In den letzten Jahren findet ein -sehr langsames- Umdenken statt. Nach dem technizistischen Neoklassizismus Berliner Prägung wird schrittweise auch das geneigte Dach rehabilitiert, d.h. in neuere Entwurfskonzepte und experimentelle Niedrigenergie-Unterfangen integriert.
Natürlich wirken solche Entwürfe auf normale Menschen fremdartig, bisweilen bizarr. Um die Gründe z.B. für das gänzliche Fehlen einer Traufe zu verstehen, muß man sich in die Gedankenwelt der modernistisch erzogenen Architekten hineinversetzen. Diese geht ungeachtet aller geschmacklichen Unterschiede von der "notwendigen" äußersten Distanz zum Entwurfsobjekt und vor allem der Bewohner aus. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, aber nicht minder mit einem hohen Stellenwert.
Der Preis für ein hohes Dach ist die Abstraktheit des Hauses, d.h. der als anheimelnd empfundene Dachabschluß muß in jedem Fall seiner psychologisch problematischen Komponenten entledigt werden...
Ich denke dennoch, daß dieses für Normalmenschen unverständliche innere Wechselspiel im Kopf des Architekten einen bedeutenden Fortschritt ggü. früheren Zeiten darstellt. Der Preis solcher Überformungen unserer Städte und Dörfer ist immer noch hoch, aber im Unterschied zu den Sechzigern und Siebzigern bezahlbar.