Berlin - Potsdamer Platz

  • Der Potsdamer Platz ist postmodern und hat einige Elemente des New Urbanism, wie etwa das halböffentliche Fußgängerforum Sony Center und die Räume auf der anderen Seite, oder das schicke Beisheim Center (das wie ein Rockefeller Plaza im Kleinformat wirkt). Ich habe den Eindruck, dass einige scharfe Kritiker dieses Areal noch nie in ihrem Leben mal richtig ausgiebig erkundet haben. Wie sehr man auch klassische Architektur mag, muss man doch die Qualitäten dieses Gebietes erkennen können und kann das nicht mit dem sonstigen Schund gleichsetzen, der überwiegend seit der Nachkriegszeit errichtet wurde. Bleibt mir unbegreiflich.

    Hier ist wirklich mal ein Ensemble entstanden. Auf einer vorigen städtebaulichen Wüste. Man stelle sich mal vor, das wäre so einfallslos wie das Bahnhofsviertel bebaut worden... Was bin ich froh, dass der Potsdamer bereits in den 90ern begonnen wurde, als noch der Wind des Aufbruchs in Berlin wehte und große städtebauliche Projekte statt Kleinklein Platz hatten!

    Für die Torhäuser am Leipziger Platz bin ich auch. Der Leipziger sowie die Bauten links vom Tilla-Durieux-"Park" sind die Schwächen des Areals, sowie das weitgehehnd tote Kulturforum dahinter.

  • Die Torbauten sollten ja eigentlich kommen und waren sogar in den vom Senat veröffentlichten Plänen zu sehen, warum sie dann doch nicht kamen . . . wer weiß?

    Von wann waren diese Pläne denn? Kann man die im Internet einsehen, oder hast du einen Screenshot? Heute kann man die Torbauten ja nicht mehr aufbauen wegen der S-Bahn-Eingänge. Das wäre banausenhaft, wenn man die unhistorisch da irgendwo hinstellen würde, wo sie nicht standen.

    Warum war man denn Anfang der Neunziger so dumm und hat die S-Bahn-Eingänge derartig dilettantisch am Leipziger Platz platziert? Das ist mir auf ewig ein Rätsel - diese völlige historische Lieblosigkeit.

    Allein die historische Verkehrsampel bringt ein starkes emotionales Plus und ein historisches Anbindungsgefühl. Mit den Torbauten zusätzlich würde man sich noch viel wohler fühlen. Dieser historische Selbsthaß ist mir ein Rätsel. Einige Bauten am Leipziger Platz sind in Ordnung. Ein klassisch-moderner Chipperfield hätte dem Platz bestimmt noch etwas historisches Flair zurückgegeben.

    So hätte man auch am Potsdamer Platz verfahren sollen. Also echte Architektur bauen, auch wenn sie vom Original abweicht. Mit dem Kollhoff-Turm ist das gut gelungen. Ein bißchen Glas-Moderne ist auch nicht schlecht, aber sie dominiert den Platz und macht ihn nicht gerade gemütlich.

    Am ärgerlichsten ist diese Plaste-Architektur an der alten Potsdamer Straße. Da hätte man klassisch-moderne Parzellen bauen müssen, die jedem Gebäude ein Gesicht geben.

    Ärgerlich ist auch die Riesenlücke nach Süden, Richtung Landwehrkanal. Dort hätte der Platz geschlossen werden müssen. Die Chill-Out-Zone dahinter ist gar nicht so schlecht, wenn man sie anders und mit Pavillons gestaltet hätte. Aber zum Platz hin hätte ein weiterer 100-Meter-Turm hingemußt, während Kollhoff- und Bahnturm ruhig zwanzig Meter höher hätten sein können.

    Die klassische Moderne hätte ein guter Mittler zwischen heute und dem historischen Platz sein können.

    Wie man sieht, hätte man den Potsdamer und Leipziger Platz mit ein paar kleinen Kniffen wesentlich attraktiver machen können. Der ganze Städtebau allgemein krankt ja an der Idee, daß man mit moderner Architektur Stadt schaffen könnte. Das erweist sich immer wieder als Trugschluß.

    Historische Bezüge müssen die Basis eines Viertels sein. Darüberhinaus kann man dann ruhig auch noch ein bißchen modernistisch herumspielen. Am Potsdamer und Leipziger Platz ist die historische Erdung aber viel zu gering ausgefallen.

  • Von wann waren diese Pläne denn? Kann man die im Internet einsehen, oder hast du einen Screenshot? Heute kann man die Torbauten ja nicht mehr aufbauen wegen der S-Bahn-Eingänge. Das wäre banausenhaft, wenn man die unhistorisch da irgendwo hinstellen würde, wo sie nicht standen.

