• Es scheint sich immer mehr zu bewahrheiten, daß die Bauten der zeitgenössischen Moderne nur 30-40 Jahre Lebenserwartung haben und dann bereits wieder als überholt gelten. Der Neubau setzt auf das gleiche architektonische Repertoire wie der Vorgänger und wird demnach wohl auch nicht länger existieren. Nachhaltig und ökonomisch ist sowas nicht.

    In dubio pro reko

  • War auch zu erwarten, dass nix besseres nachkommt. Aber in Wien mit seinem prachtvollen Stadtbild sind solche Bausünden so dünn gestreut, dass der Wunsch nach Reko oder traditionellem Bauen einfach nicht vorhanden zu sein scheint. Man kann´s dort verschmerzen.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Das Thema Abriss von Gründerzeithäusern ist ja auch in anderen Strängen hier im Forum gerade aktuell. Dass der Abriss von Gründerzeithäusern nicht unbedingt etwas mit der Einwohnerentwicklung zu tun hat, sieht man am aktuellen Wiener Zinshausmarktbericht von Otto Immobilen 2013 (siehe Bild). Wien soll in den kommenden Jahren um weitere 300.000 Einwohner zunehmen...ob das gut ist, sei einmal dahingestellt?

    Aber erschreckend ist die Anzahl der Häuser von vor 1945, die in den letzen Jahren in Wien abgerissen wurden!!!

  • So, die Sau ist aus dem Sack gelassen...

    Wiens hässlichstes Plattenbauhotel, das Intercontinental, am Stadtpark wird leider nicht abgerissen, sondern wird im 70er Jahre "Stil" beklebt und bekommt noch einen steifen Penis anoperiert, der den Charme eines DDR Hochhauses versprüht!

    Wenn diese Bausünde am Stadtrand oder der Donauplatte stehe würde - Schwamm drüber, aber dieser Schandfleck steht umgeben von wundervoller Architektur (Stadtgartenamt, Palais Larisch, Konzerthaus, Akademisches Gymnasium, Kursalon und Otto Wagner Stadtbahnarchitektur)!!!

    Visualisierung:
    http://diepresse.com/home/panorama/…3MeterBau-kommt

    Da Wien leider (noch immer) von einer selbstgefälligen sozialistischen Stadtverwaltung regiert wird, die Wien architektonisch in den 70er Jahren verhaftet sieht, wird sich so schnell nichts an den katastrophalen Stadtentwicklungen ändern. Wenigstens hat die UNESCO bereits angekündigt, Wien von der Welterbeliste zu streichen, wenn dieses Umgetüm - das wichtige Sichtachsen stört - gebaut werden sollte! Nach all den Altbau-Abrissen, die in den letzten Jahren verbrochen wurden und bereits weiter geplant sind (sic!), frage ich mich ohnedies, weshalb Wien noch immer auf dieser "Best of" Liste stehen darf? Karl Lueger, der sicherlich beliebteste und beste Bürgermeister Wiens aller Zeiten, der Wien einstmals zu einer der schönsten Millionenmetropolen der Welt entwickelte, würde sich im Grab umdrehen, wenn er sehen würde, was seine bemitleidenswerten Nachfolger mit dieser ehemaligen Märchenstadt angestellt haben :kopfwand: !

    Wenn man sich die Leserkommentare ansieht, dann hat man aber wenigstens das gefühl, dass die Bürger sich nicht mehr weiter veraxxxxen lassen:

    Zitat

    Das übliche erbärmliche Geschwätz der Bauklotz-Versteher.
    Da fehlt dann nur noch das unvermeidliche und immer zitierte "Spannungsfeld" zwischen Alt und Neu, der Brücke zwischen dem alten Stadtkern und der unglaublichen Lebendigkeit der Moderne......

    Unerträglich!


