• Moderationshinweis (Palantir): Der Beitrag bezog sich ursprünglich auf jenes Thema:
    Frankreich - Wiederaufbau von Schlössern


    Schönes Projekt. Mit 550.000 Euro wird man jedoch nicht hingekommen...


    Bei der Frage nach dem höchsten Bergfried bzw. Donjon müsste man zunächst einmal die beiden Begriffe versuchen voneinander abzugrenzen. Ein Donjon ist am ehesten ein Wohnturm. In Deutschland dienten die Bergfriede meisten, aber auch nicht immer, vornehmlich militärischen Zwecken. Gewohnt hat man bei uns gegen im Palas. Wohntürme normannischer Prägung wie in Frankreich (Donjon) und England (Keep) gibt es in Deutschland kaum. Diese Bauten beeindrucken eher durch ihre Breite bzw. ihren großen Grundriss als durch ihre Höhe.

    Was die reine Höhe angeht, kann so mancher Bergfried in Deutschland auch mit den größten westeuropäischen Wohntürmen mithalten. Der von Wissmut erwähnte Turm der Osterburg in Weida ist 53 m oder 54 m hoch bei einer Mauerstärke von 5,70 m.

    http://www.dickemauern.de/osterburg/ansi.jpg
    http://www.dickemauern.de/osterburg/bild2.jpg

    Der Adolfsturm der Burg Friedberg in Hessen ist 54,42 m hoch (mit Wetterfahne 58,22 m) bei einem Durchmesser von 12,3 m und einer Mauerstärke von 4,25 m.

    Quelle: wikipedia.de - Wikipedia, die freie Enzyklopädie

    http://www.burgenwelt.de/friedberg/ansi.jpg
    http://www.burgenwelt.de/friedberg/bild4.jpg
    http://www.burgenwelt.de/friedberg/bild5.jpg
    http://www.burgenwelt.de/friedberg/bild6.jpg


    Auffällig ist natürlich, dass solche ganz hohen Bergfriede sog. Butterfasstürme sind, d. h. Türme, deren Obergeschosse aus einem runden Aufsatz ("Butterfass") bestehen, der einen geringeren Durchmesser als der Rest des Turmes hat.

    Der höchste erhaltene mittelalterliche Wohnturm überhaupt dürfte der höhere der "zwei Türme" in Bologna sein, der Asinelli (97,2 m bei einer Neigung von 2,2 m).


    Quelle: wikipedia.de - Wikipedia, die freie Enzyklopädie

    20 von einst angeblich 180 Geschlechtertürmen stehen noch heute in Bologna. Im Mittelalter muss man sich die Stadt ungefähr so vorstellen:


    Quelle: wikipedia.de - Wikipedia, die freie Enzyklopädie

    Bis zum Bau der gotischen Kathedralen befanden sich in dieser Stadt die höchsten Gebäude Europas.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Danke Georg Friedrich ! Das ist ja absolut faszinierend, wie Bologna damals ausgesehen hat. Ein wenig wie New York !

    Um nochmal auf die Donjon zurückzukommen. Der größte steht doch wohl in Rom und ist die Engelsburg oder ? :zwinkern:

  • Ja, dieser Anblick von "Bononia Turrita" im Hochmittelalter ist eine äusserst faszinierende Sache. Das Viertel rundum die Torri Pendenti in Bologna hat seine mittelalterliche Atmosphäre auch völlig bewahrt, mit noch drei anderen Wohntürme um die 60 m hoch, viele Stümpfe derselben und stark auskragenden ma. Wohnhäuser, und andere wahnsinnige Bauten wie die ma. Börse (Mercato). Es ist ein fast metaphysisches "Mittelalter-Erlebnis", dort durch die Gassen zu gehen. Dazu kommen die Basiliken von S. Domenico, S. Francesco, S. Petronio(!), uva.

    Die Wohntürme des italienischen Stadtpatriziats sind aber etwas wesentlich anderes als die normannischen Donjons. Auch die dt. Bergfriede vom Butterfasstyp sind etwas anderes, und die angegebenen Höhen sind wohl einschliesslich des Turmhelms. Ich nehme an, das die 54 m des Donjons in Coucy die Höhe des aufgehenden Mauerwerks waren, einen Turmhelm gab es sowieso nicht.
    Da der Donjon von Coucy auch noch viel "dicker" war als jene dt. Türme, und dieser Durchschnitt bis zum oberen Ende behielt, ist er doch viel, viel grösser. Innen gab es drei grosse Säle übereinander mit Sterngewölben.
    Auch der Donjon von Crest hat keinen Turmhelm und keine Verjüngung.

    Ich kenne aber Einen Wohnturm vom Typ "Donjon" in Mitteleuropa, bezeichnenderweise von Karl IV. aus dem Hause Luxemburg errichtet. Sie steht im Burg Karlstein bei Prag. Ich weiss aber nicht, wie hoch er genau ist.

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  • Zitat von "Brandmauer"


    Ich kenne aber Einen Wohnturm vom Typ "Donjon" in Mitteleuropa, bezeichnenderweise von Karl IV. aus dem Hause Luxemburg errichtet. Sie steht im Burg Karlstein bei Prag. Ich weiss aber nicht, wie hoch er genau ist.

    Man wollte hier und auch woanders partout nicht die Höhe preisgeben. Alles was ich herausbekam war, dass der Turm viergeschossig ist. ("...Velká v?ž. V?ž má ?ty?i patra...")

    Zitat von "WIKI"

    Beschreibung der Burg

    Die einzelnen Teile der Burg befinden sich auf verschiedenen Höhen, um die Bedeutung zu verdeutlichen. Wahrzeichen der Burg ist der Große Turm, dessen Grundriss der Seiten 25 und 17 Meter lang ist. Die Mauer ist vier Meter dick, die nördliche Seite sechs Meter. Hauptgebäude ist die Kapelle des Heiligen Kreuzes. Die gotische Decke der Kapelle stammt vom Hofmaler Karls IV., Meister Theodorik. Die Gemälde stellen die „Himmlische Armee“ dar.

    ...kantige Kuben beginnen sich plötzlich zu drehen, Säulen bekommen durch Schrägstellen eine wohltuende Dynamik und mehr denn je werden spielerisch mit Materialität und Oberflächentexturen neue Ufer ausgelotet.

  • Zitat

    Warum gab es diese Türme denn nur in Italien und nicht auch in Deutschland oder Frankreich ?

    Es gibt sie an einigen Stellen auch in "Deutschland", und man muss dabei natuerlich auch bedenken, dass die Nationen im Hochmittelalter nicht auf die gleiche Weise gebildet und ausgepraegt waren als Heute. So gehoerte ein grossteil Italiens zum Hl. Roem. Reich dt. Nation, worin es ein "Koenigreich Italien" gab, das aber in Personalunion mit dem dt. Koenig und Kaiser war. Die Truppen des dt. Kaisers nahmen an den Fehden der Staedte und Signorien in Oberitalien teil (die Partei der Ghibellinen), werden aber wohl auch als Fremdlinge wahrgenommen worden sein.

    Staedtische Wohntuerme aus dem Hochmittelalter gibt es im heutigen Deutschland zuallererst in Regensburg, deren Altstadt ausser des Doms deshalb auch italienisch anmutet. Auch Nuernberg (Nassauer Haus) und Trier (Frankenturm) haben noch einen.

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  • Zitat von "Brandmauer"

    ...
    Staedtische Wohntuerme aus dem Hochmittelalter gibt es im heutigen Deutschland zuallererst in Regensburg, deren Altstadt ausser des Doms deshalb auch italienisch anmutet. Auch Nuernberg (Nassauer Haus) und Trier (Frankenturm) haben noch einen.

    Danke. Aber mit 120 Türmen in Köln oder Trier ist wohl nicht zu rechnen. Scheinbar haben die Deutschen mehr ihren Stadtmauern vertraut... :gg:

  • Die reichen Familien haben sich scheinbar in Deutschland vor allem weniger befehdet!:schlaechter:
    Neben der zerrissenen politischen Situation in Italien wo Papst, Kaiser, und Signorien in immer wechselnden Konstellationen sich kreuz und quer durch die Staedte bekaempften, hat es vielleicht auch mit dem Kaempferischen und dem Ehrgeiz der fuehrenden italienischen Persoenlichkeiten zu tun. Jede Patrizierfamilie baute sich sein Wohn- und Verteidigungsturm bis in den Himmel.
    Die Stadtmauern in Italien waren, wie man auf dem Bild von Bologna sieht, nicht schlechter als in Deutschland! :D

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  • Zitat von "Brandmauer"

    Die Wohntürme des italienischen Stadtpatriziats sind aber etwas wesentlich anderes als die normannischen Donjons. Auch die dt. Bergfriede vom Butterfasstyp sind etwas anderes, und die angegebenen Höhen sind wohl einschliesslich des Turmhelms. Ich nehme an, das die 54 m des Donjons in Coucy die Höhe des aufgehenden Mauerwerks waren, einen Turmhelm gab es sowieso nicht.

    Sehe ich genauso. Die deutschen Butterfasstürme sind verglichen mit Coucy oder Crest Bohnenstangen und kommen noch dazu nur aufgrund des Turmhelms auf eine ähnliche Höhe. Ursächlich für diese geringere Größe ist wohl wie gesagt der Umstand, dass man in Deutschland lieber in einem Palas als in einem Turm wohnte und daher der Bau derart mächtiger Türme nicht erforderlich war. Wohntürme gab es zwar auch in Deutschland, nur waren diese weniger repräsentativ und kleiner als die besten französischen Beispiele.

    Das ist angeblich eine deutsche Donjonburg: http://de.wikipedia.org/wiki/Nothberger_Burg

    Gibt es in den Niederlanden ähnliche Burgentypen wie in Frankreich oder England? Einen sehr westeuropäisch-normannischen Eindruck macht die nahe der niederländischen Grenze gelegene Burg Bentheim auf mich - einen Wohnturm hat sie allerdings nicht: http://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Bentheim

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Zitat von "Finduriel"

    Man wollte hier und auch woanders partout nicht die Höhe preisgeben.

    Der "Große Turm" der Burg Karlstein hat eine "lichte Höhe von über 23 m".
    Quelle: http://resikom.adw-goettingen.gwdg.de/artikel.php?ArtikelID=434

    Ich habe zwar nicht persönlich nachgemessen, aber diese Höhenangabe erscheint mir irgendwie zu gering.

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    Arthur Schopenhauer

  • Zitat von "Oliver"

    Danke. Aber mit 120 Türmen in Köln oder Trier ist wohl nicht zu rechnen. Scheinbar haben die Deutschen mehr ihren Stadtmauern vertraut...

    In Regensburg haben sich noch heute etwa 40 Geschlechtertürme zumindest in Teilen erhalten. Die meisten davon werden jedoch bei einem Stadtrundgang nur noch schwer erkennbar sein, da sie einen Gutteil ihrer Höhe verloren haben und meist verbaut sind.

    Aus meiner Regensburg-Serie habe ich mal die wichtigsten Bilder zum Thema Geschlechter- und sonstige Türme und mittelalterliche Stadtburgen zusammengestellt:






























    Frankenturm in Trier:

    Quelle: http://www.wikipedia.de

    Turm Jerusalem in Trier:

    Quelle: http://www.wikipedia.de

    Trier hatte laut Wikipedia-Artikel zum Frankenturm 7 oder 8 solcher Wohntürme.

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    Arthur Schopenhauer

  • Georg Friedrich

    Danke auch von mir! :D Die Stadttürme von Regensburg sind schon was besonderes, auch in Italien gibt es nur noch eine Handvoll Städte dieser Grösse, wo noch soviele Turmstümpfe und Türme sichtbar sind. In Florenz, Genua und Mailand sind sie wohl alle gekappt, einige stehen noch in Alba, Asti, Pavia/Pawei :zwinkern: , Cremona, Bergamo, Arezzo, in Resten auch in Siena. Und es gibt noch Wohntürme in einer Anzahl von Kleinstädten wie Ascoli Piceno, Città di Castello, San Gimignano, Volterra, Albengha und noch anderen.

    In den Niederlanden sind die Schlösser (Kastelen) meistens aus Backstein, mit einem viereckigen Grundriss und einen Turm an jeder Ecke. Zwischen den Ecktürmen und darin durchgehend gibt es dann die Wohntrakte, es gibt keine wirklichen Donjons. Fast alle nl. Schlösser sind Wasserburgen, die im Mittelalter als Burgen gegründet wurden und dann ab dem 17. Jh oft von grossen Fenstern versehen wurden, wodurch der wehrhafte Charakter grösstenteils verloren ging. Gute Beispiele sind das Kasteel von Amerongen und das Muiderslot bei Naarden.
    In Leiden gibt es noch die Burg, von wo aus sich die Stadt entwickelt hat, "de Burcht" genannt. Auf diesem Luftbild sieht man ihn unten in der Mitte, als Ring zwischen den Bäumen:

    Es handelt sich um ein sogenanntes Motte-Kasteel, das auf einem künstlichen Hügel gebaut wurde. Ursprünglich hat es so ausgesehen:

    Sie stammt aus dem 12. Jh. Motte-Kastelen hat es in Westeuropa an mehreren Stellen gegeben, schöne Beispiele stehen heute noch in Gisors (Normandie, Frankreich), und eine ganz kleine auch in York (England, Grossbritannien). Vielleicht hat sich der Bautypus des Donjon aus dem des Motte-Kasteels (Motteburges) entwickelt.

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