Potsdam - Garnisonkirche

  • Ach, lasst die Leute doch labern, die Reko wird kommen, also warum sich aufregen. Ich habe diese Zuschreibung von Gefühlen gegenüber Bauten nie verstanden, weder Bauten an sich noch Materialen sind böse oder gut, demokratisch oder undemokratisch, das ist wieder ein feuilletonistisches Wunschdenken, mit Substanz hat das recht wenig zu tun.

    Ein Gebäude wird durch seine Geschichte natürlich geprägt, aber es ist nicht irgendetwas außer ein Gebäude selbst, letztlich bestimmt die Nutztung den Charakter eines Baus. Heute sitzt der Fianzminister selbstverständlich im ehemaligen Reichsluftfahrtministerium. Anders als in der Garnisonkirche wurde dieser Bau sowohl von den Nazis gebaut und auch wirklich genutzt. Aber dieser soll demokratisch genug sein, um einen wesentlichen Teil der deutschen Administration zu beherbergen, die Garnisonkirche aber, in der Hitler vielleicht 30 min verweilt hat, die soll dann aber eine Zumutung sein, das muss man mir erst mal sinnvoll erklären.

    Letztlich sind diese Diskussionen sowieso alles intellektuelle Kopfgeburten, wie so vieles in Kunst, Journalismus, Architektur und co. Dies liegt vielleicht auch daran, dass eine wesentliche Komponente in vielen dieser Bereichen verloren gegangen ist, nämlich die Ästhetik. Sie war früher alles, Ästhetik war Kunst, um nicht mehr ging es. Heute ist Kunst eher eine Idee geworden, ein Statement. Während man früher eine politische Aussage in der Ästhetik versteckt hat, steht heute die Idee selber im Fokus und nicht mehr die Ästhetik sondern die Dekonstruktion von Realität.

    Ich fand es extrem interessant, was Herr Habeck sehr kritisch in Richtung der Grünen, also der eigenen Partei gesagt hat. Die Grünen, die ja im Wesentlichen den Geist der 68-er symboisieren und heute die Eliten in wesentlichen Bereichen der Gesellschaft schmücken, waren so sehr damit beschäftigt, das Gewesene zu dekonstruieren, dass man vergessen hat das man die gesamten Einzelteile irgendwann mal wieder zu einem Ganzen formen muss, damit eine Gesellschaft nicht zerbricht.

    Und genau das ist in der Kunst auch passiert wie in der Architektur übrigens auch. Man war so damit beschäftigt, Bestehendes zu dekonstrieren und zu entblättern, dass man dabei den wahren Geist der Idee von Kunst, egal in welchem Gebiet, verloren hat und das ist die Ästhetik. Die zugegebernaßen leicht subjektive Kategorie Schönheit spielt heute im Diskurs von Künstlern oder Architekten kaum noch eine Rolle, das zeigt sich auch in der Entwicklung und Vertechnisierung der Berufsbilder. So habe ich das Gefühl, dass mittlerweile der "Verkaufstext" der Architekten zum Entwurf wichtiger wird wie der Entwurf selber. Und da liegt doch das Problem begraben.

    Die Garnisonkirche wird wie alle Rekonstruktionen nach Fertigstellung funktionieren, weil sie eben nach dem Konzept von Schönheit erbaut wurde, ein Konzept, das jeder Mensch, egal aus welcher Kultur er kommt, egal wie er geprägt wurde, versteht, weil es eine universelle Kompenente der menschlichen Expistenz ist. Wer versucht, dies auszublenden und zu verleugnen, der wird scheitern. Aber so langsam dämmert es ja auch vielen zumindest gemäßigten Modernisten, dass es so nicht weiter gehen kann. Ich hoffe inständig, dass immer mehr Rekonstruktionen nicht nur dazu führen, dass man sich an diesen singulären Bauten erfreut und sie natürlich ein Anreiz für mehr darstellen sollen, aber dass man auch in der Betrachtung des Ursprungs von Architektur und Kunst wieder zu dem zurückfindet, was es immer war, eine Idee im Kleide der Ästhetik und nicht eine Idee von Dekonstruktion um jeden Preis.

