Stuttgart - Stadtplanung

  • Die Rathaus-Rekonstruktion kannst Du vermutlich vergessen, "Münchner", so sehr ich sie auch begrüßen würde. Wenn nicht das jetzige Rathaus längst unter Denkmalschutz als Zeugnis der Wiederaufbauphase gestellt ist, werden sie darauf drängen, sobald nur ein relevanter Piepser hinsichtlich einer Rekonstruktion des historistischen Komplexes zu hören sein sollte.

    @"Königsblau"
    Hinsichtlich der Vielschichtigkeit von Stuttgart will ich Dir nicht widersprechen. Es ist aber nun einmal so, dass Städte in der Wahrnehmung von Auswärtigen hinsichtlich ihres Zentrums bewertet werden. Wer nach Paris will, fährt nicht in irgendeinen Vorort. Die Wahrnehmung Berlins erfolgt schließlich auch nicht durch den Hinweis auf Köpenick, Frankfurt hat sein Image nicht wegen Bergen-Enkheim, und Urteile zu München fallen nicht, weil es vielleicht in Trudering-Riem einige nette Wohnstraßen gibt. Einheimische, die dort wohnen, sehen das natürlich komplexer, bisweilen aber auch verklärter, denn jede belanglose Hausecke ist dann wiederum mit persönlicher Erinnerung gefüttert.

  • Heimdall, da will ich dir gar nicht widersprechen. Mir persönlich ist aber ehrlich gesagt eine Stadt wie Stuttgart lieber als Dresden. Stuttgart ist im Zentrum zwar dicht bebaut aber über weite Strecken - ohne was zu beschönigen - schlicht hässlich, dafür aber ist es in seinen Stadtteilzentren umso vitaler und lebt von seiner historisch gewachsenen Struktur. Da funktioniert Stadt noch richtig, das ist Urbanität.

    Dresden dagegen hat eine schöne Altstadtstube, aber dahinter nur bauliche Ödnis und anti-urbane Leere, von der man erst wieder in den weiter außerhalb liegenden Wohnvierteln erlöst wird, die aber auch nicht mehr die bauliche Dichte haben an die man beim Begriff Großstadt denkt, sondern Vorortcharakter.

    Ich für meinen Fall will da nicht tauschen. Dresden gerne für den Kurzbesuch, Stuttgart zum leben.

    In dubio pro reko

  • @ Königsbau: Ich habe nicht alle der Orte besucht, kenne aber auch etliche schönen Ecken Stuttgarts. Ich kann mich da allerdings nur Heimdall anschließen, eine Stadt wird durch ihr Zentrum wahrgenommen. Auch Hannover und Dortmund haben historische Wohnviertel, Schlösser und landschaftlich schöne Ecken - und stehen sicherlich Stuttgart nicht viel nach. Oder Wuppertal, das deutsche San Franscisco, das zusammenhängende Gründertzeitviertel hat wie kaum eine andere deutsche Großstadt. Alle Städte haben aber ein häßliches Zentrum und werden dementsprechend in der Wahrnehmung unterschätzt. Wer geht schon außer uns Architekturfreunden als Tourist durch außenliegende Wohnviertel?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Gebe ich dir Recht, Booni. Der Aufreger für mich war ein Kommentar weiter oben, wonach Stuttgart möglicherweise der "hässlichste Ort Deutschlands" wäre, was nur jemand sagen kann der die Stadt in ihrer Gesamtheit überhaupt nicht kennt. Ebenso könnte ich Berlin als die hässlichste Stadt Deutschlands bezeichnen, wenn ich nur am Alexanderplatz gewesen wäre. Stadt ist für mich nicht nur das touristische Zentrum, sondern das gesamte urbane Gefüge seiner Stadtteile, und da hat Stuttgart doch nach wie vor einiges zu bieten.

    Schließen möchte ich mit einem Zitat von Hermann Lenz, das vielleicht Kritiker und Verteidiger der Stadt unterschreiben können:

    "Seit Bomben und Wohlstand bei uns gewütet haben, ist Stuttgart keine alte Stadt mehr, doch erweist sich ihre Lage immer noch als schön oder beachtenswürdig."

