Bernburg (Saale) (Galerie)

  • Ich empfinde das nicht so, "Philon". Steril wirkt das Gebäude auf mich nicht. Es ist nicht falsch, solche Gebäude zu sanieren, so lange noch das Geld dafür vorhanden ist. Du kannst davon ausgehen, dass in Zukunft weit weniger Geld für so etwas vorhanden sein wird (es sei denn, Leute wie Jeff Bezos entwickeln ein Interesse an deutschen Barockgebäuden). Dann wird sich Patina wieder ziemlich rasch von alleine einstellen.

  • Natürlich ist Philon grundsätzlich beizupflichten, wobei mir ein derartiger Kommentar ja ohnehin auf der Zunge gelegen ist. Andererseits scheint mir die Sanierung durchaus hochwertig und an sich untadelig. ´Wahrscheinlich wurden Kalkfarben verwendet, wobei die Farbgebung am Vorzustand orientiert gewesen sein dürfte und nicht ganz glücklich erfolgt ist. In Städten wie dieser muss man über den Umstand der Erhaltung froh sein. Der Verlust des alten Charmes und Flairs ist für mich besonders in den böhm. Ländern zu spüren. Die DDR hab ich nur unmittelbar nach der Wende erlebt, und das war nicht so lustig. Eigentlich ist viel, viel mehr erhalten worden, als von mir befürchtet. Bautzen und Görlitz hatte ich mit dem Auge eines "letzten Mals" gesehen. Von diesem Standpunkt aus muss man über die gezeigt Sanierung froh sein, überhaupt wenn man Städte wie Landshut vor Augen hat, wo weniger Fassadenkratzer schon einen Abriss zu rechtfertigen scheinen.

    Am von Philon thematisierten ästhetisches Phänomen als solchen ändert dies natürlich nichts, und deshalb hab ich auch diese beiden Bilder herausgepickt.

    Vielleicht kommt noch das Dia-Phänomen dazu. Dias haben einfach eine eigene Ausstrahlung.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich denke auch nicht, dass es kaputtsaniert wurde. Irgendwann ist mal eine Fassadenrenovation notwendig, und dann sieht ein Haus nun mal am Anfang geleckt aus.

    Wahrscheinlich wurden Kalkfarben verwendet

    Denkst Du? Mein erster Eindruck war der, dass das Blau/grau des Vorzustandes eine Kalkfarbe war, oder dann eine ausgewaschene 'sonstwelche' Farbe. Das jetzige Lindengrün ist mir zu eintönig für einen Kalkanstrich. Ein Kalkanstrich wäre leicht wolkig. Und genau dieser Unterschied könnte bei Philon den Eindruck geweckt haben, dass die Fassade steril wirkt.

    Dazu kommt noch der Gegensatz zum offensichtlich nicht umgedeckten Dach. Dieses sieht mit den schwarzen Wassersträhnen schmuddelig aus, und deshalb leuchtet die Fassade jetzt umso mehr blitz blank hervor. Das Gebäude wäre für mich dann steril (oder kaputtsaniert), wenn alle Dachziegel durch einheitlich Neue ersetzt worden wären, was leider und unnötigerweise zu oft geschieht! Ich hätte das Dach jetzt umgedeckt und die alten Dachziegel dabei neu gemischt. So hätte das Dach unter Wahrung der Bausubstanz ein gepflegteres Aussehen erhalten und der Gegensatz zur Fassade wäre nicht so stark ins Gewicht gefallen. Somit hätte das Gebäude weiterhin Alter und Würde ausgestrahlt.

  • Die Grüne Apotheke, benannt nach der Fassadenfarbe, ist als Institution wesentlich älter als das aktuelle Gebäude. Die Apothekengeschichte kann im Detail hier nachgelesen werden: gruene-apotheke-bernburg.de

    (Es geht dabei aber hauptsächlich um die Apotheker und die Pharmazie, nur am Rande um das Gebäude.)

    Das Gebäude der Grünen Apotheke wurde 1775 errichtet und steht seit 1929 unter Denkmalschutz. In den Jahren 1984-1988 wurde es restauriert. Bei oberflächlicher Betrachtung des alten Fotos von Villa1895 , das von 1996 ist, mag man es kaum glauben. Das Dach ist jedoch in recht gutem Zustand. Auch die plastischen Fassadenelemente und die Fenster sind für DDR-Maßstäbe recht ordentlich. Die Fassadenfarbe war eventuell nicht ganz stabil. Störend wirkt besonders der schmutziggrüne Farbstreifen über dem Sockel. Das könnte eine Übermalung sein, um Verschmutzungen zu kaschieren. Zum Jahreswechsel 1996/97 ging das Gebäude in den Besitz der Apothekerfamilie Frenzel über.

    Im Museum Schloss Bernburg wird eine Porzellantasse aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts aufbewahrt, die ein sehr genaues Abbild der Grünen Apotheke überliefert. Der Porzellanmaler hat lediglich auf die Darstellung der Reliefs in den Türgiebeln und über dem Fenster der Mittelachse verzichtet. Nach der jüngsten Restaurierung, die spätestens 2008 abgeschlossen worden sein muss, präsentiert sich die Grüne Apotheke so wie auf dem Tassenbild.

    Tasse mit Ansicht der Grünen Apotheke in Bernburg, 1. Drittel des 19. Jahrhunderts

    © Museum Schloss Bernburg, CC-BY-NC-SA

    Bernburg, Breite Straße 115, Grüne Apotheke (Foto: Tilman2007, April 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Die Grüne Apotheke (Foto: Global Fish, Oktober 2013, CC-BY-SA-3.0)

    Das rechte Portal der Grünen Apotheke mit dem Wappen von Anhalt-Bernburg im Giebel (Foto: Tilman2007, April 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Das mittlere Portal der Grünen Apotheke (Foto: Tilman2007, April 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Heute befindet sich der Eingang zur Apotheke hier und nicht mehr rechts. Die Inneneinrichtung der Apotheke wurde im Laufe der Zeiten immer wieder erneuert und dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst.

    Eingang zur Grünen Apotheke (Foto: Marcela, Dezember 2008, CC-BY-SA-3.0)

    Die Grüne Apotheke in der Breiten Straße, im Hintergrund der Turm der Marienkirche (Foto: Marcela, Dezember 2008, CC-BY-SA-3.0)

    Die Sanierung ist vorbildlich. Hier stimmt einfach alles. Die steinernen Gewände wurden gestrichen. Es wurde ein mineralischer Anstrich gewählt. Man hat mit viel Liebe zum Detail gearbeitet. Unter anderem wurden die Fallrohre in der Fassadenfarbe gestrichen. Für die Dachdeckung wurden passende Dachziegel gewählt (falls überhaupt umgedeckt wurde).

  • Für die Dachdeckung wurden passende Dachziegel gewählt.

    An der Dacheindeckung wurde bei der letzten Restaurierung gerade nichts gemacht (ausser wohl einzelne Ziegel ersetzt). Sie hat eine schöne Patina, schöner als mit auf alt patinierten neuen Dachziegeln. Die oberen Dachflächen bestehen allerdings aus Falzziegel.

    Frage an die Spezialisten der Gegend: hier besteht eine Kronendeckung aus Biberschwänzen, bei der zwei Reihen immer unmittelbar übereinander folgen und dann ein breiterer Abstand. Normalerweise hat eine historische Dacheindeckung eine Doppeldeckung mit gleichmässigen Reihen (Begriffserklärung mit Bildern siehe hier). Kronendeckungen kenne ich bei uns im Bodenseegebiet nur in den paar Jahren vor und nach 1900, sicher aber nicht vorher. Seit wann kommen Kronendeckungen in Ostdeutschland vor?

  • Ein Wiglwogl. Das Herz ist auf Philons Seite, das Hirn argumentiert wie Rastrelli. Unterm Strich kommt so etwas wie Riegels Meinung heraus,

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.