Magdeburg - Rekonstruktion der Ulrichskirche

  • Der OB ist nicht das Hauptproblem. Mehr als seine Fahne in den Wind gehangen hat er auch nicht. Die bisweilen radikale Ablehnung der Ulrichskirche hat weite Teile der Bürgerschaft fest im Griff. Ich finde das schon wieder relativ erstaunlich. Selbst die Ausgrabung der Gewölbekeller, was bei der Leipziger Johanniskirche völlig ohne auf Aufhebens von sich ging, wird mit allen Mitteln bekämpft.

  • Ja, aber woher kommt das denn? Die "Entchristianisierung" zu DDR-Zeiten ist mir als Erklärung etwas zu wenig. Hier geht es doch in erster Linie um ein Bauwerk, um Städtebau, um Stadtreparatur und eher sekundär um ein Gotteshaus - ähnlich wie bei der Potsdamer Garnisonkirche. Man muss doch mit Religion nicht viel am Hut haben und kann trotzdem solche historischen Bauwerke schön finden. Oder sie könnten einem zumindest egal sein - aber die Magdeburger bekämpfen die Kirche ja regelrecht. Es ist doch auffällig, dass die Rekonstruktion bzw. der Wiederaufbau der von den Alliierten zerstörten Frauenkirche in Dresden - wenn auch umstritten - zustande kam, währemd Warum wird so vehement, während ausgerechnet die auf SED-Befehl gesprengten Kirchen (Garnisonkirche, Sophienkirche, Paulinenkirche, Ulrichskirche) nach dem Willen sehr vieler Ostdeutscher auch für immer aus dem Stadtbild getilgt bleiben sollen. Die betroffenenen Städte bestehen doch nicht zu zwei Dritteln aus alten SED-Kadern? Was geht eigentlich in den Köpfen dieser Leute vor?

  • Die Wahl des Oberbürgermeisters (auch wenn man bei der niedrigen Wahlbeteiligung sehen muss, dass nur knapp 25 Prozent der Wahlberechtigten ihm die Stimme gaben) ist schon recht eindeutig. Seine doch reich vorhandene Konkurrenz konnte ihn nicht gefährden. Doch, wie "Saxonia" richtig anmerkt, ist der OB nur ein Teilproblem. Es handelt sich eben um tiefgreifende Prägungen. Was in diesen Leuten vor sich geht? Ich denke es sind mehrere Aspekte...

    - Die Ablehnung der Revision von SED-Untaten ist ein Zeichen von Ost-Trotz gegen die Veränderungen, die seit der Wiedervereinigung vor sich gegangen sind. Einerseits profitiert man von diesen Veränderungen, der Lebensstandard ist selbst bei Niedriglohn höher als einst, das Stadtbild saniert, man kann von der Reisefreiheit profitieren usw. Andererseits fühlt man sich "vom Westen" vereinnahmt und zu Bürgern zweiter Klasse im Land degradiert. Also wendet man sich in einer Art Ressentiment gegen weitere Veränderungen der eigenen Lebenswelt, die die eigene Vergangenheit auch symbolisch in Frage stellen. Die linke Jugendszene, z.B. in Potsdam, agiert dabei nur als aggressive Spielart einer Befindlichkeit, die ohnehin weit verbreitet ist, nur örtlich anders auftritt.

    - Gerade in Sachsen-Anhalt mit seinem starken Abwanderungsdruck sind ja großenteils nicht die geistig flexibelsten Kräfte im Land geblieben, sondern die trägsten. Diese Trägheit zeigt sich auch in einer gewissen Veränderungsunwilligkeit. Das sieht in Sachsen schon wieder ein wenig anders aus.

    - Weiterhin kommen DDR-spezifische Prägungen. Der Atheismus, der Materialismus aber vor allem auch eine gewisse Phantasielosigkeit. Eine alte Kirche aus dem Nichts wieder aufzubauen hat in unserer Zeit ja etwas traumtänzerisches. Dies aber weckt das Misstrauen der auf das "rein Praktische" und die Geldbörse konditionierten Gegenwarts-Menschen, gerade im Osten. Zudem sieht man in einem Gotteshaus dort wohl keine rechte Verwendung.

    Vielleicht hätten die Ulrichskirchen-Befürworter noch eine kleine Chance gehabt, wenn sie den Materialismus und die Bespaßungslust der Einwohner bedient hätten. Z.B. die Kirche als das tolle Mega-Shopping-Center mit Markthalle für exotische Früchte präsentiert hätten. Oder sie als Hülle für ein Spaßbad mit Riesen-Wasserrutsche projektiert worden wäre. Vielleicht wäre das dann gegangen. Schließlich kommt der Hundertwasser-Bau ja auch dort durchaus an und wird als bunte Bereicherung des Stadtbildes gesehen. Insofern kann man die Bürger sicherlich schon irgendwie geistig aus der Platte locken, aber man muss dabei verstehen, wie sie ticken und kann nicht gegen ihre Köpfe agieren.

    Das sind natürlich alles nur meine Interpretationen. Manch Magdeburger mag das vielleicht anders sehen.

  • Vielleicht hätten die Ulrichskirchen-Befürworter noch eine kleine Chance gehabt, wenn sie den Materialismus und die Bespaßungslust der Einwohner bedient hätten. Z.B. die Kirche als das tolle Mega-Shopping-Center mit Markthalle für exotische Früchte präsentiert hätten. Oder sie als Hülle für ein Spaßbad mit Riesen-Wasserrutsche projektiert worden wäre. Vielleicht wäre das dann gegangen.

    Gott bewahre. eek:)

    Aber es hätte ja auch noch jenseits dieser provokanten Extrembeispiele Möglichkeiten gegeben, als was man die UK hätte "verkaufen" können. Museum (Friedrichswerdersche Kirche), Literaturhaus o.ä. (Alte Stadtbibliothek Ffm) oder zur Not "Eventkirche" (Peterskirche in Ffm) - vielleicht hat man den hohen Anteil dumpfbackiger Kampfatheisten unterschätzt und hätte etwas phantasiereicher vorgehen sollen. Auch das mehr oder weniger rekonstruierte Berliner Stadtschloss war ja letztendlich nur als Museum mitsamt kulturell-wissenschaftlichem Gemischtwarenladen (was es allerdings zwischen 1919 und 1945 auch schon gewesen war) um- und durchsetzbar.

  • „Das Vorhaben, die Kirche wiederzuerrichten, ist so nicht mehr darstellbar. Daher ist der Wiederaufbau des Portals ein schöner Kompromiss“.


    Der Bericht aus der Zeitung "Volksstimme". -

    http://www.volksstimme.de/lokal/magdebur…ls-ist-das-ziel

    Na toll. Nun hat man das Ziel des Vereins schon so weit heruntergeschraubt. Nur noch das Portal soll aufgebaut werden. Ohne diesen Bürgerentscheid, würde man wahrscheinlich längst Spenden für die vollständige Rekonstruktion der Kirche sammeln.

    Aber vielleicht wird das Portal, in einigen Jahrzehnten, noch durch den restlichen Kirchenbau ergänzt.
    :D

  • In Potsdam stand das Fortuna-Portal auch erst allein auf weiter Flur...

    "Willst du eine Stadt vernichten, baue Kisten, Kisten, Kisten!"

  • Diese Wortwahl ist wirklich daneben. 0,1 % von etwas ist weder ein Kompromiss, noch, dies schon gar nicht, schön.

    Die Frage ist auch, wozu diesen Teil. Wie will man das den Gegnern und Verhinderern erklären? Warum soll jemand, der keinen Kirchenbau will, ein Portal akzeptieren?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Na ja. Die (vorgeschobenen) "Argumente" gegen die Kirche betrafen ja überwiegend den tollen Ulrichsplatz. Man hatte Bedenken, durch den wuchtigen Bau eine der seltenen Grünflächen in der Stadt zu verlieren. Außerdem hatte man Angst, daß die Kirchtürme die gesamte Innenstadt verschatten würden. Beide Szenarien treten bei einem lächerlichen Portal nicht ein. Die Gegner müssen sich jetzt also andere Gründe zur Verhinderung aus den Fingern saugen.

  • Ich fände es einfach nur großartig, wenn das wirklich gelingt. Das wäre endlich der ersehnter Fuß in der Tür. Hätte ich niemals gedacht, dass so etwas jetzt schon denkbar ist. Wir müssen doch realistisch sein, eigentlich war der Kampf schon komplett verloren.

    98% of everything that is built and designed today is pure shit. There's no sense of design, no respect for humanity or for anything else. Frank Gehry

  • #172,173
    Alles schon richtig. Ich bin halt nicht so geübt im positiven Denken, überhaupt am heutigen Tag, wo ich mich schon sehr drehen und wenden muss, um da etwas Positives zu sehen. Ich sag: ist die Kuh hin, ist auch das Kalbl hin, und sollen sich diese Troglodyten doch an ihrem städtebaulichen Nichts ergötzen. Ich würde sie nicht mit einem Portal, das städtebaulich eh nichts bringt, belohnen. Warum ihnen das Gute aufdrängen?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Es ist hier im Forum die Ulrichskirche MD etwas eingeschlafen. 2017 der letzte Kommentar.

    Aber die Diskussionen in MD über das Projekt Ulrichskirche dauern bis heute an.

    2011 eine Kampagne gegen den Aufbau der Ulrichskirche.

    Die Initiatoren haben den potentiellen Unterzeichnern mit der Formulierung des Bürgerentscheides schon die Erwartende Meinung in den Mund gelegt.

    Die Ulrichskirche hat eine ganz andere Geschichte als die GK Potsdam,aber dennoch wird auch ihr Neuaufbau bis heute von überzeugten Atheisten massiv bekämpft.

    https://ulrichskirche.de/aktuelles/deta…12522860270b2f3

    https://ulrichskirche.de/aktuelles/deta…560001786e612b3

  • Lutz Trümper ist noch immer der Bürgermeister von Magdeburg. Frühestens wenn er abgewählt ist, kann man über einen neuen Anlauf zur Reko nachdenken.

    Außerdem braucht man auch ein überzeugendes Konzept für die zukünftige Nutzung des Bauwerks. Erst wenn die Mehrheit der Bürger sich damit anfreunden kann, gibt es eine Aussicht auf Erfolg.

  • Ja, 05hamburg ,auch nach dem Renteneinstieg Trümpers ändert sich die insgesamt stark ablehnende Grundhaltung gegenüber der Ulrichskirche in der Stadt nicht.

    Man braucht sich nur die Seiten Ulrichskirche-aktuell mal anschauen (siehe meine Links).Die Ulrichskirche wird regelrecht verteufelt von den überzeugten Atheisten in MD.

    Jedenfalls die Ulrichskirche ist jetzt ersteinmal vom Tisch.

    Das Kuratorium Ulrichskirche überlässt den Aufbau späteren Generationen.Ich denke,MD ist von seinen Bürgern her eine sehr Atheistisch geprägte Stadt (Ehem.DDR Bezirksstadt).Da hat doch ein Kirchenneubau, schon gar nicht im Stadtzentrum, auch heute ,überhaupt keine Chance. Potsdams GK Turm läuft ja auch seit Jahren Spießruten von Links. Den Linken Kräften in MD ist es jedenfalls gelungen,das Ulrichskirchenprojekt schon im Keim zu ersticken.

  • Mag sein, dass das so ist. Aber ein solcher Atheismus ist eigentlich mehr als albern und reaktionär. Zum Einen gibt es ja mehrere Kirchen in Magdeburg. Eine mehr oder weniger spielt für den Atheismus kaum eine Rolle. Zum Anderen ist gar nicht gesagt, dass die Ulrichskirche je wieder eine richtige Kirche geworden wäre. Es hätte auch eine Konzerthalle, ein Museum, ein Café oder von mir aus eine Indoor-Kletterhalle oder ein Atheisten-Tempel werden können.

    Die Gründe der Ablehnung sind also eher irrationaler Natur. Und einigen Leuten geht es um eine ziemlich lausige Grünfläche, die aber sogar zum Teil erhalten geblieben wäre.

  • Ich glaube,den Gegnern geht es hier nicht wirklich um diese Grünfläche sondern grundsätzlich um diesen Kirchenneubau .Ganz Offensichtlich ist die Grünfläche nur vorgeschoben weil stichhaltige Gegenargumente der überwiegend linken Gegnerschaft fehlen.

    Das zeigt sich doch ganz klar in dieser Fragestellung.

    Es ist ganz klar ein Aufruf um gegen die Ullrichskirche zu stimmen.Und mit dieser Fragestellung sind diese Initiatoren (lUrichskirchengegner) dann auf Stimmenfang gegangen.

    https://ulrichskirche.de/aktuelles/deta…12522860270b2f3

    Und Unterschrieben haben dann zur Zufriedenheit der Initiatoren dann überzeugte Gegner aber leider auch genug unbedarfte Schäfchen aus der Bevölkerung, zur vollsten Zufriedenstellung der Initiatoren.

    Ich bin der Meinung ,Bürgerentscheide Bzw Befragungen sollten nur von neutraler Seite durchgeführt werden.Und nicht von irgentwelchen Bürgerinitiativen die nur ihre eigenen Ziehle (unter Mithilfe der Bürger) mit solchen Kampangen anstreben und durchsetzen wollen.