    APH - am Puls der Zeit

  • Ich habe auch gerade den Hetzartikel der FAZ gelesen

    Ich glaube nicht, dass man diesen durchaus abwägenden Artikel eines renommierten Kunsthistorikers auch nur ansatzweise mit einem Hetzartikel vergleichen kann. Hetzerisch ist eher deine substanzlose Eingabe dazu.

    Der FAZ-Artikel ist doch typisch für den derzeitigen politischen Mainstream, wie überhaupt sich die gesamte FAZ von einer seriösen bürgerlich-konservativen Zeitung zu einem linken, belanglosen Mainstreamblatt entwickelt hat. Wie die meisten Journalisten verstehen sich auch die FAZkes heute in erster Linie (in einer nie da gewesenen Hybris) als Volkspädagogen und Volkserzieher; Klimahysterie, Multikulti und Selbstverleugnung unseres Landes sind dabei die ideologische Basis. Die deutliche Mehrheit der Journalisten unseres Landes tickt politisch-ideologisch links-grün. Sie sind damit (leider) die eigentlichen Meinungsmacher in diesem Land, vor allem im Hinblick auf eine durch und durch opportunistische, kompasslose Kanzlerin, die nur auf der Basis von Umfragen ihre Entscheidungen trifft.

    Warum glaubt man jeglichen Beitrag zu der Diskussion um die Garnisonkirche in ein politisches Korsett pressen zu müssen? Ich kann in dem Artikel nichts Politisches erkennen. Hier findet lediglich eine durchaus objektive Abwägung der Argumente statt. Wie ein jeder diese dann gewichtet, ist halt eine andere Sache. Ich persönlich komme zu einem anderen Schluss als der Kollege Bartetzky, trotzdem spreche ich ihm nicht ab, sich mit der Materie objektiv auseinandergesetzt zu haben. Ich bin sogar sicher, dass er mit der Thematik besser vertraut ist als ich.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Man kann Demokrat, sogar konservativ sein und trotzdem Rekonstruktionen kritisch gegenüberstehen. Es soll auch Linke geben, die Rekos gut finden. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Dass hier von einigen die beiden Kategorien zwangsverbunden werden, finde ich schade - und, ehrlich gesagt, auch etwas beschränkt.

  • In Ostdeutschland werden Abrisse von Bausünden nunmal von Ideologen mit der Beseitigung von DDR-Historie gleichgesetzt. Dies macht eine neutrale Herangehensweise natürlich schwierig. Ich würde jedenfalls nie behaupten, daß der Abriss des Technischen Rathauses in Frankfurt, der den Weg für die neue Altstadt erst freigemacht hatte, eine Beseitigung von BRD-Historie wäre.
    Natürlich ist beides im Grunde schon genau das, aber eben nicht im politischen, sondern höchstens im architekturhistorischen Sinne.
    Die Debatten in Deutschland, also einem Land, das im Krieg über 100 historische Innenstädte verloren hat, sind diesbezüglich ziemlich ermüdend. Es sollte eigentlich Konsens sein, von dem Verlorenen einen achtbaren Anteil wiederherzustellen. Die Moderne prägt sowieso 80 Prozent unserer Städte, da sind diese Spitzfindigkeiten bezüglich der Konfrontation zwischen Moderne und Rekonstruktionen völlig fehl am Platze.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

    Einmal editiert, zuletzt von Der Münchner (26. November 2017 um 18:10)

  • Dieser FAZ Kommentar ist ganz auf Linie der Potsdamer Wählergruppe"Die Andere" alias "Potsdamer Mitte neu Denken" und "Mitte für Alle"formuliert und geschrieben.
    Dem Artikel nach zu urteilen hat der Autor sich aus dem Internet hauptsächlich gegnerische Argumente herausgefischt und sie dann zu einem Kommentar natürlich gegen die GK zusammengepusselt.
    Das gleiche gilt für den Faz Kommentar zur FH und Potsdamer Mitte..
    Heutzutage sind Kommenntare dank Internet schnell mal geschrieben ohne das die Autoren persönlich in dem jeweiligen Ort oder Gegend überhaupt recherchiert haben.Es kommt auch immer darauf an, welche Gesinnung ein Jornalist zu einer Sache hat,und so fallen auch am Ende seine Kommentare aus.Viele Kommentare kann man dadurch nicht so ernst nehmen.
    Und übrigens wurde das ehemalige NS Reichsluftfahrtministeriuman in der Leipziger Straße in Berlin lange Zeit von der DDR Regierung als Haus der Ministerien genutzt.Heute als Finanzministerium.
    Und kein Mensch hat sich darüber aufgeregt.