    Der Materialfetischismus der Denkmalschützer ist mir oft ebenso zu dogmatisch wie ein zu strenger Ortsfetischismus. Hast Du schon von Translozierung gehört? Und weshalb ist es "banausenhaft", die Torhäuser ein paar Meter versetzt in die öde Platzfläche hinein zu verschieben? Wir reden nicht davon, sie in China zu errichten. Über 99% der Bürger wüssten gar nicht, dass die Häuschen einst etwas weiter westlich standen und würden sich nicht daran stören. Das hat sogar "Tradition" in diesem Areal, denn das Esplanade wurde ja auch verschoben. Ich würde sogar für gläserne Anbauten an der Rückseite der Torbauten plädieren, um die Gebäude, z.B. als Café, besser nutzen zu können. Ich fände auch das nicht "banausenhaft".

  • Die einfachste Lösung wäre es, die S-Bahn-Zugänge um 90 Grad zu drehen und in die Torhäuser zu verlegen - ähnlich wie an der Siegessäule. Platz wäre auf jeden Fall für die Torhäuser und wenn es zu teuer wird, die Zugänge leicht zu drehen, lässt man die Treppen eben auf der Langseite der Torhäuser herauskommen - muss nur ordentlich gestaltet werden.

    Einmal editiert, zuletzt von Friedenau (17. August 2019 um 15:06)

  • Von wann waren diese Pläne denn? Kann man die im Internet einsehen, oder hast du einen Screenshot? Heute kann man die Torbauten ja nicht mehr aufbauen wegen der S-Bahn-Eingänge. Das wäre banausenhaft, wenn man die unhistorisch da irgendwo hinstellen würde, wo sie nicht standen.

    Tut mir leid, aber hier habe ich aufgrund der langen Zeit, kein belastbares Material mehr. Ich weiß aber, dass die Torhäuser auf verschiedenen damaligen Plänen eingezeichnet waren und dass auf der Homepage der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auch über einen möglichen Wiederaufbau geschrieben wurde. Kann gut sein, dass es im Rahmen der Planung nur in Erwägung gezogen wurde. Es war aber im Gespräch. Leider doch sehr lange her jetzt.

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Wenn die Torhäuser auch noch in der Ferne zu liegen scheinen, so sollte man auf jeden Fall die überdimensionierten Bahnhofseingänge beseitigen - sie zerstören den Platz und verstellen die Sicht z.B. auf das Ritz. Niemand bracht so etwas großes für zwei Rolltreppen. Hier könnten Café- oder Restaurant-Terrassen den Platz beleben. Oder ein Baum?

  • so sollte man auf jeden Fall die überdimensionierten Bahnhofseingänge beseitigen


    Warum immer solch unrealistische Vorschläge?

    Die beiden großen Eingänge auf dem Potsdamer Platz zitieren nach meinem Dafürhalten die klassische Moderne und sind angesichts der unterirdischen Verkehrsdimensionen durchaus angemessen in der Größe. Ich fühlte meine Sicht noch nie gestört durch diese Portale.

    Der Platz selbst wird nie ein Kleinod sein. Und das ist auch okay. In direkter Umgebung wird es ja schnell verkehrsarm und gemütlich. Ich find's halt nur schade, daß da, wo jetzt der Korea-Pavillon steht (Pagode, oder wie diese Dinger heißen), daß da kein weiterer hoher klassisch-moderner Turm steht. Im Sockel hätte man schön Gastronomie unterbringen können.

    In dieser Ecke des Potsdamer Platzes ist es ja schon wesentlich ruhiger. Dort hätte man quasi ein bißchen mehr Gemütlichkeit inszenieren können. Aber diese Ecke wird wohl auf ewig unbebaut bleiben, weil da Schienen drunter verlaufen. Typischer Planungsfehler. Kritisch rekonstruiert, aber keinen Ersatz für den früheren oberirdischen Bahnhof geschaffen. Was haben wir heute von diesem Freiraum dort, der zwar gewissermaßen "korrekt" ist, weil da früher Schienen und ein Bahnhof waren, der aber heute schlicht deplatziert wirkt? Da hätte man von Anfang an einen "richtigen" Platz planen müssen, der also vollends geschlossen ist und urban wirkt.

    Der Potsdamer Platz enthält gute Momente und war mutig für die damalige Zeit, aber man hat sich nicht getraut, dort die Metropole wieder voll zuschlagen zu lassen. Davon künden die Gabriele-Tergit-Promenade und der lauwarme Marlene-Dietrich-Platz.

    Aber trotz allen Lamentos und der Mängel bekommt der Platz immer mehr eine historische Qualität und drückt einen spezifischen Zeitgeist aus. Er integriert sich auf seine Weise in die Stadt und wird sicherlich irgendwann mal hier und da etwas aufgehübscht und aufgemürzt werden. Dazu müssen aber wohl nochmals 20 Jahre vergehen.

  • Entschuldige bitte Echter-Berliner, was ist denn daran unrealistisch ? - ist nur eine Frage des Wollens. Man wird sehen, dass in den nächsten Jahren wieder das eine oder andere abgerissen werden wird, was seinerzeit schnell hochgezogen wurde. Wer hätte gedacht, dass das Grundkreditbank-Gebäude nach knapp 30 Jahren wieder verschwunden ist - oder das denkmalgeschützte Schimmelpfeng-Haus. Hutmacher wird mittelfristig fallen und auch Wertheim am Kurfürstendamm. Da sind so ein paar (in meinen Augen hässliche und fehlgeplante) Bahnhofseingänge doch mit links zu beseitigen.

    Aber nochmal zurück zu den Torhäusern - eigentlich müsste man nur die alten, ursprünglich auf dem Leipziger Platz gelegenen Zugänge wieder einrichten und könnte auf die aktuellen verzichten.

  • Entschuldige bitte Echter-Berliner, was ist denn daran unrealistisch ? - ist nur eine Frage des Wollens.

    Entschuldige bitte, Friedenauer, aber das ist sehr naiv. :)

    Du hast recht, daß Gebäude bei Investoreninteresse schnell mal das Zeitliche segnen können. im Falle der Volksbank am Olof-Palme-Platz ist das äußerst schade. Auch das Wertheim am Kudamm könnte meiner Meinung nach ruhig noch ein paar Jahrzehnte stehen bleiben.

    Zumindest ersterer Fall ist ein Frevel sondergleichen.

    Wo ist jetzt das Investoreninteresse bei den Bahnhofseingängen? Ich wundere mich immer, wie unrealistisch manche Leute an den Städtebau herangehen. Ich meine, da scheint man schnell mal zugunsten der eigenen ästhetischen Vorstellungen alles Mögliche für möglich zu halten.

    Vielleicht haben ja Außerirdische deinen Beitrag gelesen und werden bald auf dem Potsdamer Platz landen. Dort werden sie dann die Bahnhof-Portale einfach wegbeamen und sich dann vollständig an deinen ästhetischen Vorstellungen orientieren, was die Neuausrichtung betrifft. Da bin ich mir sicher. :)

    Also, ich sehe da keinerlei Chance, daß diese Portale in den nächsten 30 Jahren verschwinden.

    Gib uns doch mal ein realistisches Bild davon, wie du dir das vorstellst. Also ohne Außerirdische. :)

  • Jein. Realistisch betrachtet hast Du Recht, "Echter Berliner". Das liegt allerdings daran, dass die kleinen Torhäuser kein ausreichend wirtschaftlich lohnenswertes Projekt für eine Verlegung der Eingänge darstellen. Technisch machbar ist so etwas aber. Als das Frankfurter Dom-Römer-Projekt geplant wurde, eiferten einige Leute wie Cachola Schmal in den Medien darüber, dass das Projekt ja gar nicht möglich sei, da der U-Bahn-Ausgang bei der Goldenen Waage liege. Nun, man hat den Ausgang umgelegt und die Goldene Waage rekonstruiert. Der Wille war da, und es war natürlich auch wirtschaftlich machbar.

  • Im Bild von 1957 mit dem Freiherrn vom Stein sieht man noch Resten des Hertie Kaufhauses!!! Und rechts in die Leipzigerstrasse auch noch ein stehengebliebenes Haus. Wie Schade dass so vieles nach dem Krieg rücksichtsloss zerstört wurde ohne wichtige und Städteprägende Plätzen wie Dönhoffplatz zu behalten. Heute ist dort kein Aufenthalt Qualität mehr. Die Bilder vermitteln von einer herrlichen urbanen Gross-stadt überfüllt mit schönen und glänzende Bauten.

  • Wenn man sich die Entwicklung des Platzes schon in der frühen Phase des Modernismus anschaut, analog zum Alexanderplatz, können wir wohl davon ausgehen, dass ohne Krieg auch kaum ein Altbau dort überlebt hätte. Das war ein Knotenpunkt und ein Schaukasten der jeweils zeitgeistigen Architektur, der immer wieder erneuert wurde - zu allen Zeiten.

  • Ich glaube, einige Altbauten wie das Palasthotel oder das Haus Vaterland und Potsdamer Bahnhof wären schon stehengeblieben. Wobei das alles Spekulation ist. Architektonisch überzeugender war ohnehin die Bebauung des Leipziger Platzes, diesen Verlust bedauere ich noch mehr. Ich setze darauf, dass sich diese beiden zentralen Orte auch in der Zukunft noch wandeln und dabei positive Veränderungen erfahren.

    In dubio pro reko

  • An der Ecke Bellevuestraße - Postdamer Straße war u.a. das Cafe Josty. Beide Eckhäuser stammten noch aus der zweiten Bebauungsphase um 1870 und lagen Anfangs hinter dem Apothekerhaus.