Potsdam - Garnisonkirche

  • Betondecken sind nun mal aktueller Stand der Baukunst. Dass die Wände des Turmes, die bis zu 3,50 m stark sind, aus Ziegeln gemauert werden, ist dagegen ausgesprochen ungewöhnlich und einer besonderen Initiative des Architekten zu verdanken, dessen Realisationskonzept am überzeugendsten war.
    Im Gegensatz zum originalen Turm, der eigentlich lediglich Architektur, Kircheneingang und Träger des Glockenspiels war (die Läuteglocken kamen ja erst 1939 in den Turm), bekommt die Rekonstruktion eine Nutzung mit öffentlichen Räumen (Kapelle, Bibliothek, Seminarräume, Ausstellung, Turmbesteigung, Café - und die dazugehörigen Neben- und Wirtschaftsräume). Solche Nutzungen stellen hohe Ansprüche an den Brandschutz, aber auch z. B. an die langfristige Baupflege.
    Der orignale Turm hatte im unteren Bereich noch stärkere Wände (Blöcke von bis zu mehr als 5,00 m im Quadrat), daher nur sehr schmale Räume mit Gewölben, und im oberen Bereich wenige Holzdecken. Die innere Geometrie des Turmes wird also nicht 1 : 1 rekonstruiert.
    Natürlich lassen sich auch Holzbalkendecken mit entsprechendem Aufwand brandschutztechnisch ausrüsten, die Frage ist aber - wofür? die eigentlichen Deckenkonstruktionen werden unter Verputz, Verkleidungen und Fussbodenaufbauten "versteckt", da ist die Materialität dieser Konstruktionen doch zweitrangig für den späteren Betrachter. Und gemauerte Gewölbe über den jetzt deutlich gegenüber dem originalen Zustand grösseren Räumen wären m. E. wegen der erforderlichen Konstruktionshöhen jedenfalls unsinnig.
    Ich war schon sehr überrascht und bin sehr glücklich über die jetzige Lösung eines weitgehend aus Ziegeln gemauerten Turmes... Die TPG hatte seinerzeit (ca. 2002) eine Realisierungsstudie in Auftrag gegeben, demnach sollte der Turm aus 30 - 40 cm starken Stahlbetonscheiben aufgebaut werden, der lediglich äußerlich eine historische Anmutung gehabt hätte. Das wäre eine reine Kulissenarchitektur - eine "Potemkinsche Lösung" geworden. Und wahrscheinlich auch nicht sehr dauerhaft.
    Ich meine, hier wurde schon ein idealer Kompromiss gefunden zwischen einer modernen Nutzung des Bauwerks und einer weitestgehenden Materialtreue zum originalen Turmbau.

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Warum soll den eine Stahlbetonrahmenkonstruktion mit Vormauerschale und Kalkputz "nicht sehr dauerhaft" sein? Das erschliesst sich mir nicht. Das Berliner Schloß und viele andere Bauten sind doch genauso konstruiert und die ältesten Stahlbetonbauten halten doch auch schon ewig.

    Und was wäre daran "potemkinsch" oder "Kulissenarchitektur"? Weder der heutige Bau noch ein Stahlbetonbau entspricht der historischen Konstruktion - das schreibst Du ja selbst, also warum ist die eine Lösung gut und die andere böse? Das verstehe ich nicht, Beton gibt es doch auch schon - mit Unterbrechung - über 2000 Jahre.

    Ich kann verstehen, daß man die Ziegellösung favorisiert, aber das geht nur,weil der Turm eine Kirche und deshalb von den EnEv befreit ist. Sonst wäre der Kirchturm wie die meisten anderen Rekos in Stahlbeton mit Vormauerschale und Kalkputz errichtet worden.

  • Ich bin kein Experte in Materialkunde. Aber meines Wissens nach hat Stahlbeton eine recht begrenzte Lebensdauer, da der Stahl durch Umwelteinflüsse zur Korrosion neigt. Mit dem Beton der römischen Epoche ist das nicht vergleichbar, weil die Römer reine Betonkonstruktionen errichteten, also ohne Armierung. Beim Berliner Schloss wiederum verfügt die gemauerte Außenfassade über eine selbsttragende Funktion. Die Fassade kann stehen, selbst wenn die dahinter liegende Betonwand abgerissen werden müsste. Sie ist also nicht nur vorgeblendet. Bei der Garnisonkirche hätte eine solche doppelschalige Struktur mit einer tragenden Außenwand, die nicht nur eine dünne Verkleidung ist, sicher zu einer Verkleinerung der Innenfläche geführt.

  • Ich bin kein Experte in Materialkunde. Aber meines Wissens nach hat Stahlbeton eine recht begrenzte Lebensdauer, da der Stahl durch Umwelteinflüsse zur Korrosion neigt. Mit dem Beton der römischen Epoche ist das nicht vergleichbar, weil die Römer reine Betonkonstruktionen errichteten, also ohne Armierung. Beim Berliner Schloss wiederum verfügt die gemauerte Außenfassade über eine selbsttragende Funktion. Die Fassade kann stehen, selbst wenn die dahinter liegende Betonwand abgerissen werden müsste. Sie ist also nicht nur vorgeblendet. Bei der Garnisonkirche hätte eine solche doppelschalige Struktur mit einer tragenden Außenwand, die nicht nur eine dünne Verkleidung ist, sicher zu einer Verkleinerung der Innenfläche geführt.

    Hallo Heimdall,

    Ich bin auch kein Experte, aber ich kann versuchen ein bisschen darüber zu erklären, weil ich viel über das Betonkorossion Problem gelesen habe.

    Wie Sie bemerkt haben, im Vergleich mit reinem Beton hat Beton mit Armierung eine sehr kurze Lebensdauer. Alte Gebäude, die mit Beton mit Armierung aufgebaut wurden, mussten oft nach nur 50 Jahren abgerissen werden. Man kann das überall hier in Osteuropa sehen, weil die Kommunisten Beton mit Armierung geliebt habe und sie haben auch sehr billige Bautechniken geliebt. Also gab es immer schlechter Stahl in minderwertigem Beton und nicht genug Beton um diesen Stahl mehr als 50 Jahren zu schützen...

    Wenn wir habe angefangen, mit Stahlbeton zu bauen, glaubten wir das es vielleicht Jahrhunderte dauern würde. Natürlich wussten alle, dass Stahl korrodiert und korrodierter Stahl hat natürlich ein höheres Volumen als unkorrodierter Stahl. Aber Beton macht auch eine alkalische Umgebung... und diese alkalische Umgebung erhält eine Oxidschicht, die den Stahl sehr gut schützen sollte. Also glaubte man, dass (unbeschädigter) Stahlbeton sehr, sehr lang dauern würde.

    Natürlich wissen wir, dass das nicht wirklich wahr im Praxis ist. Und das ist dank Chlor. Chlorbelastung zerstört langsam die alkalische Umgebung des Betons und schädigt schließlich die Oxidschicht, der den Stahlt schützt. Sobald diese Schicht aufgebrochen ist, fängt der Stahl an zu korrodieren und deshalb verkommt der Beton.

    Das ist sehr, sehr schnell wenn schlecter Stahlbeton in der Nähe einer See ist. Hier in Estland haben viele von Kommunisten gebaute Strukturen aus diesem Grund schnell vorkommen.

    Moderner Stahlbeton hat normalerweise Zusatzstoffe, die diesen Prozess viel langsamen sollten. Außerdem kann man Faserarmierung nutzen.


    Ich war auch nicht so glücklich, wenn ich gesehen habe, dass sie bei dem Garnisonkirche wiederaufbau Stahlbeton nutzen. Aber mit den geplanten Innenraumen bin ich auch nicht sehr zufrieden... also ihre vielleicht kurze Lebensdauer stört mich nicht. Wichtig ist, dass der Tragwerk rein aus Ziegel scheint. Soweit ich das beurteilen kann, gibt es nichts zu fürchten.


    Sie können mehr über Stahlkorrosion hier lesen.


    https://www.cement.org/learn/concrete…edded-materials
    http://theconversation.com/the-problem-wi…-concrete-56078

    https://www.sciencedirect.com/topics/engineering/rebar-corrosion

  • Es kommt darauf an welcher Beton mit welchen Zuschlägen und vor allem welche Sorgfalt verwendet wird. Der älteste Stahlbetonbau ist deutlich über 100 Jahre alt und Joseph Monier hat die ersten Versuche mit Stahlbeton um 1852 begonnen (daher das Moniereisen). Alle zeitgenössichen Gebäude sind ohne Stahlbeton kaum denkbar. Dem Material pauschal eine "recht begrenzte Lebensdauer" zu bescheinigen ist eine völlig idelogiegeprägte und weltfremde Aussage.

    Beton hat optisch durch seine zur Fleckigkeit neigenden Alterungsvorgang große Nachteile, auch der Luftaustausch im Inneren ist nicht ideal, aber konstruktiv wird sicher noch lange mit Stahlbeton gebaut.

    Mit den frühen Betonabuwerken der Antike ist Stahlbeton natürlich vergleichbar, dabei erkennt man die Unterschiede. Die Differenz besteht im damals nicht vorhandenen Stahl, was eine präzisere Verarbeitung, statisch weniger anspruchsvolle Konstruktionen und andere Zuschlagstoffe bedingte. Jedoch ist z. B. die Kuppel des Pantheons (126 n.Chr.), die man heute in Stahlbeton bauen würde, seinerzeit ohne Verstärkung durch den Einsatz von Leichtbeton (Zuschlag von Tuffstein) möglich geworden. Die Kuppel des Pantheon hält bekanntlich noch heute, wie viele andere Bauwerke aus römischem Beton auch.

    Also: Bitte keine pauschalen Abwertungen von Betonkonstruktionen. Ob das für die Garnisonkirche der richtige Weg gewesen wäre (Stahlbeton mit selbsttragender Vormauerschale) sei dahingestellt. Die heutige Mauerung mit Kleinformatsteinen ist sicher vorzuziehen, auch wenn sie in der ausgeführten Art nicht historisch ist.

  • Warum eigentlich Betondecken?


    Mir persönlich gefallen Holzkonstruktionsdecken auch besser, gerade in historisch wieder errichtetn Bauwerken wie die Garnisionskirche. Allerdings haben Holzkonstruktionen auch die Eigenschaft sich im Laufe der Zeit zu verziehen - da ist so eine Stahlbetondecke wesentlich konstanter. Abgesehen da von, gibt es optisch keinen Unterschied zwischen einer stuckatierten Betondecke und einer stuckatierte Holzdecke. Also lassen wir mal die Kirche im Dorf ;)

  • ...Auch plädiert die Fraktion dafür, dass, das Kirchenschiff originalgetreu wieder aufgebaut und das Glockenspiel wieder umgehend eingeschaltet werden soll.

    https://m.pnn.de/potsdam/streit…e/25160778.html

    Nur das macht Sinn. Dieses "Rechenzentrum" hinter dem Turm dagegen macht keinen Sinn.

    Waren heute mal wieder in Potsdam zu Besuch, um die Baufortschritte anzusehen. Beeindruckend. Gerade mit der Bebauung der Fläche der ehemaligen FH mit einem "vielfältigen" Viertel wird die Mitte wieder an die sehr angenehme Stadt rund um die Brandenburger Strasse, Lindenstraße usw. sowie dem Holländischen Viertel angebunden. Desweiteren entstünde mit dem hoffentlichen Abriss des Staudenhofs 2022 und der Bebauung dieser Fläche ein beinahe geschlossenes Viertel um die Nikolaikirche und es würden wieder Blickbeziehungen auf die Nikolaikirche frei, welche jetzt vom Staudenhof versperrt sind. Der Abriss des Staudenhofs sollte daher oberste Priorität bei allen Architekturästheten Potsdams haben.


    Noch ein paar Bilder:

    p

    ppp

    pp

    ppppp

    pppp

    pppppp

    ppppppp

    PS.: Wer schon immer mal einen echten van Gogh sehen wollte, sollte noch bis zum 02.02.2020 ins Barberini gehen. Eintritt kostet schlappe 14 EUR aber einmal geht das schon. Außerdem gibt es dort momentan auch interessante DDR-Kunst zu sehen.

    öö

    ööööö

    2 Mal editiert, zuletzt von Henry (2. November 2019 um 19:14)

  • ... da war ich heute auch. Beeindruckend war für mich, wie schon das eine Geschoss der Garnisionkirche den Raum der Breiten Straße verändert. Heute erschienen mir die Hochhäuser am Ende der Straße, von der DDR als bewusste neue Dominante gesetzt, plötzlich viel unwichtiger als bisher, gegenüber der in den Raum hineintretenden Kirche. Bin gespannt, wie sich der Eindruck weiter verändert, wenn der Turm erst fertig ist.

  • Hallo an Alle!


    Ich Weiss, ich bin etwas spaet. Denn ich habe Bilder vom Abriss des Rechenzentrums. Die Bilder sind kurz
    vor den Bildern von Spreetunnel weiter oben gemacht worden. Der Abriss ging sehr schnell!
    Also hier nachtraeglich noch nicht gezeigte Bilder vom Abriss des "Rechenzentrums";







    Bilder kommen noch, ich habe Schwierigkeiten.

    Einmal editiert, zuletzt von Bohnenstange (9. November 2019 um 05:47)

  • Die von sich überzeugte Gegnerschaft hat auf alles immer ihre Antwort(siehe Facebook)Sei es die GK die Potsdamer Mitte ,FH, das RZ oder oder...(nur WIR haben in allem immer Recht) .
    Man wird und kann sich nie auf einen Punkt mit ihnen einigen.Und das wollen sie auch gar nicht.