Hamburg - Freie und Abrissstadt

  • Da weht der Zeitgeist der Abrissdemagogik der siebziger Jahre. Diese entmenschlichte Städtebaupolitik ist schlimm für die Bürger der Freien Hansestadt und eine Zumutung für jeden Besucher.

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  • Dass es so schlimm ist, wusste ich gar nicht. Ich dachte, das meiste wäre im Krieg verloren gegangen, dabei hat es mich immer wieder gewundert, warum vereinzelt dann doch noch historische Bauten stehen geblieben sind. Nicht zu fassen ..... da wird mir richtig schlecht von. Tolle Demokratie, in der sich wenige Heckenpenner gegen die Bevölkerung durchsetzen können. Profitgierige Bastarde ...

  • Leider haben die Architekten in D nach dem Krieg nicht viel brauchbares fabriziert. Der Bürgerwille wird schon lange mit Füßen getreten. Alles nur frustrierend. Die nächsten Jahre werden noch mehr Städte pleite gehen. Ergebnis: Architektonischer Flickenteppich, abgestellte Brunnen, ungepflegte Grünanlagen. Hoffe dass einzelne historische Fragmente wie die Reste des Gängeviertel erhalten bleiben.

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  • Nicht nur die Gründerzeitvillen verschwinden, auch in den Einfamilienhausvierteln setzt die Nachverdichtung ein, mit fragwürdigen Folgen. Ich habe in der Familie einen Fall erlebt, dass die Erben das Wirtschaftswunder-Einfamilienhaus schließlich verkauft haben, weil die Gegend mehr und mehr vor die Hunde ging. Rundherum wurden die alten EFH abgerissen und auf den großzügigen Grundstücken (So um die 1000qm) wurden stattdessen Mehrfamilien erbaut mit 4-8 Wohneinheiten, dabei die Baugesetze bezüglich Randbebauung und Baumasse ausgequetscht bis zum geht-nicht-mehr. Teilweise wurden die Baugesetze sogar überdehnt, aber da haben die Freunde des Bauträgers in der Behörde ein Auge zugedrückt.


    Die ersten paar Projekte nach diesem Muster konnte man noch als gelungen bezeichnen. Ein paar wenige große Einzelbauten konnten in dem insgesamt großzügig bebauten Viertel noch toleriert werden, ohne dass der Gesamteindruck von Sonne, Großzügigkeit und Grün zerstört wurde.


    Heute ist es aber so, dass da praktisch überhaupt kein Einfamilienhaus aus den Nachkriegsjahren mehr steht, sondern es nehmen sich diese hässlichen Bunker im Bauhausstil gegenseitig das Licht weg, weil sie ja allseitig maximal nah an die Grundstücksgrenzen bauen mussten. Wenn man da heute beim Frühstück aus dem Fenster guckt, sieht man nicht mehr in eine großzügig-grüne Gartenlandschaft, sondern man kann genau die Marmeladenmarke studieren, die der Nachbar gerade frühstückt. :kotz:

  • Der Trend, in der Hansestadt alte Villen abzureissen und durch Multiwohneinheiten zu ersetzen ist keineswegs neu. Das passiert schon seit Jahrzehnten, ist aber wohl in den letzten Jahren wesentlich haeufiger geworden und darum besorgniserregend.

    Zitat

    Die Aussichten, die Abrissbirnen in Villenvierteln tatsächlich aufhalten zu können, sind allerdings alles andere als rosig. Denn: Stehen die Villen nicht unter Denkmalschutz – und das ist in den meisten Fällen so –, ist die juristische Handhabe seitens der Stadt beschränkt. Als einzige Möglichkeit nennt Oberbaudirektor Walter den Erlass von sogenannten Erhaltensverordnungen. Sie schützten dann nicht einzelne Villen, sondern städtebauliche Ensembles oder Quartiere, die das Stadtbild maßgeblich prägen.


