Selbecke (Stadt Hagen) - Westfälisches Freilichtmuseum (Galerie)

  • Wie gewünscht folgt hier nun eine kleine Fotoserie zum Westfälischen Freilichtmuseum Hagen, wo ich Anfang Oktober war (zusammen mit 50 Mitstudenten). Im Gegensatz zu den meisten Freilichtmuseum, die sich eher dem bäuerlichen Alltag widmen geht es im Hagener Museum vor allem um die Handwerks- und Technikgeschichte vor der Industrialisierung. Schwerpunkt ist das Ruhrgebiet. In diesem Museum geht es auch weniger um die originalgetreue Rekonstruktion der Bauten. Diese dienen eher als Hülle für die technische Einrichtung der Mühlen, Hammerwerke, Schmieden etc.

    Viele der Bauten sind demnach auch nach der Translozierung verändert wiederaufgebaut worden oder gleich komplette Kopien der am Originalstandort verbliebenen Gebäude.

    In vielen der Werkstätten werden die alten Produktionstechniken von entsprechend versiertem Museumspersonal vorgeführt. So konnten wir an dem Tag, an dem wir da waren, unter anderem einen Hammerschmied bei der Arbeit beobachten. Viele der dort hergestellten Produkte können auch im Museumsladen gekauft werden. Ich hab mich allerdings auf den Kauf eines Museumsführers beschränkt, der mir auch sehr dabei geholfen hat, das auf meinen Fotos dargestellte wieder identifizieren zu können. So, genug der Vorrede, es geht los.

    Das Museum ist im landschaftlich sehr reizvollen Mäckingerbachtal erbaut worden. Der Bach liefert mit mehreren Mühlenteichen auch gleich den Antrieb für viele der Produktionsstätten. Aufgrund der Enge des Tals kann man sich im Museum auch nicht verlaufen, da es sich zwar sehr in die Länge zieht, aber sehr schmal ist.

    Der Weg vom Parkplatz bis zum Museumseingang zeigt die reizvolle Lage des Museums:

    Kuhschellenschmiede aus Grund im Siegerland (Gebäude Rekonstruktion des 1968 abgerissenen Gebäudes von 1868, Einrichtung original):

    Verschiedene kleine Schmiedewerkstätten, die zeigen, wie spezialisiert das Schmiedehandwerk war. Vorne, von links: Kuhschellenschmiede, Windenschmiede und ein angepasstes Sanitärhäuschen, im Hintergrund Reck- und Breitehammer (Weiterverarbeitung des Rohstahls für Werkzeuge und Haushaltswaren wie Töpfe und Pfannen), Nagelschmiede und Kleineisenzeugschmiede. Die meisten Gebäude sind Nachbauten von originalen Kleinschmieden aus den Dörfern im märkischen und bergischen Land.

    So sieht der Nagelschmied bei der Arbeit aus:

    Hintergründe zur Lebenswelt der Schmiede von der frühen Neuzeit bis zur Industrialisierung vermittelt das Deutsche Schmiedemuseum, das in einem der beeindruckendsten Bauten des Museums untergebracht ist, dem barocken Rathaus der Stadt Neunkirchen im Siegerland. Was die Stadt allerdings 1973 geritten hat, ihr Rathaus und damit den Stadtmittelpunkt abzubauen und dem Museum zur Verfügung zu stellen, weiß ich jedoch nicht (v.a., weil das "moderne" Rathaus so aussieht). Das barocke Rathaus war übrigens zuletzt verschiefert (und um zwei spätere Anbauten erweitert) und würde so sicherlich auch besser aussehen als mit dem beim Wiederaufbau im Museum freigelegten rein konstruktiven Fachwerk.

    Blick über die diversen Kleinschmieden auf das Schmiedemuseum:

    Einrichtung eines der Hammerwerke (weiß leider nicht mehr, welches das ist) mit moderner gusseiserner Technik:

    Das repräsentative Hauptgebäude der Druckerei Haus Vorster aus Hagen-Eilpe. Erbaut 1712, nachdem die Druckerei und Papierfabrik 1965 pleite ging Abbau des Hauses und später Wiederaufbau im Museum.


    Arbeitsplatz eines Setzers. Muss eine Heidenarbeit gewesen sein. Da weiß man die moderne Computertechnik zu schätzen:

    Auch das gibt's im Museum: Einen verbretterten Speicherbau, zu dem ich aber leider keine Informationen mehr gefunden habe:

    Lokomobile zum Betreiben einer Säge-/Ölmühle, die nach dem Vorbild eines Mühlengebäude aus dem niedersächsischen Gielau (Kreis Lüchow-Dannenberg) nachgebaut wurde (leider ohne Foto). Lokomobile dienten als bewegliche Minidampfmaschinen dem Betrieb von Mühlen. Dieses Exemplar hat immerhin 3 PS (2,25 kW):

    Am architektonisch beeindruckendsten ist das im Museum aufgebaute Dorf, das weitere Produktionsstätten wie eine Zigarrenmanufaktur, eine Bäckerei (mit wie ich hörte sehr leckerem Brot, das ich mangels Kleingeld nicht probieren konnte) und eine Brauerei beherbergt.

    Das Brauhaus, das 1800/1801 in Hagen-Haspe erbaut wurde, beeindruckt vor allem durch seinen Giebel:

    Die Zigarrenfabrik wurde um 1800 in Glansdorf im nördlichen Westfalen erbaut und 1969/70 ins Museum transloziert. Das Zentrum der Tabakverarbeitung lag im 19. Jh. übrigens im Raum Minden und Herford. Auch die im Museum hergestellten Zigarren sind übrigens im Museumsladen erhältlich:

    Zum Abschluss folgen unkommentiert noch ein paar weitere Impressionen aus dem Museum. Ich habe dort allerdings bei weitem nicht alles fotografiert (insgesamt nur 42 Fotos), da das Freilichtmuseum nur eine von vielen Etappen auf unserer Exkursion durchs Ruhrgebiet war.






    Mein Fazit: Auf jeden Fall ein sehenswertes Freilichtmuseum, allerdings weniger für Leute, die an historischer Architektur interessiert sind, sondern vielmehr für Leute, die sich für Technikgeschichte interessieren und altes Handwerk auch mal "live" erleben wollen.

  • Auch wenn es sich nicht um originalgetreue Nachbauten handelt, beeindrucken mich die Gebäude trotzdem sehr! Mittlerweile auch schon bis zu 40 Jahre alt, zeigen sie bereits eine wunderbare Patina, da die Gebäude aus den ursprünglichen Materialien errichtet worden sind; erst durch diese Patina können sie ihren Reiz und Authentizität ausstrahlen. Die Photographie der im Schatten liegenden Häuserzeile im Dorf könnte beinahe in einem echten, historischen Ort entstanden sein!

    Vielleicht befasst sich mal die Denkmalpflege mit dem hierher versetzten Rathaus von Neunkirchen, ebenso mit dem frühklassizistischen Haus auf der viertletzten Photographie (betreffend dem Wieder-Zudecken des Fachwerks). Oder haben diese Gebäude keinen Wert mehr, weil sie zu "jung" sind? :gg: