• Das DDR-System ist u. a. daran gescheitert, weil die Leute die Verwahrlosung ihrer Städte satt hatten.

    Das BRD-System ist dabei zu scheitern, weil das Effizienzdiktat immer noch die Leute vergiftet.

    Die ganze Gesellschaft ist so krank, dass der Klimawandel eigentlich die Erlösung sein könnte.

    Oder glauben diese Rendite-Heinis wirklich, dass die paar Straßenbäume durch den nächsten trockenen Sommer kommen?

    Wer kauft dann noch die Neubauwohnungen in einer von abgestorbenen Bäumen geprägten Straße?

    Und da Neubau viel Energie erfordert, wird es früher oder später ein Abrissverbot geben.

  • Und da Neubau viel Energie erfordert, wird es früher oder später ein Abrissverbot geben.

    Das wäre dann aber fast so etwas wie das Ende der Bauindustrie. Zumindest Abrissunternehmen, Architekten, Maurer usw. kämen in Bedrängnis. :zwinkern:

  • Das wäre dann aber fast so etwas wie das Ende der Bauindustrie. Zumindest Abrissunternehmen, Architekten, Maurer usw. kämen in Bedrängnis. :zwinkern:

    Ich würde es gegenteilig sehen: Es macht in der Tat mehr Arbeit mit dem Bestehenden zu arbeiten. Das braucht also sogar mehr Fachkräfte, als das heutige recht simple abreißen und in Beton ein neues Haus gießen. Allein was ein normaler Dachstuhl mehr Aufwand ist, als ein Kiesflachdach. Wäre nur die Frage der Finanzierbarkeit.

  • ABER und das wird nun weh tun, genau das ist für Berlin (derzeit) nicht der Fall und ich möchte niemanden die Illussion rauben, aber mit der absolut verblödeten Mietpreisdeckelung bei Altbauten, den R-R-G hier für Berlin umsetzte, werden nun in Bälde viele weitere Altbauten abgerissen werden! Eine Sanierung eines sanierunsgbedürftigen Altbaus rechnet sich betriebswirtschaftlich gesehen mit den willkürlichen Mietpreisdeckelungen einfach nicht mehr. Wenn man Glück hat, dann parifiziert der Eigentümer die Wohnungen noch und veräußert diese an den Bestbietenden. Im schlechtesten Fall wird abgerissen und ein Neubau mit mehr Nutzfläche, hohen Verkaufspreisen oder (noch) refinanzierungsfähigen Mieten gebaut. Die leistbaren Wohnungen in den Altbauten werden dem Markt somit komplett entzogen...aber Fakten interessieren und interessierten Ideologen bekanntlich noch nie.

    Ja, Ihr merkt es selbst: Vollkommen irre, was der Berliner Senat hier bar jeder Vernuft, ökologischer Nachhaltigkeit (Hallo Grüne!) und wirtschaftlichem Denkvermögen umsetzte.

    In der Tat dürfte der Mietpreisdeckel das Problem mit sich bringen, dass nicht auskömmliche Mieteinnahmen dazu führen, dass insbesondere durchgreifende Sanierungen solcher Altbauten nicht in Angriff genommen werden - weil auch auf längere Sicht kaum Hoffnung besteht, dass diese sich durch höhere Mieteinnahmen jemals amortisieren. Hinzu kommt, dass in den sozialen Erhaltungsgebieten die von Dir erwähnte Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen genehmigungspflichtig ist und untersagt werden kann.

    Heute erhielt ich die Mitteilung, dass der oben erwähnte Neubauantrag für die Grundstücke Schwedter Straße 247/248 und Kastanienallee 67/68 vom Bezirk schon im letzten Jahr abgelehnt worden sei. Die Ablehnung sei rechtskräftig, Widerspruch wurde nicht eingelegt. Somit ist zwar ein Abriss vorerst nicht zu befürchten. Wie es mit diesen Häusern weitergeht, ist allerdings anscheinend noch offen. Am wahrscheinlichsten ist wohl weiterer Leerstand und Verfall, sofern es nicht zu (wie auch immer gearteten) Zwangsmaßnahmen gegen den Eigentümer kommt.

    Dass das Abbruchrisiko solcher Altbauten durch eine linke Stadt- oder Bezirksregierung ansteigt, halte ich nicht generell für zutreffend. Eher ist - zumindest in Berlin - das Gegenteil der Fall. Ich halte es zumindest für nicht ganz unwahrscheinlich, dass ein CDU-FDP-geführtes Bezirksamt den Neubauantrag genehmigt hätte - einfach auf Grund der Tatsache, dass eine investorenfreundlichere Haltung dazu führt, dass man solchen Vorhaben weniger Steine in den Weg legen möchte - notfalls auch auf Kosten erhaltungswürdiger, aber sanierungsbedürftiger Wohngebäude. (In der BVV Mitte verfügen Grüne, SPD und Linke zusammen über 38 Sitze, FDP und CDU zusammen über 10). Aus bürgerlich regierten Bezirken wie Reinickendorf oder Steglitz-Zehlendorf wird durchaus immer wieder von traurigen Abrissen berichtet (zum Beispiel hier und hier), als Folge lukrativer Neubauwünsche von Investoren und mit Billigung der Bezirksämter.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Also Moment - verunstaltete Häuser mit intakter Bausubstanz ist eine ganz andere Schiene als ein baufälliges Gebäude.

    Ein baufälliges Gebäude erhalten zu wollen, ist in etwa genau so sinnvoll, wie einem Verstorbenen einen Bypass zu legen.

    Wenn ein Haus sich in einem nicht mehr erhaltensmöglichen Zustand befindet, sollte man alles daran setzen, eine Rekonstruktion dessen zu bezwecken.

    Keiner hat etwas von Wohnraum welcher sich nicht bewohnen läßt, nur damit es noch da steht.

    Irgendwann fallen entsprechend baufällige Gebäude von selbst zusammen und werden somit zur Gefahr.

  • In erster Linie müßte mal die Bausubstanz überprüft werden, in wie weit die Gebäude noch sanierungsfähig sind, es macht wenig Sinn, ein baufälliges Gebäude zu renovieren.

    Sicherlich wird man diesen Einwand nicht selten zu hören bekommen. Allein: es ist doch für jeden Laien offensichtlich, dass die Formulierung "nicht sanierungsfähig" eine äußerst dehnbare Kategorie ist. Eigentlich ein scheinbar objektiver Ersatz für die wohl treffendere Formulierung "auf Grund eigener Kalkulation unrentabel".

    Letztlich ist es, um nicht nur die Hauseigentümer verantwortlich zu machen, doch die Frage, ob die Gesellschaft zu dem Schluss gekommen ist, dass die betreffende Kategorie von Gebäuden erhalten werden soll - beispielsweise auf Grund ihres Baualters oder ihrer sonstigen Denkmalhaftigkeit oder Bedeutung für das Stadtbild - den urbanen Ensemblewert, der über den Wert des einzelnen Gemäuers hinausgeht. So ist doch heute allgemeiner Konsens, dass es nicht richtig gewesen wäre, beispielsweise das Dresdner Schloss der Nachkriegsjahre als "nicht sanierungsfähig" abzutragen, obwohl nur noch einige ausgebrannte Außenwände übriggeblieben waren.

    Wenn die Gesellschaft also bereit ist, den über den Einzelbau hinausgehenden Ensemblewert eines Hauses anzuerkennen (wie er im Falle der Gründerzeitbauten Schwedter Straße und Kastanienallee sicherlich gegeben ist), sollte sie dem Hauseigentümer auch die finanziellen Möglichkeiten verschaffen, die Sanierung des Hauses für ihn nicht minder lohnend zu machen als Abriss und Neubau - beispielsweise durch Abschreibungsmöglichkeiten in Kombination mit Zuschüssen. Nur so wird sich eine längerfristig tragfähige Lösung für die vielen bedrohten Altbauten finden lassen und wir können den Wert unserer gründerzeitlichen Stadtbilder bewahren.

    Der Verein sollte sich dafür einsetzen, dass die Politik dies hört und anerkennt und die dazugehörigen Rahmenbedingungen schafft.

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  • "nicht sanierungsfähig" eine äußerst dehnbare Kategorie ist.

    Das ist wohl wahr - von daher sollten unabhängige Baugutachten über den Zustand des Gebäudes offengelegt werden (so zum Beispiel in München geschehen bei den Projekten Müllerstraße 1-6 ) .

    Und wenn ich jetzt mal einen kleinen Abstecher nach München mache - ich erinnere an die Pumucklwerkstatt welche 1985 abgerissen wurde - sanierungsfähig wäre sie wohl schon durchaus noch gewesen, sie hätte allerdings in erster Linie von Schimmel, Schwamm und Gestank befreit werden müssen - die Versicherungskammer Bayern hatte an solchen Investitionen natürlich kein Interesse und ließ sie abreißen.

    Ein anderes Beispiel aus Berlin, Elsenstraße 3 - das Kutschergebäude galt als erhaltenswert und ich denke die vietnamesische Botschaft hätte es lieber saniert - es ging nicht mehr, da bereits die tragenden Wände so wie die Fassade bereits stark einsturzgefährdet waren....somit wurde es abgerissen und ein etwas ähnliches Gebäude dahergesetzt.

    Den Vergleich mit dem Dresdner Schloß, kann ich so nicht stehen lassen, da hier die verbliebenen Außenmauern noch in einem baulicht recht guten Zustand waren, anderweitig wäre eine Restauration des Schlosses so gar nicht möglich gewesen.

    Was die Häuser Schwedter Str und Kastanienalle anbelangt, so gehe ich mal da von aus daß sich der Ortsverband Berlin bereits im Vorfeld über den baulichen Zustand informierte. :wink:

  • Nein, wir hatten auch keine anderen Informationen zur Verfügung als den äusseren Anschein - eben halt leerstehende, ergraute Altbauten im Blockrand ohne offensichtliche, größere Bauschäden, wie man sie in den 1990ern in ganzen Straßenzügen in Ost-Berlin vorfand, und die fast alle im Laufe der Jahre erfolgreich saniert wurden.

    Man kann es vielleicht auch auf die etwas einfachere Formel bringen: selbstverständlich kann jedes historische Bauwerk fachgerecht saniert werden - es ist allein eine Frage des Aufwands.

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  • Man kann es vielleicht auch auf die etwas einfachere Formel bringen: selbstverständlich kann jedes historische Bauwerk fachgerecht saniert werden - es ist allein eine Frage des Aufwands.

    Das ist je nach Relation richtig - unter Umständen gehört da zu aber auch eine völlige Wiederherstellung der Fassade, der tragenden Wände usw. - wenn letztendlich alles erneuert werden muß, sind wir bereits bei einer vollständigen Rekonstruktion.

    Wenn ein Gebäude baupolizeilich gesperrt wurde, ist das schon ein relativ sicheres Zeichen daß entsprechendes Gebäude bereits verzeitet ist.

  • Da hast Du natürlich vollkommen Recht Onkel Henry, aber kein Hauseigentümer eines nicht denkmalgeschützen Altbaus in Berlin wird aktuell so blöd sein, eine Fassade zu rekonstuieren oder auch nur noch das Treppenhaus neu auszumalen, wenn er dafür von der Stadtregierung mit Mietenhöhen die zum Teil niedriger als in Bukarest sind betraft wird. Man greift sich wirklich auf den Kopf, dass die Menschen in Berlin aus der Geschichte nichts gelernt haben. Selbst große private Immobilieneigentümer wie zB die Mähren AG, die unzählige Berliner Altbauten retteten und im Bestand halten, wenden sich nun halt anderen Städten zu und das ist gut so (für die dort zur rettenden Häuser). Jeder soll das bekommen, was er verdient (bzw gewählt hat). Wirklich leid tun mir in Berlin nur die Handwerksbetriebe sowie alle immobiliennahen Gewerbetreibenden und...natürlich die verzweifelten Wohnungssuchenden!

