Im Zusammenhang mit der Polemik um das geplante neue Hochhaus am Heumarkt und die drohende Aberkennung des Weltkulturerbestatus (wieso gibt's hier eigentlich noch keine Diskussion hierzu? Oder sollte ich sie nur übersehen haben?) hab ich eine Studie des Magistrats der Stadt Wien (Magistratsabteilung 21, Stadtteilplanung und Flächennutzung) gefunden, die sich mit der gewünschten zukünftigen Stadtentwicklung Wiens befasst und die mich schon etwas bestürzt:
https://www.wien.gv.at/stadtentwicklu…pdf/h000031.pdf
Zuerst wird der Begriff "Glacis" definiert, in dessen Bereich sich die Entwicklung abspielen soll, und das bedeutet den Bereich der alten Stadtmauer, welche im 19. Jhd abgetragen und durch die Ringstraße ersetzt wurde; dazu noch die Umgebung, welche nicht genau definiert und eher etwas schwammig umschrieben wird (Zitat): "Die Betrachtung der radialen Raumsequenzen, die diese Raumzone durchdringen, verlangt fallweise ein großräumiges Erweitern des Betrachtungsgebiets. Das gleiche gilt für die Auseinandersetzung mit großräumigen Blickbeziehungen (z.B. Achse Schwarzenbergplatz, Achse Belvedere, Wiental etc.)."
Nach viel Geschwurbel (natürlich alles korrekt gegendert mit z.B. für mich neuen Ausdrücken wie "FußgängerInnenzonen", haha!) finden sich u.a. folgende Aussagen (Unterstreichungen von mir):
Zum Hochhauskonzept Wien:
Da steht zuerst zwar:
"Das Hochhauskonzept Wien 2014 ordnet das ehemalige Glacis der Konsolidierten Stadt zu, in der für Hochhausentwicklungen der Grundsatz von Respekt und Zurückhaltung gegenüber der Qualität des Bisherigen gelten soll".
Was "Respekt und Zurückhaltung gegenüber der Qualität des Bisherigen" bedeutet, sieht man am aktuellen Projekt des Hochhauses am Heumarkt...
Dann steht weiter:
"Die Bereicherung des Stadtbilds durch Akzentuierung des Höhenreliefs in räumlich markanten Situationen - stadtstrukturellen Schnittstellen, Stadtkanten, Aktivitätspolen, innerstädtischen Entwicklungsgebieten etc. - kann dabei durchaus erwünscht sein. Die Hervorhebung und Stärkung markanter Punkte und Stadtkanten innerhalb der bestehenden Baustruktur durch Hohe Häuser (bis 35 Metern Höhe) und Hochhäuser (über 35 Metern Höhe), punktuelle Schwerpunktsetzungen, diskrete Vertikalentwicklung in zweiter, dritter Reihe und gezielten, das Umfeld belebende Systembrüche umreißen als Stichworte mögliche städtebauliche Verhaltensweisen für die Implementierung von Hochhäusern im Bereich der Konsolidierten Stadt. Unter Berücksichtigung der Maßstäblichkeit in Relation zum Bestand können Hochhäuser dann vertretbar sein, wenn sie der lokalen urbanen Anreicherung, der räumlichen und funktionalen Klärung, der unter stadttypologischen und stadtsoziologischen Gesichtspunkten sinnvollen Verwandlung der jeweiligen Situation zuträglich sind, strukturelle Defizite kompensieren helfen und die öffentliche Aneignung des Stadtraums unterstützen."
Dann zum Weltkulturerbestatus steht zuerst wieder etwas beruhigendes:
"Der Anspruch ist es, dass die Wiener Innenstadt in ihrer Authentizität auch weiteren Generationen erhalten bleibt."
Das wird dann aber dadurch wieder ad absurdum geführt, dass im nächsten Satz steht:
"Neben dem Schutz der Einzelbauwerke ist die weitgehende Bewahrung aber auch die zeitgenössische Weiterentwicklung des Stadtbildes im und im Umfeld der beiden Welterbegebiete von Bedeutung."
Also nix mit Authentizität...
Abschließend:
"Die aktuellen Diskussionen auf internationaler Ebene zeigen, dass sich zeitgemäße Stadtentwicklung und der Status des Welterbe per se nicht widersprechen. So wurde in den diesbezüglichen richtungsweisenden Dokumenten der UNESCO, dem Wiener Memorandum aus demJahr 2005 und der im Jahr 2011 von der UNESCO-Generalkonferenz verabschiedete Empfehlung "Historic Urban Landscape" beschieden, dass lebendige Städte wie Wien eben nicht zu einem Museum verkommen dürfen, sondern dass die Stadtentwicklung sehr wohl die Ansprüche einer modernen Stadt zu berücksichtigen hat. Es ist jedoch auf die Maßstäblichkeit und die Dimension neuer Bauwerke zu achten. Denn es ist das vorrangige Ziel, die sogenannte Authentizität einer Welterbestätte nicht negativ zu beeinträchtigen. Eine zeitgemäße Architektursprache steht keinesfalls im Widerspruch zum Welterbe, denn jede zeitliche Epoche verlangt nach ihrer eigenen Architektursprache, so das Wiener Memorandum."
Dass auf "Maßstäblichkeit und die Dimension neuer Bauwerkezu achten" sei, ist angesichts des Heumarkt-Hochhauses geradezu Hohn.
Hier zwei Visualierungen des geplanten Hochhauses:
http://images.derstandard.at/2016/05/13/eis…Artikelbild.jpg
https://lachkovics.files.wordpress.com/2014/07/beethovenp-1.jpg
Es steht also zu befürchten, dass, wenn das Hochhaus am Heumarkt wirklich gebaut wird, der zukünftigen Verschandelung des Wiener Stadtbildes durch weitere Hochhäuser am Ring oder sogar Eingriffe in das innere Zentrum Tür und Tor geöffnet werden.