    Zitat

    schaut aus, wie die Sozialbauten in Bratislava (Petrzalka & Biskupice), nur halt neu


    Zitat

    McDonalds-Architektur
    Sie wie ein Big-Mac überall gleich schmeckt, könnten diese beiden Klötze in Paderborn, Lima oder in Harbin stehen. Der Architekt hat sich nicht das geringste für Wien überlegt (so wie Chipperfield: siehe die Wiener Kopie von Innsbruck). Einfallslose, monotone Architektur. In Berlin ist man schon weiter und baute das alte Stadtschloss wieder auf. Die Provinz Wien glaubt sich noch mit Stahl-Glas Bauten modern zeigen zu müssen, und merkt nicht, wie gewöhnlich dies heutzutage ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Exilwiener (1. März 2014 um 21:28)

  • Das in der Peter-Jordan-Straße gelegene TÜWI (Türkenwirt), schräg gegenüber der altehrwürdigen BOKU (Universität für Bodenkultur) wird abgerissen werden. Ein leider in den vergangenen Jahrzehnten sehr vernachlässigter Gründerzeitler, der dem Verein für Kommunikation, Interaktion und Integration dient und als Haus der Studierenden genutzt wird:

    http://tuewi.action.at/de/node/10

    Anstelle dessen kommt ein gullimäßig vergitterter Kasten a la 60igerJahre hin, zwar mit mehr Raum und mulitfunktional von der BOKU genutzt, inklusive tiefer gelegtem Hörsaal, aber das gründerzeitliche Bokuviertel am wunderschönen Türkenschanzpark ist damit empfindlich gestört. Kenne die Ecke aus eigener Anschauung sehr gut! Typisch, angepaßtes Bauen scheint überhaupt kein Thema mehr zu sein.
    Schade drum, mein schönes Wien!

    nono:)disgust:)

    http://www.boku.ac.at/news/detailansicht/?tx_news_pi1[news]=25800&tx_news_pi1[controller]=News&tx_news_pi1[action]=detail&cHash=86930e805b8760a2969384d00bbdbdd2

    Damit es klarer wird, in welchem sensiblen Kontext hier modernistisch geklotzt werden soll:


    Hier das alte Bokuhauptgebäude Ecke Peter-Jordan-Str./Lineeplatz(Gregor-Mendel-Haus) in Neorenaissance ( gerade aufwändig in Restaurierung) mit kleiner Fotoserie!

    http://www.meinbezirk.at/wien-16-ottakr…en-d808336.html

    Etwa in Höhe des Fotosstandpunktes links an der Straße soll das neue Gebäude gebaut werden:


    Und hier das weiter oberhalb stehende etwas jüngere Wilhelm-Exner-Haus in barockisierenden Jugendstilformen:


    Ein Überblick zu den Gebäuden der Boku:
    http://www.boku.ac.at/universitaetsl…ichte/gebaeude/

    Bildmaterial: eigene Fotos!

  • Danke für die Info. Sehr schade um den Altbau, und bei dem Neubau zieht´s einem ja alles zusammen. Zu dem tollen Bokuhauptgebäude, das ja eindrucksvoll frei steht, passt das ja gar nicht dazu, wahrscheinlich wird eben diese monumentale Wirkung des Baus, die durch das Freistehen und den großen Garten im gezeigten Bild erzeugt wird, empfindlich beschädigt...

  • Das ist wirklich traurig! Bis auf die Hotelfachschule in der selben Straße handelt es sich bei dieser Gegend um eines der schönsten Gründerzeitvillenviertel Wiens! Die roten Kulturbanausen schaffen es tatsächlich immer wieder in jeden unverschandelten Stadtteil ein Monster hinzupflanzen.

    Um unseren bundesdeutschen Brüdern das Problem etwas nachvollziehbarer zu machen: Dieses Projekt ist vergleichbar, als wenn man mitten am Weißen Hirsch in Dresden den Kulturpalast einpflocken würde oder die Humboldt Info Box an den Potsdamer Griebnitzsee...

  • Ohne die Wiener Historismusspezifika zu kennen würde ich grob schätzen, dass das Haus in die 1860er Jahre gehört. Wenn man sich anguckt, was rundherum so an sicher noch vielfach spätbarocken Häusern rumsteht kann man nur sagen Glück im Unglück, rein bezogen auf den Denkmalwert.

