Sehschule - Banalität des Alltags

  • Puh. Das ist ja richtig übel. Da wurde so ziemlich alles falsch gemacht. Nichtmal ein Baum in der Nähe, der diesen trostlosen Anblick in den warmen Monaten etwas abmildern könnte. Diese dunkle Fassadenplatte sorgt auch nicht gerade für Aufheiterung. Im Gegenteil. Das ist völlig daneben.

  • Der Vorgängerbau war aber auch wirklich ein "Schandfleck". Allein der Sockel, völlig verdreckt. Der Neubau sieht auch nicht so dörflich aus. Gefällt mir gut.

  • Andreas Wenn dir dieser Neubau gefällt, würde ich dringend raten, das nochmal zu reflektieren. Vielleicht habe ich auch nur die Ironie in deinem Beitrag nicht erkannt. Er wurde von zeitlos ganz zu Recht in der "Sehschule" gepostet.

    Der Neubau zeigt einen verantwortungs- und respektlosen Umgang mit der dörflichen Umgebung sondergleichen. Dieses Niveau hatte man vor 15 Jahren noch in Gewerbegebieten, direkt neben einer Kirche auf dem Dorf hätte man sich so ein Monstrum nicht zu bauen getraut. Fast sind wird schon zurück in den 60ern und 70ern, als genauso schlecht und unsensibel gebaut wurde. Dieser steril-industrielle "Look" kontrastiert aufs härteste mit dem Vorgängerbau und der Kirche nebenan. Das tut schon fast körperlich Weh. Mittlerweile sind aber bei Bauherrn und Genehmigern sämtliche Sicherungen durchgebrannt. Vor kurzem hat ein guter Freund von mir in ähnlich historisch sensiblem Bereich ebenfalls ein kleines Ensemble abreißen lassen und mit 2 überproportionalen Renditekisten für einen siebenstelligen Betrag errichten lassen. Alte, am Ort verwurzelte (Handwerker!-) Familie. Geschichte? Identität? Handwerk? interessiert nicht. Argumente werden nicht gehört. Schlüsselfertig vom Abriss über Entsorgung , vom hochziehen über Plastikfenster bis zur Einbauküche... Man muss sich um nichts kümmern. Wie praktisch... Das Geld muss ja irgendwo untergebracht werden...

    Am besten wäre natürlich eine Sanierung des zu Beginn von zeitlos' Beitrag gezeigten Anwesens gewesen. Auf dem älteren Bild scheint es als hätte man im Sockelbereich bereits irgendeine Verkleidung entfernt und deshalb ist sie so "verschmutzt". Nichts dramatisches, und sicherlich kein Grund es abzureißen. Ok, womöglich ist eine Sanierung aus Rendite-Gründen nicht gewollt gewesen. Aber warum solch eine abstoßende Kiste? Charakter? Regionalität? Industrie-Stangenware mit dem billigsten (zumindest vom Aussehen her) was der Baugroßhandel hergibt. Es gibt - zwar nicht sehr viele - aber doch einige gute Architekten, die den Spagat zwischen Bauherrn (Rendite) und einer angemessenen Architektur mit einfachen Mitteln schaffen würden. Auch in so einem sensiblen Bereich. So wie das aussieht, hat man womöglich hier aber überhaupt keinen Architekten in Anspruch genommen, sondern nur einen Bauzeichner. Man möge mir verzeihen, aber mir fällt zu solchen Bauten nur das hier ein: https://www.youtube.com/watch?v=0UlWkGT_ANk

    "Schandfleck" ist natürlich das typische, nicht auch nur annähernd durchdachte Argument von Bauherrn, die schnell abreißen wollen, von Stadträten/Ortsvorstehern denen alles alte und nicht auf Hochglanz gekärcherte lästig ist und von Trittbrettfahrern, die eigentlich nichts damit zu tun haben und trotzdem ihren Senf dazugeben müssen ("Reissens des oide Glump endlich amoi weg?!" wie man es bei mir daheim oft hört). Um so erstaunter bin ich, dass so etwas von einem langjährigen Mitforisten kommt.

    Wer solche Kisten als gut empfindet, dem kann ich nur einmal mehr dringend empfehlen, sich sämtliche Filme von Dieter Wieland die Bauen zum Thema haben rauf und runter zu schauen, um zu begreifen wie jämmerlich unsere "Baukultur" mittlerweile ist. Vom Dach, Türen, Putz, Farbe, Fenster, Garten etc gibts es Filme, wie man es richtig machen hätte könnte:

    https://www.br.de/br-fernsehen/s…raphie-100.html

    Heimdall ...oder Pflanzkübel aus Waschbeton...

    Jedenfalls in Baden-Württemberg, dem Ländle des ewigen Fortschritts..

    Nun, dort ist es noch ein bisschen heftiger, wohl schon seit jeher. Aber auch in Bayern geht es leider immer mehr in diese Richtung.

  • Wenn dir dieser Neubau gefällt, würde ich dringend raten, das nochmal zu reflektieren. Vielleicht habe ich auch nur die Ironie in deinem Beitrag nicht erkannt.

    Das wird so sein.