    (Quelle: Der von Zeno verlinkte Artikel aus Immonet News)

    Na, da soll sich der Herr Oberbaudirektor dann mal ranmachen! Unter seiner Aegide hat Hamburg schmerzhafte Verluste erlitten; unschoene Mammutprojekte wie die Europapassage und die keineswegs ueberzeugende Hafencity (ein Riesenagglomerat von Flachdachkisten blah blah) wurden ihm waehrend Herrn Walters Amtszeit auferlegt. Mit grossflaechigen Erhaltensverordnungen koennte er vielleicht ein bescheidenes Gegengewicht zu diesen dem Stadtbild abtraeglichen Lasten erreichen.

  • Und erneut macht die "Freie und Abriss-Stadt Hamburg" ihrem Name alle Ehre, es ist unglaublich:

    Eimsbüttel - Abriss: Hier verschwindet wieder ein altes Stück Hamburg - Eimsbüttel - Hamburg - Hamburger Abendblatt

    Das Gebäude stammt übrigens nicht aus der Zeit des Jugendstils, sondern ist wohl eher als neoklassizistisch anzusehen. Grund für den Abriss ist - wie so oft - reine Geldgier:

    „Eine Sanierung kommt für uns nicht in Frage, da einerseits die
    Statik des Altbaus keine Aufstockung erlaubt. Andererseits ist das Gebäude
    energetisch in einem desolaten Zustand“, erklärt Joachim Wernst,
    Geschäftsführer von Wernst Immobilien. Dem würde nur ein Neubau gerecht
    werden. Zudem werde erheblich mehr Wohnraum geschaffen.

  • Nach genauer Betrachtung ist es ein klassischer Gründerzeitler mit Neorenaissance-Ornamenten im ersten und zweiten OG und im EG werden über den Eingängen Jugendstil-Elemente zitiert. Man kann sich immer über den denkmalpflegerischen Wert eines solchen Gebäudes streiten, aber die Umgebung hat mittlerweile andere Traufhöhen entwickelt und die Nachkriegsbebauung (einschließlich bis heute) ist schon sehr weit vorgeschritten und hat im Wesentlichen vom Charakter des Viertels Besitz genommen. Laut Wiki hat Hamburg-Eimsbüttel "1943 weitgehend seine Altbebauung durch Luftangriffe verloren". Eine Ensemble-Wirkung ist also auch nicht mehr möglich. Bei Städten wie Hamburg tue ich mich immer schwer zu sagen, sie sollen unter allen Umständen an allen denkbar alten Häusern festhalten. Hamburg, gerade in den Innenstadtbezirken, hat einen enorm hohen Nutzungsdruck durch beständigen Bevölkerungszuwachs und Immobilienpreissteigerung. Man muss realistisch sein, Hamburg lebt von seiner Urbanität und seinem Flair nicht von seiner erlebbaren "städtebaulichen Geschichte".

  • Also weg mit dem Haus, nur wegen der fehlenden Ensemblewirkung? Willst du das damit sagen? Tut mir leid, eine solche Einstellung finde ich in diesem Forum deplatziert.
    Ich bin der Meinung, dieses schöne Gebäude muß unbedingt erhalten bleiben, und wenn es das letzte seiner Art in der Gegend sein sollte (oder gerade dann). Oder machen wir uns jetzt auch die Einstellung zu eigen "Ist ja nur Gründerzeit, also nicht so bedeutend und damit verzichtbar"? Wenn diese Haltung hier Einzug hält muss ich vehement protestieren, denn gerade auch für den Erhalt von Gründerzeitgebäuden die keine große Lobby haben wurde dieses Forum einmal ins Leben gerufen.

    In dubio pro reko

  • "....Bei Städten wie Hamburg tue ich mich immer schwer zu sagen, sie sollen unter allen Umständen an allen denkbar alten Häusern festhalten. Hamburg, gerade in den Innenstadtbezirken, hat einen enorm hohen Nutzungsdruck durch beständigen Bevölkerungszuwachs und Immobilienpreissteigerung. Man muss realistisch sein, Hamburg lebt von seiner Urbanität und seinem Flair nicht von seiner erlebbaren "städtebaulichen Geschichte"."

    Aber das darf doch keine Argument für einen Abriss sein. Wenn man rein nach Nutzungs- und Bevölkerungsdruck und wirtschaftlichen Interessen ginge, dann könntest Du nahezu alles alte abreissen. Im übrigen schreibst Du "Hamburg lebt von seinem Flair" - das ist der Punkt. Die Besucher erwarten von Hamburg eine urbane Mischung. Das ist die einzigartige Hamburger Identität. Wenn HH nur noch aus austauschbarer, steriler Investorenarchitektur besteht, dann wird die Magnetwirkung auch bald zu Ende sein.

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  • Flair hat auch etwas mit Architektur zu tun. Und selbstverständlich gehört dieses Haus erhalten, denn man weiß ja, dass derzeit nichts besseres nachkommt, sondern wahrscheinlich eine austauschbare Investorenkiste. Zudem, das gehört langsam in die Köpfe herein, ist ein 125 Jahre altes Gebäude mittlerweile auch ein Stück lebendiger Stadtgeschichte.

    "Rolands" Ensemble-Argument erinnert mich (ohne jetzt etwas irgendetwas persönlich unterstellen zu wollen) frappierend an einstige Diskussionen mit linken Studenten in einigen Uni-Seminaren. Die argumentierten auf das Frankfurter Museumsufer bezogen so, dass ja das Villenensemble gar nicht mehr durchgängig existiere, somit eine Anknüpfung daran unmöglich sei, somit man den "alten Schrott" auch gleich ganz abreißen solle. Übersetzt: Man reißt also erst einmal zwei, drei Häuser ab. Dann heißt es "kein Ensemble mehr vorhanden" und man kann auch den Rest plattmachen. Das Argument war natürlich nur vorgeschoben. In diesem Denken ist "das Alte" das "Rückständige", das dem Weg in die lichte progressive Zukunft im Weg steht. Insofern geben sich die damaligen linken Studenten und der geldgierige Investor von heute die Klinke in die Hand. Möglichenfalls ist ja auch mancher dieser einstigen Studenten sogar heute Investor geworden. Hat ja auch mal vom Polizistenprügler zum Außenminister gereicht. Das ist aber nur eine Möglichkeitserwägung.

  • Nach genauer Betrachtung ist es ein klassischer Gründerzeitler mit Neorenaissance-Ornamenten im ersten und zweiten OG und im EG werden über den Eingängen Jugendstil-Elemente zitiert. Man kann sich immer über den denkmalpflegerischen Wert eines solchen Gebäudes streiten, aber die Umgebung hat mittlerweile andere Traufhöhen entwickelt und die Nachkriegsbebauung (einschließlich bis heute) ist schon sehr weit vorgeschritten und hat im Wesentlichen vom Charakter des Viertels Besitz genommen. Laut Wiki hat Hamburg-Eimsbüttel "1943 weitgehend seine Altbebauung durch Luftangriffe verloren". Eine Ensemble-Wirkung ist also auch nicht mehr möglich. Bei Städten wie Hamburg tue ich mich immer schwer zu sagen, sie sollen unter allen Umständen an allen denkbar alten Häusern festhalten. Hamburg, gerade in den Innenstadtbezirken, hat einen enorm hohen Nutzungsdruck durch beständigen Bevölkerungszuwachs und Immobilienpreissteigerung. Man muss realistisch sein, Hamburg lebt von seiner Urbanität und seinem Flair nicht von seiner erlebbaren "städtebaulichen Geschichte".


    Von dem Haus aus ist man zu Fuß in 5 Minuten direkt im Schanzenviertel, direkt auf der Latte-Plaza - Wäre ich ein kreativer Makler, würde ich es sogar noch dem Schanzenviertel hinzurechnen.


    Wie blöd muss man als Immobilienbesitzer sein, einen Altbau in der Gegend abzureißen?

    Das ist eine Goldgrube!

