Halberstadt war eigentlich der Hauptgrund, warum ich mal für ein paar Tage in den Harz reisen wollte, da ich unbedingt wissen wollte, was aus dieser Stadt geworden ist, die auf den Fotos im Bildindex ziemlich übel zugerichtet zu sein schien. Auf dem Weg nach Halberstadt bin ich mit dem Zug übrigens an Vienenburg vorbeigekommen, wo sich das älteste noch erhaltene Bahnhofsgebäude Deutschlands von 1840 befindet:
In Halberstadt angekommen (heute mit strahlendem Sonnenschein, aber auch ziemlich kalt - was man auf den Fotos zum Glück nicht sieht) warf ich erstmal einen Blick auf das Bahnhofsgebäude, das gerade in der Anfangsphase einer großen Sanierung steht - was offenbar auch dringend nötig ist. Erstaunt war ich, dass sich hinter der (in Teilen noch vorhandenen) Verkleidung aus der Nachkriegszeit noch das alte gründerzeitliche Bahnhofsgebäude befindet. Hoffentlich richten die das ordentlich wieder her, vor allem mit einem vernünftigen Dach.
Hinter dem Bahnhof erhebt sich ein vor sich hin rostender Wasserturm:
Die Richard-Wagner-Straße führt in Richtung Altstadt und begrüßt einen gleich mit Plattenbauten, die aber zum Großteil gut saniert sind:
Wie die Straße vor dem Krieg vermutlich aussah, zeigen noch das Landgericht von 1911 und ein Mietshaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite:
Ich gehe nicht gleich über die Kühlinger Straße in die Altstadt (die eh nur von Plattenbauten gesäumt ist), sondern umrunde erstmal den Ostteil der Altstadt, weil sich dort noch ein gut erhaltenes Stück der Stadtmauer befindet:
Ein Blick in den Breiten Weg, der vor dem Krieg so aussah:
(Quelle: Bildindex)
Und heute...
Sieht man mal von dem Hochhaus am linken Bildrand auf dem obigen Bild ab, sieht die Straße heute zum Wohnen sogar recht gemütlich aus. Sie ist Fußgängerzone, schön begrünt, das Straßenpflaster sieht auch ganz gut aus, und sie führt direkt auf das heutige Geschäftszentrum rund um Holzmarkt und Fischmarkt zu, was als solches aber erst in den Neunzigern entstand. Also eigentlich eine ideale Wohnlage - nur sieht das ganze eher aus wie ein vorstädtisches Wohngebiet, nicht wie eine Altstadt auf historischem Boden. Trotzdem wird sich an diesem Anblick wohl in naher Zukunft nicht viel ändern, ein Rückbau hin zu einer kleinteiligen Altstadtstruktur oder gar eine Rekonstruktion (wobei die Straße ohnehin stark historistisch überformt zu sein schien) ist wohl nicht zu erwarten, denn die Wohnungen scheinen durchaus beliebt zu sein. Ist ja auch kein Wunder, wie gesagt, sie liegen sehr zentral, trotzdem in der ruhigen Fußgängerzone und mit Durchgrünung. Nur die 50er-Jahre-Läden in Zeilenbauweise stehen größtenteils leer:
Ich geh jedoch erstmal weiter die Stadtmauer entlang.
Den Baum, der aus dem Mauerturm wächst, hätte ich am liebsten rausgezupft. Auf die Dauer ist der alles andere als gesund für das Mauerwerk - und die Stadtmauer sowie der ehemalige Wall als Grüngürtel sind das einzige, was in diesem Teil Halberstadts noch nach Altstadt aussieht und sie klar von den neuzeitlichen Stadterweiterungen trennt:
In der Antoniusstraße sehe ich erstmals ein altes Fachwerkhaus (wenn auch "nur" eins aus dem späten 18. Jahrhundert). Die Straße wird derzeit offenbar neu gepflastert (und hoffentlich nicht geteert):
Gegenüber der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Franzosenkirche...
(Quelle: Bildindex)
...einem Zentralbau von 1713-18, die heute als Ruine ihr Dasein inmitten einer Brache fristet...
...befindet sich dieser Nachwendeneubau, der leider auch keine Stadtreparatur betrieben hat (Stichwort Kleinteiligkeit, Wiederaufnehmen der alten Parzellenstruktur):
Stark verfallenes Haus aus dem späten 18. Jahrhundert in der Antoniusstraße:
Die Antoniusstraße wird in der Gerberstraße und diese in der Dominikanerstraße fortgeführt. Hier im Randbereich zwischen kriegszerstörtem und unzerstörtem Gebiet sieht man eine wilde Mischung aus historischen Bauten (hinten die Dominikanerkirche und ein paar Fachwerkhäuser), Nachkriegsbauten, Bauten aus der Stadtsanierung in den 1980ern (rechts, teils auf kriegsbedingtem Brachland, teils anstelle abgerissener historischer Bauten errichtet) und Nachwendelückenfüllern (hinter der Reihe der 80er-Jahre-Bauten):
Doch bevor ich mich dem Zentrum der Altstadt nähere, will ich erst noch einige historische Bauten am Rande bzw. außerhalb begutachten. Zuerst wäre da der Wassertorturm, der letzte Rest eines Stadttors in Halberstadt:
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind die Reste einer historischen Sandsteinmauer erhalten. Für die Stadtmauer scheint sie mir aber zu schwach dimensioniert zu sein. Möglicherweise war die Mauer ehemals eine Grundstückseinfriedung - oder aber die Mauer des Friedhofs der Franzosenkirche, der heute nur noch aus wild wucherndem Gestrüpp besteht:
Direkt außerhalb der Altstadt befindet sich an der Gleimstraße das (ehemalige?) städtische Salvator-Krankenhaus, das aus einem mittelalterlichen Hospital entstand. Neben historistischen Bauten...
...ist auch ein Rest des gotischen Kreuzgangs mit Brunnenhaus erhalten, wenn auch stark überformt:
Schöne Villa an der Gleimstraße:
Blick in die Größerstraße stadteinwärts. Hier fielen bei der "Stadtsanierung" in den Achtzigern reihenweise Fachwerkhäuser, wenn auch größtenteils "nur" kleinere Häuser aus dem 18./19. Jahrhundert:
Außerhalb der Altstadt sieht die Straße heute erstaunlicherweise historischer aus als innerhalb:
Die meisten Häuser sind hier auch schön saniert. Dafür sehen die unsanierten umso übler aus:
Am Ende der Gröperstraße liegt der ehemalige Siechenhof, dessen Gebäude aus ganz unterschiedlichen Zeiten in DDR-Zeiten verfielen, heute aber offenbar wieder genutzt werden.
Nur das älteste der Gebäude, die romanische Kapelle, verfällt weiterhin. Auf dem Foto im Denkmalverzeichnis, das 1994 erschien, hatte sie wenigstens noch ein Schutzdach:
Bevor ich mich nun endlich ins Altstadtgetümmel wage, noch ein kurzer Blick auf die Kirche des ehemaligen Burchardiklosters, die zu DDR-Zeiten als Lagerhaus genutzt wurde, heute aber zum Glück wiederhergestellt ist. Das Kloster war ursprünglich Prämonstratenserstift, wurde aber ab 1208 bis zur Säkularisation von Zisterzienserinnen belegt.
Die Klosteranlage mit Wirtschaftsbauten ist noch ziemlich gut erhalten, vor allem der Torbau beeindruckt:
Taubenturm:
Der turmlosen romanischen Basilika fehlt heute das südliche Seitenschiff, dessen Dimensionen sich aber noch gut am Querhaus abzeichnen:
Auch das nördliche Seitenschiff scheint stark erneuert zu sein:
Blick ins Kircheninnere (durch ein Fenster, da die Kirche selbst verschlossen war):
An einem Schuppen neben der Kirche sind ein paar Spolien eingemauert:
Einige weitere (vornehmlich Grabsteine) liegen mehr oder weniger achtlos herum:
Doch nun geht's endlich in die Altstadt, die ich von Norden, durch die Gröperstraße betrete. Bis auf ein paar einzelne Bauten sind die ehemaligen Fachwerkhäuser wie gesagt in den 80ern abgerissen worden:
Die Neubauten sind alles andere als ein würdiger Ersatz:
Lediglich der Neubau an der Einmündung der Straße Bei den Spritzen ist meiner Meinung nach recht gelungen, da er zwar das historische Fachwerk zitiert, sich aber trotzdem klar als Neubau zeigt:
Das Haus Gröperstraße 18 aus dem späten 16. Jahrhundert (nicht aus dem 17. Jh., wie im Bildindex steht) war 1992 noch erhalten:
(Quelle: Bildindex)
Heute sieht es so aus:
Reste der Schmuckformen auf den Eckständern bzw. Balkenköpfen. Die Oberstockschwelle wurde brutal abgesägt:
Ähnliche Verzierungen an einem Nachbarhaus:
Ganz in der Nähe steht die romanische Moritzkirche:
Die ehemals wohl schönsten Häuser der Straße (den Schmuckformen nach alle drei aus dem 16. oder frühen 17. Jahrhundert) wurden vermutlich noch zu DDR-Zeiten entkernt und stehen seit mindestens 1992 so herum - na, wenigstens scheinen die Dächer dicht zu sein:
Blick in die Gröperstraße Richtung Dom, der noch einmal zeigt, wie stark der Kahlschlag in den 80ern war. Nur noch mal zur Erinnerung, die Straße hat den Krieg unzerstört überstanden:
Ähnliche Perspektive vor dem Krieg:
(Quelle: Bildindex)
Größerstraße 31 aus der Mitte des 18. Jahrhunderts:
Dahinter liegen ein Fachwerkhaus von 1575 sowie der ehemalige Pfarrhof mit barocker Einfriedung und bemerkenswertem schmiedeeisernem Gitter: