Augsburg - Fünfgratturm

  • moderne Treppe am Augsburger Fünffingerlesturm

    Zitat

    Schon wieder gibt es ein Bürgerbegehren in Augsburg: Dieses Mal geht es um den Fünffingerlesturm. Streitpunkt ist eine geplante moderne Außentreppe zum historischen Wahrzeichen in der Jakobervorstadt. Die Initiatoren des Begehrens wollen diese Treppe, die politisch abgesegnet ist, verhindern.
    [...]
    In der Debatte um den Turm zeige sich "die alte Puppenkisten-Mentalität". Neues werde nicht gewollt.
    [...]


    Quelle: http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Lokales/A…ageid,4490.html

    Wenn ihr diesem Link folgt, schaut euch auch das Video rechts unten in der Ecke an, da gewinnt man einen recht guten Überblick...

  • Ist es den Architekten eigentlich egal, wenn Bürgerbewegungen gegen die Verwirklichung ihrer Planungen gegründet werden ? Wäre ich Architekt, würde ich doch so bauen, daß es allen gefällt... :augenrollen:

  • Interessant auch die Leserkommentare unter dem Artikel...

    Da schreibt jemand:

    Zitat

    Ich denke auch, daß ein Zugang über eine Treppe notwendig ist, daß aber die moderne Ausführung die Pracht des Turmes negativ verändert. [...] Noch schlimmer, dafür noch moderner wäre der Bau eines gläsernen Aufzuges an der Außenfassade und es würde mich nicht wundern, wenn dies nicht auch schon zur Debatte gestanden hätte.

    Und jemand antwortet darauf:

    Zitat

    Zu einer modernen Ausführung der Treppe gibt es aber keine Alternative, weil die Charta von Venedig, die weltweit gültige Vorgabe für den Denkmalschutz, dies so vorschreibt. Eine der alten Stadtmauer ähnelnde Nachbildung wäre demzufolge gar nicht zulässig.

  • Grandios, dann zementiert die Charta von Venedig im Folgeschluss also die Unfähigkeit unserer Zeit, einen Wehrturm mit einer Treppe zu versehen, ohne dass es beschissen aussieht. Ob das im Sinne der Erfinder ist? Oder andersrum, ich glaube, das dunkle Mittelalter ist eine Erfindung moderner Architekten, denn anders kann ich mir nicht erklären, dass man schon vor über 1.000 Jahren für sowas eine Lösung gefunden hat, die kostengünstig, praktisch und gleichzeitig ästhetisch ansprechend war. Doch aus angeblichen Gründen muss heute natürlich selbst ein Wehrturm barrierefrei zugänglich sein... :kopfschuetteln:

  • Zitat von "Restitutor Orbis"

    Interessant auch die Leserkommentare unter dem Artikel...

    Und jemand antwortet darauf:

    Ich möchte ausnahmsweise mal einen erst kürzlich geposteten Beitrag teilzitieren (Galerie / Bautzen, Beitrag vom 6. Okt.), weil das hier sehr gut "passt":

    Zitat

    Zitat aus genanntem Beitrag:
    Das nächste Foto zeigt eines der mittelalterlichen Stadttore und den Nikolaiturm. Aber ich wollte Eure Aufmerksamkeit vor allem auf die Mauer links lenken (zwischen der Laterne und dem Turm). Die ist nämlich „neu“ (vorher stand hier ein unansehnliches, nicht wirklich erhaltenswertes Haus).

    Dass man dort eine Mauer aus Granitbruchsteinen (im Stil des Turmes) neu gebaut hat, ärgert laut eigener Aussage (Zeitungen) diverse lokale Dogmatiker zutiefst. *Nicht für unbedarfte Betrachter als neues Bauwerk zu erkennen* – dies die Vorwürfe. Und was ist das nun?

    Die Einfahrt in ein Parkdeck. Also ich persönlich kann mit solchen „Bausünden“ sehr gut leben.

    Ich habe mal in meinem (leider ziemlich unsortierten :peinlich: ) Archiv gekramt und einen dieser Artikel gefunden:

    Zitat

    Quelle: Oberlausitzer Kurier, November 1998
    Um den Nikolaiturm hat sich ein recht romantisches Fleckchen der Bautzner Altstadt erhalten, das aber durch den Neubau der Granitmauer westlich des turmes nicht vorteilhaft gestaltet ist. Die Gasse zum Nikolaitor war von Häusern flankiert, und jetzt wird hier ein Stück Stadtmauer suggeriert, das nie vorhanden war.

    Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass es auch hier im Forum konträre Meinungen zu meiner Ansicht gibt. Aber um mal bei dem konkreten Beispiel zu bleiben: Wenn ich solche "Lösungen" wie zum Beispiel die Tiefgarageneinfahrt an der Salzgasse in Dresden sehe (="unsere" heutige Architektursprache), dann ziehe ich aber eine Lösung mit "falscher" Mauer eindeutig vor. Das gilt analog für eine Treppenergänzung an diesem Turm in Augsburg.

  • Zitat

    Wenn ich solche "Lösungen" wie zum Beispiel die Tiefgarageneinfahrt an der Salzgasse in Dresden sehe (="unsere" heutige Architektursprache), dann ziehe ich aber eine Lösung mit "falscher" Mauer eindeutig vor. Das gilt analog für eine Treppenergänzung an diesem Turm in Augsburg.

    Ich bin ganz Deiner Meinung, vor allem bei dem Beispiel. Der Turm in Augsburg koennte aber am besten ohne jeglichen Anbau bleiben. Es hat bis jetzt doch auch so funktioniert?

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Im Zweifel muss es transparent oder noch besser barrierefrei sein. Mit dem Argument kriegt man in Deutschland jedes historische Bauwerk schadlos verunstaltet.

  • Die Charta von Venedig hat u.A. folgende interessanten Artikel:

    Zitat

    Artikel 12

    Die Elemente, welche fehlende Teile ersetzen sollen, müssen sich dem Ganzen harmonisch einfügen und vom Originalbestand unterscheidbar sein, damit die Restaurierung den Wert des Denkmals als Kunst und Geschichtsdokument nicht verfälscht.

    Artikel 13

    Hinzufügungen können nur geduldet werden, soweit sie alle interessanten Teile des Denkmals, seinen überlieferten Rahmen, die Ausgewogenheit seiner Komposition und sein Verhältnis zur Umgebung respektieren.

    Meiner Meinung nach ist ausschließlich Artikel 13 auf den Anbau anwendbar, und er gibt sehr wohl die Möglichkeit, ihn in einem dem Turm angepassten Stil auszuführen. Die Aussage weiter oben bezieht sich wohl auf Arikel 12, dieser ist aber nicht anwendbar, weil es ausschließlich um "fehlende Teile" geht - die Treppe ist aber eine neue Zutat. Es steht also nirgendwo geschrieben, dass unbedingt eine potthässliche moderne Treppe angebaut werden muss! Aber wie üblich hält das die Verantwortlichen nicht davon ab, das ganze in ihrem Sinne zu interpretieren...

    Generell ist die oben geäußerte Ansicht ziemlich lächerlich. Wenn morgen aus welchen Gründen auch immer ein Turm des Kölner Doms einstürzt, dürfte man diesen dann nur als expressionistisches Betonkonstrukt mit Flachdach und Glasverkleidung wiederaufbauen? Ich denke nicht....

    Der gesamte Text der Charta ist unter Anderem hier abrufbar.

    Was sagt sie uns für Unsinn vor?
    Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
    Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
    Von hundert tausend Narren sprechen.
    Goethe, Faust I

  • Dankeschoen, Philipp! Gute Analyse. Aber diese Herren zerren ja Gruende fuer ihre Bausuenden immer an den Haaren herbei und berufen sich, wie auch hier, oft auf falsche Thesen. Den Passus und vom Originalbestand unterscheidbar sein ... moechte ich am liebsten aus Artikel 12 der Charta streichen lassen. :augenrollen:

    Zitat von "Philipp Groß"

    Die Charta von Venedig hat u.A. folgende interessanten Artikel:


    ...

    Wie oft haben wir das Gesaeusel von "harmonisch einfuegen" schon gehoert und statt dessen spannende Kontraste geliefert bekommen! :boese:

  • Natürlich kommt auch der selige Walt Disney wieder ins Spiel:

    Architekt Johannes Voit: "Der Anbau erscheint im modernen Kleid, weil wir kein Disney-World wollen."


    "Der Fünffingerlesturm verkommt zum Taubenschlag", beklagt Anne Voit, Vorsitzende der Alt-Augsburg-Gesellschaft. Ziel sei deshalb, ihn nicht nur baulich zu retten, sondern darüber hinaus einer schonenden Nutzung zuzuführen.

    http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Lokales/A…ageid,4490.html

    In dubio pro reko

  • Muß es einem merkwürdig vorkommen, daß die Vorsitzende der Alt-Augsburg-Gesellschaft (Anne VOIT) gewisse Namensähnlichkeiten mit dem Architekten der Treppe (Johannes VOIT) hat?

    Naja, ich möchte ja nichts unterstellen...

    Die Feder ist mächtiger als das Schwert...wenn das Schwert sehr stumpf ist und die Feder sehr spitz!

    -Terry Pratchett

  • Zitat von "Kardinal"

    Muß es einem merkwürdig vorkommen, daß die Vorsitzende der Alt-Augsburg-Gesellschaft (Anne VOIT) gewisse Namensähnlichkeiten mit dem Architekten der Treppe (Johannes VOIT) hat?

    Naja, ich möchte ja nichts unterstellen...

    Das hat Geschmäckle, wie der Schwabe sagt... :augenrollen:

  • Zitat

    Die Sache erinnert mich an Dresden: unser barockes Stadtmuseum hat kürzlich auch eine Treppe bekommen.

    http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?…der=asc&start=0

    Treppe mit viel Metallmist drumherum. "Kunstanspruch"? Hahaha. Dann ist auch der Schrottplatz um die Ecke eine Kunstarena. Die Treppe könnte vielleicht als ein bischen "pfiffiger" Aufgang für eine Wasserrutsche im örtlichen Schwimmbad dienen, in der Dresdner Altstadt hat das aber nichts zu suchen. Also, auf baldigen Abriss...

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (6. März 2011 um 15:44)

  • Das Disneyland-Argument in diesem Zusammenhang ist schon dämlich. Was bitteschön soll diese Treppe denn über unsere Gegenwart aussagen, als dass heute radikale Modernisten keine Gelegenheit auslassen, um traditionell schöne Bauwerke mit hässlichen Zutaten zu verunstalten.