    In der Tat haben in der unmittelbaren Nachbarschaft der Krieg und die Wiederaufbausünden unschöne Spuren hinterlassen. Aber das Schanzenviertel und die Gegend um die Osterstraße sind völlig intakte und begehrte Altbauviertel.

  • Zitat

    Hamburg. Die Breite Straße in Altona ist nicht gerade bekannt für ihre architektonischen Schönheiten. Nur auf Höhe der Hausnummern 112 bis 116 sind noch drei der letzten Schätze aus der Gründerzeit zu finden. Doch die im Jahr 1887 erbauten Wohnhäuser stehen seit mehr als eineinhalb Jahren leer, eine Ordnungswidrigkeit laut Hamburgischem Wohnraumschutzgesetz. Bürgerinitiativen sind empört. I[...]
    hre Sorge begründet "Anna Elbe" mit den Planungen des Architekturbüros Heyden und Hidde. Auf dessen Internetseite ist bereits vom Projekt eines Neubaus mit mindestens zwölf Wohnungen und fünf Townhouses an der Breiten Straße die Rede. "Bislang steht noch nicht fest, wo genau uns welche Fläche zur Verfügung steht“, sagt Tilman Heyden, einer der zwei Geschäftsführer. Auch wann die Umsetzung erfolgen solle, sei noch offen. "Die Diskussion, dass alte Häuser um jeden Preis erhalten bleiben müssen, unterstütze ich nicht“, sagt Heyden. Neue Wohnhäuser hätten viele Vorteile gegenüber Altbauten, wie etwa besseren Lärmschutz und geringeren Energiebedarf. "Wir sind dennoch bemüht, in unseren Projekten die Qualität alter Häuser zu erhalten, sie aber nach modernen Erkenntnissen auszustatten“, erklärt der Architekt.


    :computer:
    Heyden und Hidde Architekten - Projekte
    M. E. sind deren Projekte dagegen überwiegend gestalterischer und ästhetischer Unrat.


    Zitat

    Die Kulturbehörde erkennt in den Häusern jedoch keinen Denkmalwert: "Der Fokus der Denkmalpflege liegt im betroffenen Bereich der Breiten Straße bewusst nicht auf den Bauten des 19. Jahrhunderts, sondern vielmehr auf den historisch bedeutenden und zugleich stadtbildprägenden Neuplanungen der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg", teilt Stefan Nowicki, Sprecher der Kulturbehörde, mit.


    Ja sicher, schon klar...
    http://binged.it/Nm4HMC :augenrollengruen:

    Ganzer Artikel:
    Altona - Droht Gründerzeithäusern an Breiter Straße der Abriss? - Altona - Hamburg - Hamburger Abendblatt

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Ich sag es ja immer wieder: Nirgendwo in Deutschland wird so rigoros historische Bausubstanz abgerissen wie in der "Freien und Abrissstadt Hamburg". Der vorliegende Fall ist ein echter Skandal - da sollen die weit und breit einzigen Gründerzeitler in der Gegend ohne Not platt gemacht werden - unglaublich. Die Aussagen der Architekten und der Kulturbehörde sind einfach nur zum Fremdschämen.

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  • Aus rein ästhetischer Sicht kann ich nachvollziehen, dass man die Häuser in diesem umfeld nicht unbedingt benötigt.
    man könnte den bestehenden 50er Riegel einfachh verlängern und modern ausstatten, und es wäre nichts verloren,
    aber auch nichts gewonnen. Ausser vielleicht, dass der Anblick der 3 'Überlebenden' im Moment wohl eher frustrierend ob des Verlustes wirkt...

  • @Marc: Mit dieser Argumentation "da steht ja auch im Umfeld nichts historisches" wurden nach Kriegesende immer wieder unversehrte historische Bauten abgerissen.

    Das ist die Crux - wo bereits Lücken sind, wo bereits Zerstört wurde, da lässt sich leichter auch noch der Rest abräumen - bis am Ende nichts historisches mehr übrig ist.

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