• Was meinst du mit "war die Stadt noch deutsch"?
    Also zu der Zeit war Krakau gerade in die Hanse eingetreten und war wohl auch ein starker Anziehungspunkt für Künstler aus deutschen Landen. Somit werden große Teile der Oberschicht deutsch gewesen sein und so wurde wohl auch das Stadtbild mitgeprägt. Aber das Deutsche und ihre Kultur einmal mehr als nur eine Minderheit der Krakauer Bürgerschaft waren wäre mir zumindest neu.
    Als Krakau aus der Hanse austrat durften die deutschen Kaufleute dort nicht mehr Handeln und wurden vertrieben, aber das war ein normaler Vorgang zu der Zeit.

    Ich denke, es ist wichtig, zwischen den sich überlappenden kulturgeschichtlichen Einflüssen und jenen territialpolitischen zu unterscheiden. Selbstverständlich gibt es neben den Einflussgaben vieler anderer Kulturen auch maßgeblich Einflussgaben aus dem deutschen Kulturraum. Zu Deutschland im territorialpolitischen Sinne hat Krakau indes nie gehört.

    Letztlich ist es ja schon allein der Begriff der GeSCHICHTe, der eben aussagt, wie sich im Zeithorizont das eine über das andere gelegt hat und hoffentlich das vorherige nicht immer bloß überdeckt hat.

    Zu der Bemerkung, dass es Ähnlichkeiten mit Österreich gäbe, ja, die gibt es sehr wohl. Das (aber) liegt zu großen Teilen am Einfluss der Jagiellonen, die Polen nicht nur territorial ausdehnten - was hoffentlich nicht als nachahmungswertes Beispiel dient - sondern kulturell Einflussgaben tätigten in alle Richtungen hin.

  • Nun, erst einmal danke für die vielen Antworten, Danksagungen und die angeregte Diskussion.

    Saxonia:

    Zitat

    War noch nie in Krakau aber habe mir die Stadt nach deinen Bildern mal aus der Luft angeschaut. Die mittelalterliche Planstadt erscheint mir angesichts der recht großen Bedeutung Kraukaus etwas klein. Die Abgrenzung durch den wahrscheinlich in österreichischer Zeit angelegten Grünring ist relativ scharf und ausgeprägt. Hat man in der Altstadt das Gefühl sich auf einer Art kleinen Insel zu bewegen?

    Du hast Recht, das planmäßig angelegte Stadtzentrum ist wirklich nicht besonders groß. Abmessungen von etwa 1.1 mal 0.6 Kilometern - das ist für eine derart bedeutende Stadt nicht viel. Wie im Laufe der Fortsetzung der Galerie noch herauskommen wird, befand sich ein sehr großer Teil (der Großteil?) der mittelalterlichen Stadt außerhalb dieser Planstadt. Vor allem im südöstlich vorgelagerten Viertel (u. a. auch das Judenviertel) dürften sich viele Häuser befunden haben; hier stehen auch eine bedeutende Anzahl mittelalterlicher Kirchen und Synagogen - in bis zu 700 Meter Entfernung der Stadtmauern! Überhaupt trifft man im Umkreis von ca. 300 Metern von der Altstadt auf ma. Gebäude (fast nur Kirchen) - insgesamt eine riesige Fläche, von der ich nicht weiß, ob es hier auch eine Befestigung gab. Spuren hiervon fand ich nicht (weder in natura, noch im Web), auch ein "verdächtiger" Straßengrundriss findet sich nur selten. Vorgründerzeitliche Wohnhäuser habe ich in den Vorstädten aber gar nicht gesehen; ich vermute, dass diese größtenteils aus Holz erbaut waren und dann im 19. Jahrhundert kollektiv niedergemäht wurden.

    Das Gefühl, sich auf einer kleinen Insel zu bewegen, hat man jedenfalls, wobei "klein" natürlich relativ ist.

    @ der Herzog (und weitere): Wikipedia gibt Auskunft:

    Zitat

    Im Jahr 1311 erhob sich die deutsche Bürgerschaft unter Führung des Vogtes Albert gegen den polnischen Seniorherzog Władysław I. Ellenlang. Nachdem er den Aufstand niedergeschlagen hatte, ließ Władysław die meisten Deutschen aus der Stadt verbannen, einige hinrichten. Die Nationalität der Bürger wurde durch ein Schibboleth überprüft: Als Deutscher galt, wer soczewica, koło, miele, młyn nicht fehlerfrei nachsprechen konnte. Laut dem britischen Historiker Norman Davies zeigten sich bei der Auseinandersetzung erste Züge eines polnischen Chauvinismus.[13] Um 1480 waren wieder 36 %[14] der Einwohner mit Stadtrecht deutschsprachig und in der prächtigsten Pfarrkirche, der Marienkirche, wurde deutsch gepredigt – bis auf königlichen Erlass hin die deutschen Predigten in die Barbarakirche verlegt wurden.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Krakau

    @ursus:

    Zitat

    Krakau ist sehr schön, aber nicht weiß Gott wie überwältigend.
    Insbesondere hält es keinen Vergleich mit unzerstörten deutschen Großstädten wie Regensburg oder Erfurt, geschweige denn Wien Prag oder ialienischen Metropolen aus. Eigentlich ist die Substanz, gerade, was die Bürgerbauten und Palais ziemlich durchschnittlich. Diesbezüglich ist es auch kleinen Städten wie Görlitz oder Olmütz bzw österr.Großstädten wie Linz, Innsbruck, Graz klar unterlegen Ich bin mir nicht sicher, ob ich Lemberg nicht bevorzugen sollte.


    Da gebe ich dir absolut Recht. Krakau war sehr schön und hat mir äußerst gut gefallen. Kein Vergleich aber zu den oben erwähnten Städten und vielen weiteren. Es ist schwer zu beschreiben, aber irgendwie hat Krakau weniger Profil als viele andere Städte. Die meisten Häuser sind prächtig, aber irgendiwe 0/8/15 - Bauten aus dem Mittelalter, in der Gründerzeit völlig überformt. Man findet fast nirgendwo freigelegte mittelalterliche Baudetails, alte Fenstergewände, Erker, auch wenig eindrucksvolle Giebel und andere Elemente die ein Straßenbild spannend machen. Es gibt auch kaum Arkadenhöfe oder schöne gewölbte Einfahrten und Räume. Und kaum prächtige Palais, herausragende Häuser... Und überall die historistischen Fassaden. Außerdem ist durch den UNESCO-Schutz alles steril und perfekt renoviert.

    Wie gesagt, die Stadt ist wunderschön und durch die Gassen zu flanieren und die alten Häuser anzusehen ist herrlich. Aber es fehlt einfach einiges an Spannung, Würze oder wie man´s nennen mag. Aber ich mag jetzt gar nicht über Krakau schimpfen.

    Niederländer:

    Zitat

    Ohne Zweifel eine sehr schöne Stadt (vielleicht die wohl schönste Stadt osteuropas??)! Danke. :smile:


    Meine Einstellung zu der Aussage sollte nun deutlich sein. Ich kenne mich in Osteuropa (derweil noch) nicht besonders gut aus, aber Krakau wurde nur zwei Tage später von Levoca haushoch geschlagen :wink:

  • Die schönste Stadt Osteuropas kann sie gar nicht sein, da sie in Mitteleuropa liegt. Ehemaliger Ostblock (also Warschauer Pakt) ist nicht gleich Osteuropa, denn sonst wären die Gebiete zwischen Sachsen und Usedom auch plötzlich osteuropäisch geworden. In Osteuropa selbst gibt es natürlich noch andere Anwärter (z.B. Lemberg und natürlich St. Petersburg), aber Krakau hat aus meiner Sicht die schönste Innenstadt Polens (die ehemaligen deutschen Städte lasse ich immer aussen vor).

    Mitteleuropa:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Mitteleur…ntralEurope.png

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Sagen wir: Ostmitteleuropa. Deutscher Osten und sein Einflussgebiet, also im Wesentlichen ostdt. Zentralmarktschema. Das richtige Osteuropa wäre dann die (richtige) Ukraine (ohne Galizien) und Russland, also die orthodoxen Länder. In diesem ostmitteleuropäischen Bereich ist, wenn man Österreich und Tschechien nicht dazuzählt, und ohne Breslau und Danzig, beide allerdings nicht im Original erhalten, Krakau (gleichauf mit Lemberg oder auch nicht) unzweifelhaft die schönste Stadt (ev. wäre auch Thorn zu berücksichtigen).
    Das zwar verwandte Leutschau* ist nicht recht vergleichbar, wirkt wie eine Miniaturausgabe. Krakau: Leutschau = Dresden (unzerstört): Großenhain.
    Meine Erfahrung ist, dass die nähere (städtebauliche, und nur diese!) Beschäftigung mit Polen ein wenig zu enttäuschen pflegt. Ich kenne zwar nicht besonders viel, aber die Tendenz ist nicht zu übersehen, und ich glaube auch nicht, dass zB Lublin und Zamosc anders auf mich wirken würden. Ein wenig macht sich dieses Phänomen schon in dem von mir an sich sehr geliebten Schlesien bemerkbar: auf dem Bild und auf ersten Blick sieht alles ganz großartig aus, aber bei näherem Hinsehen ist alles ziemlich gleich und dabei sehr wenig substanzhaltig. Eine Stadt mit der Substanz von Halle oder auch Torgau wirst du jenseits des dt. Ostens ganz selten finden.
    Dass Krakau steril renoviert worden ist, schmerzt sehr, ich habe es noch ganz anders erlebt! Polen braucht mE etwas Wildheit, um seine Reize zu entfalten.
    Aber insgesamt ist es wohl so: wer den Reiz von Städten à la Krakau liebt, diese weiten Plätze mit pittoresken italienisierenden Renaissancebürgerbauten und östlichem Flair, soll nach Tschechien (ev sogar auch Österreich) fahren, dort findet sich das alles in viel größerem und qualitätvollen Ausmaß, auch, gerade in den kleineren Städten. Ein Krumau oder Mährisch Trübau wird man in Polen nicht finden.

    *Da hätt ich eine kleine Empfehlung für Tobi: Eperies, eine Stadt mit Hauptplatz der Spitzenklasse.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • @ursus: Wieso diese Renaissancebürgerbauten so italienisierend sein sollen, verstehe ich noch immer nicht.

    Weiter mit den Bildern... Derweil zur Orientierung einmal eine Karte auf Vorlage der wunderbaren, jedes Haus verzeichnenden Stadtpläne, die sich auf Tafeln im Stadtzentrum verstreut fanden. (Wir sind mittlerweile am Ende der blauen Linie links oben)

    Von dort, wo ich letztes Mal mit der Galerie aufgehört habe, Blick durch die belebte Florianska zum Rynek.

    Das Brama Florianska:

    Ein stolzes Stück Stadtmauer westlich des Tores inklusive Wehrgang und Schalenturm:

    Etwa hundert Meter westlich hat man einen monumentalen Spätgründerzeitler in die verwinkelten Gassen gebatzt.

    Direkt rechts hiervon steht die beindruckende, 1718-28 erbaute Piaristenkirche.

    Trotz des geringen Bekanntheitsgrades ist sie mit Sicherheit eine der schönsten Barockkirchen der Innenstadt, v. a. was den Innenraum betrifft.

  • Dieses Foto zeigt - ein Stück weiter westlich - die Slawkowska in Richtung Nordosten. Der gedrungene, ausspringende Turm gehört zur St-Markus-Kirche...

    ...welche im Kern noch auf die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts (Chor, Turm) zurückgeht. Das Langhaus wurde um 1400 errichtet.

    Die profan anmutende Westfassade:

    Unmittelbar westlich des Sakralbaus stoßen wir auf einen kleinen dreieckigen Platz.

    Dort befindet sich die Kirche sw. Kazimierza Krolewicza (Rechtschreibung ohne Gewähr - scheint mir Prinz-Kasimir-Kirche zu bedeuten) aus dem 2. Viertel des 17. Jahrhunderts.

    Gegenüber

  • Nun sind wir am Szczepanski-Platz angekommen.

    Ein Eldorado für die Fans jüngerer Architektur.

    An der Südostecke des Platzes steht ein gründerzeitlicher Geschäftsbau mit einer wirklich extrem guten Aufstockung, die wohl erst kürzlich fertiggestellt worden ist. :anbeten:

  • Irgendwie versteh ich dich heute nicht.

    Die Aufstockung ist doch grauenhaft und zerstört das gesamte Formgefüge!
    Oder hab ich da eine Ironie nicht kapiert?

    Zitat

    Wieso diese Renaissancebürgerbauten so italienisierend sein sollen, verstehe ich noch immer nicht.

    Nu, ist dies etwa chinesisch:

    http://www.tripadvisor.at/LocationPhotos…d.html#25230407

    http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kamienica_Orsettich.JPG

    Die gesamte sog polnische Renaissance ist italienischer Import.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zunächst vielen Dank für die bisherigen, schönen Bilder aus Krakau und was noch kommen mag. Ich gehe mal stark davon aus, dass du den Wawel auch noch "erklommen" hast.

    An der Südostecke des Platzes steht ein gründerzeitlicher Geschäftsbau mit einer wirklich extrem guten Aufstockung, die wohl erst kürzlich fertiggestellt worden ist. :anbeten:


    Finde ich auch ziemlich gelungen - dies ist der damalige Zustand des Gebäudes:

    Bildquelle: Wikipedia, Urheber 'KazimierzP', CC BY-SA 3.0
    Das Haus heißt in Erinnerung an die diesbezügliche Handelstradition Krakaus nunmehr das 'Kupferhaus' bzw. 'Kupferhouse' (warum auch immer in diesen Sprachvarianten).
    New Branch of Historical Museum of Krakow Celebrates Copper Trade - krakowpost.com


    Wie im Laufe der Fortsetzung der Galerie noch herauskommen wird, befand sich ein sehr großer Teil (der Großteil?) der mittelalterlichen Stadt außerhalb dieser Planstadt. Vor allem im südöstlich vorgelagerten Viertel (u. a. auch das Judenviertel) dürften sich viele Häuser befunden haben; hier stehen auch eine bedeutende Anzahl mittelalterlicher Kirchen und Synagogen - in bis zu 700 Meter Entfernung der Stadtmauern!


    Das Judenviertel Kazimierz war lange Zeit (formell bis 1867) eine eigenständige Stadt und durch einen Weichselarm /-kanal von der Altstadt Krakaus getrennt. Es hatte zumindest im Mittelalter eine eigenständige Ummauerung, wie diese Abbildung aus dem Jahr 1493 (Schedel'sche Weltchronik, Nürnberg) gut illustriert.

    Eine interessante Seite mit zahlreichen alten Ansichten und Karten von Krakau lässt die Stadtentwicklung ein wenig nachvollziehen: Kraków wczoraj i dziś

