Sehschule - Banalität des Alltags

  • Mein Beispiel stammt aus Sünna in der thüringischen Rhön, dessen schöner Ortskern durch eine Ortsgestaltungssatzung geschützt ist, in den Randbereichen ist so etwas trotzdem möglich. Eine dort ortsansässige Firma vertreibt diese anscheinend speziellen Module für Wandmontage.

  • Wie in ästhetisch-geschmacklicher Hinsicht auf den Hund gekommen muss jemand sein, der sein Haus derart verunstaltet :augenkrummblau: !
    Mir fehlen die Worte!

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Zitat

    Dieser Alltag ist bislang kaum Gegenstand der Architekturtheorie. Das muss sich genauso ändern wie die Scheuklappensicht der Bauhistoriker, die weite Teile der Architekturgeschichte schlichtweg ausblenden. Es kann, weil alle Architektur den öffentlichen Raum prägt, nirgends und für niemanden mildernde Umstände geben. Auch für keine "Generation Y", die sich noch mehr zutraut als ihre (laienhaften) Vorgänger, die im Baumarkt ihr Glück suchten. ub

    Quelle: http://www.german-architects.com/de/pages/generation_y

  • Zitat

    „Die Kirche ist einer Fabrikhalle nachempfunden, passend zum Wirtschaftswunder. „Damit sollten die Leute in ihrer Lebenswirklichkeit abgeholt werden“, beschreibt die Pfarrerin die zugrunde liegende Philosophie.


    Na, da war der Architekt aber mal "bei de Leut". Wer den ganzen Tag in einer Fabrik schuftet, möchte in einer solchen auch Gottesdienst feiern? Kann ich mir nicht wirklich vorstellen.

  • Was man sich damals (und heute) für schwachsinnige Begründungen einfallen liess, um so eine Architektur begründen zu können, ist schon erstaunlich.
    In der katholischen Kirche mischte sich damals der Ab-... pardon Aufbruch der Kirche im Sinne des II. Vatikanum mit der modernistisch-zeitgeistigen Architektur (wie dem Beton-Brutalismus) von damals und produzierte eine Melange, die das Heilige mehr verdeckten als einen würdigen Rahmen zu geben vermochten (und das bis heute). Das es bei den Protestanten nicht anders war wundert mich kaum, hatte man doch dort schon immer einen Hang zum spartanischen was dem Zeitgeist doch sehr entgegenkam und -kommt, besonders bezogen auf die Architektur. Eine Kirche in Fabrikhallenoptik ist dann vielleicht doch nur die logische Übertragung des puritanistischen Gedanken in die "Moderne". Ob es die Menschen näher an den Glauben und an Gott führt, halte ich jedoch für höchst zweifelhaft. Als Gotteshaus ist diese Halle schlichtweg unwürdig.

  • In der Tübinger Südstadt stehen zwei ca. 1890 erbaute und ursprünglich identische Doppelhäuser, die anschaulich zeigen, wie man Altbauten kaputtsanieren kann.

    Die Haushälfte ganz links: Das Dach wurde verändert, doch die Fassade dürfte noch weitgehend dem originalen Zustand entsprechen. Ein schlichtes, aber angenehmes Haus.

    Rechts anschließend: Die Klappläden sind noch da, doch die Fenster haben weniger Sprossen.

    Das zweite Haus, linke Hälfte: Die Fenster haben immerhin noch Sprossen, aber ohne Klappläden sieht die Fassade viel öder aus. Der Stahlbalkon wurde ohne jedes ästhetische Empfinden angebaut. Das Gesims über dem Erdgeschoß fehlt auch.

    Das zweite Haus, rechte Hälfte: Eine völlig zu Tode sanierte Fassade.

    Die Häuser in der Gesamtschau. Man könnte hier einen kleinen Lehrpfad zum Thema Altbausanierung anlegen.

  • "Atticus", helf´ mir doch mal auf die Sprünge. Wie ist die exakte Bezeichnung für die im Historismus gerne verwendeten T-Fenster mit meist kippbarem Oberlicht? Danke vorab.

  • Die kippbaren Oberlichter kamen erst mit der Reformarchitektur auf, als ein Oberlicht durchgängig über zwei Flügel gesetzt wurde aber mit drei bis vier Sprossen unterteilt war. Die Historismusvariante ist eigentlich immer ein Kreuz, dessen Oberlichter im goldenen Schnitt zu den unteren Flügeln angebraucht sind. Die sind aber genauso mit Basküle zu öffnen wie die unteren Fensterrahmen. Im Gegensatz zum Kreuzstock gibt es aber nur noch einen Kämpfer der Ober und Unterlicht teilt, auf den Stock in der Mitte konnte man wegen der modernen Baskülen verzichten. (Siehe mein Icon)

  • Sehr interessant zu sehen, wie unterschiedlich ein Haus mit überschaubaren Mitteln (Fensterläden, Sprossenfenstern) gestaltet werden kann, wie oben bereits gezeigt wurde. Ich wollte dazu mal eine Serie machen, bin mir aber nicht sicher, ob hier Interesse besteht (ein Haus -> zwei Varianten).

    Hier zwei (kölner) Beispiele. Insbesondere das zweite finde ich interessant.

    Fotos von mir.

  • Zitat

    Ich wollte dazu mal eine Serie machen, bin mir aber nicht sicher, ob hier Interesse besteht (ein Haus -> zwei Varianten).

    Sehr gerne, das Thema Fenster/ Versprossung verdient einen stärkere Beachtung als bisher.

  • Mai 2002
    http://rottweil.net/frame/Ansichte…sse_9/frame.php
    Wenngleich nicht optimal, so stimmen hier zumindest die Proportionen und das verwendete Material. Die Nachbarhäuser verlieren erheblich durch den kompletten Verzicht auf adäquate Versprossung.

    August 2011
    http://rottweil.net/frame/Ansichte….08.2011_32.jpg
    Die bisherigen Fenster wurden ersetzt durch solche mit Pseudo- Kunsstoffsprossen, welche nicht einmal mehr Proportionen berücksichtigen und wahren.

    Januar 2015
    http://rottweil.net/frame/Ansichte…ergerstr._9.jpg
    Im Gesamtbild eine deutliche Verschlechterung gegenüber 2011, verursacht auch durch weitere neue Zutaten. Eine Entwicklung, die wir mehrheitlich feststellen müssen.

  • Gerade bei Mehrfamilienhäusern im Besitz der Stadt oder großer Wohnungsgesellschaften begegnet mir in den letzten Jahren das Phänomen der "Farbverschmutzung" des öffentlichen Raumes. Häuser der Zwischenkriegs- und Nachkriegszeit werden mit Styropor-Platten gedämmt, und danach entscheiden die Verantwortlichen, das banale Gebäude durch einen möglichst billig wirkenden bunten Anstrich ohne Konzept, Sinn und Verstand "freundlicher" zu machen. In Offenbach ist seit Jahrzehnten die SPD Entscheidungsträgerin in Sachen Stadtgestaltung. Beim diesjährigen Faschingszug, dem ich beiwohnte, weil ich einen Freund besuchte, der an der Zugstrecke wohnt, konnten es die Sozialdemokraten natürlich nicht unterlassen, die Veranstaltung mit Anti-Pegida-Transparenten politisch instrumentalisieren zu wollen. "Wir sind bunt" stand auf einem der Poster dieser feixenden Zugteilnehmer. Und sicherlich stellen sie sich das genau so vor wie das unten gezeigte Sanierungsbeispiel von Häusern an der Mühlheimer Straße. (Und es sei betont, dass das noch nicht mal die mieseste aktuelle Farborgie ist, die mir in der Stadt aufgefallen ist.) Einige kleine Wohnhochhäuser der Nachkriegszeit wurden dort gedämmt und mit einem "freundlichen" bunten Anstrich versehen. Ein sinnvolles Farbkonzept ist dabei nicht erkennbar, außer dass möglichst keine Symetrie und Harmonie geschaffen werden soll. Wir sind ja eben "bunt". Das zweite Bild zeigt noch ein Haus im (natürlich mittlerweile stark angegrauten) Originalzustand, das sicher auch bald dran glauben muss. Hier betont die Farbe immerhin noch die vorhandene architektonische Gliederung des Gebäudes. Zudem sind die Fenster noch dreifach geteilt.