Die Bamberger Gärtnerstadt
Heute will ich mal die Bamberger Gärtnerstadt etwas genauer beleuchten. Dafür gibt's zwei Gründe: Erstens, weil sie in der Öffentlichkeit und auch im Denkmalschutz viel zu sehr vernachlässigt wird, obwohl sie neben der Bergstadt mit Dom und weiteren Kirchen und der Inselstadt, der eigentlichen "City" mit Fußgängerzone in historischer Umgebung, der dritte wichtige Grund ist, warum Bamberg UNESCO-Weltkulturerbe ist.
Ach ja, und zweitens, weil ich vor zwei Wochen in die Mittelstraße, die bis heute ursprünglichste Straße der Gärtnerstadt gezogen bin.
Zuerst mal etwas zur Geschichte. Die Bamberger Gärtnerstadt befindet sich rund um den Fernhandelsweg von Lübeck nach Regensburg, der im Bamberger Stadtgebiet schon im 13. Jh. besiedelt wurde und an dem viele Brauereien und Gasthäuser lagen und auch heute noch liegen. Im Stadtgebiet hat er verschiedene Namen: Hallstadter Straße, Siechenstraße, Steinweg, Königstraße, Nürnberger Straße... Nördlich und teilweise auch südlich davon siedelten sich Gärtner und Kleinbauern an, die dort ihre Äcker bewirtschafteten.
Noch im 17. Jh. war die Gärtnerstadt sehr ländlich geprägt, doch im 18. Jh. begann vor allem entlang der Königsstraße und der nördlich von ihr verlaufenden Mittelstraße ein Verdichtungsprozess, der nicht nur zur Folge hatte, dass diese Vorstadt ein städtisches Gepräge mit teils geschlossenen Straßenzügen erhielt, sondern auch, dass die Gartenparzellen, die teilweise über 100 Meter lang sind, durch immer stärkere Teilung oft nur noch so breit sind wie das dazugehörige Wohn- und Wirtschaftshaus. Da die Grundstücke nicht mehr seitlich erschlossen werden konnten, erhielten die Häuser im 18. und vor allem im 19. Jh. große Tordurchfahrten, wodurch die typischen Gärtnerhäuser entstanden.
Eine große Veränderung erfuhr die Gärtnerstadt Mitte des 19. Jh. durch den Eisenbahnanschluss. Zum einen wurden durch den Eisenbahnbau die Gärtner von ihren Ländern nordöstlich der Bahnlinie abgeschnitten, zum anderen wurde Ende des 19. Jh. die Luitpoldstraße vom Bahnhof aus quer durch das Gärtnerviertel in Richtung Innenstadt gezogen und mit großstädtischen Gründerzeitbauten bebaut. Auch viele der Gärtnerhäuser wurden durch Gründerzeitbauten ersetzt und vorher unbebaute Nebenstraßen mit geschlossenen Reihen aus Mietshäusern bebaut.
Zwar wurden die Pläne der 70er Jahre, eine Schnellstraße durch den nordwestlichen Teil der Gärtnerstadt zu ziehen, wieder verworfen, doch heute ist es vor allem durch die immer stärkere Bebauung der ehemaligen Gärten gefährdet (immerhin hat sich Bamberg im Gärtnerviertel bis heute mitten in der Stadt ziemlich große Freiflächen bewahrt, die natürlich Grundstücksspekulanten anziehen), die zu einer schleichenden Umgestaltung führen. Auch durch Leerstand und Verfall sind viele der alten Häuser gefährdet - was ich auch auf den Bildern zeigen werde.
Also, fangen wir mal bei dem bedeutendsten Bauwerk der Gärtnerstadt an, der Pfarrkirche St. Gangolf. Sie wurde 1058 als Chorherrenstift gegründet. Das besondere an ihr ist, dass der Ursprungsbau aus dieser Zeit bis heute erhalten ist, wenn auch vielfach verändert. Damit ist sie die älteste erhaltene Kirche (oder sogar der älteste erhaltene Bau überhaupt?) in ganz Bamberg,
Vor allem das Langhaus der dreischiffigen Basilika zeigt noch sehr deutlich seine schlichten romanischen Formen.
Der Chor ist fast genauso lang wie das Langhaus.
Um 1850 erhielt die Kirche eine neugotische Ausstattung, die jedoch 1938 beseitigt und durch Kunstwerke aus anderen Kirchen ersetzt wurde. So stammt die spätbarocke Kanzel (1786) aus der Katharinenspitalkirche.
Die Obere Königstraße, die eine der Hauptvergnügungsmeilen Bambergs ist (mit Brauereigaststätten, Gasthäusern und anderen Etablissements), wirkt an ihrem östlichen Ende hinter der Gangolfskirche richtig kleinstädtisch - vor allem, wenn sich mal gerade kein Verkehr durch die enge Straße wälzt.
Die Obere Königstraße geht nahtlos in die Nürnberger Straße über. Kurios ist, dass sie sich für ein kurzes Stück in drei Straßen aufgabelt. Das Haus Nürnberger Straße 2 mit dem Mansardendach links im Bild steht zusammen mit seinem Nachbarhaus wie auf einer Insel zwischen den Straßen, und auch die Häuserzeile rechts hat auf beiden Seiten eine Straße.
Leider ist das erstgenannte Haus ziemlich heruntergekommen (und zwar schon seit Jahren, wie ich neulich in einem neun Jahre alten Buch gesehen habe). Das barocke Haus scheint aber teilweise noch bewohnt zu sein. Fragt sich nur, wie lange es noch bewohnbar ist ...
Die Nürnberger Straße zeigt teilweise noch mehr oder weniger geschlossene Reihen von Gärtnerhäusern (links die Häuser mit den Toreinfahrten - rechts Gründerzeitmietshäuser).
Dass die Neubebauung sich stilvoll einfügt, zeigt sich, wenn man etwas herauszoomt. Hier war der Architekt offenbar der billige Jacob.
Ein wenig weiter die Straße hinab gibt es einige Gärtnerhäuser, in denen sich die Einfahrt neben dem Haus befindet - und auch ein Beispiel, wie man diese Einfahrt nicht zubauen sollte.
Auch dieses Fachwerkhaus ist ein ehemaliges Gärtnerhaus. Nicht im Bild ist die dazugehörige Scheune, dafür sieht man rechts im Hintergrund wieder sehr schön angepasste Neubauten.
Die kann man direkt vor Ort in der Egelseestraße noch besser bewundern.
Dort gibt es auch einige sehr schöne Gründerzeitbauten.
Die Pfarrkirche Maria Hilf in der Wunderburg ist eine sehr schöne neugotische Kirche, die eine barocke Kapelle ersetzt. Zeigt sich der Außenbau eher schlicht ...
... kann man im Inneren eine stilreine "gotische" Kirche bewundern.
Übrigens noch mitsamt ihrer dazugehörigen Ausstattung, was ja leider nicht selbstverständlich ist bei historistischen Kirchenbauten.
Typisch für die Gärtnerstadt sind die zum Glück bis heute noch vielfach vorhandenen Gärten.
Dass wir uns hier wirklich mitten in Bamberg befinden und nicht auf dem Dorf, zeigt ein Blick auf die andere Straßenseite.
Manche der älteren Häuser sind geradezu winzig.
Begeben wir uns zurück in Richtung der Gangolfskirche. Der Platz vor der Kirche heißt Theuerstadt und wirkt richtig idyllisch. Er vereint friedlich barocke Bauten mit historistischen.
In der Josefstraße nebenan habe ich dieses schöne historistische Haus entdeckt. Erinnert mich doch sehr an Nürnberg, die Architektur, gerade durch das gotische Chörlein (man beachte im Gegensatz dazu den Zwerchgiebel mit Renaissanceornamentik).
Heute wird die Gärtnerstadt wie bereits erwähnt durch die Luitpoldstraße, die direkt zum Bahnhof führt, getrennt. Sie zeigt auch, dass kleinstädtisches Idyll und fast großstädtisches Ambiente direkt nebeneinander stehen können.
Übrigens interessant, dass man vor 100 Jahren offenbar noch wusste, wie man Ladeneinbauten passend in die Fassade integriert.
Ganz im Gegensatz zu heute:
Rechts neben dem Schlecker biegt man in die Heiliggrabstraße ein, die vor allem von schlichterer Gründerzeitbebauung geprägt ist. Benannt ist sie nach dem an ihr liegenden Heilig-Grab-Kloster, das nach der Säkularisation profaniert wurde, seit 1926 jedoch wieder Dominikanerinnen-Kloster ist. Die Kirche selbst ist jedoch so ziemlich der einzige ältere Bau im Klostergelände. Leider ist sie aufgrund der beengten Straßenverhältnisse schlecht zu fotografieren und kann auch nur während der Gottesdienste betreten werden.
Im westlichen Teil hat sich die Heiliggrabstraße eine größere Reihe von Gärtnerhäusern bewahrt.
Die Ottokirche in der Siechenstraße hat als Vorbild ganz klar die Münchener Frauenkirche. Dass der zweite Turm nicht vollendet wurde liegt daran, dass sie 1914 geweiht wurde und durch den Kriegsausbruch schlicht und einfach kein Geld mehr übrig war.
Besonders beeindruckend ist das mächtige Holztonnengewölbe im Inneren.
Die bis heute ursprünglichste Straße des Gärtnerviertels ist die Mittelstraße, in der auch ich neuerdings wohne (in dem leider verklinkerten Häuschen links, Gerüchten zufolge stammt das Haus von 1888). Auch hier gibt es jedoch größere neuere Bebauung. Im Hintergrund die Luitpoldstraße.
Leider sind viele der älteren Häuser durch jahrelangen Leerstand gefährdet, einige sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten deshalb auch ganz verschwunden. Besonders gefährdet ist auch das spätmittelalterliche Haus Mittelstraße 72, obwohl es gerade aufgrund seines hohen Alters unbedingt erhalten und dringend saniert werden sollte.
In der Mittelstraße 34 befindet sich das Gärtner- und Häckermuseum, das mit historischer Einrichtung und großem Obst- und Gemüsegarten die Lebensweise der Bamberger Gärtner veranschaulichen will.
Obwohl sie nicht mehr direkt zur Gärtnerstadt gehört, möchte ich doch noch ein paar Bilder aus der Hallstadter Straße zeigen, an der sich ehemals das Siechenhaus der Stadt befand. Das Gebäude steht übrigens noch heute, leider in den 70ern wenig sensibel saniert, wie ein Blick auf die Rückseite zeigt (heute befindet sich darin eine Sparkasse).
Links daneben die barocke Siechenkapelle.
Und nur wenig weiter die ebenfalls barocke Sebastianikapelle (allerdings mit neogotischer Fassade). Beide Kapellen hatten bereits mittelalterliche Vorgängerbauten.
Ganz zum Schluss noch ein paar der schönsten Grabsteine auf dem direkt hinter den beiden Kapellen liegenden Hauptfriedhof.
Ich hoffe, ich konnte mit dieser Bilderserie einen kleinen Eindruck der Bamberger Gärtnerstadt geben, die jenseits aller ausgetretenen Touristenpfade liegt, obwohl auch sie genügend Sehenswürdigkeiten vom Mittelalter bis zur Gegenwart bietet.