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Richtig. Es geht nicht an, Kazimierz zum "Judenviertel" zu reduzieren. Es handelt sich um eine veritable Stadt mit bis heute erhaltenem riesigem Ringplatz und mehren gotischen Großkirchen. Am Rande davon lag das Ghetto, die Judenstadt.
    Zwischen Krakau und Kasimir liegt der heutige Stadtteil Stradom, der gleichfalls älter ist (von dem aber aus älterer Zeit nur Kirchen erhalten sind).
    Ansonsten wird nicht viel Bedeutsames außerhalb der Gründerstadt gelegen sein, dörfliche Vorstädte halt. Man darf sich nicht zuviel erwarten.
    so klein ist die Gründungsstadt übrigens auch wieder nicht, nicht sehr viel kleiner als die Wiener Innenstadt (nur weniger dicht und regelmäßig bebaut).
    Das eigentliche alte Zentrum hieß Okol und lag unter der Burg. Es ist sehr klein und hat bis heute noch am meisten seinen "Altstadtflair" bewahrt.
    Städtebaulich muss der Historismus für Krakau die reinste Katastrophe gewesen sein.
    Die bürgerliche Bebauung Kasimirs wurde gänzlich ausgelöscht, und was Krakau betrifft, sehen wir selbst auf den Bildern...
    An allem war nicht die "Gründerzeit schuld", allein der Abriss des Rathauses um 1820 war höchst übel.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Krakauer_…_w_Krakowie.jpg
    Generell scheint mir in Krakau wenig Bedeutsames nachgekommen zu sein, Barock und Klassizismus lassen ziemlich aus. Wahrscheinlich ist das schöne Stadtbild über Jahrhunderte immer mehr nivelliert worden. Anders als in Tschechien hat die Stadt nach dem Abzug bz der Marginalisierung der Deutschen nichts mehr zuwege gebracht.
    Es ist ein polnisches Phänomen. Vgl Städte wie Przemysl und Tarnow: Großzügige Stadtanlage, mit einer handvoll hübschen Renaissancehäusern inmitten öder Gründerzeitbauten (die in ihrer Schlichtheit oft gar nicht als solche wahrnehmbar sind. Dadurch schauen diese Städte auf ersten Blick viel älter aus= auch einin Schlesien zu beobachtendes Phänomen).
    In Tschechien hingegen ist die ethnische Zugehörigkeit der Einwohnerschaft nicht vom architektonischen Erbe ablesbar. Viele Leistungen bürgerlicher Stadtbaukunst kamen wahrscheinlich ohne deutsches bzw italienisches Zutun zustande (überhaupt wenn man die Auswirkungen der Hussitenzeit bedenkt, als die Städte weit tschechischer waren als später).
    Krakau ist in einer Blütezeit großgezogen worden, wie andere polnische Städte auch. Deutsche Backsteingotik und eine sehr eigenwille Ausformung der italiensichen Renaissance (die aber in Oberungarn, insb. der Zips noch ausgeprägter erscheint) - das war es dann. Zu Österreich ist es erst zu spät gekommen, um (wie etwa Schlesien) von der Blüte des Hochbarocks zu profitieren.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    2 Mal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (9. Januar 2015 um 10:17)

  • Die Aufstockung ist doch grauenhaft und zerstört das gesamte Formgefüge!
    Oder hab ich da eine Ironie nicht kapiert?

    Das versteh ich nicht, die ist doch wirklich großartig! Besser hätte man eine moderne Aufstockung kaum umsetzen können. Es passt m. E. gut zum unteren Teil, ist aber gleichzeitig absolut zeitgemäß (und bildet keinen allzu starken Kontrast aus) und die Kupferverkleidung gibt farblich auch viel her (In ein paar Jahren nicht mehr ganz so viel, aber egal). Sogar mit den Proportionen hat man das halbwegs gut gelöst.

    Wieso diese Renaissancebürgerbauten so italienisierend sein sollen, verstehe ich noch immer nicht.

    Nu, ist dies etwa chinesisch:


    Es mutet zumindest wesentlich chinesischer als italienisch an. Natürlich sind die Renaissancebauten mit Formen der italienischen Renaissance entstanden, aber diese wurden so weit verändert, dass sie mit den welschen Ursprüngen kaum mehr etwas zu tun haben. Dass Pilaster, korinthisches Kapitell und verkröpftes Gesims Importe von jenseits des Alpenhauptkamms sind, ist ja allgemein bekannt. Aber wie man sie hier in Krakau etc... zusammensetzt, ist ganz anders, ein regionaler Stil mit ganz unterschiedlichem Charakter. Der Dom zu St. Pölten mutet ja auch sehr barock an, obwohl er aus romanischen Mauern auf romanischem Grundriss besteht, wenn ich diesen Vergleich wagen darf.

  • Und danke für deine Antwort inkl. Informationen, Vulgow! Ebenso auch an ursus!

    Zitat

    Zunächst vielen Dank für die bisherigen, schönen Bilder aus Krakau und was noch kommen mag. Ich gehe mal stark davon aus, dass du den Wawel auch noch "erklommen" hast.


    Ja, selbstverständlich. Bilder hiervon gibt es später. Nur ausgerechnet in der Kathedrale war ich leider aus Zeitgründen nicht.

  • Also das mit China war gut. So ein Bild muss man erst mal parat haben - schade, das wäre ein Kellerrätsel gewesen.
    Scherz beiseite: ich hätt weniger an was Römisches als an dieses gleichfalls Bekannte gedacht:

    Es ist ein altes und oft, auch bei uns beobachtbares Phänomen, dass Italiener im Ausland anders bauen und sich an den Genius loci oder sonst was immer genial anpassen.

    Zur Aufstockung: Nein, die ist nur abstoßend und nimmt dem charmanten Historismus so gut wie alles. Plumper, primitiver Modernismus ohne Formgefühl - beachte bloß das einstige, jetzt funktionslos dazwischen schwimmende Dachgeschoß. Sieht echt bescheiden aus. Da stockt man bei uns noch schöner auf.
    Und den lieben Giebel haben sie auch abgerissen, diese Banausen!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zur Aufstockung: Nein, die ist nur abstoßend und nimmt dem charmanten Historismus so gut wie alles. Plumper, primitiver Modernismus ohne Formgefühl - beachte bloß das einstige, jetzt funktionslos dazwischen schwimmende Dachgeschoß. Sieht echt bescheiden aus. Da stockt man bei uns noch schöner auf.
    Und den lieben Giebel haben sie auch abgerissen, diese Banausen!

    Das sehe ich exakt auch so. Dass der "ursus" und ich sich mal hinsichtlich eines "charmanten Historismus"-Baus einig sein könnten... wer hätte das gedacht? cheers:)

  • Also das mit China war gut. So ein Bild muss man erst mal parat haben - schade, das wäre ein Kellerrätsel gewesen.
    Scherz beiseite: ich hätt weniger an was Römisches als an dieses gleichfalls Bekannte gedacht:


    Was man alles entdeckt, wenn einem fad ist und man ziellos in fernöstlichen Gestaden herumgoogleeartht.

    Kleiner Exkurs: In der Gegend um Kaiping gibt es viele faszinierende Dinge, unter anderem eine stolze Anzahl (über 1000!) an Wehrtürmen (Diaolou) vorwiegend des 17.- bis frühen 20. Jahrhunderts, hauptsächlich zur Zeit des Taiping-Aufstandes um 1860 errichtet (wie ich gerade gelesen habe, ein uns Europäern fast vollkommen unbekannter Krieg mit weit mehr Toten als im 1. Weltkrieg). Eine äußerst faszinierende Gegend, die im 19. Jahrhundert auch stark von Europa beeinflusst wurde (Kaiping(en) könnte ja fast ein deutscher Name sein^^), in Vermischung mit chinesischen Elementen entstanden hier ganz beeindruckende, fremdartige Bauwerke. http://de.wikipedia.org/wiki/Diaolou; http://de.wikipedia.org/wiki/Kaiping. Auf was man alles so draufkommt, wenn man in einem Strang über Krakau schreibt!

    Zur Renaissance in Italien und Polen-Diskussion: Für mich ist die Renaissance jenseits der Alpen noch immer eine ganz andere als die nördlich der Mittelgebirgsschwelle. Aber darüber noch lange zu streiten hat wohl keinen Sinn. Es ist sowieso Ansichtssache.


    Zur Aufstockung: Nein, die ist nur abstoßend und nimmt dem charmanten Historismus so gut wie alles. Plumper, primitiver Modernismus ohne Formgefühl - beachte bloß das einstige, jetzt funktionslos dazwischen schwimmende Dachgeschoß. Sieht echt bescheiden aus. Da stockt man bei uns noch schöner auf.
    Und den lieben Giebel haben sie auch abgerissen, diese Banausen!

    Zugegeben: Die Formen sind ein wenig schwer und erdrückend, besonders was das mächtige Abschlusssims betrifft. Trotzdem finde ich sie noch immer genial - alleine das Material gibt extrem viel her.

  • Weiter gehts... Auf dem Plan nun eine Vorschau, was uns erwartet in den nächsten Beiträgen:

    Vorbei am vieldiskutierten eingeschossigen Gründerzeitbau mit der kupferverkleideten Aufstockung gelangen wir über die Jagiellonska zur drei Häuserblöcke weiter südwestlich gelegenen Collegium Maius der Jagiellonen-Universität, welche 1364 gegründet wurde und die zweitälteste Universität Mitteleuropas ist. Die prachtvolle vierflügelige Anlage wurde etwa um 1400 errichtet.

    Den Innenhoffassaden ist ein erdgeschossiger Arkadengang vorgelagert.

    Der ursus wird sich freuen über die Art der Unterwölbung jener Lauben:

  • Ebenfalls zur Uni-Anlage gehörend:

    Nebenan steht der Prachtbau des Collegium Novum:

    http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:…J_02_Krakow.jpg

    Etwa 200 Meter weiter südöstlich treffen wir auf die große West-Ost-Achse durch die Altstadt, die Franciszkanska.
    Östlich der Franziskanerklosters befindet sich ein größerer Platz mit einigen Prachtbauten.

    Die Kirche des 1237 gegründeten Franziskanerklosters wurde unmittelbar danach errichtet und vor Allem im 15. Jahrhundert verändert. Südlich von ihr stehen die Trakte des großen Klosterkomplexes.

    Auch das Innere dieser Kirche erhielt im ausgehenden 19. Jahrhundert eine völlig neue Gestalt. So prachtvoll die neugotischen Malereien sind, ein bisschen weniger bunt mag ich es lieber! Eigenartig auch, dass man die meisten der Barockaltäre belassen, dafür aber so ziemlich alles andere vollkommen verändert hat. Mich kann der Raum insgesamt nicht so begeistern.

    An der zentralen Straßenkreuzung der Innenstadt von Grodzka (Nord-Süd) und Franciszkanska bzw. Dominikanska (Ost-West) nach Norden (Richtung Rynek, ganz links im Bild) geblickt:

  • Nun, die Tour geht weiter zur Dominikanerkirche, die quasi als Pendant zur Franziskanerkirche am östlichen Rand der Altstadt steht. Wir stehen also am kleinen Platz vor dem auf der Karte als weinroter Fleck mit der zugeordneten Schrift "Kosciol Dominikanow" eingezeichnetem Kloster der Gotteshunde.

    Die in Krakau urk. 1212 erwähnten Dominikaner ließen die heutige Kirche vom späten 13. bis in die 30er-Jahre des 14. Jahrhundert errichten. Freilich folgten diverse Umbauten und Veränderungen, u. a. entstanden in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts der westseitige Treppengiebel und die Seitenkapellen; nach einem Brand 1850 wurde der Bau stark erneuert. Aus dieser Zeit stammt z. B. die spektakuläre Vorhalle.

    Der Innenraum ist sehr schön, bei den Wiederherstellungsarbeiten nach 1850 hat man gottseidank recht viel Gespür gezeigt und außerdem eine tolle neugotische Einrichtung angeschafft.

    Ganz besonders beeindruckend sind die Beichtstühle: (Im Hintergrund lassen sich übrigens noch mittelalterliche Malereien erkennen!)