  • Dem Artikel nach zu urteilen hat der Autor sich aus dem Internet hauptsächlich gegnerische Argumente herausgefischt und sie dann zu einem Kommentar natürlich gegen die GK zusammengepusselt.
    Das gleiche gilt für den Faz Kommentar zur FH und Potsdamer Mitte..
    Heutzutage sind Kommenntare dank Internet schnell mal geschrieben ohne das die Autoren persönlich in dem jeweiligen Ort oder Gegend überhaupt recherchiert haben.Es kommt auch immer darauf an, welche Gesinnung ein Jornalist zu einer Sache hat,und so fallen auch am Ende seine Kommentare aus.

    Nun ja, ich bin mir sicher, dass sich der Kollege Bartetzky mit der Materie weitaus besser auskennt als wir alle zusammen und genau weiß wovon er schreibt, obwohl er unser aller Meinung nicht trifft:

    Bartetzky studierte Kunstgeschichte, Germanistik, Philosophie und Geschichte in Freiburg, Tübingen und Krakau sowie Architektur in Berlin. 1995 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter und 2011 Fachkoordinator für Kunstgeschichte am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig. 1998 wurde er an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg promoviert. Lehraufträge nahm er in Leipzig, Jena und Paderborn an. Außerdem ist er Dozent an der DenkmalAkademie. Er wirkt u.a. als Kunst- bzw. Architekturkritiker für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (seit 1999), für die Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und als Herausgeber der Reihe Visuelle Geschichtskultur im Böhlau Verlag.

    Die DenkmalAkademie gehört übrigens der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, falls jemand weiterhin behaupten möchte, Herr Bartetzky würde die Sache nicht objektiv betrachten können. Ich bekomme hier immer mehr den Eindruck, dass man jeden, der nicht zu dem gleichen Schluss kommt wie wir, in eine politische Ecke stellt und jegliche Sachkompetenz abspricht. Das ist unseriös und zeugt nicht gerade von gutem Diskussionsstil.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

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  • Aha, Herr tegula muss jetzt also das letzte Wort haben. alles andere wurde offensichtlich gelöscht. Dies obwohl dem letzten Beitrag sehr sachlich und kompetent widersprochen worden ist. Aber kompetenter Widerspruch ist offensichtlich nicht genehm.

    Und wenn man einen derartig tendenziösen, gehässigen Artikel, nur weil er von einem gewissen Bartetzky stammt. nicht als rekofeindlich bezeichen darf (und die Wortwahl "hetzerisch" gleich als ebenso "hetzerisch" bezeichnet wird - gegen wen übrigens?),
    wenn man solchen Kommentaren:

    Zitat

    Im Fazit wird es nochmal deutlich: Die Rekonstruktion wird ein Erfolg sein.

    nicht widersprechen darf, weil man vermeint, doch ein bisschen besser zwischen den Zeilen zu lesen können:


    Zitat von Bartetzky

    Denn Rekonstruktionen sind, das haben wir inzwischen gelernt, vordergründig immer ein Erfolg.

    (was heißt da eigentlich ZWISCHEN den Zeilen?
    Da tut wer so, als sei ihm die Bedeutung von "Vordergründig", dh die negative Konnotation unbekannt.)

    - dann erübrigt sich JEGLICHE Diskussion über Rekonstruktionen. Lassen wir doch die Fachleute, Denkmalschützer, Kunsthistoriker und Architekten unwidersprochen und unwidersprechbar zu Wort kommen. Sans doute wäre die Rekobewegung besser gefahren, hätte sie auf diese vertraut.

    Kurzum: was diskutieren wir hier noch? Fachmann Bartetzky hat klipp und klar ausgesprochen, dass es besser wäre, auf
    diese Rekonstruktion zu verzichten.
    Dann schließen wir aber auch den Strang "Denkmalschutz in der Kritik". Am besten gleich das Forum.

    Zitat

    ...und genau weiß wovon er schreibt, obwohl er unser aller Meinung nicht trifft:

    Warum eigentlich, tegula? Warum trifft Bartetzky deine Meinung nicht? Warum bist du für die GK- Reko? Erklär uns das bitte mal.


    -

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Aha, Herr tegula muss jetzt also das letzte Wort haben.

    Könntest du bitte diese Unterstellungen unterlassen! Ich habe mich an der Diskussion auf den letzten Seiten überhaupt nicht beteiligt. Wie du selbst richtig bemerkt hast, ist einiges weggeschnitten worden und offensichtlich war man der Ansicht, dass mein Post das letzte war, das mit dem Thema zu tun hat. Das gilt zugegebenermaßen für diese ersten Zeilen hier nicht mehr. Aber da du hier die Tatsachen verdrehst und gerne auch mal den Usern sogar Zitate in den Mund legst, die die nie geschrieben haben, möchte ich diese Unterstellung nicht unwidersprochen stehen lassen.

    Warum eigentlich, tegula? Warum trifft Bartetzky deine Meinung nicht? Warum bist du für die GK- Reko? Erklär uns das bitte mal.

    Eigentlich sollte man auf solch provokanten Fragen nicht antworten, aber nun gut.

    Da ist zunächst einmal die emotionale Schiene: Als Kunsthistoriker und Liebhaber historischer Architektur blutet mir das Herz beim Anblick der Kriegsverluste und der Jahre danach. Es ist in der Tat das, was viele Rekonstruktionskritiker nicht ganz zu Unrecht anprangern: Es ist der Wunsch nach der Wiederauferstehung dessen, was nicht mehr existiert, auch wenn es nur ein Abbild ist. Aus Sicht eines Bauforschers, der ich ja auch bin, eine fragwürdige Sichtweise.

    Kommen wir zu den objektiven Kriterien: Ich bin der Ansicht, dass trotz aller berechtigter Kritik, die Bartetzky und andere ansprechen, Potsdam letztlich profitieren wird: Touristisch, wirtschaftlich und letztlich auch in Fragen der Identitätsstiftung, was wiederum der Bevölkerung in mehrfacher Hinsicht zu gut kommt. Entscheidend wird ein ausgewogenes und nachhaltiges Gesamtkonzept für die Altstadt von Potsdam sein. Das ist nicht allein an der Garnisonkirche fest zu machen.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Der Verweis auf die wissenschaftliche Vita von Herrn Bartetzky geht doch völlig ins Leere: hier im Forum sind auch viele Akademiker und die wissenschaftliche Beschäftigung mit Architektur macht einen nicht zwangsweise klüger und kompetenter in der Beurteilung. Was Kunsthistoriker über Architektur erklären ist mitunter genauso bizarr wie das, was Kunstkritiker über Malerei schreiben. So mancher Künstler kann nur den Kopf schütteln.

    Hier geht es doch zuvörderst um einen klaren Richtungsstreit in der Denkmalpflege, der so alt ist wie die Denkmalpflege selbst. Es geht um die Frage ob die Substanz eines Denkmals im Vordergrund steht oder eben auch die architektonische Form und die Wirksamkeit des Baus im Stadtbild. Hier ist die Mehrheitsmeinung der Denkmalpflege der Ansicht von Herrn Bartezky, dass Wiederaufbauten wie die Garnisonkirche nichts mit Denkmalpflege zu tun haben, die Potsdamer Denkmalpflege gehört jedoch zum Minderheitenflügel. Der Stadtkonservator Potsdams hat hierzu sogar eine eigene, neue Definition geschaffen, den sog. Erinnerungsbau:

    "Eine Erinnerungsarchitektur ist ein Ausdruck aktuellen Bauens, welche am originalen Standort eines materiell weitgehend untergegangenen Bauwerks durch Rückgewinnung bzw. Bezugnahme auf wesentliche Gestaltungselemente der verlorenen Architektur an diese zu erinnern versucht, ohne sie zu kopieren. Dabei hängt einerseits der erzielbare Näherungswert an das Original von der Überlieferungsqualität und -menge ursprünglicher Dokumente, zeichnerischer, schriftlicher, fotografischer und baulicher Art, ab. Andererseits kann in den meisten Fällen nur eine den aktuellen Nutzungsbedürfnissen und den aktuellen Baunormen angepasste neue Architektur entstehen und so ist eine Rekonstruktion im klassischen Sinne von vornherein weitgehend ausgeschlossen und wird auch gar nicht erst angestrebt.

    Die Erinnerungsarchitektur legt Zeugnis dafür ab, wie verlorene historische Gestaltqualitäten zur Rückgewinnung bzw. Reparatur eines größeren Bauensembles in die aktuellen Daseinsformen einer Stadt oder anderer baulicher Zusammenhänge gelingen kann.
    Die Grenzen zur Rekonstruktion können dabei allerdings fließend sein und hängen in ihrem Gelingen von den politischen, rechtlichen und ökonomischen Grundvoraussetzungen ab.

    Mit Hilfe der Erinnerungsarchitektur kann an frühere künstlerische Qualitäten und auch an die Tragik ihres Verlustes erinnert werden. Sie kann auch als eine Art von Modell 1:1 verstanden werden, um durch die haptische Erfahrung eine frühere Erscheinungsform architektonischer Zusammenhänge besser verstehen zu können und sie somit nachvollziehbar zu gestalten. Der Übersetzungsfaktor von Alt zu Neu spielt also eine wesentlich größere Rolle in einem derartigen Prozess als die akribische wissenschaftlich abgesicherte Wiederholbarkeit einer verlorenen Form." Stadtkonservator Andreas Kalesse

    Herr Bartetzky will in dieser Beziehung auch gar nicht, wie behauptet, objektiv sein. Der Text in der FAZ ist journalistisch der Gattung Polemik zuzuschreiben und wird sicher auch von Bartetzky als solcher verstanden. In dem Streit um die Denkmalpflegetherien hat es seit der berühmten Rede von Dehio 1912 keinen "Sieg" des einen oder anderen Lagers gegeben und wird ihn auch künftig nicht geben. Jede Stadt muss sich nur orientieren, welchen Weg es gehen möchte.

    Zusätzliche Schärfe bekommt der Streit durch die geschichtspolitische Dimension. Hier wird - auch von Herrn Bartetzky, die wissenschaftliche Basis verlassen und ausschliesslich politisch argumentiert. Dass man mißliebige politische Denkmale versucht dadurch in Mißkredit zu bringen, dass man deren Verbindung mit totalitären Regimen in den Vordergrund schiebt, ist ein bekanntes Vorgehen, führt aber in Potsdam nicht weiter. Hier ist alles irgendwie mit Preußen verbunden und Preußen durch die Nazis mißbraucht und letztendlich exekutiert worden. Den Wiederaufbauern aber geht es letzendlich um die städtebauliche Wirkung des "schönsten Barockturms Norddeutschlands" (Baedecker) und die Geschichte des eigentlichen Begründers des modernen Potsdam, Friedrich Wilhelm I.

  • Nun ja, ich bin mir sicher, dass sich der Kollege Bartetzky mit der Materie weitaus besser auskennt als wir alle zusammen und genau weiß wovon er schreibt, obwohl er unser aller Meinung nicht trifft:

    Nun, wie man zu so einer Ansicht gelangen kann, und dann auf die wissenschaftlichen/beruflichen Meriten dieses Herren verweisen kann erschließt sich mir allerdings auch nicht ganz. Das Stück basiert ja eben überhaupt nicht auf berechtigter/nachvollziehbarer Kritik sondern ist ein mit spitzer Feder geschriebenes Pamphlet gespickt mit Halbwahrheiten eines offensichtlichen Gegners. Wer hier im Faden die letzten Jahre mitgelesen hat, weiß das. Das darauf auch entsprechend reagiert wird, wundert mich also nicht.
    Mir kommt es so vor, als sei er angefragt worden, zu diesem Thema zu schreiben aufgrund seiner unbestreitbaren beruflichen Leistungen, vom Thema Garnisonkirche und der Situation vor Ort allerdings nur eine maximal oberflächliche Kenntnis hat.


    Zitat von ursel

    dann erübrigt sich JEGLICHE Diskussion über Rekonstruktionen. Lassen wir doch die Fachleute, Denkmalschützer, Kunsthistoriker und Architekten unwidersprochen und unwidersprechbar zu Wort kommen.

    Das kann man so unterschreiben, im Prinzip ist die ganze Existenz diese Forums schon eine Herausforderung der gängigen Denkmal/Baudoktrin.

  • Der Stadtkonservator Potsdams hat hierzu sogar eine eigene, neue Definition geschaffen, den sog. Erinnerungsbau (...)

    Ein - wie ich finde - wirklich sehr guter Text, der die durchaus komplizierten Sachverhalte sehr treffend und richtig beschreibt.
    Eine (wie hier in Postdam, Berlin oder Dresden weitgehende Rekonstruktion IST eben kein Denkmal und hat auch nichts mit Denkmalpflege zu tun. Das würde auch ich niemals behaupten wollen.
    Das Problem liegt aber darin, dass die Denkmalpflege in Dtl. fast überall so vehement dagegen ist - dem widerspreche ich. Ich finde, man sollte da entspannter werden, denn was mich nicht betrifft, geht mich auch nichts an.

    Die Denkmalpflege /solltemuss Rekos nicht fordern, aber ich verstehe einfach nicht, dass, man immer wieder so dagegen schießt. Gerade die denkmalpflege sollte m. E. tieferes Verständnis für Reko-Bewegungen aufbringen können, da man dort ja eigentlich wissen sollte, was die zerstörten Bauten sowohl als Einzelbauwerk wie auch in städtebaulicher Hinsicht wert waren (und so argumentoiert ja auch Kalesse). Immer deutlicher wird, dass die Denkmalpflege, die leider überall immer stärker in ihren Rechten und Befugnissen eingeschränkt wird, hier einen regelrechten Stellvertreterkrieg führt...

    Man kann letztlich sogar kunsthistorische Untersuchungen an Rekos durchführen, wenn diese weitgehend originalgetreu geworden sind. So unterscheidet sich die heutige Frauenkirche in Dresden eben nicht wesentlich von dem 1945 untergegangenen Bauwerk. Niemand käme auf den Gedanken, man stünde am Dresdner Neumarkt vor der "Frauenkirchen-Kopie". Baugeschichtliche Untersuchungen kann man an dem heutigen Bauwerk hingegen nur noch machen, wenn man irgendwann einmal technische Details der späten 1990er Jahre sucht, nicht aber wenn man barocke Putze und Farben, die originalen Malereien Grones oder die Sicherungsanker Bährs oder gar barocke Möbel und Tapeten in den Betstübchen sucht. DAS geht eben nicht mehr.

    Der kunsthistorisch-städtebauliche und v. a. insgesamt kulturelle Gewinn (abgesehen von dem enorm wichtigen Versöhnungseffekt) ist bei der FK aber so dermaßen hoch, dass mittlerweile fast jede Kritik daran verstummt ist. Anders wird es in 10-15 Jahren letztlich auch mit der wiederaufgebauten Potsdamer Garnisonkirche nicht gehen.

    Eine ideologiefreie Sichtweise wäre hier allgmein - wie in anderen Zusammenhängen aktuell ja auch - sehr wünschenswert.

  • Ich finde, man kann den Text sachlich schon kritisieren, zumindest aus APH-Sicht, weil er schon sehr tendenziell ist und eben sehr wenig differenziert. Allerdings ist es eben ein persönlicher Kommentar eines Autors zu einem Thema, es ging ja weniger um eine wertneutrale Darstellung der Situation sondern um eine persönliche Einschätzung. Ich sage voraus, wenn ich oder ein anderer hier einen Text zur Garnisonkirche verfasst hätte und jemand aus der Gruppe von "Potsdams Mitte neu denken" hätte ihn in der FAZ gelesen, würde dieser uns das gleiche vorwerfen, was wir jetzt umgekehrt tun.

    Es gibt eben diese zwei Sichtweisen auf die gleichen Fakten, die eine Gruppe sieht es eher so, die andere eben anders. Fakt ist doch, dass bei den meisten großen Projekten letztlich die Linie der Rekonstruktion mehr überzeugen konnte. Ob Berliner Schloss, Potsdamer Schloss, Barberini, Frauenkirche, Neumarkt, Dom-Römer und und und, die Liste ist ja mittlerweile erstaunlich lang, überall hat man nach reiflicher Überlegung und sehr kritischer Begleitung durch die Medien dann doch die Rekonstruktion oder die Adaption gewählt.

    Und ich bin mittlerweile für kritische Kommentare sogar ab und zu dankbar, weil es trotzdem zum Nachdenken anregt und bei mir auch zu neuen Argumentationsketten führt, eben warum diese Leute nicht recht haben. Und dann ist es eben ein Willensbildungsprozess, dem ich mich mittlerweile gerne stelle, weil es dann darum geht, wer kann seine Argumente besser vorbringen, wer ist näher bei den Menschen, wer kann besser erklären, warum ein Bau an diesem Ort nun angemessen ist oder nicht. Also seht es nicht immer als Angriff, sondern als Herausforderung.

    Und ich gebe zu, dass bei vielen Rekostruktionen die inhaltlichen Argumente der Gegner sehr schwach sind, die gegen Rekonstruktionen vorgebracht werden, daher hatten sie auch bislang wenig Erfolg und tun sich zunehmend auch immer schwerer, diese Blockadehaltung aufrecht zu erhalten.

    Ich finde, die Garnisonkirche stellt eben eine besondere Herausforderung dar, eben weil das historische Erbe speziell ist und mit einer Frauenkirche und einem Berliner Schloss nicht zu vergleichen ist. Ich kann also Leute verstehen, die aus ihrer inneren Haltung bei diesem Bau gewisse Probleme haben, auch wenn ich sie nicht teile, aber man muss akzeptieren, dass andere in der Abwägung innerer Argumente vielleicht zu anderen Bewertungen kommen und das ist ja auch völlig okay.

    Aber dann ist es an uns, diese Argumente zu kontern und eben eine andere Darstellung und ein anderes Bewertungskonzept vorzustellen. Ich denke, dass das der richtige Weg ist. Man kann doch jede These dieses Autors mit einer Gegenthese beantworten, unsere Sicht der Dinge darstellen. Dadurch wird man glaubwürdig. Wenn man aber den ganzen Artikel generell direkt verteufelt, macht das wenig Sinn, weil man dann selber unglaubwürdig wird.

    Was ich aber sagen muss, ist auch, dass man sich von wissenschaftlichen Titeln und Ausbildungsdetails nicht blenden lasssen soll, nur weil jemand an der Uni war oder einen Doktor hat, hat er nicht automatisch recht. Qualifikation zeigt sich an Inhalten, nicht an Titeln. :lachentuerkis:

    APH - am Puls der Zeit

  • Ich fürchte es sind eben nicht "zwei Sichtweisen auf die gleichen Fakten" sondern es geht um die zuletzt angesprochene Dimension, nämlich die geschichtspolitische.

    Hier wird seitens der meisten Kirchenaufbaugegner a) der Tag von Potsdam, diese Inszenierung der Nazis, als Totschlagargument gegen die Kirche verwendet und b) alle konservativen und kaiser- bzw. königstreuenhaltungen der Zeit der Weimarer Republik undifferenziert mit unter der NS-Rubrik verbucht. Diese Argumentation entspricht weitgehend der sozialistischen Staatspropaganda und hat mit den ganzen Fragen des Denkmalschutzes rein gar nichts zu tun.

    Ich denke hier ist schnell Eingkeit herzustellen, dass die Erklärung der Katastrophen des 20. Jahrhunderts nicht ausschliesslich dadurch herbeigeführt wurden, dass alle politische denkenden Menschen rechts von Friedrich Ebert Nazis gewesen sind (und in der Folge alle Wiederaufbaufreunde ebenfalls entweder Nazis oder deren nützliche Idioten sind). Dieser Effekt geht tief in die Tagespoltik, so dass ich diesen hier gar nicht weiter beleuchten will.

    Entscheidend ist, da bin ich mit mit vielen Kunsthistorikern einig, dass richtig gute Baukunst eben häufig politisch ist.
    - Deshalb steht die Garnisonkirche erstens - bei allen Friedensgebeten - natürlich für die preußische Staatsidee und deren Auffassung von Kunst in ihrer Zeit.
    - Zweitens ist die Kirche Ausdruck der Baupolitik des Soldatenkönigs, der aus regionalgeschichtlicher Sicht nunmal der Gründer des modernen Potsdams ist - ohne ihn wäre die Stadt ein abseitiges Dorf abseitig der Handelsstraßen geblieben. Es ist bezeichnend, dass Potsdam jüngst eine Erbschaft mit Geld für die Wiederaufstellung des Soldatenkönigs ausgeschlagen hat während im so geschichtsvergessenen Berlin Fridrich Wilhelm I. sowohl in Neukölln als auch in Mitte (gegenüber der Parzeizentrale der Linken) stehen darf. Deshalb scheint mit vor allem eine Aufarbeitung der Regierungszeit des Soldatenkönigs notwendig, deren Sicht heute von den üblen Schmähungen seines Sohnes geprägt ist.
    - Drittens ist der Turm für die Komposition der Stadt (Potsdam ist ja keine "gewachsene" Stadt sondern eine die in ihren Grundzügen in wenigen Jahren entstanden ist) enorm wichtig. Der Turm setht im goldenen Schnitt zischen dem Neustädter Tor und dem vermessungstechnischen Zentrum der Stadt, dem Stadtschloß. Der Turm steht exakt auf der gleichen Linie wie die Verbindung von Heilig-Geist-Turm und Nikolaikirche. Ergliedert die Altstadt und schafft so entscheidende Bezüge.

