Wiesbaden - Jagdschloß Platte

  • Jagdschloß Platte, Wiesbaden

    Das hoch über Wiesbaden gelegene Schloß wurde 1823 für Herzog Wilhelm von Nassau durch Friedrich Ludwig Schrumpf erbaut. Das Jagdschloss Platte wurde in klassizistischem Stil errichtet. Es hatte einen quadratischen Grundriss, eine klare kubische Form und vier zurückhaltende Schauseiten. Nach seiner Fertigstellung wurde das Schloß hauptsächlich in den Sommermonaten genutzt, unter anderem waren hier der russische
    Zar Alexander II. und Kaiserin Eugénie von Frankreich zu Gast. Am Ende des Zweiten Weltkrieges war hier eine Flugabwehrleitstelle untergebracht. Das blieb der gegnerischen Aufklärung nicht verborgen, und so wurde es durch die Britische Luftwaffe in der Nacht vom 2. auf den 3. Februar 1945 bis auf die Grundmauern zerstört. Bis sich 1987 eine Initiative, die heutige "Stiftung Jagdschloss Platte e.V." gründete, verfiel die Ruine. Die Stiftung hat das Ziel, dass Schloß mithilfe von Spendengeldern vollständig wieder aufzubauen. 2003 wurde ein modernes Glasdach errichtet, welches das Gebäude weit auskragend überspannt und die historischen Formen zitiert.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Jagdschloss_Platte\r
    de.wikipedia.org/wiki/Jagdschloss_Platte
    http://www.wiesbaden.de/loader.php?menu\r
    http://www.wiesbaden.de/loader.php?menu ... chloss.php
    http://www.batusura.de/burgen/platte.htm\r
    http://www.batusura.de/burgen/platte.htm
    http://www.thorsten-reiss-verlag.de/Wie\r
    http://www.thorsten-reiss-verlag.de/Wie ... ten_3.html

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Himmelhergott, ich hoffe die Leute wussten, für was sie da gespendet haben ... hässlicher gehts ja wohl nimmer. :schockiert:

  • Und da soll mir noch mal ein Modernist behaupten, dass Lebendigkeit erst aus der Symbiose von Alt und Neu entsteht. Toter gehts nicht.
    Ich kann einfach nicht begreifen, warum man immer wieder solche Experimente macht, kann man nicht einfach grundsolide den Urzustand wiederherstellen?

  • Da ich vor Weihnachten Gelegenheit hatte, an einer Führung durch das Jagdschloß Platte teilzunehmen und neulich zum Schlittenfahren nochmal dort war, hätte ich ein paar Handy-Bilder anzubieten, anhand derer man sich ganz gut eine Vorstellung davon machen kann, wie diese eigenartige "konservierte Ruine" außen und innen wirkt.

    Wie von Stephan bereits angesprochen brannte das 1823-1826 erbaute Schloß 1945 komplett aus. Bombardiert worden war es, da sich im Innern eine FLAK-Leitstelle befand. Gut 40 Jahre dämmerte es als halbwegs standfeste, aber im Innern weitgehend zerstörte Ruine ohne Dach dahin. Ende der 80er wurde die Ruine gesichert und ab 2003 wieder aufgebaut - sofern man das "Wiederaufbau" nennen kann.

    Hier die Hauptfront:


    Zum Vergleich: Vorkriegsluftbild


    ...und eine Seitenansicht. Gut zu erkennen: Die Fassade ist instandgesetzt, aber nicht renoviert, um den Ruinencharakter zu erhalten - was im Innenraum noch konsequenter umgesetzt wurde.



    Das Treppenhaus - nur die untersten drei Stufen sind original erhalten - wurde weitgehend originalgetreu rekonstruiert (den Weihnachtsbaum müßt Ihr Euch mal wegdenken)


    Das Gestänge rechts im Bild ist nicht etwa ein Baugerüst, sondern die Stelzen einer Brücke, über die man direkt unter dem Glasdach über die Halle spazieren kann.


    Im ersten Stock geht man dann durch die sanierte Ruine - mit fast schon skurrilen Details: Das ist der einzige originale Säulenstumpf...



    während die anderen (in der Farbgebung ähnlichen, aber an der Oberseite auffällig glatten) Stümpfe aus Metall sind.





    Ruine, Ruine, wo man hinschaut - aber mit nagelneuem Parkettboden und Glasdach.


  • Ist ein zweischneidiges Schwert. Die Ruine ist erstmal gesichert, das ist m. E. vorrangig, dass es erstmal keine Reko geben würde, war ja klar. Dass der jetzige Zustand wenig erfreulich ist, wenn auch ein feuchter Traum vieler Denkmalpfleger, ist aber genauso klar. Auf jeden Fall danke für das Update, Schloßgespenst.

  • Vermutlich hat Chipperfield hier sein Vorbild gesehen. Dennoch ist die jetzige Lösung immer noch besser, als das Gebäude weiter als ungenutzte Ruine verfallen zu lassen.

    (Übrigens für eine Handy-Kamera eine vergleichsweise ausgezeichnete Auflösung. Meine ist dagegen richtig schrottig.)

  • Zitat

    Dennoch ist die jetzige Lösung immer noch besser, als das Gebäude weiter als ungenutzte Ruine verfallen zu lassen.


    ...wie es mit so vielen Schloßruinen weiter (und viel weiter) östlich leider immer noch passiert. Ich sehe das ähnlich.

    Ansonsten hatte ich übrigens den Eindruck, daß ich mit meinem leisen Gemoser über das fiese Glasdach relativ alleine dastand; ein Kollege erwiderte gar, es würde ja aber auch irgendwie komisch aussehen, wenn da jetzt plötzlich wieder das alte Dach draufkäme. (???)

    Zitat

    (Übrigens für eine Handy-Kamera eine vergleichsweise ausgezeichnete Auflösung. Meine ist dagegen richtig schrottig.)


    Stimmt. Aber dafür ist bei mir die eigentliche Digitalkamera schrottig und hat diverse Macken - so daß ich mittlerweile gut die Hälfte der "Forums-Fotos" mit dem Handy mache... :augenrollen:

  • und als was wird dieser Bau genutzt? Hat er überhaupt eine Nutzung? Nach den Innenaufnahmen ist da ja nicht gerade viel Platz für irgendwas.

  • @ Remy

    Ach ja, das haben wir noch nicht erwähnt: Man kann das Schloß (oder Teile davon) mieten für Feiern, Empfänge, Ausstellungen und alle möglichen gesellschaftlichen Anlässe. Insgesamt ist schon eine ganze Menge Platz da (wenn auch alles etwas zerklüftet ist); es gibt ja auch noch Erdgeschoß und Untergeschoß.

  • Gegen eine Sicherung der Schlossruine, verbunden mit zeitgenössischen Bauteilen ist ja an sich nichts einzuwenden. Was mich hierbei wirklich stört ist dieses übertrieben akzentuierte Glasdach, hätte das nicht dezenter ausgeführt werden können, ohne Vorsprung?
    Vielleicht sollte man sich mal fragen, wieseo die sog. Moderne sich (fast) immer das Recht herausnimmt, bei solchen Ruinenbelebungen als einzige Möglichkeit ausgeführt zu werden. Im Umkehrschluss sollten dann bei Modernisierungen von neuer Bausubstanz alte, historisierende Bauteile angebracht werden?? :?

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Ich vergaß zu erwähnen, daß damals, als mit dem Bau des Glasdachs begonnen wurde, in der Presse zu lesen war, auch das Argument der geringeren Kosten genannt wurde, mit dem die "Konservierung" der Ruine anstelle eines richtigen Wiederaufbaus gerechtfertigt wurde. Außerdem hieß es, man wolle durch diese Konstruktion künftigen Generationen die Möglichkeit erhalten, das historische Dach zu rekonstruieren.

    Ich bezweifele allerdings, daß - unabhängig vom finanziellen Aspekt - sich diese Generationen noch dazu aufraffen werden. Die Mehrzahl der Wiesbadener kannte nur die Ruine, zunächst die unzugängliche, später dann die in bescheidenem Umfang nutzbare Ruine (mit Dixi-Klo und mangels Heizung und Dach nur im Sommer und bei gutem Wetter; ich kenne Leute, die auf diese Weise ihre Abi-Fete dort gefeiert haben). In ein paar Jahrzehnten werden die meisten Leute nur die heutige Glasdach-Ruine kennen, die aber trocken und warm, und mit allem modernen Komfort ausgestattet ist. Welchen "Zugewinn" soll dann ein (ganz oder weitgehend) historischer Wiederaufbau noch bieten? Sofern man nicht so tickt wie die Nutzer dieses Forums.

  • Zitat von "Schloßgespenst"

    Welchen "Zugewinn" soll dann ein (ganz oder weitgehend) historischer Wiederaufbau noch bieten? Sofern man nicht so tickt wie die Nutzer dieses Forums.

    Zuerst mal ist ja nicht ausgeschlossen, daß in 10, 20 Jahren viel mehr Leute "so ticken", also ein neuer Zeitgeist entsteht, den ja auch Denkmalschützer a la Kiesow und BdA-Vertreter ständig ängstlich beschwören. Zudem ist der Zugewinn ein ganz einfacher. Wenn ich mir diese Glaskonstruktion ansehe, kann ich mir nicht vorstellen, daß sie in 10, 20 Jahren noch haltbar ist, zumal mit der - wenn ich das richtig erkenne - Konstruktion des Wasserablaufs über die Mitte des Daches und nicht über die Ränder. Abgesehen davon, daß ich mir überlege, wie heiß es dort im Hochsommer wird; In einigen Jahren wird es den Partygästen überall auf die Füße tropfen und den Parkett ruinieren bzw. dieses Dach ein Sanierungsfall werden. Dann stellt sich die Frage erneut.

  • Was ich noch nachtragen wollte:

    Ich war zwischenzeitlich mal auf eine Hochzeitsfeier im Jagdschloß eingeladen und habe das "Ding" nun also auch mal im Rahmen seiner bestimmungsmäßigen Nutzung erlebt. Mein Eindruck: Vom Ambiente ist das gar nicht so übel - mal was anderes, und ich habe schon schlechtere Örtlichkeiten für Hochzeiten gesehen.

    Aber: Die Akustik ist ziemlich miserabel. Tischreden, die ein paar Tische weiter gehalten wurden, konnte man praktisch nicht verstehen (die Leute hätten eigentlich ein Mikro gebraucht), und das habe ich noch bei keinem anderen Feierort so erlebt. Die Band, die später spielte, beklagte sich auch über die Akustik. Und das alles liegt mit Sicherheit an dem merkwürdigen Ruinencharakter mit den rohen Wänden, der riesigen Deckenhöhe mit Glasdach.

    Dies nur am Rande.

  • Wie kann man sowas bauen ? Jede grüne Wiese ist schöner als dieses Monstrum deutscher Bautechnik. Ästhetik scheint an Deutschlands Architekturfakultäten ein Fremdwort zu sein, bzw. eine rein philosophische Bedeutung zu besitzen. Der Architekt der dies verbrochen hat, sollte besser Brötchen backen.