Potsdam - Garnisonkirche

  • Hallo Rastelli,

    ja, Stadtreparatur: das ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich hier die Christen und Nicht-Christen und Nicht-mehr-Christen nur einigen können. Wenn Du es Kulisse nennen möchtest, bitte. Ein Wort schärfer und Du bist dann nicht mehr weit von denen entfernt, die die Kirche und deren dann sichtbares Symbol in Potsdams Mitte, mit allen Mitteln bekämpfen.

    Dann ist auch das Stadtschloss Kulisse für den Landtag und das Barberini Kulisse für die Kunst. Meines Erachtes gibt es nichts besseres, als eine von allen beachtete Kulisse, die die Aufmerksamkeit auf das Innere lenkt.

    Und auch Friedrich Zwo wurde immer wieder bei seinem Stadtumbau Potsdams vorgeworfen, nichts Anderes, als (leere) Kulisse in der Stadt zu produzieren. Heute gilt diese Kulisse als schönste Ausprägung Potsdams.

    Und nein, ich widerspreche! Man hätte nicht diese Schriftart wählen müssen. Dies zeugt nur vom dogmatischen Denkmalschutzanspruch: jegliche Zutat oder Änderung muss als "Bruch" sichtbar werden. Über Jahrhunderte haben wir nicht brechend gebaut, sondern ERGÄNZEND! Und nur weil unsere Vorväter so gehandelt haben, waren unsere Städte schön. Genau das ist übrigens wieder der kleinste gemeinsame Nenner: hier geht es vornehmlich um Schönheit. Erst an zweiter Stelle steht momentan der Zweck, die Verkündigung. Erst wenn der vollständige Trum steht, wird dieser Zweck an erste Stelle treten können.

    Und ich hoffe inständig, dass die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz sich danach nicht am Krichenschiff -DER EIGENTLICHEN KIRCHE- vergreift und vergeht! Denn dort gilt dann wiederum, was momentan beim Turm an erster Stelle steht.

    Gruß Luftpost

    PS: in ergänzender Schriftart und Machart wären die Sprüche eine akzeptable Zutat gewesen. Doch in dieser Art: Chance zu Einen, zu Versöhnen verpasst, stattdessen neue Zwietracht gesät!

    Einmal editiert, zuletzt von Luftpost (15. März 2019 um 10:50)

  • Die Bodoni ist eine klassische Lateinschrift und hat im Russischen keine Tradition. Die Fotos von Potsdam-Fan zeigen vor allem den russischen Text. Ich muss sagen, dafür passt die Schrift sehr gut.

    Gegen den Spruch habe ich nichts. Die Umsetzung ist aber trotzdem nicht des Bauwerks würdig. Es handelt sich eben nicht um ein Hochhaus in Frankfurt oder sonstwo an dem ein Architekt sich etwas spielt und am Sockel einen hippen Spruch anbringen will, und es trotzdem möglichst billig werden soll.
    Off Topic: Übrigens gibt es sehr wohl kyrillische Schriften die sich an der Bodoni eng anlehnen, wenn mich nicht alles täuscht hat sogar G. Bodoni selbst eine entworfen und in seinem Handbuch der Typographie veröffentlicht. Auch damals hatte man schon den internationalen Markt im Blick.

  • @Luftpost
    Im Turm wird es eine Kapelle geben, und wenn die geweiht ist, dann ist der Turm bereits eine Kirche. Ich hatte mich über den Widerspruch gewundert, dass einige Leute sich kirchenfeindlich äußern, aber die Garnisonkirche wiederhaben wollen.

    Meines Erachtes gibt es nichts besseres, als eine von allen beachtete Kulisse, die die Aufmerksamkeit auf das Innere lenkt.

    Aber was soll hier dann das Innere sein? Die anderen Bauten, die du genannt hast, hatten bei Beginn des Wiederaufbaus ein klares Nutzungskonzept. Für die Garnisonkirche ist eine kirchliche Nutzung vorgesehen. Wenn aber einige keine Kirche wollen, dann haben wir im Innern eine Leere. Ich bin nicht der Meinung, dass die Garnisonkirche zur Stadtreparatur gebraucht wird.

    Ich wundere mich über deinen kirchenfeindlichen Ton. Die Garnisonkirche gehört doch der Landeskirche. Warum sollte die sich an ihr "vergreifen und vergehen"? Und nein, die Kirche will nicht Zwietracht säen, sondern sie tritt für Versöhnung und Frieden ein.

  • Kurz drei Dinge:

    1. Die Sockelinschrift ist inhaltlich nicht zu beanstanden, wohl jedoch in ihrer Größe, Aufdringlichkeit und Pseudo-Internationalität. Die Errichtungswidmung des Soldatenkönigs, der sich angeblich so wichtig genommen hatte, fiel jedenfalls deutlich bescheidener und künstlerischer aus. Die gezeigte Wurmschrift ist auch keine "Bodoni" sondern eher eine DIN-Normschrift. Grausam.

    2. Die Entscheidung zur Wiedererrichtung (vorerst) des Turms ist aus weit überwiegendem Teil aus Gründen der Stadtreparatur zustande gekommen. Die Kenner des Grundrisses der Potstdamer Altstadt werden die Gründe sofort wissen (Dreikirchenachse, Gestaltung und Varianz in der Breiten Straße, Dominante am Stadtkanal, Proportion zum Neustädter Tor, Aufwertung Waisenhaus und Hiller-Brandtsche-Häuser). Anderen wird sich die städtebauliche Notwendigkeit erst nach Fertigstellung erschliessen (wie z.B. Rastrelli), aber das ist auch nicht schlimm. Gut Ding will Weile haben und es ist in der Geschichte von Rekonstruktionen noch kein fall bekannt geworden, in dem die Menschen die Rekonstruktion bereut haben und den Bau wieder abgetragen haben.

    3. Von der Nutzung her ist eine Kirche und ein Kirchenzentrum. Hier konzentriert sich auf der einen Seite die "Friedensarbeit" der Kirche (die man bewerten kann wie man mag) und auf der anderen Seite die Auseinandersetzung mit dem Deutschen Widerstand (zu dem man auch unterschiedliche Haltungen haben kann. Daß es bei solchen Themen immer auch andere Stimmen und Meinungen gibt ist selbstverständlich, das widerspricht aber nicht dem Vorhaben als solches.

    Aber auch Kirchen unterliegen Wandlungen. Warten wir doch ab welches Profil die neue Garnisonkirche in 20 Jahren haben wird und erfreuen wir uns am Wachsen eines so schönen barocken Turmes.

  • @Rastrelli Auch von meiner Seite nichts gegen den Bibelvers* an sich.

    Warum moralisierend? Die Auswahl der Sprachen spielt auf den 2. Weltkrieg an, der mit der Garnisonkirche nicht unmittelbar in Beziehung steht. In der Friedenskapelle im Inneren mag das angehen, aber eben nicht an so prominenter Stelle.

    Warum kulturlos? Zu allen Zeiten vermittelten Kirchenbauten Botschaften durch Bauplastik, Malerei und auch Schriften. Diese Schrift, in dieser Machart, an dieser Stelle hat für mich aber nichts mit der abendländischen Kultur zu tun.

    Darauf muß man nicht mit Haß reagieren, aber Häme ist durchaus angebracht.

    *EDIT: Genau genommen ist es eine Ableitung aus einem Bibelvers: Aus einer Verheißung (...um unsere Füße zu richten/auf daß er richte unsere Füße...) wird hier eine Bitte (Richte unsere Füße...).

    Einmal editiert, zuletzt von Citoyen (15. März 2019 um 14:23)

  • Und nein, ich widerspreche! Man hätte nicht diese Schriftart wählen müssen. Dies zeugt nur vom dogmatischen Denkmalschutzanspruch: jegliche Zutat oder Änderung muss als "Bruch" sichtbar werden. Über Jahrhunderte haben wir nicht brechend gebaut, sondern ERGÄNZEND! Und nur weil unsere Vorväter so gehandelt haben, waren unsere Städte schön.

    Ich teile deine Sichtweise uneingeschränkt, und ich frage mich (schon seit Jahren), wer sich als berufen erklärt hat, derartige Dogmen zu verkünden. Wieso tritt der Aspekt "Was dem Auge gefällt" hinter solchen künstlich erfundenen Leitsätzen so oft in den Hintergrund?

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    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • Übrigens habe ich als überzeugter Christ ebenfalls ein Problem mit dem Gebrauch des Bibelzitates in diesem Zusammenhang. Auf Deutsch heißt die vollständige Aussage bei Lukas "78 Unser Gott ist voll Liebe und Erbarmen; er schickt uns den Retter, das Licht, das von oben kommt.79 Dieses Licht leuchtet allen, die im Dunkeln sind, die im finsteren Land des Todes leben; es wird uns führen und leiten, dass wir den Weg des Friedens finden.«" (Übersetzung Gute Nachricht; Quelle https://www.bibleserver.com/text/GNB/Lukas1).

    Zacharias hatte damals über Jesus Christus gesprochen und über den Frieden, den seine zukünftige Versöhnungstat jedem, der dieses Geschenk annimmt, persönlich bringen wird.

    Um auf einer ehemaligen Militärkirche den Gegensatz von militärischem Krieg und Frieden zum Ausdruck zu bringen, taugt diese Aussage nicht.

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    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • Und wieder einmal finden einige das Haar in der Suppe und regen sich künstlich darüber auf. Merkt ihr eigentlich noch, wie lächerlich ihr euch und das Anliegen macht?

  • Danke! Lächerlich ist das passende Wort. Als stiller Mitleser schüttele ich eigentlich nur noch den Kopf.

    Ich freue mich, dass dieses Gebäude nun endlich gen Himmel wächst. Als überzeugter Atheist ist es mir auch völlig egal, welcher Zacharias oder Jesus oder sonst wer vor 2000 Jahren irgendwas über irgendjemanden gesagt haben. Ein schöner Spruch, der das Anliegen dieses Baus unterstreicht.

    Ich fiebere der Fertigstellung entgegen!

  • Ich finde die Schrift jetzt auch nicht berauschend, aber ein Bruch ist sie gewiss nicht. So etwas ähnliches könnte ich mir dann auch für die "Sichtbarkeit der Geschichte" im Kirchenschiff vorstellen in Form von z.B. Buntglasfenstern. Besser als ein Keil durchs Gebäude auf alle Fälle. (Keile und Brüche sind nämlich Ausdruck von Teilung, nicht Versöhnung, liebe EKD)

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Das Bibelzitat von Martintre macht deutlich, wie sehr sich die verschiedenen Bibelübersetzungen in der konkreten Wortwahl voneinander unterscheiden. Die für den Kirchturm gewählte Formulierung geht auf Martin Luther zurück, folgt also der preußischen Tradition. Dass das Zitat im Kontext eine etwas andere Nuance hat, ist richtig beobachtet. Aber es ist gängige Praxis der Kirche, kurze Textstellen aus größeren Zusammenhängen der Bibel herauszulösen.

    Die Entwurfsplanung für den Wiederaufbau machen Hilmer & Sattler und Albrecht. Das sind Garanten für gutes Bauen in historischem Kontext. Von ihnen stammt z.B. die Berliner Gemäldegalerie am Kulturforum und das Museum Barberini.

  • Konstantin, es muss heißen "Evangelische", und die aktuelle Lutherbibel ist natürlich von 2017. Wir hatten doch das große Lutherjahr, und da wurde mit einigem Medienrummel eine revidierte Bibelübersetzung präsentiert. Die Textstelle findet sich dort genauso wie auch in Bibeln, die vor langer langer Zeit von der Preußischen Hauptbibelgesellschaft herausgegeben wurden, vielleicht sogar schon in ganz frühen Drucken der Lutherbibel, aber das müssen wir hier nicht heraussuchen.

  • Ach, Rastrelli, ich sag' weiter Evangelen. Ist ja nicht mein Club - ich bin da mit 16 Jahren ausgetreten. Im übrigen ist die Textstelle in der Fassung gleich, aber schön, daß Du dein Wissen unterbringen konntest.

    Agon: Russisch passt doch gut. Die jüdische Gemeinde tagt ja gegenüber in der Mammonstraße und spricht zu 80 % russisch. Nur ob die was mit der Lutherübersetzung anfangen können?

  • Rastrelli gefällt mir heute. Endlich mal einer der das Evangelium hochhält und nicht das Kreuz von der Brust nimmt, wenn es eng wird. Können die Agnostiker sich mal ein Beispiel nehmen.