Frankfurt a. M. - Schauspielhaus

  • An Geld fehlt es in unserem Land sicher nicht. Es wird halt an falscher Stelle verpulvert.

    In solchen Fällen wie beim Schauspielhaus, empfinde ich unser politisches demokratisches System als äußerst unbefriedigend. - Die Mehrheit der Bevölkerung wird sich ziemlich sicher das Erscheinungsbild des alten Gebäudes wünschen. Die Mehrheit interessiert aber nicht. Man muss darauf hoffen, daß sich zufällig Abgeordnete mit dem gewünschten Architekturgeschmack unter den Entscheidungsträgern befinden. Das ist keine Demokratie, sondern reine Glücksache, was entschieden wird.

    Das Schauspielhaus und die Oper sind öffentliche Bauwerke für die Bevölkerung. Nicht aber allein für die Lokalpolitiker. Also sollten in solchen Entscheidungen bitte auch die Bürger gefragt werden und eine gewichtige Stimme bekommen.

  • "Deutschland ist ein reiches Land. [...] Wir haben schon so vieles geschafft. Wir schaffen das!"

    Literaturempfehlung: Daniel Stelter, Das Märchen vom reichen Land, 2018.


    Für das Schauspielhaus sollte es aber locker reichen. Schließlich sind das nur einmalige Ausgaben mit einem nachhaltigen Return on Investment. Leider den meisten Politikern nur schwer begreiflich zu machen, da kaum in Quartalsberichten oder Legislaturperioden darstellbar.

  • Bürgerbefragung? Ich weiß nicht, mir scheint bei diesem Thema - wenn man von wenigen Enthusiasten absieht - allgemeines Desinteresse in der Bevölkerung zu bestehen. Sofern sie überhaupt mitbekommen hat, dass ein Wiederaufbau eine Option wäre. Ich habe eher das Gefühl, dass das Schauspielhaus ein ungünstiges Schlüsselbauwerk ist. Es repräsentiert den "schwergewichtigen" Historismus, ein Stil der viel Angriffsfläche für Kritik und Ablehnung bietet. Die kleinteilig-filigrane Altstadt hatte es da leichter Zuneigung zu gewinnen. Wohlgemerkt, das ist nicht mein Standpunkt sondern eine Einschätzung der Stimmungslage "da draußen". Wahrscheinlich sind wir einfach noch nicht soweit für so ein Projekt.

    In dubio pro reko

  • Und an Geld.

    Ich finde diese Aussage sehr verwunderlich. Wenn es nur ums Geld ginge, dann muss das Kaiserreich ja förmlich in den Milliarden geschwommen sein. Dort wurden Bauten wie das Schauspielhaus, der Kaiserpalast, das Waldstraßenviertel in Leipzig etc. in vielleicht zwei Jahrzehnten aus dem Boden gestampft. Man schaue sich die Kölner Ringstraße, Hamburg, Dresden, Berlin, ja fast jede deutsche Stadt an. Eine hatte prächtigere Gründerzeitbauten als die nächste. Und es waren ja nicht nur zwei oder drei Bauten. Die Städte waren voll damit, von oben bis unten.

    Und heute, 100 Jahre später, wo man ganz andere bautechnische Möglichkeiten hat, wo man für einfache Gründerzeithäuser schon heute alles per PC fräsen könnte, da will man mir sagen, man kann so etwas heute nicht mehr bauen weil es zu teuer ist? Ich finde, das ist nur ein vorgeschobenes Argument, einfach weil man die Gründerzeit und den Historismus generell nicht wertschätzt. Heute entstehen die überwiegenden Kosten bei Bauprojekten - insbesondere bei öffentlichen - doch durch die Haustechnik, nicht durch den Bau an sich.

    Nein, es ist alles billige Ausrede. Wenn man wollen würde und sich etwas unideologisch einfach mal um schöne Stadträume kümmern würde, dann könnte man einfache Historismusbauten wie schon damals aus einem Baukasten zu sehr reduzierten Preisen zusammen bauen. Denn eins weiß man doch auch mittlerweile, schöne und gepflegte Stadträume leisten auch eine Prävention in Bezug auf Gewalt und Verwahrlosung.

    Die Wiederentdeckung der Gründerzeit, auch als erste Form des industriellen Bauschmucks in riesigen Stückzahlen, wäre ein Beitrag, um zu verhindern, dass mit der jetzigen Bauwut, die ohne Zweifel nötig ist, die Problemviertel von morgen entstehen. Aber so weit denk wieder niemand, lieber baut man eine Container- bzw. Dämmpappburg nach der anderen als Platte 2.0. Gelernt hat man aus der Vergangenheit gar nichts. Vielmehr schafft man sich das Ghetto von morgen.

    Daher wäre es mal an der Zeit die Aversionen gegen den Historismus in die richtigen Bahnen zu lenken und mal konstruktiv auf Stärken und Schwächen einzugehen anstatt beständig irgendwelche Vorurteile weiter zu tragen. Und es sind ja meist genau die Leute, die selbst in ihrer Gründerzeitvilla in Potsdam, München oder Hamburg hocken, die solchen Unsinn unters Volk bringen.

    Also, man sollte einfach jetzt mal redlich schauen, was vom Schauspielhaus noch da ist, was ein Wiederaufbau der drei Stadtfassaden und der Kuppel kosten würde und ob zunächst vielleicht nicht auch eine abgespeckte Variante möglich ist, indem wie in Potsdam am Schloss zunächst nur die nötigsten Teile verbaut werden. Das wäre ein unideologisches Vorgehen, indem man einfach mal Fakten auf den Tisch legt!

    APH - am Puls der Zeit

  • Ein herber Rückschlag für die Wiederaufbauinitiative. Dass sich Guntersdorf bereits in der Prüfphase zu einer solchen Aussage hinreißen lässt ist nicht besonders professionell. Aber zumindest weiß man nun, dass von Gunthersdorf keine Unterstützung für eine Reko zu erwarten ist.
    Überhaupt sollte man sich bei Guntersdorf nicht täuschen: Er ist kein neuer Lübbecke, sondern ein taktisch versierter, bestens in der Frankfurter Immobilienbranche vernetzter Architekturtausendsasser, der viele Jahre in hochrangigen Positionen bei Projektentwicklern und Vermögensverwaltungsgesellschaften (s. https://www.domroemer.de/michael-f-guntersdorf) in Frankfurt am Main aktiv war. Ehrlich gesagt, hätte ich mir eine neutralere Persönlichkeit als Leiter der Stabstelle Zukunft der Städtischen Bühnen gewünscht...

    ...

  • Wenn es nur ums Geld ginge, dann muss das Kaiserreich ja förmlich in den Milliarden geschwommen sein.

    Oh Mann, glaub' mir, die Preise für handwerklich gefertigte Sandstein/e/fassaden sind doch heute wahrlich andere als vor 150 Jahren! Ich weiß, wovon ich rede.
    Oder möchtest du das Schauspielhaus in Dämmwolle und Sto-Profilen?
    Ach so, du möchtest dieses Bauwerk aus Kunststoff gefräst bekommen?

  • @Oktavian
    ich weiß nicht, warum deine Antworten die letzte Zeit immer derart zynisch, destruktiv und depressiv sind. Manchmal kommt es mir vor, wenn ich deine Beiträge lese, dass wir kurz vorm Weltuntergang stehen. Sei doch mal etwas positiver, etwas zugewandter, etwas konstruktiver.

    Wenn du mit deiner heutigen Einstellung anden Dresdner Neumarkt gegangen wärst, kein einziges Haus würde da heute stehen. Und auch was die Sandsteinarbeiten angeht. Wir stehen an der Schwelle zu einer Veränderung, die auch diesen Sektor erfassen wird, den sich heute viele nicht vorstellen können, der die Welt aber in ihren Grundlagen verändern wird. Es wird vielleicht noch 5 oder 10 Jahre dauern und dann fräsen Computer jedes erdenkliche Element aus Sandstein oder es wird jedes vorstellbare Stuckelelement aus dem 3D-Drucker kommen. Einfach so, es wird keine Limits mehr geben. Wofür man früher 3 Monate brauchte, macht ein solches Gerät über Nacht, ohne müde zu werden, ohne zu meckern, Stunde um Stunde.
    Und wenn wir über den einfachen Gründerzeitbau reden, wie im Leipziger Waldstraßenviertel, so wäre dies auch heute schon Stangenware, Gesimse, Fensterprofile, alles können diese Maschinen heute schon in Masse fertigen, es bräuchte nur die Nachfrage und die Dinge würden so billig, dass es keine größeren Mehrkosten mehr geben würde gegenüber einer normalen Glasfassade.
    Das, was in Zukunft noch etwas kosten wird, sind extrem aufwendige Einzelanfertigungen, die ein Grafikdesigner programmieren muss. Alle Basic-Elemente kannst du einfach mit Kopierfunktion anpassen und beliebig verdoppeln. Und wie überall gilt, je größer der Baukasten, je größer die Nachfrage, umso mehr sinkt der Preis.
    Es braucht aber mal einen Anfang und eine positive Vision und nicht dieses stänige, depressive Gerede.

    APH - am Puls der Zeit

  • Das sind komplexe ökonomische Zusammenhänge, aber kurz gesagt: es geht den Leuten privat heute viel besser als zu Kaisers Zeiten. Praktisch jeder lebt in seiner eigenen Wohnung, niemand ist oder hat mehr Dienstboten, jeder hat mindestens drei Wochen Jahresurlaub und fährt wenigstens einmal über mehrere Nächte weg. Was früher an Geld für öffentliche Zwecke zur Verfügung stand, wird heute privat konsumiert; was früher Privileg einer vergleichsweise kleinen Elite war, ist heute Standard für jedermann.
    Das hat aber seinen Preis: der Stundenlohn ist im Vergleich zu damals erheblich höher und damit auch die Stückkosten für alles, was handwerklich gefertigt wird. Damit steigen die Kosten für z.B. steinernen Bauschmuck ins Unermessliche.
    Und man täusche sich nicht - der Historismus mag besser sein als sein Ruf, aber er ist eben eine Zweitverwertung der Originalstile und damit per definitionem weniger originell, weniger eigenständig und weniger großartig als originale Gotik, originales Barock oder originaler Klassizismus. Es wird also bis in die absehbare Zukunft weniger Menschen geben, die nach einer Rekonstruktion historistischer Bauten rufen, solange noch nicht jede backsteingotische Kirche, jede romanische Burgruine und jedes barocke Schloss wiederaufgebaut ist.
    Und das sage ich zwar auch, aber nicht nur als jemand, der kein großer Fan des Historismus ist...

  • Apollo: Genau diese serielle Massenanfertigung ist es ja, die dem Historismus angekreidet wird. Was du als den großen Fortschritt verkaufst, sehen genügend Architekturfreunde mit Grausen. Es werden seelenlose Retortenarchitekturen entstehen, deren Elemente austauschbar und einfallslos sind. Genau dort waren wir schon einmal vor 100 Jahren - die Antwort waren Art nouveau, Bauhaus, Moderne und Brutalismus. Müssen wir die Geschichte unbedingt wiederholen?

  • Stimmt. Also ist die Lösung wir lassen den Schmuck gleich weg und klatschen einfach Dämmpappe vor die Fassaden und entscheiden nur noch ob weiß grau oder beige gestrichen wird. Tolle Idee.
    Leider haben viele hier die Möglichkeiten der neuen Technologien noch in keinster Weise erfasst. Damit ist nicht nur die Reproduktion des immer gleichen möglich. Es ist schier alles möglich. So wie man heute jede Geschichte auf der Leinwand erzählen kann, weil man schlicht alles animieren kann was man will, wird man in Zukunft auch alles bauen können was die Phantasie und die Physik her geben.
    Aber wenn ich hier echt manchmal selbst im aph lese, dass man lieber keine Schmuckelemente will als jene der Gründerzeit, Sorry. Dann kann man die Architekturdebatte gleich beenden und zum Containerbau über gehen.
    Für mich gibt es aber mehr als die Wahl zwischen Containerbauten auf der einen Seite und Originalbarock auf der anderen Seite.

    APH - am Puls der Zeit

  • Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen, um zwei nach vorne gehen zu können. Und genau in dieser Situation befindet sich die Architektur seit der Nachkriegszeit. Viel zu lange schon befindet sich dieses Gewerk in der Sackgasse, auch wenn es immer wieder Versuche gab, daraus auszubrechen.

    Die Postmoderne hat beides gleichzeitig versucht (Schritt vor und zurück) und ist damit auch irgendwie gescheitert. Insofern sehe ich den aktuellen globalen Trend zur neuen Klassik auch als Vorbereitung einer völlig neuen Architektur, die wohl eher an der frühen Moderne im Sinne von Art Deco, Modernisme, Streamline, Prairie Style, Arts & Crafts, Expressionismus, Jugendstil und Co anknüpfen dürfte.

    Erste Blüten davon sehen wir bei den teuersten Projekten in New York zB: schaut euch mal den Steinway Tower oder den Flatbush Tower an.

  • Natürlich besteht die Gefahr der Sterilität des Bauschmucks, aber auch das könnte man durch einen manuellen Endschliff beheben. Ich finde es heuchlerisch, wenn die Weg-Werf-Modernisten dem Historismus etwas vorwerfen, was sie selbst bis zum Exzess (aus)nutzen.

    Und in der Gotik oder im Barock hätten die Baumeister die standardisierte Herstellung natürlich auch genutzt, wenn das damals schon möglich gewesen wäre. Es gab doch stets nur die Möglichkeit der Einzelherstellung von Bauteilen. Erst wir sehen darin - zu recht - einen besonderen Wert. Der alte Baumeister aber hätte in seinem Architekturplan das eigentlich Entscheidende gesehen. So argumentieren heute doch auch alle Vereine pro Rekonstruktion.

    Überaus wichtig jedoch bleiben in diesem Zusammenhang nachhaltige, heißt natürlich alterungsfähige und beständige Baumaterialien, und da sehe ich wiederum schwarz.

  • Frueher hatten die Leute keine Autos. Das Auto hat die Baubranche geerbt, in seiner plastizitaet und Ausdruckswillen des Eigentuemers. Ein anderer Unterschied zu frueher ist das Geldsysteem. Damals hatte man das Vollgeld-system.
    Produckte wurden ueber Jahrzehnte billiger. Wenn nicht gerade ein boom damit war, versteht sich.
    Dazu kahm, das die ganze Elektrick damals fehlte und man das Geld anders Investieren konnte.
    Und zu guterlezt war die Geellschaft eine andere. Z.B. gab es damals keine Einkommens-steuer. Oder besser gesagt, 4% Einkommenssteuer beginnend bei 100 000 Gold Mark, das sind heute 800 000 Euro. Auch gab es damals keine Mwst.
    Die Steuerlast war damals 80% niedrieger als heute. Gut, Lebensmittel waren fuenf mal so teuer, aber Ihr wisst was ich meine. Das Geld waerre da.

    Beispiel: Die Bundesbank ueberweist jedes Jahr die Dollar Ueberschuesse zurueck an die private US Zentralbank.
    Das geht seit dem Weltkrieg so. Allein im Jahr 2017 waren das 255 Milliarden US-Dollar die ohne Gegenleistung
    an Amerika verschenkt wurden.
    Japan, China oder Saudi Arabien duerften das Geld behalten. Achtet mal darauf!

    Oder die Steuerbefreiung Auslaendischer (Amerikanischer) Aktionaere. Ich weiss wovon ich rede, ich habe selbst Geld in Deutschland angelegt, weil Deutschland das Einzige Steuerfreue Land in Europa ist. Daher ist ja 65% des Deutschen Aktienhandels in Amerikanischer Hand! Jaehrlicher Schaden fuer Deutschland: Rund 100 Milliarden.

    Ich will nicht wieder Politisch werden, bitte um Verzeiung, moechte aber darauf hinweisen, dass genug Geld in Deutschland erwirtschaftet wird. Dieses Geld wird aber nicht dem Kreislauf zugefuehrt. Vieleicht sollte man lokale Politiker mal fragen....

  • Zurück zum Thema Schauspielhaus: Der Kulturausschuss steht in einer Mehrheit gegen eine Reko des alten Schauspielhauses. Guntersdorf wird dabei wie folgt zitiert "...Nicht alles, was alt ist, ist werthaltig. Der Historismus war nicht der interessanteste Abschnitt der Architekturgeschichte.“
    https://www.fnp.de/frankfurt/kult…h-10773234.html
    Mir fällt dazu was ganz anderes ein: "Die Architektur der Nachkriegszeit war nicht der interessanteste Abschnitt der Architekturgeschichte."

    ...

  • Das ist ja genau der gleiche Dreck wie die aktuelle Oper + Schauspielhaus. Nur etwas in die Höhe gezogen.

    IST-ZUSTAND

    ZUKUNFTSVISION


    Was da heute so geplant und entworfen wird, ist einfach nur noch deprimierend und ernüchternd. Da könnte man glatt das Interesse an Architektur verlieren.

    Ob Bahnhofshalle, Kunstmuseum, Bürogebäude oder Opernhaus. Es sieht alles gleich aus.

  • Allerdings wird diese Oper nicht mehr am alten Platz stehen, sondern im Bereich des Osthafens, nahe der EZB. Über die Architektur mag man streiten, aber vielleicht werden so ja Schauspielhaus-Anhänger etwas besänftigt. Den Bereich des alten Schauspielhauses betrifft diese Planung aber nicht. Hier wäre weiter alles offen.

  • Das ist ja genau der gleiche Dreck wie die aktuelle Oper + Schauspielhaus. Nur etwas in die Höhe gezogen.

    Und auch ziemlich kitschig. Wirkt wie das, was man in den 90ern schnell und billig vor allem in den neuen Bundesländern hochgezogen hat.
    Da hat selbst die 60er Jahre Oper mehr Qualität.