    Diese Bezüge sollten wir uns nicht durch die NS- und DDR-Propaganda, die in diesem Punkt ja erstaunlich gleichgerichtet erscheint, nicht zerreden lassen.

  • Nachdem wir alle den Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) gelesen haben und es auch dieses Mal nicht immer möglich war innerhalb des Forums diesen Bericht sachlich miteinander zu diskutieren, hat sich Potsdamer Neuste Nachrichten (PNN) am 28.11.2017 ebenfalls mit dem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) beschäftigt.

    http://www.pnn.de/potsdam/

  • Ich weiß gar nicht wieso man zu dem Thema so intensiv diskutieren muss. Dabei geht es doch nur um die einfache Faustregel

    Linke: GK>Voll Nazi!

    Das ist ja das Schöne an unserer Zeit, dass sich die kulturpolitischen Kontroversen so knapp zusammenfassen lassen, weil sie gar nicht subtiler sind. Nun muss eben jeder wissen, wo er sich positioniert, und zu wessen nützlichem Idioten er sich im Zweifelsfall macht.

    In dubio pro reko

  • Stimmt, und das hasserfüllte "Voll Nazi" aus dem (linken) Feuilleton, den Neudenkern oder der Ex-SED richtet sich erstaunlicherweise immer nur gegen die Garnisonkirche oder andere preußische Bauwerke. Ich habe noch nicht mitbekommen, dass man sich in diesen Kreisen (die ja stets auf dem Hochsitz der Moral sitzen) etwa über die Tatsache echauffiert hätte, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium in Berlin im ehemaligen Gebäude des "Stellvertreters des Führers" untergebracht ist, oder das Bundesfinanzministerium in Görings "Reichsluftfahrtministerium", in dem u.a. die sog. "Endlösung der Judenfrage" und andere Verbrechen initiiert wurden. Sind diese Gebäude etwa nicht historisch kontaminiert?? Warum wird immer nur die Garnisonkirche von diesen Kreisen mit Jauche überschüttet? :gehtsnoch:

    Ist es jener Handschlag als Teil einer betrügerischen Propagandaveranstaltung von J. Göbbels (und einer paar in den Vorjahren ein und ausgegangenen DNVP-Anhängern) wirklich wert, dass man der Kirche für alle Zeiten ihr Existenzrecht abspricht?? :gehtsnoch: Ich begreife diese "Logik" nicht.

  • [...] Ist es jener Handschlag als Teil einer betrügerischen Propagandaveranstaltung von J. Göbbels (und einer paar in den Vorjahren ein und ausgegangenen DNVP-Anhängern) wirklich wert, dass man der Kirche für alle Zeiten ihr Existenzrecht abspricht?? Ich begreife diese "Logik" nicht.

    Wahrscheinlich weil du den wirklichen Grund für die Bekämpfung seitens der Gegner nicht erkennst. Nicht die Feier zur Reichstagseröffnung und der Handschlag sind der Grund, sondern warum sie dort stattfanden. Nicht die Monarchisten, Konservativen und Radikalen die ein und aus gingen sind der Grund, sondern warum sie es dort taten.

    Und der Grund ist das, was die Bundesregierung mit "Projekt von nationaler Bedeutung" beschreibt.

    Der Kern Deutschlands war Preußen. Berlin war Preußens Verwaltungsapparat, sein "Gehirn", Potsdam dagegen war sein "Herz". Und das Wahrzeichen Potsdams war die Garnisonkirche. Ein zentraler Ort des nationalen Bewusstseins und Identität des 2.Reiches und Preußens.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.