


    (Quelle: Bildindex)

    Schnell wieder zurück zu Erfreulicherem. Die Dominikanerkirche:

    Dominikanerstraße 3, Kaufmannshaus von 1671:

    Direkt daneben liegt das Haus Dominikanerstraße 4, das um 1550 entstand und gleich nach der Wende saniert wurde. Links daneben wieder die Gröperstraße, diesmal mit einfallslosen Nachwendebauten:


    Ein Blick zurück in die Dominikanerstraße:

    Dieses Haus scheint ein historisierender Neubau bzw. eine Fassadenrekonstruktion zu sein:

    Das Eckhaus daneben ebenso:

    Gegenüber am Johannesbrunnen liegt das schöne neogotische Martineum (Städtisches Gymnasium) von 1864:

    Rest des gotischen Vorgängerbaus:

    Nun geht es weiter in den Lichtengraben. Die Häuser 14 und 15 stammen beide aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Interessant finde ich übrigens, dass so gut wie keines der historischen Fachwerkhäuser in Halberstadt farbig gefasst ist (Lichtengraben 14 ist eine der wenigen Ausnahmen):





    Hier hat sich auch mal ein gründerzeitliches Mietshaus erhalten (rechts die Mauer der Domburg):

    Rückgebäude zur Domdechanei (Domplatz 34) mit schönem Barockportal:


    Nun geht es ins Zentrum der Stadt. Wir nähern uns der Martinikirche vom Hohen Weg aus (links ein Nachwendeneubau zwischen den Plattenbauten):

    Westfassade der Martinikirche. Rechts davon, am Martiniplan, lag bis zur Wende nur eine große Brache, die erst Mitte der Neunziger neu bebaut wurde, wodurch das ehemalige Zentrum der Stadt rund um Holzmarkt und Fischmarkt in den alten Straßenfluchten, aber mit neuer Bebauung, wieder auferstand:


    Obwohl die Neubauten meiner Meinung nach nicht gerade Innovationspreise gewinnen, wirken die beiden Plätze doch ziemlich urban und belebt, zumal der Stadt vorher ein richtiges Geschäftszentrum fehlte. Durch die Rückführung des barocken Brunnens auf den Holzmarkt und die teilrekonstruktion des Rathauses hat das Zentrum auch einen Teil seiner ehemaligen Identität zurückgewonnen:


    Gleicher Blick vor dem Krieg:


    (Quelle: Bildindex)

    Das Rathaus mit rekonstruierter Ratslaube und originalem Roland:





    Die im Krieg zerstörte Kommisse wurde zwar nicht rekonstruiert, aber der Neubau an ihrer Stelle nimmt ihre Grundformen wieder auf:



    (Quelle: Bildindex)

    Einziger Wermutstropfen: Der Blick zurück auf die Westseite des Holzmarkts mit grausamsten Plattenbauten:

    Leider habe ich's versäumt, den Fischmarkt ordentlich zu fotografieren. Aber am oberen Bildrand eines Fotos des Bronzemodells des Stadtzentrums ist er (jedenfalls mit stark veränderten Kontrasten) zu erahnen:


    Weiter geht's in Richtung Domberg...

    ...jedoch erst nach Ostern, da ich morgen früh zu meiner Verwandtschaft aufbreche, wo ich Ostern verbringen werde, und heute Abend noch packen muss.

  • Das ist ja eine richtige Rundum-Stadtbesichtigung - vielen Dank!

    Es ist frustrierend und beschämend, wie viele historische Bauten, gerade Fachwerkhäuser hier

    a) zu DDR-Zeiten abgerissen
    b) nach der Wende abgerissen oder
    c) heute völlig heruntergekommen & nahezu abbruchreif sind.

    Andererseits ist auch noch eine ganze Menge vorhanden, vor allem ein paar sehr schöne Fachwerkhäuser - man muß wohl froh um das Erhaltene sein; woanders ist noch weniger stehengeblieben. Die Vorkriegs-Nachkriegs-Vergleichsbilder sind trotzdem schockierend.

    Nicht daß ich einen solchen Plattenbau

    loben wollte - aber das ist meiner Meinung nach unter alle den ostdeutschen Platten noch eine der erträglichsten und "behutsamsten" Versionen. Wenn man das Ding verputzt, durch verschiedene Farben und Fenster etwas optische Kleinteiligkeit erzeugt und die Dachfenster durch Gauben ersetzt, würde der Bau schon einen wesentlich besseren Eindruck machen.

    Und für solche Neubauten

    kann man eigentlich heutzutage froh und dankbar sein.

    Trotzdem gehört das Geld erst einmal in die Sanierung der vom Einsturz bedrohten Altbauten gesteckt.

  • Arme Stadt. Durch den Krieg von insgesamt 1605 Fachwerkhäusern 676 schlagartig verloren, dann die noch verbliebenen 929 durch Abrisse besonders in den 80er Jahren bis zur Wende auf nur noch 447 reduziert und davon bis heute wiederum ein paar verloren. Aber trotzdem vielen Dank für die Bilder.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Der Vienenburger Bahnhof ist wirklich ein Kleinod. Halberstadt ist erschreckend aber hoechst interessant. Die vielen halb oder ganz eingestuerzten, oder nur halb hergerichteten Kleinodien sind grausam anzusehen. Die Bundesrepublik muesste es als nationale Aufgabe verstehen, moeglichst viel davon noch zu retten.
    Sehr viel ist schon geschehen, denn es gibt vom Bahnhof bis in die Altstadt wieder so etwas wie ein zusammenhaengendes Stadtbild. Der Vergleich mit den Vorkriegsbildern zeigt aber nichts weniger als den fast vollstaendigen Untergang einer Hochkultur. Es sieht aus, als ob der Krieg erst vor 20 Jahren endete und nicht vor 60. Man sollte der DDR den nachtraeglichen Abbruch durch Verfall eines Grossteils dieser Stadt nie verzeihen.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Zitat

    Interessant finde ich übrigens, dass so gut wie keines der historischen Fachwerkhäuser in Halberstadt farbig gefasst ist

    Mich würde interessieren warum in Halberstadt wie auch in Quedlinburg und offenbar neuerdings auch da und dort in Goslar so viel rein schwarz angestrichen wird und z.B. die Rosetten nicht mehr bunt. Bunt sieht es doch viel hübscher aus... Ist das etwa originaler?

    Ansonsten vielen Dank für die aktuellen Eindrücke, Halberstadt fand ich seinerzeit (vor 8 Jahren) auch sehr interessant und bedrückend zugleich (war mal an einem tristen Tag so um die selbe Jahreszeit dort; an einem Tag Zerbst, Magdeburg und Halberstadt...)

    Der Vergleich Hohe Weg einst und heute gehört zum Grausamsten deutschlandweit. Eine Rekonstruktion des Stelzfusses hätte ich mir auch immer gewünscht, aber in Anbetracht des ganzes Verfalles...

  • Zitat von "Markus"

    an einem tristen Tag Zerbst, Magdeburg und Halberstadt

    Selbstkasteiung

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Vielen Dank für die Bilder. Im Gegensatz zu den anderen APH-Mitglieder bin ich positiv überrascht. Ich habe Halberstadt nur einmal besucht - und das war in Juli 1989 - kurz vor der Wende. Damals haben wir auf der gigantischen Brache des ehemaligen Stadtzentrums an der Martinikirche geparkt um den Dom zu sehen. Wir sind dann zum Domplatz gelaufen und waren überrascht, als wir nördlich davon die Rest-Altstadt entdeckt haben. Allerdings hörten wir auch Maschinen-Geräusche und sind dann eine Trappe runter zum Düsterngraben gegangen. Dort frassen sich Bagger gerade durch die letzten Fachwerkbauten. Das gleiche haben wir an der Gröperstrasse erlebt. Mein Vater hat sogar ein Paar Photos von den Abrissarbeiten gemacht. So weit ich weiss, wurden die Abrisse erst im Sommer 1990 gestoppt. Mit diesem unglaublichem Erlebnis wurde meine Interesse für Deutschlands Altstädte geweckt. Seit der Wende hat man in Halberstadt eigentlich alles richtig gemacht: Ein neues Stadtzentrum und gleichzeitig ein Verbot der Einkaufszentren auf der Grünen Wiese + Sanierung der Altstadt (HS war/ist Modellstadt). Schade, dass die Wende nicht 5 Jahre früher gekommen ist - dann hätten wir 700 statt 450 Fachwerkbauten.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Tragisch ist ja vor allem, dass die Abrissarbeiten schneller vorangingen als die Neubebauung. Hätte man erstmal wirklich nur das abgerissen, für dessen Neubebauung auch genug Baumaterial und Geld vorhanden war, gäbe es nicht bis heute so viele Brachen in der Restaltstadt.

    Apropos "Restaltstadt": Skurrilerweise gibt es auf dem Domberg Hinweisschilder mit der Aufschrift "Altstadt", die eben in Richtung der noch verbliebenen leidlich geschlossenen Fachwerkbebauung rund um Voigtei und Bakenstraße weisen - so als wäre der Rest des historischen Stadtkerns es nicht mehr wert, als "Altstadt" bezeichnet zu werden.

    Historisch gesehen ist diese Bezeichnung sowieso falsch, denn die eigentliche Altstadt war eben der total zerstörte Bereich um Holzmarkt und Fischmarkt. Und von der sind eigentlich nur noch die Martinikirche, die Dominikanerkirche, einige Häuser an der Dominikanerstraße, die vier Bauten am Hohen Weg, zwei Häuser an der Antoniusstraße, die Ruine der Franzosenkirche und der Lichtengraben erhalten.

    Alls anderen erhaltenen historischen Bauten befinden sich in der Neustadt (rund um die Moritzkirche), der Domfreiheit und vor allem der Voigtei - nicht gleichzusetzen mit der gleichnamigen Straße, denn die Voigtei umfasst den gesamten westlichen Bereich des historischen Stadtkerns vom Heilig-Geist-Hospital im Süden bis zum Johannes-Brunnen im Norden.

  • So, nach einer kleinen Osterpause folgen nun die übrigen Bilder, vor allem von der Domfreiheit und der Voigtei. Beginnen wir gleich mit dem Dom, der 1236 begonnen und 1491 fertiggestellt wurde. Durch die lange Bauzeit zeigt er all Stilformen von der frühen bis zur späten Gotik.



    Durch das Portal auf der Westseite betritt man den Dom (wenigstens eine Kirche, die mal offen war):


    Das Innere wirkt wegen des äußerst schlanken und hohen Mittelschiffs und wegen der Seitenschiffe, bei denen das Verhältnis von Höhe zu Breite noch extremer ist, äußerst monumental, aber auch irgendwie kalt und ungemütlich:


    Trotz der Kriegszerstörungen besitzt der Dom noch eine erstaunliche hohe Zahl an mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ausstattungsstücken, zum Beispiel die Kanzel aus der Spätrenaissance (von 1595):

    Barocker Orgelprospekt:

    Am beeindruckendsten ist jedoch die Chorschranke mit der spätgotischen Lettnerhalle, die den Chor von Lang- und Querhaus abtrennt. Der Chorumgang ist leider nur im Rahmen von Führungen zu besichtigen, darum gibt's davon keine Fotos:

    Wir stehen wieder draußen, den Dom hinter uns, und blicken auf die Liebfrauenkirche am anderen Ende der Domfreiheit. Der Domplatz könnte meiner Meinung nach eine Umgestaltung vertragen, die kahle Schotterfläche wirkt nicht so wahnsinnig einladend. Das kann aber auch an den kahlen Bäumen liegen:

    Rund um den Dom und zwischen Dom und Liebfrauenkirche befinden sich die ehemaligen Stiftskurien, die jedoch kaum noch mittelalterliche Bausubstanz enthalten und größtenteils in der Renaissance, vor allem jedoch im Barock erneuert wurden.

    Am schönsten ist die ehemalige Dompropstei, in der heute die Hochschule Harz untergebracht ist:


    Die barocke Kurie Domplatz 33 ist auch nach über 60 Jahren noch Kriegsruine. Seltsam, dass niemand etwas damit anzufangen weiß und das Gebäude wieder aufbaut:

    Die barocke Domdechanei ist gar nicht so barock, wie sie aussieht. Sie wurde 1914/15 abgebaut und von Grund auf neu errichtet, mit altem Äußeren, jedoch mit neuer Innenaufteilung:

    Die Spiegelsche Kurie enthält heute das Stadtmuseum, das ich aus Zeitgründen allerdings nicht besichtigen konnte:

    Neben der Dompropstei befindet sich die Post, erbaut in schönen neoromanischen Formen:

    Direkt daneben steht ein modernes Sparkassengebäude, das sich ausnahmsweise mal recht zurückhaltend in die Domplatzbebauung einfügt (übrigens im Gegensatz zu dem Altersheim auf der anderen Seite, das eine vermutlich kriegsbedingte Baulücke füllt und nahezu das ganze zur Verfügung stehende Grundstück überbaut). Anstelle der Sparkasse stand der Grundstückseinfriedung nach zu urteilen vorher auch ein älteres Gebäude:

    Der bedeutendste Bau am Domplatz (abgesehen von den beiden Kirchen) ist der ehemalige Bischofspalast, der 1552/54 in Renaissanceformen größtenteils neu gebaut wurde, der jedoch die bischöfliche Kapelle aus dem 14. Jahrhundert mit umfasst. In dieser befindet sich heute die Stadtbibliothek. 2003 wurde der Hauptbau für die Stadtverwaltung um ein zusätzliches komplett verglastes Obergeschoss erweitert und der bis dahin vermutlich unvollständig erhaltene Torbau in modernen Formen ergänzt. Letzteres sieht ganz ordentlich aus, der Glasaufsatz auf dem Hauptgebäude ist jedoch eine ziemliche Katastrophe und diente nicht dazu, irgendwelche Kriegsschäden auszumerzen oder eine ehemalige Dreigeschossigkeit wiederherzustellen, sondern lediglich dazu, mehr Raum zu gewinnen:




    Neben dem Bischofspalast befindet sich die romanische Liebfrauenkirche, die größtenteils in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstanden ist. Die Westtürme stammen sogar noch aus dem späten 11. Jahrhundert:



    Die Kirche selbst ist nur bis 16 Uhr geöffnet, und ich war natürlich ein paar Minuten zu spät da. Darum gibt's nur ein einziges Bild vom Innenraum, das ich durch die teilweise verglaste Tür, die vom Kreuzgang (der wenigstens war geöffnet) aus zur Kirche führt, gemacht habe:

    Apropos Kreuzgang. Darin befindet sich eine Architekturausstellung mit größtenteils hölzernen Spolien abgerissener Häuser aus der Stadt:


    Das älteste Stück ist eine Knagge vom ehemaligen Haus Moritzplan 2, das um 1400 erbaut wurde (und vermutlich erst bei den Flächenabrissen in den 80ern abgebrochen wurde):

    Hölzerne Säule in spätgotischen Formen, die wahrscheinlich einen Deckenbalken stützte (vermutlich aus dem Haus Nienburg - was und wo das auch immer war):

    Schwelle des ehemaligen Hauses Fischmarkt 9 von 1529:

    Vom ehemaligen Schuhhof von 1579 sind besonders viele beschnitzte Hölzer erhalten, vor allem Brüstungsplatten, die stark an Renaissance-Steinarchitektur erinnern. Muss ein stattliches Gebäude gewesen sein:


    Nun verlassen wir den Domberg in Richtung Süden und schauen uns an, was vom südlichen Teil der Altstadt übrig geblieben ist. Viel ist es nicht. Zu erwähnen wäre da vor allem die im 14. Jahrhundert erbaute Andreaskirche, die Kirche des bis heute bestehenden Franziskanerklosters. Sie brannte im Zweiten Weltkrieg aus, wurde aber danach zum Glück wieder aufgebaut.

    Ganz im Gegensatz zum ebenfalls im Krieg zerstörten Heilig-Geist-Hospital, von dem nur noch die barocke Fassade erhalten ist.

    Die Umgebung zeigt hier nur Plattenbautristesse, wobei man an dieser Stelle sogar die Grenze des historischen Stadtkerns aufgeweicht hat, indem die Straßenführung geändert und die Stadtmauer überbaut wurde. So wirkt das an dieser Stelle erhaltene Stück Stadtmauer mit den Fundamenten eines Turms heute irgendwie deplatziert:

    Ganz in der Nähe der Andreaskirche, im Westendorf, befindet sich die Johanniskirche, die 1646 von der evangelischen Johannisgemeinde errichtet wurde. Sie blieb im Krieg zum Glück unbeschädigt. Alles andere wäre auch fatal gewesen, handelt es sich bei der Johanniskirche doch um eine Fachwerkkirche:

    Leider war der Kirchhof abgesperrt, sodass ich nur vom Wall aus ein paar Fotografien machen konnte und auch nicht den abseits der Kirche stehenden Turm fotografieren konnte. Dafür habe ich das schöne barocke Portal abgelichtet, das sich zwischen den Häusern der Straße Westendorg befindet:

    Das Westendorf selbst macht einen gemischten Eindruck. Von überdimensionierten Nachwendeneubauten über sanierte und unsanierte Fachwerkhäuser sowie Ruinen und Abbruchlücken ist hier alles vorhanden:










  • Am Ende des Westendorfs gibt es einen weiteren Stadtmauerturm. Damit dürften es dann etwa zehn Türme der Stadtbefestigung sein, die zumindest teilweise noch erhalten sind. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass von der Stadtmauer keine 50 Prozent mehr stehen:

    Vom Westendorf aus kann man bei einem Blick in die Tannenstraße und die Straße Unter der Tanne auch gut erkennen, warum die Unterstadt Unterstadt heißt - das Gelände ist hier nämlich ziemlich abschüssig. Die Rasenfläche vorne sind mal wieder Abbruchlücken aus DDR-Zeiten:

    Zum (mehr oder weniger) krönenden Abschluss begeben wir uns nun in die Unterstadt, das letzte leidlich geschlossene Quartier des historischen Stadtkerns von Halberstadt. Obwohl auch hier viele als Parkplatz, offene Grünfläche oder bloß verwilderter Schutthaufen genutzte Abbruchlücken und stark verwahrloste, einsturzgefährdete und sogar eingestürzte Fachwerkhäuser zu sehen sind, hat sich doch seit der Wende vieles getan. Ein nicht unerheblicher Teil der Häuser wurde saniert und manche Baulücke wurde (mal mehr, mal weniger gelungen) geschlossen. Dennoch bleibt immer noch eine Menge zu tun. Und leider sieht es nicht so aus, als wäre dort für die nahe Zukunft so viel an Verbesserungen zu erwarten, denn allzu viel Bautätigkeit scheint es dort momentan nicht zu geben.

    Steinhof:




    Schön saniertes Renaissancefachwerk an der Bakenstraße. Ein Foto von diesem Standpunkt aus wäre bis in die 1980er jedoch nicht möglich gewesen, da ich mitten an der Stelle eines in den Achtzigern abgerissenen Häuserblocks stand:

    Der Düsterngraben mit Neubebauung ...

    ... und den wenigen verbliebenen Altbauten:

    Der größte Teil der Straße ist jedoch bis heute unbebaut, sodass über einen großen Parkplatz freie Sicht bis zum Dom möglich ist. Hier standen vermutlich die von Däne erwähnten Fachwerkhäuser, deren Abriss er 1989 beobachtet hat:

    Die Peterstreppe führt wieder hoch zum Domberg und zum Bischofspalast:

    Doch wir wenden uns in die andere Richtung und schauen auf die Bebauung der Straße Unter den Weiden. Der Parkplatz war bis in die Achtziger ebenfalls ein Wohnquartier. Ganz rechts sieht man noch die ehemalige Gasse, die von der Peterstreppe zur Straße Unter den Weiden führte:

    Besonders übel sieht es in der Judenstraße aus, wo sich bis heute eine riesige Brache zeigt. Früher stand mitten auf der Straße das barocke Steinhaus des jüdischen Bankiers Berend Lehmann, vor dem die Straße nach links in eine schmale Gasse, die bis zur Bakenstraße durchläuft, und nach rechts in eine Sackgasse abzweigt. Vom Haus selbst konnten nach dem Abriss nur Reste des Portals geborgen werden, das heute als Mahnmal gegen den Holocaust dient (und indirekt auch als Mahnmal gegen die Abrisswut der DDR-Zeit):

    Der Blick nach links zeigt Parkplätze, verwilderte Grundstücke und Ruinen in der Bakenstraße:

    Der Blick nach rechts zeigt zwar noch die Straßenführung des rechten Teils der Judenstraße, jedoch völlig unbebaut:

    Noch mal ein Überblick über die Situation in der Judenstraße:

    Lediglich im hinteren Teil des linken Zweigs der Judenstraße sind noch Häuser erhalten (obwohl auch hier die rechte Straßenseite zum Großteil dem Abbruch zum Opfer gefallen ist). Besonders wichtig ist das Haus, das sich mit seinem Torbogen zur Bakenstraße öffnet:


    Besonders übel sieht es auch in der Bakenstraße aus, hier gibt es eine geschlossene Reihe von Fachwerkhäusern aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, die nicht nur extrem im Bestand gefährdet, sondern zum Teil tatsächlich schon eingestürzt sind:





    Direkt daneben und auf der anderen Straßenseite gibt es wieder sanierte Fachwerkhäuser und Neubauten:


    Besonders schön ist der Graue Hof anzuschauen. Hier scheint die Welt noch (bzw. wieder) in Ordnung zu sein:


    Auch der nördliche Teil der Bakenstraße sieht ordentlich aus:

    Reste der barocken Synagoge im Innenquartier zwischen Bakenstraße und Judenstraße:

    Im Rosenwinkel befindet sich die ehemalige jüdische Schule:

    Der Rosenwinkel zeigt sich als schön geschlossene, von gut saniertem Fachwerk gesäumte Straße:

    Früher war der Rosenwinkel eine Sackgasse, seit den Abrissen macht er einen Bogen bis zur Bakenstraße:

    Der Abtshof ist eine weitere große Brache. Er bietet einen freien Blick auf die Rückseite der Plattenbauten in der Trillgasse (die natürlich ebenfalls an der Stelle abgebrochener Fachwerkbauten stehen):

    Das Ende der Bakenstraße ist erreicht. Sie mündet in die Voigtei, eine der schönsten erhaltenen Straßen Halberstadts. Leider ist sie eine der Hauptverkehrsstraßen, die durch die Altstadt führen:




    Das Haus Voigtei 8 aus dem späten 16. Jahrhundert, mit wiederhergestellten Fächerrosetten, von denen nur noch Reste auf den Ständern erhalten waren:

    In der Voigtei sind noch mehrere, meist bescheidene Häuser aus dem 16. und frühen 17. Jahrhundert erhalten:


    In der Trillgasse 10 hat sich ein spätgotischer Wohnturm erhalten, wenn auch relativ stark verändert:


    Mit einem letzten Blick auf den Dom möchte ich die Halberstadt-Galerie abschließen.

    Ende der Woche folgt der fünfte und letzte Teil der großen Harz-Tour: Quedlinburg.

  • Wirklich interessante Bilder!

    Zitat

    Der größte Teil der Straße ist jedoch bis heute unbebaut, sodass über einen großen Parkplatz freie Sicht bis zum Dom möglich ist. Hier standen vermutlich die von Däne erwähnten Fachwerkhäuser, deren Abriss er 1989 beobachtet hat:

    Das glaube ich auch. Ich werde versuchen die Abrissbilder irgendwann einzuscannen. Bilder der Altstadt kurz vor den Abrissen gibt's hier:

    http://www.humanistische-aktion.de/halber.htm

    Düsterngraben:

    Heute:

    Gröperstrasse:

    Beide bilder: Quelle http://www.humanistische-aktion.de/halber.htm\r
    http://www.humanistische-aktion.de/halber.htm

    Harte Sachen :(

    Allerdings sollen wir froh sein, dass überhaupt was übriggeblieben ist. Wenn man die Bilder von Heute sieht, würde ich nicht auf 450 Fachwerkhäuser tippen. Hast du einige Ecken weggelassen?

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Fehlt nur der entstellende moderne Anbau an den Domkreuzgang für das Diözesanmuseum

  • Däne: Nein, eigentlich habe ich alle Ecken fotografiert, wo's noch historisches Fachwerk gibt. Kann sein, dass ich das eine oder andere Haus nicht mit drauf habe, aber die Zahl von 450 Fachwerkhäusern kann schon hinkommen, denn sie sind ja auf eine recht große Fläche verteilt.

  • @ Maxileen

    Wenn ich mir deine Halberstadt-Bilder anschaue kommt mir das Gefühl, dass man dort trotz der Zerstörungen eine brauchbare Basis für eine Weiterentwicklung der Innen/Altstadt hat. Zumindest in zwei Gebieten: Erstens das neue Stadtzentrum, das meiner Meinung nach sehr gelungen ist. Hier braucht man eigentlich nur eine bessere Verknüpfung zum Domplatz und der NW-Altstadt. Und die Platten westlich des Rathauses müssen natürlich auch abgerissen werden. Zweitens gibt es noch viel Potenzial im Westlichen Teil der Altstadt. Die Gröper- und Dominikanerstrasse wären nach einer Sanierung der Plattenbauten ganz ok. Die Strassenzügen nördlich des Domplatzes (Vogtei, Bakenstrasse, Judenstrasse usw.) sind ja fast saniert (mit einigen traurigen Ausnahmen). Hier könnte man den Brachen als Gärten benutzen und die Strassen mit Steinmauern abgrenzen so wie das schon in der Judenstrasse passiert ist. Man hätte dadurch zwar nicht eine dichtbebaute Altstadt sondern eine ”Fachwerkgartenstadt” à la Soest (Westfalen). Eine Bebauung der Brachen ist in den nächsten 20-30 Jahren auf Grund der demograpfischen Entwicklung unmöglich.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Der Dom zu Halberstadt wirkt von Außen trotz direkter Anlehnungen an die Kathedralgotik Westeuropas, die in dieser Form in Deutschland sehr selten sind, eher unscheinbar - hauptsächlich aufgrund der sterilen Westfassade aus dem 19. Jahrhundert. Umso bemerkenswerter ist es, welche Bewertung dieses verglichen mit anderen großen deutschen Kathedralen eigentlich ziemlich unbekannte Bauwerk schon erfahren hat:

    "Viele Kirchen mögen prächtiger, merkwürdiger, kunstreicher sein als der Halberstädter Dom; dieser scheint mir von allen der edelste zu sein"

    – Ricarda Huch


    "Das wohl reinste deutsche Beispiel einer durch und durch verstandenen Gotik"

    – Wilhelm Pinder


    Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Dom_zu_Halberstadt


    Auch die viertürmige romanische Liebfrauenkirche ist sicherlich in ihrer kunstgeschichtlichen Bedeutung höher einzuschätzen als es der erste Blick meinen lassen könnte.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Zitat von "Däne"

    Erstens das neue Stadtzentrum, das meiner Meinung nach sehr gelungen ist. Hier braucht man eigentlich nur eine bessere Verknüpfung zum Domplatz und der NW-Altstadt. Und die Platten westlich des Rathauses müssen natürlich auch abgerissen werden. Zweitens gibt es noch viel Potenzial im Westlichen Teil der Altstadt. Die Gröper- und Dominikanerstrasse wären nach einer Sanierung der Plattenbauten ganz ok. Die Strassenzügen nördlich des Domplatzes (Vogtei, Bakenstrasse, Judenstrasse usw.) sind ja fast saniert (mit einigen traurigen Ausnahmen). Hier könnte man den Brachen als Gärten benutzen und die Strassen mit Steinmauern abgrenzen so wie das schon in der Judenstrasse passiert ist. Man hätte dadurch zwar nicht eine dichtbebaute Altstadt sondern eine ”Fachwerkgartenstadt” à la Soest (Westfalen). Eine Bebauung der Brachen ist in den nächsten 20-30 Jahren auf Grund der demograpfischen Entwicklung unmöglich.

    Allzu viel mehr kann man wohl tatsächlich nicht erwarten. Leider ist aber wohl damit zu rechnen, dass immer noch das eine oder andere alte Fachwerkhaus verschwinden wird.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Brachflächen etwas anspruchsvoller zu begrünen dürfte eine kurzfristige Lösung sein, sofern nicht das städtebauliche Gefüge dadurch zu stark zerrissen wird. Vor jeder Neubebauung sollte jedenfalls die Sanierung der ruinösen Gebäude stehen bzw. die Einbeziehung von Fassadenresten und Spolien, die hier offenbar noch einfach so herumstehen und -liegen, in ausgesuchte Neubauprojekte.

  • Warum soll dieses Haus nicht mehr zu retten sein? Der Dachstuhl wohl nicht, aber sonst ist noch alles da. Was fehlt, ist in erster Linie der WILLE.
    Der Wille zum Erhalt, nicht der zur Abrissbirne. Mit der ist man in D bekanntlich sehr schnell bei der Hand.
    Und wie wär es damit, diesen wahrscheinlich einsam und verlassen stehenden Bau an eine prominente Stelle zu translozieren? Der Markt um das Rathaus wäre mit Abbruchsobjekten wie diesen sicher weit schöner zu pflastern gewesen als mit diesem 08-15 Billig-Postmodernismus.
    Aber nein, man muss abreißen, vernichten.
    Wer soll es da wirklich noch wagen, Rekos für Halberstadt zu fordern?
    Abrisspraktiken wie diese geben den Reko-Gegnern in der Tat wunderbare Argumente in die Hand.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.