  • Exilwiener - das verstehe ich jetzt nicht ganz - vergleiche mal spaßenshalber die Mieten in München zwischen Altbau und Neubau:

    51 1-5-Zimmer Altbauwohnungen zu mieten in München - immosuchmaschine.de

    61 1-5-Zimmer Neubauwohnungen zu mieten in München - immosuchmaschine.de

    Da saniere ich doch als Hausbesitzer lieber einen Altbau als mir unnötige Kosten für Abriß und Neubau aufzuerlegen um dann weniger Miete zu kriegen? %-)

  • Die verfassungstreuen Münchner mit Hausverstand haben auch nicht die marktwirtschaftlichen Grundregeln abgeschafft wie in Berlin! In Berlin ist das Angebot an Mietwohnungen um 60% durch R-R-G reduziert worden...und das Angebot an Eigentumswohnungen stieg im gleichen Zeitraum um über 20%! Einziger positiver und von den Sozialisten höchstwahrscheinlich nicht beabsichtigtigter Nebeneffekt ist, dass dadurch in Berlin die Eigentumsquote erhöht wird und das ist gut so :biggrin:!

  • Wenn solche Gründerzeitgebäude schon vorher derart zugerichtet (entstuckt, heruntergewirtschaftet, graffitibesudelt) wurden muss es nicht wundern, wenn darin nichts Erhaltenswertes mehr erkannt wird

    Diese Äußerung von typo - (nebenbei: Warum hast du eigentlich deinen Namen entstuckt?) - bezieht sich auf die folgenden Abbildungen:

    Schwedter Straße 247 und 248:
    Schwedter Str Ecke Kastanienallee in Berlin-Mitte, 12-2020

    Kastanienallee 67 und 68:
    Schwedter Str Ecke Kastanienallee in Berlin-Mitte, 12-2020

    Für mich sind das immer noch schöne Häuser. Auch ohne Stuck sind sie besser als das meiste, was heute gebaut wird.

    Gründerzeitbauten sollten alleine schon wegen ihrer Historizität, ihrer Zeugnishaftigkeit und ihrer städtebaulichen Qualitäten überhaupt nicht mehr abgerissen werden.

    Das sehe ich auch so. Zum Glück hat man in Leipzig nach 1990 fast alle Gründerzeitbauten erhalten. Dabei sah es zum Ende der DDR so aus, als sei die halbe Stadt nicht mehr zu retten. Welche Pracht dann zum Vorschein kam, hätte ich mir nicht vorstellen können.

    Auch keine entstuckten Gründerzeitler - es wäre ja geradezu schäbig, mehr als 100 Jahre alte Häuser allein auf Grund der Tatsache, dass sie in früheren Zeiten verunstaltet wurden, zum Abriss freizugeben. Vielmehr sollten diese Häuser saniert und die Fassaden restauriert werden.

    Ja, das wäre schön. Geschlossene Altbauensembles sind ein Wert an sich. Und gegebenenfalls ist ein entstuckter Gründerzeitler besser als keiner. Und ich empfinde es auch so wie Snork: Alte Häuser haben eine besondere Würde.

  • Du hast schon recht, Rastrelli. Ich wollte den Abriss mit meiner Aussage auch nicht rechtfertigen, nur meine Befürchtung zum Ausdruck bringen, dass Häuser in dem Zustand besonders gefährdet sind, weil sie auf den ersten Blick nicht mehr viel Wert offenbaren. Da geht der Daumen dann eben schnell nach unten, besonders bei Entscheidern die bezüglich historischer Bausubstanz nicht so sensibilisiert sind wie unsereins.

    In dubio pro reko

  • Dies nur zur Aufzeichnung, das Haus Invalidenstraße N°86 gegenüber dem BMWi ist letzten Monat abgerissen worden.

    894px-Invalidenstra%C3%9Fe_86_%28Berlin%29.JPG

    Bildquelle: Wikimedia, Urheber Bodo Kubrak, gemeinfrei

    Und ein wenig schiefgegangen ist der Abriss auch:

    https://www.bz-berlin.de/berlin/mitte/b…nvalidenstrasse

    Mehr zum Haus in diesem Beitrag aus dem Jahr 2017:

    https://hvongblog.wordpress.com/2017/12/02/kle…6-berlin-mitte/

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Haus Straße zum Löwen 1 in Berlin Wannsee

    StreetView (verpixelt) mit Umgebung

    In Berlin Wannsee wurde vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf die Abrissgenehmigung für ein 1871 erbautes Sommerhaus der Villenkolonie Alsen, Straße zum Löwen 1, erteilt. Der Tagesspiegel berichtete darüber am 12.5.21 in einem ausführlichen Artikel von Boris Buchholz, der leider derzeit nicht online verfügbar ist.

    Die Denkmalwürdigkeit des im Krieg unzerstört gebliebenen Hauses sei vom Landesdenkmalamt geprüft und wegen erfolgter Umbauten als nicht gegeben angesehen worden. Da es für diesen Bereich, so wie für den Großteil der ausgedehnten historischen Villengebiete im Berliner Südwesten, keinen Denkmalschutz und keine Erhaltungssatzung gibt, hatte der Bezirk keine rechtliche Möglichkeit, den Abrissantrag abzulehnen. Protestiert haben zahlreiche Initiativen und Vereine, so die Pückler-Stiftung, der Heimatverein Zehlendorf, der Verein für Geschichte und Kultur Wannsee, der BUND Südwest. Der Berliner Ortsverband von Stadtbild Deutschland hat sich nun auch mit einem Schreiben an die Bezirksverordneten, die zuständigen Bezirksverwaltungen und die Abgeordneten des Berliner Parlaments gewendet, da wir der Meinung sind, dass es im gesamten Stadtgebiet städtebauliche Erhaltungsverordnungen nach § 172 Abs 1 S.1 Nr.1 Baugesetzbuch oder andere geeignete, in der Kompetenz von Politik und Verwaltung liegende Rahmenbedingungen geben müsste, um auch in Zukunft die weiterhin schleichend stattfindenden Abrisse historischer Gebäude in Berlin wirksamer zu verhindern:

    "An die

    Damen und Herren Abgeordneten im Abgeordnetenhaus von Berlin, Niederkirchnerstraße 5,10117 Berlin

    Die Bezirksverordneten von Steglitz-Zehlendorf

    Alte Häuser sind in Berlin nicht ausreichend vor Abrissen geschützt – es liegt in Ihrer Hand, mit Hilfe von Erhaltungssatzungen daran etwas zu ändern.

    Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Berliner Parlaments, sehr geehrte Bezirksverordnete,

    über Abrisse von Gebäuden des 19. Jahrhunderts wird in Berlin meist nur, wenn überhaupt, in bezirklichen Lokalseiten von Zeitungen berichtet – aktuell im Tagesspiegel vom 12.5.21 über die „Conrad-Villa Nr. 3“, 1871 als eines der ersten Sommerhäuser der Villenkolonie Alsen in Wannsee erbaut. Für dieses Haus wurde vom bezirklichen Bauamt eine Abrissgenehmigung erteilt, Proteste mehrerer Vereine und Initiativen blieben bislang erfolglos. Eine Unterschutzstellung des 150 Jahre alten Hauses wurde durch das Landesdenkmalamt abgelehnt - mit der Begründung, das Gebäude sei wegen durchgeführter Umbauten nicht mehr schutzwürdig.

    Dieser Fall ist beispielhaft auch für andere Abrisse im Berliner Stadtgebiet. Viele baukulturell, in ihrer Ensemblewirkung oder bereits auf Grund ihres Alters wertvolle Gebäude sind in den letzten Jahrzehnten durch Neubauten ersetzt worden - und das Abrissgeschehen setzt sich auf Grund letztlich unveränderter Gesetze und des anhaltenden Verwertungsdrucks auf dem Immobilienmarkt schleichend, aber kontinuierlich fort. Manche Abrisse hat man später bereut, viele fast schon vergessen. So haben sich manche stadtgeschichtlich bedeutenden Quartiere Berlins, die Krieg und Verfall mit Glück überstanden haben, bereits irreversibel verändert und zeigen sich heute in weiten Bereichen inhomogen und überformt, die ursprüngliche Ensemblewirkung ist kaum mehr erlebbar.

    Doch aus den Verlusten wurden keine ausreichenden Lehren und Konsequenzen gezogen. In Berlin gibt es Denkmalschutz weiterhin nur für wenige, kulturell bedeutende Bauwerke. Das Erkennen früherer Fehler sollte normalerweise Anlass dazu geben, diese fortan zu vermeiden, ja eine Wiedergutmachung zu erwägen – nicht jedoch, diese weiterhin zu ignorieren oder gar fortzusetzen. Es wäre ein Zeichen von Respekt für die baukünstlerischen Leistungen der Menschen früherer Zeiten, nachträgliche Umbauten an jahrhundertealten Gebäuden nicht als Begründung zu nehmen, diese ganz zu beseitigen - sondern einen Erhalt dieser Häuser als Selbstverständlichkeit anzusehen, vielleicht gar Unterstützung dafür zu bieten, das Erscheinungsbild des Hauses in Anlehnung an seine ursprüngliche baukünstlerische Intention wiederherzustellen. Es liegt in unseren Möglichkeiten und ist Teil unserer Verantwortung gegenüber früheren, aber auch in Zukunft hier lebenden Menschen, das Abrissgeschehen zu beenden und zu retten, was noch zu retten ist. Zu viel ist schon verloren gegangen.

    Hierfür müssen jedoch auch von Seiten der Gesetzgebung die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Unserer Meinung nach ist es der falsche Weg, wenn der Abriss eines Hauses grundsätzlich zulässig ist, sofern nicht im Einzelfall Denkmalschutz, quartiergebundene Erhaltungssatzungen oder das Zweckentfremdungsverbot dem entgegenstehen – und die Bezirksämter mit den Abrissgenehmigungen quasi allein gelassen werden. Für eine an Nachhaltigkeit orientierte, der Baukultur aller Zeiten Respekt entgegenbringende Stadtgesellschaft wäre der umgekehrte Weg besser: Abrissen stadtweit einen wirksamen Genehmigungsvorbehalt entgegenzustellen, beispielsweise durch die Ausdehnung von Geltungsbereichen des §172 Abs. 1 S.1 Nr. 1 Baugesetzbuch (Satzung zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt) im gesamten Stadtgebiet, oder durch andere gesetzliche Maßnahmen. Dies sollte verbunden werden mit einer geeigneten Bezuschussung von bauhistorisch angemessenen Sanierungen der zu erhaltenden Bausubstanz - auch wenn diese nicht als Baudenkmal anerkannt ist, so wie der Großteil der Berliner Altbauten.

    Wenn Bezirksverwaltungen keine Möglichkeiten haben, Abrisse baukulturell wertvoller Häuser zu verhindern, zeigt sich darin letztlich ein Mangel in der gesetzlichen Regelung, oder auch ein nicht ausreichender Geltungsbereich anwendbarer Erhaltungsverordnungen. Unser Appell lautet daher: bitte setzen Sie Ihre Gestaltungsmöglichkeiten in Gesetzgebung und Verwaltung dafür ein, die Voraussetzungen für einen dauerhaften Erhalt bisher ungeschützter historischer Gebäude und Quartiere in Berlin zu schaffen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Unterschriften"

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir