Hamburg - Freie und Abrissstadt

  • Ich finde es wirklich schade, dass Hamburg immer mehr seiner Backsteinbauten verliert (Stichwort Dämmung) und damit im Prinzip seinen norddeutschen Charakter verliert. Dabei gibt es doch aus dem Bezirk Mitte die sogenannte Backsteinverordnung. Meiner Meinung nach müsste dies für die gesamte Hansestadt gelten (man wird ja noch träumen dürfen;)).

    http://hamburger%20abendblatt

  • Zitat

    [...]liegt an den Business-Improvement-Districts Opernboulevard[...]

    Na dann ist ja alles klar. :blink:
    Schlimm, wie in Hamburg die Abrissbirne wütet. Was man nicht sofort abreißt, wird entkernt und dann 20 Jahre später niedergemacht. Das Deutschlandhaus ist absolut stadtbildprägend, hanseatisch. Den Hamburgischen Denkmalschutz kann man eigentlich auflösen, spart Geld.
    Und wenn ich mir Teheranis Referenzen so anschaue, dann ist er von der Architektur des Deutschlandhauses so weit entfernt, wie die Erde vom Mars.

  • Die Vernichtung des Bauerbes der 20er und 30er Jahre hat offenbar in Hamburg ein lange traurige Tradition. Beim googlen bin ich auf den unglaublichen Abriss der Siedlung "Elisa" im Jahr 2015 gestoßen (Bilder vom Abriss), einst ein wunderbares Beispiel für die (immer noch expressionistisch angehauchte) Bachsteinarchitektur der 20er. Infos zu dem Skandal >> hier, sowie die haarsträubende Zustimmung der zuständigen Denkmalschutzbehörde zum Abriss, klick >> hier

    Schaut man in Liste der in Hamburg vom zeitnahen Abriss bedohten Gebäude, kann man nur noch die Verzweifelung bekommen, siehe >> hier

    Wie gesagt: Die Schizophrenie im Umgang mit dem Bauerbe der Weimarer Republik ist in Hamburg ist eigentlich kaum noch zu übertreffen. Während das Kontorhausviertel mit dem Welterbetitel der UNESCO geadelt wurde und gehegt und gepflegt wird, wird das übrige Bauerbe der Stadt aus den 20-er und 30er Jahre offenbar zu großen Teilen skrupellos vernichtet (zugunsten von Neubauten mit den üblichen Barcode- oder Effekthascherei-Fassaden al la Teherani). :kopfwand:

    :!:
    Eine Bitte an den Verein: Könntet bitte zur Rettung des Deutschlandhauses aktiv werden und euch evtl. auch an die Deutsche UNESCO-Kommission wenden??

  • Ich darf vorsichtig Entwarnung geben: Aus "gut unterrichteten Kreisen" habe ich vernommen, dass für das Deutschlandhaus zwar Abriss, aber auch rekonstruierender Wiederaufbau entsprechend dem Vorkriegszustand vorgesehen ist. Demnächst mehr darüber.

  • Das wäre eine schöne Nachricht, Philoikódomos!

    Das mit der Elisa-Siedlung ist ja wirklich ein dolles Ding... so etwas kann aber wirklich nur mit einem komplett dysfunktionalen Denkmalschutz passieren, denn mehr Leute pro Quadratkilometer wird man doch kaum unterbringen können mit Neubauten als diese sehr durchdachten 20er-Jahresiedlungen? In Bremen (wo es natürlich auch weniger dieser Siedlungen gibt) stehen die Dinger alle unter Denkmalschutz, auch in Bremerhaven. Ich finde die immer grandios, meine Großmutter wohnte im Hamburger Osten, mich hat diese Art Architektur sehr geprägt und ich habe sie immer gemocht.

    Und in der Überseestadt werden jetzt auch bei Neubauten mehr und mehr Anleihen an diese Zeit aufgenommen, hier mal zwei aktuelle Projekte:

    Und auch projektiert gibt es vieles in dieser Art, z.B. hier (Cecilienquartier):

    Unverständlich, dass die trotzdem besseren Originale in Hamburg abgerissen werden.

    Einmal editiert, zuletzt von Heinzer (13. November 2017 um 12:55)

  • Echt toll Modern und doch nicht Hässlich und 0815, der erkehr links am ersten bau sied Top aus! Der Zweite hat die elegante Rundung und der dritte hat den Expressionismus, Top Bauten für den Norden.Nur halt diese Asymmetrischen Fenster wieder... aber alles besser, als der "Barcode Trend" der war schlimm.

  • Das darf doch nicht wahr sein, dass man so einen stadtbildprägenden Bau ernsthaft abreißen will? Wie schon oben geschrieben, die anderen Kontorhäuser aus der Zeit sind Weltkulturerbe.

    Ich habe Mittler das Gefühl, alles, was in den jeweils 10 Jahren vor und nach der Jahrtausendwende hinsichtlich Schutz in Restaurierung von Altbauten wird aktuell durch billige Zinsen und gierige Investoren wieder kaputtgemacht. Viel besser als in den 60ern ist die aktuelle Entwicklung ja nicht...

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Jetzt soll's auch noch dem sog. Hanseviertel von 1980, einem m. E. sehr guten Bau der Postmoderne, an den Kragen gehen. :kopfschuetteln:

    Weil 100 Sozialwohnungen locken, dürfte der Senat dem Investor (ECE) wohl aus der Hand fressen.
    Hanseviertel soll abgerissen werden - Norddeutscher Rundfunk

    Bild für einen schnellen Blick

    Dazu äußert sich der Denkmalverein Hamburg

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Kurioserweise ist die zuständige Denkmalschutzbehörde offenbar selber im Hanseviertel untergebracht.

    Interessant ist auch dieser Zeit-Artikel. Ob das Viertel des Status eines Denkmals bekommt ist fraglich, und selbst wenn das so wäre könnte das Viertel abgerissen werden. Die Investoren haben offenbar in Hamburg eine ziemlich große Narrenfreiheit:

    (...) Hier wird der Denkmalschutz zum Politikum. Stünde das Hanseviertel unter Schutz, könnte der Käufer nur abreißen, wenn der Erhalt "wirtschaftlich unzumutbar" wäre. Was zumutbar und unzumutbar ist, ist in Hamburg eine Frage der politischen Gewichtung. Der mutmaßliche Hanseviertel-Käufer ECE gehört der Familie Otto. ECE-Vorsitzender Alexander Otto hat gerade mit seiner Stiftung 15 Millionen Euro für Sanierung und Umbau der Kunsthalle gespendet. Die Frage lautet: Wird die Kulturbehörde seine Denkmalschützer bremsen, wenn einer der wichtigsten Kulturstifter der Stadt eine Einkaufspassage kaufen und abreißen will? Möglich ist das. Es wäre auch nicht das erste Mal.

    :kopfschuetteln::kopfschuetteln:

  • Das Hanseviertel ist laut Presseberichten unter Denkmalschutz gestellt worden.

    Damit ist ein Abriss zwar nicht vom Tisch, wird aber deutlich erschwert.

  • Abriss Deutschlandhaus:
    Entfernung einer Identität
    http://www.faz.net/aktuell/feuill…t-15447035.html


    Deutschlandhaus am Gänsemarkt: "Der Protest ist zu leise"
    Das Deutschlandhaus am Gänsemarkt soll abgerissen werden. Das macht den Architekten Jan Störmer furchtbar wütend.
    https://www.zeit.de/2018/10/deutsc…kt-jan-stoermer


    Hamburg
    Abriss der Hamburger Nachkriegs-Bauten: Stoppt die Zerstörung unserer Stadtgeschichte!
    https://www.focus.de/regional/hambu…id_8842943.html


    Architektur
    Hamburg reißt mehr Häuser ab als Berlin – Experten besorgt
    https://www.abendblatt.de/hamburg/articl…Hauptstadt.html

  • Eine Ergänzung zu den von mir gesetzten Links oben.

