Berlin - Potsdamer Platz

  • Gestern musste ich von Moabit nach Kreuzberg und bin nach dem Tiergarten durch den Gleisdreieck-Park geradelt. Dabei fragte ich mich, inmitten des bunten Treibens unserer abendlichen Spaß- und Freizeitgesellschaft, ob es wohl eines Tages, vielleicht in Kooperation mit dem Technikmuseum, dazu kommen könnte, hier das alte Gleisfeld des Potsdamer Bahnhofs mitsamt seinem Empfangsgebäude und einem authentischen Dampfzugverkehr zwischen Potsdamer Platz und Südkreuz, vielleicht ja sogar darüber hinaus, zu etablieren, quasi als eine Museumswelt des Maschinenzeitalters. Was meint ihr, wäre es ein lohnenswertes Unterfangen, sich dafür einzusetzen, und bestünden wohl Chancen auf Umsetzung solch eines großflächigen Infrastrukturrekonstruktionsprojekts?

  • @ Aldilette

    Deine Grundidee finde ich gut, aber der Gleisdreieckpark ist nun wirklich sehr gelungen und sollte nicht kaputt gemacht werden.

    Ganz anders die Gabriele-Tergit-Promenade. Die ist bei aller Kritik am Potsdamer Platz das eigentliche Hauptproblem, die größte Katastrophe. Wenn ich heute am Potsdamer Platz stehe, habe ich eben nicht das Gefühl auf einem "richtigen" Platz zu stehen, weil er nicht abgeschlossen, gerahmt, gefaßt ist.

    Ich gucke rüber zur Promenade und stelle mir dort einen stilvollen 90 Meter-Turm vor mit schönem Sockelbau, und schon wäre der Potsdamer Platz viel wärmer und einladender und auch noch weltstädtischer.

    Bei der Promenade muß man unbedingt etwas machen. Problem: Darunter verlaufen die Gleise, sodaß man sie wohl nicht bebauen wird können. Weiß da jemand Genaueres drüber?

    In genau dieser verfahrenen Situation wäre es vielleicht nicht das Schlechteste dort auf der Strecke bis zum Kanal eine Reminiszenz zum alten Bahnhof, zu den Gleisen zu bauen.

    Aber es ist wirklich ärgerlich, daß man dort schlicht und einfach meinte, das sei sinnvolle Stadtlandschaft - solch ein surrealer "Park" direkt an einem Weltstadtplatz. Die ganze Ecke dort ist vertan. Die hätte man genauso urbanisieren müssen, etwas schwächer vielleicht, wie die Alte Potsdamer Straße.

  • Und wo kann man diesen "grandiosen Entwurf" (wie Monika Grütters ihn nennt) begutachten?

    Eigentlich dürfte doch der Bund auch hier nur den Rohbau bezahlen und die Fassaden müssen dann über Spenden in der Bevölkerung aufgetrieben werden. Das wäre doch gerecht angesichts der Vorgehensweise beim Humboldtforum, das ja ebenfalls ein Museum werden wird. Zudem müsste eine Seite eine Rekonstruktion des Vorkriegszustandes darstellen.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Es scheint sich um ein Gebäude aus Backstein mit einem Satteldach zu handeln. Da bin ich einerseits überrascht und andererseits neugierig:

    "In ihren Erläuterungen schreiben Herzog & de Meuron von einem HAUS aus Backstein, das sie für die Kunst des 20. Jahrhunderts errichten wollen: „Ist es eine Lagerhalle? Oder eine Scheune? Oder vielleicht eine Bahnhofshalle? Ist es nicht vielmehr ein Tempel mit den exakt gleichen Giebelformen wie die Alte Nationalgalerie von August Stüler?"

    "Auch in ihrem Raumkonzept gehen sie von zwei sich kreuzenden inneren Straßen aus, die die in vier Quadranten angesiedelten Museumsräume erschließen. Durch das große Satteldach und den hohen zentralen Boulevard soll Licht ins Gebäude eintreten. Auf der „Kreuzung“ können großformatige Kunstwerke gezeigt werden, über den zentralen Achsen liegen vier Ausstellungsräume, die bis unters Dach reichen."

    http://www.preussischer-kulturbesitz.de/pressemitteilu…ulturforum.html

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Am Stresemannquartier Stresemann-/Ecke Köthener Straße fallen weitere Gerüste:

    In der nunmehrigen Wirkung stören die dunkelbraunen Blechflächen m.E. doch etwas das Gesamtbild und bringen dieses eigentlich sehr schöne Gebäude näher an recht konventionelle Büroarchitektur heran. Besser wäre es vielleicht gewesen, alle Fassadenflächen in (Kunst-) Stein auszuführen.