  • Denkmalwert ist gut...in Wien werden jedes Jahr ca. 200 Altbauten abgerissen (vom Gründerzeithaus. über das Biedermeierhaus bis zum Barockhaus). Allein bei mir um die Ecke wurden gerade zwei Gründerzeithäuser und ein Biedermeierhaus abgerissen. Vor allem die wirklich alten Häuser mit nur einem Stockwerk sind Ziel von Bauträger, weil die Häuser relativ günstig sind und man ein Vielfaches an Geschoßen herausholen kann. Die wenigsten Gebäude in Wien stehen unter Denkmalschutz - leider. Auch so manches Barockpalais - man glaubt es kaum.

  • Ja, das ist mir im Abgleich mit den Wikipedia-Denkmallisten auch aufgefallen. Ich würde mal schätzen, dass nur ungefähr 25 % dessen, was wirklich denkmalwürdig ist, auch unter Denkmalschutz steht. Und da spreche ich jetzt nicht von irgendwelchen Zinshäusern der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, sondern von den vielen im Kern sicher noch barocken Vorstadthäusern und biedermeierlichen Vorgründerzeitlern der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, die es wohl selbst in Wien nicht mehr in Massen gibt.

  • Architekturhistorisch wohl kein großer Verlust bei dieser eher faden Fassade. Aber eine traurige Geschichte...

    Zitat

    Ich würde mal schätzen, dass nur ungefähr 25 % dessen, was wirklich denkmalwürdig ist, auch unter Denkmalschutz steht. Und da spreche ich jetzt nicht von irgendwelchen Zinshäusern der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, sondern von den vielen im Kern sicher noch barocken Vorstadthäusern und biedermeierlichen Vorgründerzeitlern der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, die es wohl selbst in Wien nicht mehr in Massen gibt.

    In Wien steht es mit dem Denkmalschutz wohl noch besser als im restlichen Österreich. Das ist direkt schockierend, welche Gebäude keinerlei Schutz erhalten. Vom Großteil der gründerzeitlichen Zinshäuser über zahlreiche im Kern spätmittelalterliche Wohnhäuser (siehe z. B. Wilhelmsburg, dort sind die meisten Häuser in der Altstadt im Kern noch aus dem 15/16. Jh.) bis zu mittelalterlichen Wehrbauernhöfen und spätgotischen Troadkästen (z. B. Wartberg ob der Aist und Pregarten)... alles ohne Denkmalschutz. Sowas gäb´s in Deutschland nicht ;)

  • Sowas gäb´s in Deutschland nicht


    Jedenfalls nicht in diesem Umfang. Da muss man schon feststellen, dass die Grundsätze der Unterschutzstellung in Österreich wohl deutlich anders sind und damit der Masse der erhaltungswürdigen Substanz kein Schutz zukommt. Vermutlich sieht es da sogar in Baden-Württemberg besser aus, aber das ist schwer zu beurteilen, da es dort öffentlich zugängliche Denkmallisten nur in wenigen Fällen gibt.

  • Nur so ein Vergleich:

    Wien eine Stadt mit knapp 2 Mio Einwohnern und einem unglaublich hohen Bestand an Gebäuden von vor 1945 hat insgesamt lt. Bundesdenkmalamt genau 3199 denkmalgeschütze Objekte (wobei hier nicht nur Gebäude sondern auch Standbilder, Gräber etc fallen).

    So und jetzt haltet Euch fest. Auf der um vieles kleineren Stadtfläche von Görlitz mit ca. 0,05 Mio Einwohnern gibt es ca. 4.000 denkmalgeschützte Objekte!

    Wien ist architektonisch schon seit langer Zeit am absteigenden Ast. Nicht nur, dass jedes Jahr eine Unmenge an Altbauten munter abgerissen wird, so schaut fast alles, das danach gebaut wird zum Speiben aus, wodurch Wien von Jahr zu Jahr hässlicher wird. In Berlin, das hingegen nicht unbedingt mit Schönheit gesegnet ist, gibt es wenigstens Tendenzen guter Architektur und in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] sowieso.

    Ich hoffe ja doch sehr, dass bei der kommenden Gemeinderatswahl 2015 die Soziallisten mit ihren mafiösen Strukturen abgewählt werden. Vielleicht hat Wien dann architektonisch auch wieder eine Chance - wäre schade, wenn diese einstmals wunderbare Stadt weiter versifft.

  • Das ist wirklich ein Witz. Nur mal zum Vergleich: das in Relation zu Wien winzige (ein Viertel der Einwohnerschaft), aber wohl bis auf den Kern vergleichbar gut erhaltene [lexicon='Leipzig'][/lexicon] hat über 15.000 Kulturdenkmäler, von denen über 10.000 alleine aus der Gründerzeit stammen! Dazu gesellt sich dann in Wien in der Tat noch, dass sich die Neubaukultur irgendwo um 1970 bewegt, es sieht eigentlich fast alles brutal-furchtbar aus (vgl. dazu auch diesen DAF-Strang). Wobei das in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zumindest im Wohnungsbausektor leider auch der Fall ist, Berlin kann wegen der mittlerweile hohen Mieten und der Präsenz einiger fähiger Architekturbüros als Sonderfall gelten. In [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] sind die Tendenzen zum Glück ähnlich, wenn auch noch nicht so ausgeprägt wie in Berlin. München ist dagegen eigentlich genauso bestraft wie Wien.

    Einmal editiert, zuletzt von RMA (1. Mai 2014 um 13:24)

  • Vermutlich sieht es da sogar in Baden-Württemberg besser aus, aber das ist schwer zu beurteilen, da es dort öffentlich zugängliche Denkmallisten nur in wenigen Fällen gibt.


    Mit Zahlen kann ich auch nicht dienen, aber die Tatsache, daß ein Haus denkmalgeschützt ist, besagt in Baden-Württemberg nicht allzuviel. In unseren Lokalzeitungen lese ich ständig, daß irgendwo ein Haus trotz bestehendem Denkmalschutz abgerissen wird, weil die Sanierung zu teuer sei. Bei der Erfassung der Baudenkmäler gibt es auch eklatante Mängel. In Reutlingen wurde 2010 ein Fachwerkhaus von 1299 (!!) abgerissen, dessen hohes Alter leider erst beim Abbruch bemerkt wurde.

  • Immerhin erfährt man davon, wenn das Haus denkmalgeschützt war. Es können Diskussionen darüber entstehen. Fehlt dieser Status, dann wird einfach abgerissen ohne dass man es mitbekommt.
    Wie man in Wien auf gerade mal 3200 Baudenkmäler kommt, ist mir allerdings ein Rätsel. Da seh ich noch schwere Zeiten auf die Stadt zukommen. Was da an Gebäuden schon abgerissen wurde, sucht man in Berlin händeringend und findet es meist doch nur hier und da noch. Wirklich bedauerlich.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia (1. Mai 2014 um 20:54)

  • Heute hat in Wien das neue Hotel Park Hyatt seine Pforten eröffnet. Während der Umbauphase der ehemaligen Bankenzentrale in ein Luxushotel kam es zu einem verheerenden Brand, welcher die denkmalgeschützten Innenräume komplett vernichtete. Da es sich um keine Brandstiftung handelte, hat die Versicherung die denkmalgerechte Rekonstruktion sämtlicher Innenräume übernommen! Das Ergebnis ist so gut, dass auch ein Fachmann nicht auf den ersten Blick erkennt, dass es sich um eine Rekonstruktion handelt, zumal man versuchte nicht nur die selben Materialien wie seinerzeit zu bekommen, hat man auch mit Knochenleim gearbeitet...ach, was solls, seht doch selbst:

    http://wien.orf.at/news/stories/2650494/

    :daumenoben:

  • Die neu eröffnete Wirtschaftsuni (Zaha Hadid) fällt bereits wieder auseinander...

    http://wien.orf.at/news/stories/2687628/

    ...zum Glück sind Uni-Ferien! Nicht auszudenken, wenn die Betonplatte während des normalen Unibetriebes herabgefallen wäre! Studieren kann tödlich sein...wenn man in einem "modernen" Gebäude studierem muss. Unsere Vorfahren haben sich schon etwas dabei gedacht, nicht Betonplatten oberhalb von Haupteingängen der Schwerkraft auszusetzen. :thumbdown: