Dresden, Neumarkt - Quartier III/2

  • Wunder, daß das alles in allem (natürlich unter Mitwirkung vieler Beteiligter) zu so einem guten Ergebnis geführt hat.

    Kein Wunder, sondern, ich wiederhole mich: Blut, Schweiß und Tränen.

    Die Stadt hat es so entschieden, ausschließlich auf Investoren zu setzen. Sie hatte damals und heute erst recht nicht das Geld, selbst zu bauen.

    Sie hat aber leider noch nicht mal die Kraft und die Lust gehabt, die teilweise bis zur Bauausführungsreife gediehenen Fassadenpläne von Andreas Hummel zu erwerben. Das hätte vieles leichter und besser gemacht.

    Und, sorry, da bist du ein weltfremder Träumer, wenn du denkst, die BRD, die 1990 gerade die Kleinigkeit der deutschen Einheit zu stemmen hatte, hätte damals mal einfach ein paar Milliarden rüberschieben können, um ausgerechnet Dresden seine Altstadt wiederaufzubauen.

    Da wäre Bürgerkrieg ausgebrochen.

    Der Bund tat de facto sehr viel für Dresden, Stichwort Frauenkirche und Schloss

  • In meinen Augen wäre es eine nationale Aufgabe gewesen, diese paar Karrees optimal (und gegebenenfalls im Detail auch optimiert) wiederzuerrichten. Die paar Milliarden hätten wir dann auch noch gehabt. Keine seltsamen Neubauten, keine faden Kompromisse.

    Daraus müsste man dann schließen, dass du mit dem Bau des Humboldtforums im Stadtschloss sehr zufrieden sein müsstest, denn das wurde als nationale Aufgabe behandelt. Oder mit dem Potsdamer Landtags-Schloss. Vielmehr zeigt sich auch dort, dass unsere demokratische Verfasstheit auf Kompromissfindung ausgelegt ist. Auch bei einem staatlichen Aufbau des Neumarkts hätten viele mitreden wollen und dürfen, und es ist keineswegs gesagt, dass nicht etwas ganz Ähnliches entstanden wäre wie heute. Unter "optimal" versteht schließlich jeder etwas anderes.

    Aber auch in autoritär regierten Staaten werden Rekonstruktionen munter aus Stahlbeton errichtet und auch dort entstehen im Stadtbild etliche hässliche Fassaden...

    Genuss am Erreichten macht das Leben schöner gegenüber Unzufriedenheit mit dem Verpassten. Etwas Toleranz gehört auch dazu.

  • Ich hatte gestern Abend erstmalig Gelegenheit, das neue "Quartier am Hoym" zu begutachten und bin wirklich sehr angetan davon. Ich möchte die Betrachtung auf eine Detailfrage lenken: Die Durchgänge von der Rampischen zur Landhausstraße!

    Diese sind ja größtenteils Neuschöpfungen, weil es sie so historisch nicht gab. Das Ergebnis finde ich zuweilen aber noch reichlich nackt und steril und besonders abends, wenn man da durchgehen muss, auch etwas gruselig. Liegt natürlich daran, dass da noch nicht viele Mieter wohnen.

    Aber was denkt ihr? Wäre es nicht zum Beispiel besser gewesen, wenn man einige Passagen gepflastert hätte? Wäre das eine Option, die man mittelfristig später mal noch umsetzen sollte? Und wie kann man die nackten Durchgangswände etwas dresdentypisch aufhübschen? Das Einfachste wäre doch, etwas Efeu oder Illusionsmalerei. Welche Motive könnte man da wählen? Gab es da in den Höfen Ornamentik oder Embleme, die historisch vorhanden waren aber auf die man verzichten musste? Sowas ließe sich ja auch nachträglich noch anfügen. Hier drei Fotos der Durchgänge, deren Bereich ich als besonders kühl und trist empfunden habe.

    Also die Frage an die Experten, allen voran Resurrectus: Wie könnte man diese Durchgänge hoym-und rieschtypisch sowie dresdentypisch in kleinen Schritten verbessern, ohne sie baulich massiv zu verändern?

    Es gab früher oft Durchfahrten und daran würde ich mich orientieren.

    Alleine an der Lichtfarbe ist zu erkennen, dass hier jemand keine Lust, Ahnung oder was weiß ich hatte. Ich verwende beispielsweise stets Leuchtmittel mit 3000K „warmweiß“.

  • Nochmal zu Rampischen Straße: Ich finde, selbst wenn von der früheren Bebauung keine vollständigen Aufnahmen existieren oder die Häuser auf der Seite der Rampischen weniger repräsentativ waren, heißt das nicht, dass man dort schlechte Architektur hinstellen muss.
    Auch unscheinbare, einfache Gebäude können städtebaulich wertvoll sein, wenn sie das historische Gefüge ergänzen.

    Ein gutes Beispiel ist die rekonstruierte Altstadt von Warschau: Dort ist längst nicht jedes Haus prachtvoll – viele sind schlicht, teilweise vereinfacht wiederaufgebaut, aber im Ensemble funktioniert es. Genau das schafft doch Atmosphäre.

  • Nochmal zu Rampischen Straße: Ich finde, selbst wenn von der früheren Bebauung keine vollständigen Aufnahmen existieren oder die Häuser auf der Seite der Rampischen weniger repräsentativ waren, heißt das nicht, dass man dort schlechte Architektur hinstellen muss.
    Auch unscheinbare, einfache Gebäude können städtebaulich wertvoll sein, wenn sie das historische Gefüge ergänzen.

    Ein gutes Beispiel ist die rekonstruierte Altstadt von Warschau: Dort ist längst nicht jedes Haus prachtvoll – viele sind schlicht, teilweise vereinfacht wiederaufgebaut, aber im Ensemble funktioniert es. Genau das schafft doch Atmosphäre.

    Gewisse Grundsätze wie Farbgestaltung, Fensterformate/-gliederung, hochwertige Schmiedearbeiten, goldener Schnitt, Dachfarbe etc. sollten einfach eingehalten werden.

    Dann ist das absolut akzeptabel.

  • und, sorry, da bist du ein weltfremder Träumer, wenn du denkst, die BRD, die 1990 gerade die Kleinigkeit der deutschen Einheit zu stemmen hatte, hätte damals mal einfach ein paar Milliarden rüberschieben können, um ausgerechnet Dresden seine Altstadt wiederaufzubauen.

    Also erstens ist das mit den paar Milliarden kein Argument, wenn man sieht, wofür hunderte Milliarden verschwendet worden sind und immer noch werden. Was das "ausgerechnet Dresden" betrifft, so wäre hier zB auf Görlitz zu verweisen. Ich war 1990 dort, und es war eine in meinen Augen todgeweihte Ruinenstadt, die zentralen Plätze vielleicht ausgenommen. In Bautzen war es nicht viel anders. Da ist damals doch enorm viel passiert. Und Görlitz wie auch Bautzen sind jetzt wirklich keine Städte von internationaler Reputation und weder zur Repräsentation nationaler Leistungen noch zur touristischen Verwurschtung besonders geeignet. Und das NM-Projekt begann überdies nicht unmittelbar nach der Wende, sondern gut zehn Jahre später nach der Errichtung der FK. Hier hätte man schon so etwas wie staatliche Unterstützung der aufkommenden Euphorie erwarten dürfen. Aus meiner Sicht wäre das sogar realistischer gewesen, als auf den good will irgendwelcher dahergelaufener Investoren (deren Wohlmeinendsten, nämlich jenen aus Wien, man zudem offenbar vorsätzlich vergrault hat) zu setzen, auch wenn sich das ex post tatsächlich als naiv erweist. Wir reden schließlich wirklich nur vom Bruchteil eines Km²s und von einem der damals noch allerreichsten Staaten. Schon, sogar! die DDR hatte begonnen, derartige Pläne zu wälzen. Die BRD hingegen hatte sich da fein rausgehalten. Aus heutiger Sicht natürlich zu erwarten gewesen, aber gerade die frühen sächsischen Wiederaufbauleistung vor allem der Lausitzer Städte hatte noch ein anderes Bild ergeben. Und das waren keine Investoren, auch keine privaten Investitionen (von jenem ominösen Görlitzer Spender abgesehen, der das allerdings niemals allein gestemmt hätte), sondern ausschließlich die öffentliche Hand.

  • Denkmalpflege wie in Bautzen und Görlitz würde ich hier nicht in einen Topf mit Rekonstruktion werfen. Denkmalpflegerisch wurde auch in Dresden sehr viel Steuergeld aufgewendet bzw. Steuervorteile gewährt.

    Außerdem ist der Neumarkt ja wiederaufgebaut worden! Manches ist hier sogar schöner als vor dem Krieg geworden. Dass anderes nicht überzeugen konnte, sei es drum. Es ist nun so, künftige Generationen können prüfen, was verbessert werden soll.

    Deutschland ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, die allgegenwärtigen Untergangsgesänge befremden mich. Gern darf die Bundesrepublik das Hotel Stadt Rom in allerhöchster Qualität wiederaufbauen. Ich habe nichts dagegen. Hat jemand einen Plan, wie Friedrich Merz, Wolfram Weimer oder Michael Kretschmer dafür begeistert werden können? Ursus? Jakob? Voran, Leute, nicht nur hier im Forum! Das Glück ist mit den Tüchtigen!

  • Denkmalpflege wie in Bautzen und Görlitz würde ich hier nicht in einen Topf mit Rekonstruktion werfen.

    Die Grenzen waren mitunter sehr fließend. Jedenfalls wäre Abbruch und Reko in vielen Fällen billiger gekommen.

  • Das Stadt Rom stellt baukünstlerisch die größten Ansprüche, die ein ehemals bürgerliches Gebäude am Neumarkt überhaupt stellen kann. Sich vor den Realitäten eines vollkommen mißratenen Q 1, dem Schneewittchensarg oder auch der neuen Alten Post oder Château Altfrankenstein auf den erstbesten Investor als Heilsbringer zu verlassen, hätte im Vorfeld eine öffentliche Frage sein müssen; und solange die nicht geklärt ist, kann der weitere Wiederaufbau gerne noch unterbleiben.
    Die Art und Weise, wie sich hier die öffentliche Hand so vornehm aus der Affäre gezogen hat, und schlußendlich auch alle möglichen "Investorenresultate" ermöglicht hat, ist fragwürdig und mehr.
    Den Zusammenhang zwischen Wiederaufbau der Frauenkirche und der Wiedererstehung ihres einstigen Umfelds gilt es ansonsten schon zu beachten.

  • Das Stadt Rom stellt baukünstlerisch die größten Ansprüche, die ein ehemals bürgerliches Gebäude am Neumarkt überhaupt stellen kann.

    Nur aus Interesse: noch mehr als das Dinglingerhaus, das Köhlersche Haus, das sog British hotel (OK, nicht bürgerlich), Rampische Straße 1 ff?

  • I.m.h.o. ja - so konsequent muß man manchmal offenbar sein. Die Verschmelzung von Gestaltungsprinzipien Knöffels mit denen von Pöppelmann geschah hier auf einem solch hohen baukünstlerischen Level im Detail, daß er danach nicht mehr erreicht wurde und ihn wieder erreichen zu wollen, keine Aufgabe sein kann, die man ausschließlich Investoren überlassen darf. Den Wiederaufbau des Neumarkts ausgerechnet mit solch einem Spitzengebäude abzuschließen, müßte zu einer öffentlichen Angelegenheit werden, nicht zu der eines Investors.

  • Wiederaufbau des Neumarkt-Areals von Dresden als nationale Aufgabe: So formuliert, so kommuniziert, so finanziert. Das entsprechende Zeitfenster gab es natürlich allenfalls unter Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und Bundeskanzler Helmut Kohl. Wobei man vielleich auch Gerhard Schröder nicht unterschätzen sollte. Jedenfalls hätte das noch vor 2000 aufs Gleis gesetzt werden müssen, Baubeginn auch später, etwa nach Fertigstellung des Außenbaus der Frauenkirche.

    "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen", so Helmut Schmidt. Aber für große Ziele reichen eben nicht nur Pragmatismus und Realitätssinn.

  • Ich weiß gar nicht, warum hier ständig von Durchgang Passagen gesprochen wird. Die so genannten „Durchgänge“ sind doch durch Gittertore verschlossen. Der Tourist ist nicht erwünscht. Schließlich wollen die gut betuchten Mieter unter sich bleiben.

  • Genau Eitelwolf hat recht, wer sich nicht illegal Zugang verschafft kommt in die Höfe gar nicht hinein. An diesem Wochenende waren alle Zugänge abgeschlossen.

  • Die Gittertüren der Durchgänge sind dann offen, wenn sie offen gelassen werden, sprich Mieter oder Eigentümer diese offen stehen lassen. Oder jetzt noch, weil Handwerker rein und raus müssen. So meine Beobachtungen im September, als ich mir das alles auch selbst erkundete und noch viel mehr in Dresden in Augenschein nahm!

  • Soweit ich gehört habe, sollen sie aber jetzt schon zubleiben, aus den o.g. Wünschen der Mieter nach Privatsphäre.

    Das Hoym wird später offen sein, zumindest kann man dann dort in den Hof gehen, ob man von dort aus ganz durchgehen kann, weiß ich jedoch nicht.

  • Wir reden hier überschlägig von nicht einmal einem Quadratkilometer wiederaufgebauter "Altstadt", vielleicht nur von einem halben Quadratkilometer. Von der Residenz zum Kurländer Palais, von der Kunstakademie zur Wilsdruffer Straße.

    Mir ist unverständlich, wie man überhaupt auf die Idee kommen konnte, fast zur Gänze auf Investoren zu setzen, und es ist ein Wunder, daß das alles in allem (natürlich unter Mitwirkung vieler Beteiligter) zu so einem guten Ergebnis geführt hat.

    In meinen Augen wäre es eine nationale Aufgabe gewesen, diese paar Karrees optimal (und gegebenenfalls im Detail auch optimiert) wiederzuerrichten. Die paar Milliarden hätten wir dann auch noch gehabt. Keine seltsamen Neubauten, keine faden Kompromisse.

    Ohne die finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung wäre noch nicht einmal die Fertigstellung des Residenzschlosses so weit vorangeschritten. Es gab Jahre, da hat der Freistaat kaum Mittel gehabt, um am Schloss weiterzubauen. Ich glaube deshalb nicht, dass er die finanzielle Kraft dazu gehabt hätte, den Wiederaufbau des Neumarkts ohne private Investoren voranzutreiben. Bei der Stadt Dresden sah es wohl nicht anders aus.

    Ich glaube kaum, dass andere Bundesländer oder der Bund es als nationale Aufgabe sehen bzw. gesehen haben, die Dresdner Altstadt wiederaufzubauen.

    Die Stadt Dresden hätte natürlich mehr machen können. Sie hätte z. B. eine Gestaltungssatzung für den Neumarkt erlassen können oder beim Verkauf von Grundstücken mehr Vorgaben in die Verträge hereinverhandeln können, leider fehlte meines Erachtens den Vertretern der Stadt Dresden der politische Wille dazu. Häufig mussten deshalb die GHND oder andere auf den Bauherren zugehen und auf dessen Wohlwollen hoffen.

  • Das Hoym wird später offen sein, zumindest kann man dann dort in den Hof gehen, ob man von dort aus ganz durchgehen kann, weiß ich jedoch nicht.

    Dann sollten sich etwaige Hinzufügungen, wie etwa die Imperatoren-Büste (Kaiser Claudius) aus dem Hof Landhausstraße 13, auf diesen Bereich konzentrieren.