    Die abgestufte Dachlandschaft ist natürlich reizvoll:

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

    2 Mal editiert, zuletzt von Snork (5. November 2016 um 17:57)

  • Auch wieder ein gegen oben so ausgefranstes Gebäude... aber hier haben offenbar nur Baulienienpläne und Höhenbeschränkungen gezählt, und daraus folgende maximale Ausnützung resultiert. Städtebau und Architektur (letztere bei diesem Gebäude im Ansatz gar nicht mal so schlecht) kommen immer erst an zweiter Stelle.

  • Die Assoziation ist nicht von der Hand zu weisen, und das Zitieren in der Architektur ist auch legitim. Man muss nicht mal nach Amerika schauen, sondern auch hierzulande gibt's das (Bremer Landesbank, div. Jugendstilbauten in ganz Europa).

    Mit "ausgefranst" meine ich natürlich nicht diese Fialen-Ansätze, sondern die Kubatur des Baukomplexes. Hier gibt es auf der rechten Gebäudeseite eine Abfolge von 4x2 - 5x2 - 4x2 - Passage - 3x2 - 1x2+2x3 Fensterachsen, alles in der Höhe gestaffelt, ausser zu beiden Seiten der Passage. Hinzu kommen dann noch die Staffelgeschosse. Alles scheint willkürlich zu sein! Wie ich schon geschrieben hatte, finde ich bei diesem Gebäude nur die Architektur im Ansatz nicht schlecht, und die weist wirklich in Richtung des Art deco-Stils.

  • Das Gebäude ist überhaupt nicht willkürlich gestaffelt. Die Gebäudeteile, die an die angrenzenden Bauten anschließen liegen auf einer Höhe mit diesen und der Eckturm steigt so hoch an wie der Turm auf der anderen Straßenseite, der schon zum Potsdamer Platz gehört. So haben wir einen sehr schönen, harmonischen Übergang von den Hochhäusern des Potsdamer Platzes zu den niedrigeren Bauten in der näheren Umgebung. So kommen wir, anders als beim Sofitel und Swissotel am Ku'damm, ohne großflächige, hässliche Brandwände aus.
    Was ich allerdings etwas schade finde: Die Fassade war eigentlich noch sehr viel profilierter und detaillierter geplant, als sie nun letztendlich gebaut wurde. Hier kann man es gut sehen:
    http://static.wixstatic.com/media/44565f_5…7cc9c808175.jpg

    Naja, es ist immer noch ein eleganter Bau...allerdings sieht man ihm nun umso deutlicher an, dass er nicht tatsächlich der Zeit des Art Deco entstammt und nur ein modernes Zitat ist.

  • Und ob das willkürlich gestaffelt ist...! Hast du meine Zahlenverhältnisse im letzten Beitrag nicht gelesen? DIE sind ja schon willkürlich. Und die Rendering-Ansicht in deinem Link beweist das gerade nochmals: das obere Staffelgeschoss ist höher als das untere, was noch mehr Unruhe bringt. Das Vermitteln in der Höhe zu beiden Nachbarn und an den Platz ist natürlich schon in Ordnung, aber das "Dazwischen" stimmt nicht. Das Problem ist doch, dass hier offensichtlich nach der Maxime gebaut worden ist.

    An der Feingliedrigkeit sind tatsächlich Abstriche gemacht worden. Man müsste aber wissen, ob das Rendering einen Planungsstand vor der Baugenehmigung zeigt (vielleicht war dem Bausenat diese Feingliedirgigkeit zu wenig modern?).

  • Die Süddeutsche: "obwohl die besten Architekten der Welt ihn [den Potsdamer Platz] gebaut haben, ist der Platz ohne Flair geblieben."

    Und da wird zuvor in dem Schmähartikel ein moderner Bau verlangt und gepriesen anstelle des "Attrappen"-Schlosses, "Oper" oder so was. Die modernistischen Journalisten entlarven sich selbst und merken es nicht einmal!

    http://www.sueddeutsche.de/kultur/archite…ielos-1.3345895

    Ich finde allerdings überhaupt nicht, dass der Potsdamer Platz kein Flair hat. Ganz im Gegenteil, er hat eine besondere Aura, die es nur dort gibt. Gerade auch, wenn man zum Sony Center geht, offenbart sich eine recht einzigartige urbane Erfahrung, die man so zumindest in Europa nicht nochmal findet. Auch das Beisheim Center und der Backsteinturm von Hans Kollhoff sind großartig gelungen, ebenso das Forum mit dem Theater, auch die Stadträume sind schön und wertig. Zudem wurden die wenigen historischen Überbleibsel interessant integriert. Für das, was er werden wollte, ist der Potse sehr gelungen.

    Sein Krückenfuß bleibt natürlich der weiterhin recht schwache Leipziger Platz. Dort bräuchte es mindestens die Schinkelschen Torhäuser (Potsdamer Tor) wieder sowie eine attraktivere Platzgestaltung, mit Springbrunnen, Denkmälern usw. Auch über die Grasnarbe namens Tilla-Durieux-Park, das Gleisdreieck und das Kulturforum sollte man dringend nochmal nachdenken, bei letzteren beiden ist Verdichtung und Urbanität gefragt. Die Schwäche des Potsdamer Platzes ist seine relative Isoliertheit, sein Umfeld, nicht der Platz selbst.

    Hier einmal Schinkels Entwurf für das Potsdamer Tor zwischen Leipziger und Potsdamer Platz:


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berl….jpg?uselang=de



    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berl…inkel_AE_59.jpg

    Ansicht 1938:



    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berl…latz_013157.jpg


    1910:



    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bund…ger_Strasse.jpg

  • Also ich sehe auch Mängel in der Höhe der beiden Türme. Die hätten 20 Meter höher sein müssen, um halbwegs wirklich einen Weltstadtplatz zu begründen.

    Des weiteren wirkt er nicht wie ein richtiger Platz. Das merkt man, wenn man Richtung "Potsdamer Bahnhof" guckt. Was ist das für ein Stadtplatz mit so einer Golf-Anlage? :)

    Der Platz wäre wunderbar, wenn man entweder den Potsdamer Bahnhof rekonstruieren und dort Kultur reinmachen würde oder wenn dort ein weiterer Turm von ca. 90 Meter Höhe stünde. Dann wäre der Platz abgeschlossen.

    Das Hinterland hätte man durchaus grundsätzlich als entspannte Grünschneise gestalten können, allerdings mit Gastro-Pavillons und kleinen exklusiven Wohnhäusern. Mit diesem Konzept wäre auch dort Urbanität eingezogen. Heute ist das einfach nur eine peinliche Wüste, wo nichts ist. Wie schön und lebendig könnte diese Gegend heute sein?

    Ein weiteres Manko ist die Gegend um den Marlene-Dietrich-Platz. Wirklich gelungen ist der Potsdamer Platz nur "vorne". Das Quartier wirkt heute so, als hätte man damals Angst gehabt, wieder mit voller Verve überall Urbanität herzustellen.

  • 'Stresemannquartier' (Bernd Albers), heute.

    Stresemannstraße

    Köthener Straße

    Rückseite vom Hof des linken Nachbargebäudes an der Stresemannstraße.

    Im runden Innenhof, welcher drei Torbögen aufweist.

    Ein m. E. sehr gelunger Bau für den Standort.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Von der Grundidee wirklich toll gedacht und spannend. Meiner Meinung nach ist die Wahl der Fenster und der völlig billig wirkenden Bleche darunter aber eine Fehlleistung die das Ensemble von einer potenziell guten zwei schlagartig auf ein grade nicht schwach befriedigend runter zieht.
    Schade weil der Komplex an sich bei etwas mehr Mühe wirklich Potential hat.

    APH - am Puls der Zeit

  • Die "Seufzerbrücke" finde ich ulkig. Hat ja scheints sogar Deckenbemalung o.ä.
    Also zumindest langweilig sieht das Haus nicht aus, weil die Obergeschosse so sehr abgestuft sind.
    Es wirkt auf mich jedenfalls nicht abweisend, das finde ich schonmal gut.
    Allerdings finde ich auch, daß die Fassade etwas unnötig "billig" wirkt. Ich weiß nicht so recht, warum, ob wegen der Farben oder fehlenden (Schmuck-)Details - es wirkt alles so ein bißchen wurschtig statt straff.