Rheinfelden (Baden) - Altes Kraftwerk

  • Ich bin eben zufällig auf das Kraftwerk Rheinfelden am Oberrhein gestoßen. Dieses Kraftwerk ist das älteste Laufwasserkraftwerk der Welt und zum Großteil noch im Originalzustand. Aus diesem Grund wird es jetzt auch ersetzt durch einen modernen Neubau auf der gegenüberliegenden Rheinseite - was natürlich Sinn macht.

    Was mich jedoch schockiert: Das jetzige Kraftwerk wird komplett abgerissen - nicht nur das Stauwehr, was ja noch begründbar wäre... nein, die komplette Anlage wird fallen und renaturiert werden.

    Darunter auch das Maschinenhaus von 1898 (mit z.T. originalen Maschinen) LINK

    Ich mein, dass man es in Baden-Württenberg nicht so genau nimmt mit dem Denkmalschutz ist ja bekannt - und dass Industriegebäude viel zu selten unter Schutz gestellt werden auch (im Ruhrgebiet gibt es kein einziges museal erhaltenes Stahlwerk, das Blasstahlwerk in Hattingen wurde vor nicht allzulanger Zeit aus finanziellen Gründen gesprengt) - aber so ein Gebäude muss man doch erhalten...

    Infos gibt es übrigens noch hier:
    http://de.wikipedia.org/wiki/NaturEnergie_AG
    http://www.naturenergie.de/cms/pdf/pdf-wa…lder_160806.pdf

    Hat jemand eine Idee, was man unternehmen könnte, um diesen Meilenstein der Energieversorgnung noch zu retten? Nebenbei ist das Gebäude m.E. eine Landmarke...

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Zitat von "Booni"

    ...

    Was mich jedoch schockiert: Das jetzige Kraftwerk wird komplett abgerissen - nicht nur das Stauwehr, was ja noch begründbar wäre... nein, die komplette Anlage wird fallen und renaturiert werden....

    Ich finde es gut, daß es abgerissen wird. Ein renaturierter Rhein gefällt mir besser als dieses Werk.

  • Für eines dieser deutsch-schweizer Wasserkraftwerke am Oberrhein musste übrigens 1906 das neben dem Rheinfall von Schaffhausen bedeutendste Naturdenkmal an dem Flußabschnitt weichen, die "Laufenburger Stromschnellen":

    Zitat

    Laufen bedeutete für Jahrhunderte ein Hindernis für die Schiffahrt. Abgesehen vom Rheinfall besass der Laufen bei Laufenburg die eindrucksvollsten Stromschnellen am Oberrhein. Sie überragten den Rheinfall in der Wassermenge um das Doppelte. Die Schiffe wurden oberhalb der gefährlichen Stelle entladen, dann leer durch die Schnellen hindurchgeseilt und das Warengut auf Karren um diese kritische Stromstrecke herumgefahren. Trotz des Kampfes des Deutschen Bundes für Heimatschutz verschwand dieses Naturschauspiel unter dem Wasser des ab 1906 von Baden und der Schweiz gebauten Flusskraftwerkes. 1906 bis 1914 wurden 300.000 m3 des Felsufers ausgesprengt und unterhalb der Enge die Wasser durch ein flussüberquerendes Wehr um 10 Meter hochgestaut. Mit 50.000 Pferdestärken bildeten die 10 Turbinen und Generatoren damals in Europa die leistungsstärkste und grösste Wasserkraftanlage. Paul Sarasin bedauerte den Verlust dieses Naturdenkmals und verwies auf das nicht realisierte Projekt des Ingenieurs Ed. Locher-Freuler, das einen Kanaltunnel zur Umgehung der Stromschnellen vorgeschlagen hatte. Stauwerke an Flüssen wurden von der Naturschutzkommission nicht generell abgelehnt, da man in ihnen einen wünschenswerten Ersatz für Stauprojekte an den als Naturdenkmäler zu erhaltenden Seen und Wasserfälle sah. Die Zerstörung der Stromschnellen lehnte man freilich ab.


    Quelle: PA 924a O 2.1b (1) 356 Laufenburg, -1906 (Dokument)

  • Das scheint wirklich skandalös! Leider, kann man nur sagen, sind Industriebauten immer noch Stiefkinder des DEnkmalschutzes. Teilweise noch nicht einmal richtig inventarisiert, werden sie vom Fortschritt überrollt und zum Abriß freigegeben. Und wie aus dem Posting von Oliver ersichtlich, ist das Bewußtsein für ihre Denkmalwürdigkeit noch viel zu gering.

    Im konkreten Fall: Ist dort keine Initiative in Sicht? Gibt es niemanden von den dort lebenden, der Gemeinde, dem die Erhaltung ein Anliegen ist?

    ... und wenn jetzt nicht ganz allgemeine und durchgreifende Maßnahmen angewandt werden, so werden wir in kurzer Zeit unheimlich nackt und kahl wie eine Kolonie in einem früher nicht bewohnten Lande dastehen... (Schinkel 1815)

  • Zitat von "Roverandom"

    Das scheint wirklich skandalös! Leider, kann man nur sagen, sind Industriebauten immer noch Stiefkinder des DEnkmalschutzes. ...

    Roverandum, das Kraftwerk strahlt überhaupt keine ästhetische Würde aus. Ein grauer Betonklotz, der wie Carsten darlegt, sogar bedeutende Stromschnellen zugebaut hat.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Kraftwerk_Rheinfelden.jpg\r
    de.wikipedia.org/wiki/Bild:Kraft ... felden.jpg

  • Zitat von "Oliver"

    Roverandum, das Kraftwerk strahlt überhaupt keine ästhetische Würde aus. Ein grauer Betonklotz, der wie Carsten darlegt, sogar bedeutende Stromschnellen zugebaut hat.

    Reine Ansichtssache... ich finde Industriebauten wesentlich interessanter als irgendwelche Wasserschlösser o.ä. und finde das Gebäude durchaus ästhetisch. Zumal mich auch die alte Technik fasziniert. Bei uns im Ruhrpott sind noch einige historische Maschinenhäuser vorhanden, diese Hallen strahlen einfach ein wahnsinniges Flair aus...über eine Bürgerinitiative ist mir nichts bekannt, wie gesagt, ich habe das Ganze nur durch Zufall entdeckt....

    Bedeutende Stromschnellen wurden nicht durch dieses, sondern durch das Laufenburger Kraftwerk zugebaut, eine wahnsinnig schöne Anlage im burgähnlichen Stil, m.E. deutlich interessanter als Stromschnellen... die sonst vmtl in den 60ern verschwunden wären.


    Im Ruhrgebiet läufts übrigens auch manchmal leider nicht so schön, beim Cuno-Kraftwerk (malerisch in Herdecke am Harkortsee gelegen) sind mittlerweile auch die historischen Kesselhäuser (Denkmalschutz bis 2006) verschwunden, von dem bedeutendem Schrägaufzug, mit dem das Kraftwerk mit Kohle beliefert wurde ganz zu schweigen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Cuno-Kraftwerk

    Es geht aber auch anders: Das Köpchenwerk, ein Wasserkraftwerk aus den 20ern, ebenfalls in Herdecke, wurde schon in den 80ern ersetzt und steht heute als Industriedenkmal am Ufer des Hakortsees
    http://de.wikipedia.org/wiki/Koepchenwerk

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Zitat von "Oliver"

    Roverandum, das Kraftwerk strahlt überhaupt keine ästhetische Würde aus. Ein grauer Betonklotz, der wie Carsten darlegt, sogar bedeutende Stromschnellen zugebaut hat.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Kraftwerk_Rheinfelden.jpg\r
    de.wikipedia.org/wiki/Bild:Kraft ... felden.jpg

    Beim Denkmalschutz geht's ja auch nicht um Ästhetik, sondern darum, typische Bauwerke aus einer bestimmten Epoche zu bewahren, und da gibt's gerade aus der Gruppe der Industriebauten immer noch viel zu wenige, die unter Schutz stehen, vor allem wenn sie wie anscheinend in diesem Fall noch größtenteils die historische Technik besitzen.

  • Zitat von "Maxileen"

    Beim Denkmalschutz geht's ja auch nicht um Ästhetik, sondern darum, typische Bauwerke aus einer bestimmten Epoche zu bewahren, und da gibt's gerade aus der Gruppe der Industriebauten immer noch viel zu wenige, die unter Schutz stehen, vor allem wenn sie wie anscheinend in diesem Fall noch größtenteils die historische Technik besitzen.

    Deswegen kritisiere ich ja auch den Denkmalschutz ! Ich bin dafür hochwertige Architektur zu erhalten, aber nicht jede 08/15 Maschinenhalle !

  • Seh´ ich auch so. Abgesehen davon, daß derzeit wichtige Bauzeugen für das - bei uns gerade zu Ende gehende - Industriezeitalter der Reihe nach verschwinden (und damit das allgemeine Wissen über die Produktionsweise von Gütern - unsere Kinder werden die Dinge nur mehr fix und fertig aus dem Supermarkt kennen; und ein Fabriksschlot wird etwas vollkommen Exotisches sein); abgesehen davon also sind viele Industriebauten vor allem aus dem 19. Jh. schlicht auch "schöne" Architektur. Ich persönlich liebe die Sichtziegelfassaden, die großen Hallen usw.

    Das Kraftwerk Rheinfelden mag nicht mit so hohen architektonischen Ansprüchen errichtet worden sein wie manch anderer Industriebau, aber im Zusammenhang mit seinem Alter, Seltenheitswert und der erhaltenen technischen Ausstattung denke ich, ist es wohl sicher erhaltenswert.

    Booni:
    Das Beispiel des Cuno-Kraftwerks ist total bedauerlich. Und dabei dachte ich, daß gerade im Ruhrgebiet Wert auf Industriekultur und ihre Erhaltung gelegt wird; mehr als anderswo. Bei meinem Besuch dort war ich richtig begeistert, wie entlang der "Route Industriekultur" die alten Gemäuer erlebbar und aufbereitet sind. Zugegeben, hab nur die "Highlights" besucht: Zeche Zollern 2/4; Kokerei Hansa, Landschaftspark Duisburg Nord

    ... und wenn jetzt nicht ganz allgemeine und durchgreifende Maßnahmen angewandt werden, so werden wir in kurzer Zeit unheimlich nackt und kahl wie eine Kolonie in einem früher nicht bewohnten Lande dastehen... (Schinkel 1815)

  • Hoppla, falscher Anschluß. Mit dem "Seh ich auch so" wollt ich an den vor-vorigen Betrag (von Maxileen) anschließen. Kam mir Oliver "dazwischen" :)

    ... und wenn jetzt nicht ganz allgemeine und durchgreifende Maßnahmen angewandt werden, so werden wir in kurzer Zeit unheimlich nackt und kahl wie eine Kolonie in einem früher nicht bewohnten Lande dastehen... (Schinkel 1815)

  • Zitat von "Oliver"

    Deswegen kritisiere ich ja auch den Denkmalschutz ! Ich bin dafür hochwertige Architektur zu erhalten, aber nicht jede 08/15 Maschinenhalle !

    Das hat aber m.E. nicht viel mit Denkmalschutz zu tun. Denkmalschutz heißt Schutz von Denkmalen.
    Wikipedia sagt

    Zitat

    Als Denkmal im ursprünglichen Sinn wird eine größere plastische Darstellung oder ein sonstiges Objekt bezeichnet, das zur Erinnerung an eine Person oder ein Ereignis geschaffen wurde.

    Im heutigen Sprachgebrauch zählen auch Bauwerke und natürliche Objekte mit besonderer Bedeutung zu den Denkmalen. Der rechtliche Schutz bezieht sich sogar vorwiegend auf diese Art.

    Das hat nix mit hochwertiger Architektur zu tun... sondern mit Bedeutung. Und das erste Laufwasserkraftwerk der Welt hat Bedeutung!

    Btw: Wenn man deiner Meinung nach nur noch hochwertige Architektur schützen dürfte, gäbe es z.B. die Kokerei Zollverein oder den Landschaftspark Duisburg-Nord nicht.... wäre ohne Denkmalschutz abgerissen worden.
    Heute sind es nicht nur gut besuchte Sehenswürdigkeit (Landschaftpark Duisburg-Nord zweitmeiste besuchte SWK in NRW nach dem Kölner Dom) sondern sind erlebbare Beispiele für Industrie.
    Ohne den Denkmalschutz wäre wie Roverandom schon schreibt viel Wissen über historische Produktionsweisen u.a. verloren.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)