    Dass Du mir zutraust, mir gefiele dieser Bau und gerade an dieser Stelle, trifft mich allerdings schon.

  • Oft passierts mir nicht, das mir die Ironie durch die Lappen geht. Vielleicht liegt es an den allgemein recht aufgeregten Zeiten, dass ich das jetzt für bare Münze genommen habe. Im vergangenen Jahr musste man hier (nicht von dir) auch hin und wieder (ernst gemeinte) Sachen lesen, die mich zweifeln ließen ob man hier im Forum (architektonisch) so ganz grundsätzlich noch in selbe Richtung geht. Mea culpa! In diesem Sinne: Entschuldigungcheers:)

  • Diese Art von Neubauten machen mir Sorgen, Sorgen um die sttrukturelle Zukunft von Dörfern und ländlichen Regionen, deren einzige Überlebenschance darin bestehen dürfte attraktiv für jene zu sein, die den Städten den Rücken kehren wollen. Denn wenn ich eine Großstadt verlassen möchte, um ihrem Stress zu entfliehen, dann habe ich i.d.R. die Wahl zwischen mehreren umliegenden Gemeinden. Am attraktivsten wird dann diejenige sein, die ihren Charakter und ihre architektonische Tradition am besten bewahren konnte. Wenn aber die Gemeinde so modernistisch aussieht wie die Stadt, warum sollte ich dann dort leben wollen?

    Aber vielleicht täusche ich mich da und die Gemeinden sehen ihre Zukunft in der Verdrängung der Anspruchs- und Mittellosen aus den teuer gewordenen Städten, und für diejenigen müssen billige, praktische und Pflegeleichte Wohnungen gebaut werden, die sie an ihre Quartiere aus den Städten erinnern?

  • Ich habe mal nachgeschaut. Dunningen liegt ziemlich auf dem Land, ist also nicht Einzugsgebiet einer Großstadt. Ich denke also nicht, dass es in dieser Gemeinde um die Verdrängung ärmerer Leute geht.

    Das Ganze zeigt vielmehr die alte Krankheit, die ich schon seit Jahrzehnten in vielen Landgemeinden feststellen muss. Es existiert keine Geschmacksbildung bei großen Teilen der dortigen Bevölkerung. Früher waren es die Eternit-Platten, mit denen sie ihre Häuser zunagelten. Dann kamen die Fassadendurchbrüche für Glausbausteine. Schließlich die Wärmedämm-Styropor-Blöcke, am besten kombiniert mit einem Dach, das komplett aus Solarmodulen besteht. Und nun sind einige so zu Geld gekommen, dass sie gleich eine Rendite-Kiste an Stelle der Vorgängerbebauung setzen. Es sind eben (dumme) Bauern, so hart muss ich das leider jetzt formulieren, auch wenn ich mir damit keine Freunde mache.

    Ich bleibe dabei, dass das mit mangelnder kultureller und Geschmacksbildung zu tun hat. Und dem Verlust von Ehrfurcht gegenüber den Vorfahren sowie der Natur.

    Etwas anderes sind die Gebiete an den Rändern der Großstädte. Diese treffen die Beschreibungen von "nothor" eher. Gerade die dortigen Großwohnanlagen sind vor allem Gentrifizierungs-Ausgleichsareale, in die das wenig solvente "bunte" Prekariat aus Zeitarbeitern, Billiglöhnern und Hartz IV-Empfängern abgeschoben werden soll, um im Zentrum der Städte Platz für Besserverdiener und Hipster zu schaffen. Diese wollen in den innerstädtischen Bereichen leben, weil dort viel an Gastroszene geboten wird und man auch bequem nur mit dem Fahrrad zum Bio-Supermarkt radeln kann.

    Ein anderer Aspekt der Überlebenschance sollte aber genannt werden. Der touristische. Wegen solcher Neubaukisten kommt kein Tourist ins Land. Das heißt, in Zukunft wird es eine härtere Konkurrenz der Städte, Regionen und Länder um Touristen geben.

    Die Deutschen werden in Zukunft vermutlich weniger reisen. Zum Einen, weil sie weniger Geld haben werden. Zum Anderen, weil sie weniger Geld haben wollen (auch um sich als Retter des Klimas besser zu fühlen). Das heißt, sie werden mehr auf Binnentourismus zurückgreifen (müssen), weil dieser für sie bezahlbarer bleiben wird. Balkonien statt Down Under.

    Die Asiaten werden in Zukunft vermutlich mehr reisen. Dort wachsen Wirtschaft und Wohlstand und der Wille, die Welt zu besichtigen. Landstriche, die sich aber mit Neo-Bauhaus-Blöcken verschandeln, werden von diesem künftigen Devisenfluss eben ausgespart werden und eher verarmen. Attraktive Orte und Landschaften werden finanziell profitieren.

    Suum cuique.

  • Ein anderer Aspekt der Überlebenschance sollte aber genannt werden. Der touristische. Wegen solcher Neubaukisten kommt kein Tourist ins Land. Das heißt, in Zukunft wird es eine härtere Konkurrenz der Städte, Regionen und Länder um Touristen geben.

    Die Deutschen werden in Zukunft vermutlich weniger reisen. Zum Einen, weil sie weniger Geld haben werden. Zum Anderen, weil sie weniger Geld haben wollen (auch um sich als Retter des Klimas besser zu fühlen). Das heißt, sie werden mehr auf Binnentourismus zurückgreifen (müssen), weil dieser für sie bezahlbarer bleiben wird. Balkonien statt Down Under.

    Da fühle ich mich angesprochen, unseren letzten "großen" Urlaub hatten wir 2017, seither sind wir nur der näheren Umgebung unterwegs gewesen, Umkreis 500 km, mit Bahn und Auto. Und es lässt sich auch in Deutschland wunderbar urlauben, und zwar dort, wo man eben von solchen furchtbaren architektonischen Fehltritten verschont bleibt. Denn genau diese Art von Architektur ist es, die einen Urlaubsreif macht. Ich pers. will gar nicht nach "down under" mehr, auch nicht nach Thailand und sonstwohin. Ich habe in meinem Leben mehr gesehen als alle meine Vorfahren, obwohl ich noch nie in Asien, Afrika oder Australien war. Aber in meinen familienbedingten Urlauben in den USA habe ich mehr von den Staaten gesehen als wohl die meisten Amerikaner. Ich bin des Reisens satt und empfinde da keine Sehnsucht oder Sammelwut, was Fernziele angeht. Solange man in Deutschland noch schöne Städte und Dörfer findet, an denen man sich wohl fühlen kann. Wenn man die aber alle mit Technikgläubigkeit und falsch verstandener Modernisierung entstellt und verschandelt, ja dann muss es eben doch immer wieder Italien oder soetwas sein.

  • Wir Europäer können uns echt nicht beschweren, wir haben die schönsten Strände und Städte vor der Haustür. Befreundete Ingenieure, die aus Asien zurückgekehrt sind, erzählten mir, dass mittlerweile dort die Strände und Meere durch die enormen Produktionssteigerungen und Wachstumsraten in einem furchtbaren Zustand sind. Als sie Politiker auf diesen Missstand ansprachen, bekamen sie nur lapidar mitgeteilt: "Ihr hattet bereits Eure industrielle Revolution in Europa, jetzt sind wir mal dran". Obwohl ich sehr reiselustig bin und gerne in die Ferne verreise, würde ich darauf verzichten, könnte ich ein Leben führen, wie Hans Graf von Lehndorff (Menschen, Pferde, weites Land) in seinen Jugenderinnerungen beschreibt. Aber wo findet man das? Jedenfalls nicht in Deutschland. In Frankreich schon eher, da wird jedes Jahr Frankreichs schönstes Dorf prämiert. Die Deutschen haben, und da muss ich Heimdall beipflichten, in ländlichen Gebieten überhaupt keinen Sinn für Gestaltung. Wichtig ist nur, dass der Rasen gemäht ist und weil hier Wieland erwähnt wurde, es ist eben diese Unduldsamkeit, gegen jedes Tier und Planze, die ohne Marktwert sind. Kommunalpolitisch geht es meistens um Themen, den Acker zum Bauland zu erklären, mit möglichst großem Gewinn für den jeweiligen Bauern. Verschiedene Bauern und Landbesitzer zanken sich dann ganz furchtbar. Aber das ist für sie ein Grund in die Politik zu gehen. Dabei kannte ich einen Marktrat, der aus ideellen Gründen ewig um eine Streuobstwiese für die Kinder bettelte, aber er hatte keine Chance in diesem Politikgeschäft.

    Beauty matters!

  • So etwas kommt dabei heraus, wenn der Gesellschaft der architektonische Kompass verlorengeht. Die Bauherren der Immobilien auf diesem FAZ-Symbolfoto hadern ganz offensichtlich mit der Moderne, haben aber keinen eigenen Bezug zu stilsicherer Ästhetik.

    Den Schwarzen Peter würde ich klar der Moderne zuweisen, die die Menschen mit ihrem Bedürfnis nach Schönheit alleine lässt.

  • Abgesehen von den Sprossen in Aspik sind die Häuser doch gar nicht so verkehrt, ein hübscher, schlichter Toskana-Stil. Die Proportionen stimmen, die Fenster haben Faschen, was will man mehr....lediglich die Trennwände und Zäune und die Betonmauer im Vordergrund wirken deplaciert.

  • Die eigentliche Fassade befindet sich darunter. Diese Backstein-Gründerzeitfassade ist komplett aus Plastik. ;-\Bleiweißstraße, Frankfurt - Oberrad.

    IMG_6752

  • Der Artikel der passt hier eigentlich ganz gut, ist aber leider hinter einer Bezahlschranke:

    https://www.welt.de/kultur/kunst-u…-Neubauten.html

    Als weitere "Highlights" modernistischer Architektur werden u. a. das Bild des Wohnzimmers einer Villa in Brandenburg gezeigt, dass eher an ein Haus aus Bürgerkriegs-Syrien erinnert oder ein Bild des Liebeskindbaus der Uni Lüneburg, das durchaus Ähnlichkeiten mit eingestürzten Bauten bei einem Erdbeben in Taiwan hat...