    Während ich das Deutschland-Haus für erhaltenswert erachte, weil vermutlich nichts besseres durch Teherani nachkommt, sieht das beim City-Hof anders aus.

    Interessant ist nun zu sehen, dass sich das an sich richtige Anliegen, Abrisse genau zu prüfen, nun jene zu eigen machen, die sich für den Erhalt von Häusern der 60er und 70er Jahre einsetzen, welche seinerzeit ohne Rücksicht auf das historische Stadtbild errichtet wurden.

    Da treffen sich mehrere akademisch geprägte/verbildete Gruppen, die nun allesamt dem Modernismus huldigen. Das zeigt sich bereits noch relativ harmlos bei der Kristina Sassenscheidt vom Denkmalverein oben in dem Focus-Link.

    Aber es positionieren sich auch andere. Ich meine damit ein linkes bis linksradikales Milieu, vor allem aus den Gesellschaftswissenschaften und der Kultur-/Kreativ-Szene, dem offenbar stets die hässlichsten Hochhäuser oder FH-Gebäude am besten gefallen, und das ausgerechnet in dieser Umgebung soziale Wohnprojekte verwirklichen will.

    Zum Beispiel das Portal "Acht", in dem der City-Hof graphisch ästhetisiert wird:
    http://achtmagazin.de/hamburger-einsichten/
    Schaut man sich die anderen Themen dieses Portals an, trifft man auf Gender, Sexismus im Alltag, Global Benachteiligte, Flüchtlingsalltag in Hamburg, Smart City, Migration und das Neue usw. Also eine generell linke Agenda.

    Ein weiteres Portal ist "Mittendrin". Die politischen Themen drehen sich oft um "Schüler demonstrieren: `Bleiberecht statt Waffenexporte´", "Tagesstätte für Geflüchtete im Bieberhaus", "Demo für Geflüchtete" oder "Gegendemonstranten blockieren AfD-Demonstration". Also, die gleiche linke Ausrichtung wie dutzende weitere solcher Organe. Hier wurde Alexander Hosemann, der zur Zeit Urban Design (M.Sc.) an der HafenCity Universität Hamburg studiert, vom Verein City-Hof e.V. interviewt, der sich für den Erhalt des Hochhauses einsetzt. Der City-Hof wurde dabei als Symbol tituliert.
    http://hh-mittendrin.de/2015/12/interv…denkmal-setzen/

    Die "Kreativen" veranstalten hier eine City-Hof Soli Party, und errichten dort einen City-Hof Soli Laden, in dem man hippe T-Shirts kaufen kann.

    Nimmt man das Twitter-Profil #cityhof, dann finden sich dort Graphiken für Demos mit der Forderung "Der City-Hof gehört allen" (also ähnlich wie die Kampagne "Stadt für alle"). Es wird gefordert, "den City-Hof mit den Bürger*innen gemeinwohlorientiert zu revitalisieren!". Dazu wird ein umgewandeltes Enblem der "Antifaschistischen Aktion" gezeigt, nun scherzhaft in "Antiabrisstische Aktion" umgewandelt. Stadt der üblichen schwarzen (Anarchie) und roten (Kommunismus) Fahnen wurde der City-Hof in eben diesen Farben eingefügt. Auch die neue scheinbare Spaß-Gruppierung des linken Milieus, "Die Partei", hat lt. Foto dort bereits eine Veranstaltung abgehalten, und dazu steht: "Die PARTEI im Keller des grauen Hauses. Die Übernahme vom #Cityhof hat begonnen!" Auch die "Linksfraktion Hamburg" postet dort: "Nicht der #Cityhof ist ein Schandfleck, sondern Hamburgs Umgang mit dem Denkmalschutz".

    Ich will damit zeigen, mit welchen Frontlinien wir es in Zukunft zu tun bekommen werden. Die Freunde eines traditionellen Stadtbildes sehen die Abriss-Entwicklung und das Investorenbestreben nach Gewinnmaximierung auch kritisch. Hier unterscheiden sie aber anhand der Qualität, die ein Abriss bringt oder mindert. Nicht jeder Abriss wird deshalb verurteilt, nur bestimmte.

    Die modernistischen und linken Freunde der Architektur der 60er und 70er Jahre hingegen haben ein ganz anderes ästhetisches Empfinden. Ihnen sind Abrisse von Fachwerkbauten oder Gründerzeitlern vergleichsweise egal, mindestens minderwichtig. Ihr Engagement entzündet sich an leer stehenden Großbauten der Moderne, die sie zu Sozialwohnungen oder irgendwelchen kollektiven Wohnprojekten umzugestalten hoffen. Beispiel FH Potsdam oder "Volkspalast" Berlin. Im Ernstfall stellen sich diese "Gentrifizierungs"-Gegner gegen die Freunde einer traditionellen Stadtheilung, gegen Rekonstruktionen und gegen Stadtbild-Verschönerungen im traditionellen Sinne. Schönheit ist für diese Leute ein Waschbetonbau, den sie bunt anmalen oder mit Plastik-Pflanzsäcken behängen, während sie auf dem Flachdach Bienen züchten und auf Sperrholzkisten sitzend Bier trinken. Mal so salopp beschrieben.

    Den Investoren sind hingegen beide (ihnen gegenüber tendenziell machtlosere) Gruppen zuwider, behindern sie doch beim Abriss und der Verwertung der von ihnen anvisierten Immobilien.

    Also, ich wollte mal die künftigen "Frontlinien" deutlich machen. Eigentlich müsste man unsere Städte dreiteilen und dann nach 50 Jahren sehen, wo die menschlichere und angenehmere Stadt entstanden ist. Leider geht das nicht so einfach, und so knallen diese Gegensätze konfrontativ aufeinander. Und sie werden das in Zukunft noch viel härter tun. Der Streit in Potsdam ist da womöglich nur ein Anfang.

  • Deutschlandhaus - Neubau wird Reko

    Auch wenn das Wort "Reko" in der Präsentation der Neubaupläne des Büros Hadi Therani gemieden wurde wie der Teufel das Weihwasser - faktisch wird es, die äußere Gestaltung längs der Straßen betreffend, eine werden. Aus meiner Sicht das bestmögliche Ergebnis, dass unter diesen Umständen zu erwarten war.

    Bericht NDR Hamburg Journal

  • Wo ist das denn bitte schön eine Reko? Wenn überhaupt ein "Erinnerungsbau". Hier nochmal zum direkten Vergleich der aktuelle Zustand:


    Quelle: Wikipedia. Foto: Wolfgang Meinhart, Hamburg. CC BY-SA 3.0

    Gegen die historische Fassade wirkt der neue Entwurf aalglatt und steril und eher wie ein Kranken- oder Parkhaus. Durch den geringeren Ziegelanteil und die größeren Fensteröffnungen wird die Lochfassade aufgelöst. Es entstehend fast durchlaufende horizontale Fensterbänder. Eine deutliche Verschlechterung. Wenn wenigstens die Fenster, insbesondere auch im 1. OG, genau rekonstruiert werden würden, könnte man ja vielleicht damit leben. Mir ist schleierhaft, warum die Fassaden nicht einfach vor dem Neubau stehenbleiben kann. Die Anzahl der Stockwerke und damit die Nutzfläche bleibt doch offenbar gleich!

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Ich denke, der "aalglatte und sterile" Eindruck entsteht auch durch die detailarme Visualisierung. Mit dem Ergebnis kann ich jedenfalls sehr gut leben, wobei auch recht schicke Alternativentwürfe im Rennen waren.