    In dubio pro reko

    2 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (3. April 2015 um 20:05)

  • Stadt ist für mich nicht nur das touristische Zentrum


    Ein Zentrum ist nicht nur für Touristen da, sondern in erster Linie für die Einheimischen. Wenn das Zentrum aber schön ist, dann ist es auch ein begehrtes Reiseziel für Touristen. Es gibt also kein "touristisches Zentrum". Allerdings gibt auch kein Tourist einen Haufen Geld für eine Städtereise aus, wenn die Stadt nur einige schöne Wohnstraßen in den Außenbezirken zu bieten hat. Gerade die Zentren mit ihrer Mischung aus Wahrzeichen, Monumenten und bürgerlicher Urbanität ziehen - wo vorhanden - die Touristen an. Es hat schon seinen Grund, warum Paris die meistbesuchte Stadt der Welt ist und nicht etwa Stuttgart, Hannover, Birmingham oder Manchester.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Vor ein paar Jahren habe ich die Möglichkeit gehabt, nach Stuttgart zu kommen, Zeit genug war da. Anlass war ein Aufenthalt in Feuerbach. Von Ludwigsburg kommend bin ich durch Zuffenhausen nach Feuerbach gekommen, in der Früh, als die S-Bahnen voll waren. Was ich dort, vor allem am Bahnhof und am Wiener Platz mitgekriegt habe, war so abstoßend, um nicht zu sagen abartig, dass ich die Lust auf die Innenstadt verloren habe. Dabei war ich schon ca. 20 Jahre nicht mehr in Stuttgart. Die verbleibende Zeit habe ich dann u.a. in Vaihingen an der Enz verbracht. Die extreme Verdichtung im Raum Stuttgart hat meinem Interesse für die Stadt den Rest gegeben. Vielleicht besser so, denn ich kenne die Stadt aus den 80er-Jahren, als vieles noch viel besser war, in Stuttgart und anderswo. Daher habe ich Stuttgart nach wie vor angenehm in Erinnerung, während mir die Stadt mittlerweile total fremd geworden ist...

  • Solche Menschen gibt's aber doch! Sogar einige Touristen, die nach Osteuropa oder Russland fahren, nur um dort Plattenbauvierteln zu besuchen (ich bin's nicht..). :lachentuerkis:

    2 Mal editiert, zuletzt von Niederländer (3. April 2015 um 21:54)

  • Gebe ich dir Recht, Booni. Der Aufreger für mich war ein Kommentar weiter oben, wonach Stuttgart möglicherweise der "hässlichste Ort Deutschlands" wäre, was nur jemand sagen kann der die Stadt in ihrer Gesamtheit überhaupt nicht kennt. Ebenso könnte ich Berlin als die hässlichste Stadt Deutschlands bezeichnen, wenn ich nur am Alexanderplatz gewesen wäre. Stadt ist für mich nicht nur das touristische Zentrum, sondern das gesamte urbane Gefüge seiner Stadtteile, und da hat Stuttgart doch nach wie vor einiges zu bieten.

    Schließen möchte ich mit einem Zitat von Hermann Lenz, das vielleicht Kritiker und Verteidiger der Stadt unterschreiben können:

    "Seit Bomben und Wohlstand bei uns gewütet haben, ist Stuttgart keine alte Stadt mehr, doch erweist sich ihre Lage immer noch als schön oder beachtenswürdig."


    Ich kenne Stuttgart gut genug. Ich bin hier aufgewachsen, wenn auch in Potsdam geboren. Ich habe jeden Stadtteil intensiv begutachtet, kenne alle schönen und hässlichen Ecken. Wenn ich aber Stuttgart mit z.B. eben Potsdam vergleiche, hat die württembergische Residenzstadt nicht den Hauch einer Chance. Stuttgart ist einfach nicht schön, da kann auch der Schlossplatz nichts mehr retten - den ich übrigens nicht mal für den schönsten innerstädtischen Platz Deutschlands halte, da gibt es einige noch beeindruckendere Plätze.


  • Mit 3,2 Millionen Übernachtungen belegte Stuttgart unter Deutschlands Städten 2013 immerhin den 8. Platz und lag somit noch vor Nürnberg und [lexicon='Leipzig'][/lexicon]. Da werden aber auch viele Geschäftsreisende dabeigewesen sein. Ich bin im Stuttgarter Umland aufgewachsen und ich kenne die Stadt seit meiner Kindheit. Mir hat Stuttgart nie gefallen. Die Innenstadt ist häßlich (wer wollte das bestreiten?) und von Verkehrsschneisen durchzogen; es gibt fast keine vorindustrielle Bausubstanz mehr; und die Gründerzeitviertel sind nur guter Durchschnitt und nicht wirklich bedeutend. Mancher mag die Lage im Talkessel reizvoll finden, auf mich wirkt sie beengend.

  • Fazit: Wer nur das Zentrum kennt, hat Stuttgart verpennt.

    Das ist ja gerade der Wahn, der die Stuttgarter Stadtbaupolitik seit Jahrzehnten beherrscht: die Vorstellung, was immer sich innerhalb der Gemarkungsgrenzen einer Stadt befindet, würde als Bestandteil ihres Erscheinungsbilds geschätzt und würde als imageprägend in die Welt hinausstrahlen. So hatten die Stuttgarter Stadtentwickler keine Skrupel, Institutionen, die anderswo das urbanistische Kapital einer City prägen, ins Umland auszulagern: zwei Musicaltheater nebst zugehörigem Hotel auf die grüne Wiese bei Möhringen, andere Theater ins Gewerbegebiet Pragsattel, das Landratsamt ins Gewerbegebiet Vaihingen, das Daimler-Benz-Museum nach Untertürkheim usw. So viel urbanistischer Unverstand erscheint mir einmalig. Und es ist nicht abzusehen, dass man von diesem abstrakten Begriff der Stadt endlich abrückt und sich etwa um die dringend notwendige Reurbanisierung der Bereiche entlang dem Innenstadt-Ring kümmert, wo so viele untergenutzte und mickrig bebaute Zonen auf das warten, was man "Stadtreparatur" nennt. Vor vielleicht 20 Jahren war das in Stuttgart noch ein Thema, heute nicht mehr. Dabei könnte das Einkaufszentrum "Gerber" nach Entwürfen des Berliner Architekten Bernd Albers durchaus als Pilotprojekt für die Wiedergewinnung einer attraktiven Innenstadt gesehen werden. -

  • reklov2708

    Wenn ich photographisch den richtigen Winkel finde und möglichst viel vom Umfeld ausspare, dann kann ich jede Stadt auf den ersten Blick schön erscheinen lassen. Solche Aufnahmen versprechen dem Betrachter mehr als vorhanden ist. Es gibt auch andere Städte in Deutschland, die zumindest noch der Kamera ein oder zwei schöne Perspektiven bieten, von denen aber bekannt ist, daß sie auch nur noch Fragmente einer Altstadt besitzen.

    Wer folgende Aufnahmen betrachtet, glaubt auf den ersten Blick auch, daß alles in Ordnung wäre:

    Magdeburg:

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…a_Magdeburg.jpg

    [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon]:

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…rg-20070607.jpg

    Halberstadt:

    http://www.ferienhaus-halberstadt.de/wp-content/upl…-dachreiter.jpg

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Das Glas ist halb leer oder halb voll. Für dich Ersteres, für mich Letzteres. Ich kann auch jede Stadt auf den ersten Blick hässlich erscheinen lassen, wenn ich nicht genauer hinsehe und das Schöne zu würdigen weiß, selbst wenn es in der Minderzahl ist. Ich klage nicht nur über das Verlorene, sondern erfreue mich an dem, was noch vorhanden ist. Und wir sollten nicht den Fehler machen, historische Bausubstanz als alleinigen Hauptfaktor für den Tourismus zu sehen. Da spielen ganz andere Dinge eine Rolle, wie Theater, Museen, Events und Festivitäten. Hier spielt Stuttgart ganz vorne mit in Deutschland, was die jährlich wachsenden Touristenzahlen wohl belegen.

    In dubio pro reko

    2 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (4. April 2015 um 09:31)

  • Das Glas ist halb leer oder halb voll. Für dich Ersteres, für mich Letzteres.


    Ich bin auch immer gerne Optimist. Doch von einem halbvollen Glas, daß man noch ganz füllen könnte, kann man nur sprechen, wenn die Planungen in der jeweiligen Stadt vorsehen, das Vorhandene noch um ein Vielfaches ergänzen zu wollen. Und da sehe ich außer Dresden und Potsdam leider keine wesentlichen Fortschritte in Deutschland. In Süddeutschland gibt es seit Jahrzehnten überhaupt keine Reko-Vorhaben mehr. Das gilt leider auch für München, dessen Entwicklung ich ebenso kritisch bewerte.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Was helfen uns all diese Bilder für die Beurteilung? Alle diese Bilder, ob sie die vorteilhafte oder unvorteilhafte Seite der Stadt zeigen, erlauben immer nur einen partikularen Blick auf die Stadt. Diese gilt es aber in ihrer Gesamtheit zu beurteilen, und das kann nur, wer sie entsprechend gut kennt - und der braucht keine Bilder. Ich z. B. kenne Stuttgart alles andere als sehr gut und ärgere mich schon ein bisschen darüber, dass ich mich von einem einseitigen negativen Eindruck abhalten lassen habe, die Stadt vor ein paar Jahren zu besuchen. Und weil ich die Stadt nicht gut kenne, halte ich mich bei der Beurteilung raus. Ich habe das Gefühl, dass mir Stuttgart weniger zusagen würde, aber das ist kein objektiver Eindruck, sondern der, der sich aufgrund dessen, was ich hier im Forum und woanders mitkriege, ergibt. Und dass man selbst bei genauer Kenntnis immer subjektiv einschätzt, dürfte uns auch allen bewusst sein.

  • Und in Dresden siehst du da Fortschritte? OK, die Traditionsinsel Neumarkt wird gerade rekonstruiert, aber die sich daran anschließende Innenstadt, die ohnehin schon unendlich trostlos ist, wird mit erschreckend substanzlosen Neubauten noch verschlimmert, so daß das Zentrum von Dresden - abgesehen vom Neumarkt - wahrlich das Potential hat zum städtebaulichen Tiefpunkt Deutschlands zu werden. Nein, Dresden ist kein Musterbeispiel guter Stadtplanung, gewiss nicht.

    In dubio pro reko

  • In Dresden konnte man sich in den letzten 10 Jahren zumindest auf jedes neue Haus in der Innenstadt freuen. Und nach dem Neumarkt kommen jetzt sicher auch noch positive Veränderungen am Neustädter Markt. In München habe ich in den letzten 20 Jahren bei jedem Neubau nur Entäuschungen erlebt, seien es die neuen Flügel beim alten Armeemuseum/Neue Staatskanzlei, der Anbau von Coop Himmelblau an der Kunstakademie, die sterilen Blöcke auf dem Gebiet der Alten Messe, die Hochhäuser am Münchner Tor bzw. an der Donnersberger Brücke, die Glasriegel in Altschwabing oder die gesichtslosen Bauten in der Kaufingerstraße.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • ^^Nur mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass die Dresdner Innenstadt heute vor allem durch das Vorhandensein nahezu sämtlicher wichtiger architektonischer Höhepunkte glänzen kann, so dass die tatsächlich im Anschluss an die Altstadt (noch) in Teilen vorhandene Trostlosigkeit, vor allem in östlicher Richtung, weder die meisten Einheimischen noch die Touristen wirklich interessiert.

    Ich wiederum würde ums Verrecken nicht in Stuttgart leben wollen, das auch ich als weitgehend abstoßend und hässlich wahrgenommen habe. Das will als diesbezüglich geschulter Dresdner schon was heißen. Ja, ich finde die Stadt noch nicht einmal für einen Kurzbesuch empfehlenswert, und man muss schon mit mehr als einem gesunden Maß an Lokalpatriotismus ausgestattet sein, um allen Ernstes zu behaupten, der Schlossplatz sei die schönste Platzanlage Deutschlands.

  • Warum so hasserfüllt, Herr Antonstädter? "Ums Verrecken" sollte man keine Stadt meiden. Kränkt es dich daß ich dein mythosgeschwängertes Dresden kritisiere, das abseits der Insel der retrobarocken Neumarktseligkeit ein städtebaulicher GAU ist? Da ist mir eine Stadt wie Stuttgart lieber, die zwar schwer mitgenommen ist, aber ihre Urbanität nie eingebüßt hat.

    In dubio pro reko

    Einmal editiert, zuletzt von reklov2708 (4. April 2015 um 15:17)