Leipzig - Bau- und Sanierungsprojekte

  • DrZott: Aus der Internetseite lese ich allerdings auch nicht, dass eine Miete zu entrichten wäre. Es wird doch lediglich gesagt, dass die Wohnungen instand zu setzen und nutzbar zu machen sind.
    Oder hab ich was überlesen? :keine ahnung:

    ___________________________
    Achja, eine kleine/große Bitte an die Moderation: Ich halte das APH eigentlich für ein insgesamt sehr hochwertiges, interessantes Forum. Dieser Eindruck wird jedoch zunehmend durch diverse themenfremde Diskussionen wie zuletzt hier im Strang zunichte gemacht.

    Ich möchte darum bitten, dass auch die verbleibenden themenfremden Beiträge hier im Thread gelöscht werden. Danke.

    PS: Dass das DAF mehr Mitglieder hat, sollte nun wirklich nicht verwundern. Ein allgemeines Architekturforum, welches einem so spezialisierten wie dem APH (historische Architektur/Rekonstruktion) gegenübersteht und zudem schon eine Weile länger besteht, ist selbstredend im eindeutigen Vorteil.
    Untergangsprophezeiungen könnt ihr euch sonstwohin klemmen, hier geht's noch lange rund :zwinkern:

  • Zitat von "erbsenzaehler"

    Untergangsprophezeiungen könnt ihr euch

    ...kannst Du Dir... :zwinkern:
    Ansonsten sehe ich das mit dem Löschen der Beiträge anders als Du, aber das habe ich Dir privat geschrieben.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Ich bin noch nicht allzu lange "in der Szene", aber anfangs fand ich das APH meinen Vorstellungen entsprechend wesentlich passender und auch informativer. Jedoch wurde meiner Meinung nach die Forderung eines eigenen [lexicon='Leipzig'][/lexicon]-Bereiches hier einfach nicht verstanden. Fast jeder hatte hier diesen Wunsch geäußert. Auch, um die 3 Hauptstränge etwas mehr zu trennen. Aber leider wurde dies nie umgesetzt. Ich frag mich bis heute noch, warum! Der Bedarf war vorhanden. Das sieht man eben jetzt daran, dass das DAF extrem aufblüht! Und wer denkt, dies würde auf Kosten der Qualität gehen. Falsch gedacht! Im Gegensatz zu vielen anderen Städte-Bereichen im DAF, werden im [lexicon='Leipzig'][/lexicon]-Bereich sehr viele brandaktuelle Informationen gepostet. Darunter auch viele "Insider-Informationen", die man sonst so nirgendwo erfährt. Wenig small-talk!

    Trotzdem kann meiner Meinung nach nicht vom Niedergang des [lexicon='Leipzig'][/lexicon]-APH-Bereiches geredet werden. Es war abzusehen, dass über kurz oder lang nur einer als Hauptanlaufpunkt gewinnen kann. Wer postet schon alles doppelt? (ja, es gibt 2 Ausnahmen; ich weiß :zwinkern: ) Hier im APH gibt es Meinungen von Mitgliedern, die ich jedoch sehr zu schätzen weiß! Daher surfe ich auch täglich beide Seiten an!

    Gruß und Dank an alle [lexicon='Leipzig'][/lexicon]-Fans! :)

    Leipzig - Back to the roots

  • @leine´77: bin letztens an einem (sehr gut) frisch saniertem gründerzeitler vorbeigekommen, für den mit niedrigen nebenkosten aufgrund von erdwärmenutzung geworben wurde. schätze mal, so etwas wird künftig vermehrt auftreten.

    zu dem "welt"-artikel:

    der ist diesmal halt nicht von dankwart guratzsch. der vermittelt der leserschaft ja regelmaessig, dass [lexicon='leipzig'][/lexicon] boomt und brummt und - kopfschüttel, kopfschüttel - die stadt dennoch aus dummheit dafür sorge, dass ganze altbauquartiere abgerissen werden.
    diesmal andere leute und andere extreme. alles geht den bach runter und hier sei man wieder bei der naturalienwirtschaft angekommen.
    das eine wie das andere ist natürlich quatsch. die wahrheit liegt auch nicht einfach in der mitte, sondern steckt im detail. bei jedem einzelnen haus stellt sich die frage: will und kann der eigentümer sanieren -
    und ist es so gelegen, dass es derzeit nach der sanierung auch vermietbar wäre?
    "wächterhäuser" und die notsicherungsprogramme der stadt sind versuche, marode altbauten zu halten und darauf zu setzen, dass diese frage eines tages mit "ja" beantwortet werden kann.

    und da hier immer mal wieder die leistung des leipziger "wiederaufbaus aus ruinen" seit der wende angezweifelt wird: jawohl, sie ist im wahrsten sinne des wortes vorbildlich! es war vorbildlich, gleich nach der wende alle altbauten unter denkmalschutz zu stellen. es ist vorbildlich, mit öffentlichen geldern besonders stadtbildprägende einsturzgefährdete private altbauten notzusichern. es ist vorbildlich, durch selbstnutzerprojekte marode altbauten an sanierungswillige hausgemeinschaften billig zu verkaufen. wo gibt es das alles sonst? (und jawohl, es war vorbildlich, dass ex-obm tiefensee als bm die stadtzerstörerische eigenheimzulage abzuschaffte.)
    es gibt städte die keine probleme mit verfallender altbausubstanz haben. es gibt städte, die dies nicht als problem sehen - oder als ein nicht lösbares. vor allem aber gibt es nur wenige städte, die mit diesem problem in vergleichbarer weise konfrontiert sind.
    natürlich ist hier nicht alles paradiesisch. sicher werden noch viele unsanierte altbauten letztlich nicht doch zu retten sein. aber die quantität (und qualität) der sanierungen - unter den rahmenbedingungen katastrophaler verhältnisse bis 1990, hoher fluktuation, niedriger erzielbarer mietpreise - ist ein wunder. ein wunder, dass nur durch grossen und oft auch fast schon irrational idealistischen einsatz sowohl der stadt, als auch der privaten eigentümer und überaus fähiger bauhandwerker überhaupt möglich wurde.

    aber so etwas wird wohl nie in der "welt"stehen. lieber klischees verbreiten. entweder "da drüben werden mit unserem geld schöne altbauten abgerissen" oder "dort will man nicht mal umsonst wohnen". da fühlt man sich in ... gleich viel besser. und kauft morgen wieder die zeitung, die die welt erklärt.

  • Sehr schöner Beitrag, Rakete! Vielen Dank! Der Hauptgrund, warum in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] so viel verrottet und noch unsaniert ist, liegt an dem Riesenproblem, das wir hier haben: über 10.000 Gründerzeithäuser (hier wird eine "verlängerte" Gründerzeit bis nach der Jahrhunderwende zugrunde gelegt). Natürlich sind die vielen Altbauten nicht wirklich ein Problem. Aber hier liegt - neben Geldmangel, 40 Jahren DDR, Lageproblemen, Bevölkerungsverlusten 1989 bis 2000 und der Suburbanisierung - der Hauptgrund. Es ist einfach so, daß man bei seinen alltäglichen Wegen in dieser Stadt sich hauptsächlich durch geschlossene Altbauviertel bewegt. Mir geht es so, daß mir das manchmal gar nicht so recht bewußt ist. Und diese Fülle kann nur eins bedeuten: erhalten, retten, sanieren!!!!! Die eigentliche Sehenswürdigkeit Leipzigs sind die geschlossenen Viertel. Zu viel ist dennoch schon zerstört worden.
    Kurz nach der Wende wurde egalweg saniert, neugebaut und gejubelt. Der Spaß war in der zweiten Haälfte der Neunziger vorbei. Es folgte Ernüchterung. Seit geschätzt 2003 wird wieder kräftig saniert. Es sind hauptsächlich ein paar private Bauträgerfirmen, die hier aktiv sind.
    Momentan werden in den "konsolidierten" Gebieten (Waldstraßenviertel, Bachviertel, Gohlis, Schleußig etc.) die letzten unsanierten Gebäude bearbeitet. Selbst Häuser an Hauptstraßen sind nun "dran". Gleichzeitig werden in den guten Lagen der "mittelprächtigen" Viertel (Reudnitz, Stötteritz) Häuser saniert. Dazu kommt der Boom in Plagwitz, der sui generis ist.
    Meine These: die benannten Gebiete "reichen" noch für zwei drei Jahre. Wenn die aktuelle Sanierungswelle weitergeht, könnten auch die Problemgebiete in diesen jahren profitieren. Was sagt die Gemeinde?

  • Zitat von "DrZott"

    Und diese Fülle kann nur eins bedeuten: erhalten, retten, sanieren!!!!! Die eigentliche Sehenswürdigkeit Leipzigs sind die geschlossenen Viertel. Zu viel ist dennoch schon zerstört worden.

    Siehste, und genau derselben Meinung sind doch hier doch so gut wie alle... 8)

    In Wiesbaden sind auch die vielen geschlossenen, völlig intakten Gründerzeit-Straßenzüge das Sehenswerte, über das die meisten Leute staunen, die zu Besuch sind. Vereinzelte erhaltene Prachtbauten zwischen Nachkriegsmist findest Du auch in Berlin, Frankfurt, Mannheim, Düsseldorf etc.

    [lexicon='Leipzig'][/lexicon] sollte gut mit seinem "Kapital" umgehen. Leichter gesagt als getan, ist klar. Und deshalb finde ich die ganzen Leipziger Hilfsmaßnahmen wie Notsicherung, leerstehende Häuser für umsonst an Nutzer überlassen, die dafür das nötigste am Haus machen und so weiter auch richtig und sinnvoll. Selbst das "Konservieren" von Fassaden, wenn der Rest des Hauses nicht mehr zu retten war, ist besser als nichts. Wenn ein geschlossenes Bild erhalten bleibt, kann man auch den Verlust von ein paar Stuckdecken und Treppenhäusern verschmerzen, angesichts der Fülle der noch erhaltenen und sanierten in [lexicon='Leipzig'][/lexicon].

  • @ DrZott


    Da stimme ich Dir zu, das sind scharfsinnige Gedanken! Abseits der immer mal wieder vorkommenden Unkenrufe wie jetzt in der WELT, verzeichnet [lexicon='Leipzig'][/lexicon] seit Jahren einen robusten Gentrifikationstrend. Will sagen, reihum nistet sich in ehemaligen Leerstandsgebieten mit Charakter und Arbeitervierteln die gottseidank wachsende Bionaden- und Manufactumgeneration ein, die urbane Qualität zu schätzen weiss.

    Es ist wahr, das die vorhandenen In-Viertel bereits weitgehend durchsaniert sind. Ich denke, dann geht es in Vierteln los, die noch keiner richtig auf dem Radar hat.

    Bereits im Januar machte ich eine Fototour durch [lexicon='Leipzig'][/lexicon] Alt-Schönefeld, dort wird zunehmend mehr saniert. Es fehlt nur noch gehobener Einzelhandel. Dann werden auch Viertel wie das Zentrum-Ost (Quartier Inselstrasse, Hans-Poeche-Strasse) auf den Plan treten, einige Großprojekt laufen dort schon jetzt.

    Ich denke, es gibt in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] weiteres Futter für die Sanierungs- und Abenteuerlustigen. Die Stadt bietet eine solche urbane Vielfalt, das reicht noch 20 Jahre, wobei aber die mit vergleichsweise wenig Aufwand aufzupolierenden Perlen (Industrielofts, robuste und hochwertige Gründerzeit) uns langsam ausgehen werden. Man wird dann mit relativ einfacher Massen-Mietskasernen-Gründerzeit vorlieb nehmen oder mehr Geld in die Neuentwicklung von Totalwüsten investieren müssen (Postbahnhof, Milchhof Brandenburger Strasse, Industriegelände Dessauer Strasse und Leutzsch).

    Aber vielleicht sehen wir auch in den In-Vierteln wie der Südvorstadt eine behutsame Nachverdichtung und Wiederherstellung von alten Blickbeziehungen, die uns durch die Perforation verloren gegangen sind. Orte wo das gut tun kann: Nürnberger Strasse, Strasse des 18. ..., Vorplatz Bayerischer Bahnhof, Leuschnerplatz, Gerichtsweg, Prager Strasse

    Den Willigen führt das Schicksal, den Unwilligen zerrt es dahin. (Seneca)

  • Vielen Dank und D'Accord im Wesentlichen! Ich weiß immer gar nicht so recht, wo hochwertiger Altbau aufhört und die sogenannten Mietskasernen dieser Zeit anfangen. Das wäre auch mal ein interessantes Thema, die Leipziger Viertel danach zu klassifizieren! Vielleicht gibt es hier schon so etwas. Ich konnte nur noch nicht alle Beiträge in der Historie lesen.
    Der Welt-Artikel ist eher symptomatisch: außerhalb dieser Stadt ist es schwer nachzuvollziehen, welche Fülle an Gebäuden aus der fraglichen Zeit in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] noch existiert. Der Immobilienmarkt in (West)Deutschland war jahrzehntelang ein Verkäufermarkt, von Renditeerwartungen und Themen wie autogerechte Stadt und ähnlichm geprägt. Jetzt ist der Immobilienmarkt auf einmal ein Käufermarkt. Es war übrigens vor ein par Jahren das erste Mal in [lexicon='Leipzig'][/lexicon], daß ich clevere Anzeigen und Marketingstrategien von Wohnungsanbietern sah. (hier kann man mich gerne korrigieren) Zudem ist es mit diesem Blick UND von außen schwer nachzuvollziehen, wenn trotzdem immer noch Ruinen rumstehen UND Denkmale abgerissen werden UND herrliche Gebäude saniert werden UND über 10.000 Gründerzeitbauten existieren UND die Mieten so moderat sind UND UND UND .... Wenn dann noch so ein Projekt wie die Wächterhäuser dazu kommt, wird es für arme Journalisten einfach zu komplex. :zwinkern:
    A propos: die Kohlgartenstraße ist doch relativ ruhig in der letzten Zeit. Da stehen aber noch einige unsanierte aber stattliche Altbauten rum. Weiß jemand, warum da nix passiert? Selbst in der Schumannstraße werden wieder Häuser saniert... Das gleiche gilt für die Ecke Torgauer / Dresdner / Breite Straße. Dort stehen noch komplett geschlossene Blöcke. Eigentlich ideale Voraussetzungen für Sanierung. (???)

    @ Schloßgespenst:

    Zitat

    Siehste, und genau derselben Meinung sind doch hier doch so gut wie alle... locker


    Das gilt nur so lange, bis irgendjemand, zum Beispiel ich, wieder sagt: wo nichts mehr steht, darf auch gern Neues, Modernes entstehen und nicht immer die Wiederholung des Alten, schon dagewesenen. 8)

  • Zitat

    die gottseidank wachsende Bionaden- und Manufactumgeneration

    Was ist denn bitteschön die Bionade- und Manufactumgeneration? :peinlich:

    Bionade habe ich schon mal probiert, hat scheusslich geschmeckt...

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • In der Tat ist es eine interessante Frage, wo hochwertige Gründerzeit und eher durchschnittlicher Mietskasernen anfangen. Ich würde sagen, das bestimmt der Markt. Man kann gut erkennen, in welchen Vierteln bereits die Sanierung weit vorangeschritten ist: Gohlis, Schleußig, Musikviertel, Waldstrassenviertel, Südvorstadt, Zentrum.
    Alles sind Viertel in denen - neben einfacheren Bauten - auch repräsentativ gebaut wurde. Ich erinnere nur an das Rossbach-Haus in der Beethovenstrasse. Stilistisch kennzeichnend, wenn man schon etwas festmachen will, sind großzügigere Grundrisse und Geschossaufteilungen mit Hochparterre und Souterrain. Oft sind die Erdgeschosse als Läden ausgeführt, hier auch gerne als Anderthalbgeschoß. Innen braucht man sich nur die Treppenhäusern anschauen. Alleine darüber sollte man mal einen Leipziger Bildband auflegen.
    Schaut man sich dagegen klassische Arbeiterviertel an, so findet man das alles nicht. Auch die Erdgeschosse sind Wohnungen (heute schwer vermietbar), nur an den Blockecken gibt es Läden oder Kneipen. Auch sind die Läden einfacher, meist mit nur ein oder zwei Schaufenstern. Der Formenreichtum etwa an der Fassade ist viel geringer, es dominieren generische Baukasten-Elemente. Auch wird man keine verspielten Fensterformen finden, eher klassisch einfache Sprossenfenster. Bezüglich der Dachformen dominieren einfach Satteldächer ohne aufwändige Erker, Gauben etc.
    Vielleicht diese Hinweise als stilistisches Unterscheidungsmerkmal. Architekturhistorisch wertvoller ist m.E. die erstere Variante, jedes Gebäude ist hier ein Einzelstück. Letztere Varianten sind eher Massenprodukte - für die arbeitende Masse eben. Wenn da einige Verluste durch Abriß etc. entstehen ist das verschmerzbar. Viel wichtiger ist, das die entstehende Lücke wieder gefüllt wird, damit die Geschlossenheit der Strassenflucht gewahrt wird.

    Den Willigen führt das Schicksal, den Unwilligen zerrt es dahin. (Seneca)

  • Zitat von "DrZott"

    @ Schloßgespenst:


    Das gilt nur so lange, bis irgendjemand, zum Beispiel ich, wieder sagt: wo nichts mehr steht, darf auch gern Neues, Modernes entstehen und nicht immer die Wiederholung des Alten, schon dagewesenen. 8)

    Ach weißte, wenn das Neue Moderne gut aussieht und sich irgendwie halbwegs einfügt - warum nicht? Wiederholung des Alten muß ja gar nicht unbedingt sein. In [lexicon='Leipzig'][/lexicon] sind Rekos ja bei weitem nicht so nötig, weil noch so viel altes da ist (im Gegensatz etwa zu Neumarkt DD oder Altstadt Ffm, wo man fast bei Null anfagen mußte).

    Was mich (und viele andere hier) nur stört, sind eben die brutalen Kontraste: Neben vierstöckigen Altbau einfach mal einen 6-stöckigen verspiegelten und überbreiten und schiefen Glaskasten setzen - der vielleicht irgendwo als Solitär gar nicht so uninteressant wäre, aber ein gewachsenes Viertel gründlich versaut. Etwa das Kino von Coop Himmelblau an der St. Petersburger Straße in DD: Dort wo es jetzt steht, ist es ein Hingucker, der die Umgebung eher aufwertet. Würdest Du aber so ein Gerät mitten in einer Häuserzeile im Waldstraßenviertel haben wollen? 8)

  • Das stimmt allerdings. Ich frage mich nur, warum Neues von damals aus heutiger Sicht so wertvoll erscheint und Neues von heute oft mies und billig ist. Es kann doch nicht sein, daß Jahrhunderte wertvoll gebaut wurde und auf einmal alles Dreck ist. Sind unsere Bewertungen verrutscht? Sehnsucht nach Vergangenem, Verlorenem?? In [lexicon='Leipzig'][/lexicon] gibt es auch in Stadtrandlagen Lückenfüllungen in Geschoßwohnungsbau. In meinem Viertel wurde in den Neunziger Jahren einiges gebaut. Ich versuche das mal zu Photofizieren und hier zur Diskussion zu stellen, so es paßt.

  • Ich denke, es hat etwas mit der Unmenschlichkeit der heutigen Architektur zu tun. Die Technologien des Bauens ermöglichen heute Dinge, die nicht machbar waren vor 100 Jahren.
    Heute bekommen wir überdimensionierte Kisten aus Beton mit schiefen Fassaden hingesetzt, die den Mensch als Maß aller Dinge total in den Hintergrund treten lassen. Siehe das Ufa-Kino in Dresden.

    Und dann hat es was mit der gesellschaftlichen Individualisierung zu tun. Architekten streben doch danach, ihr persönliches solitäres Kunstwerk zu verwirklichen, keinen zweckbestimmten Bau. Vor 100 Jahren war der Architekt eher unwichtig, man kennt die Bauherren wie Kroch, etc. Selten aber die Architekten. Heute ist es genau umgekehrt und die gesamte Gesellschaft muß Jahrzehnte mit dem Momentanerguß eines vermeintlichen Künstlers auskommen. Derartige Aufdringlichkeiten sind es doch, die uns diese Gebäude auch recht schnell wieder abreissen lassen. In diesem Sinne: ich gebe dem Dresdner Ufa-Kino 50 Jahre, dann ist es wieder weg. Weil es zu dem gleichen Kostenloch und versifften Unort werden wird, wie die Betonvorstädte der Sechziger, die man heute nach 40, 50 Jahren auch wieder wegsprengt.

    Den Willigen führt das Schicksal, den Unwilligen zerrt es dahin. (Seneca)

  • Zitat von "DrZott"

    Es kann doch nicht sein, daß Jahrhunderte wertvoll gebaut wurde und auf einmal alles Dreck ist.

    Jahrhunderte wurde auf traditionelle Stilistiken und Handwerkstechniken zurückgegriffen - das Bauhaus brach mit alledem. Das meines Erachtens größte Problem heutiger Modernistik ist aber der jeweils fehlende Regionalbezug. Heller Sandstein in Dresden, roter Sandstein in Freiburg, Schiefer im Rheinland, Backstein in Hamburg - das alles wird ersetzt durch Glas, Stahl, Beton, Kontraste. Die Städte werden sich immer ähnlicher, Identität geht verloren. Dazu kommt unsere komplexe Situation in Deutschland, in der tiefverwurzelte Architekturgeschichte dank Harris' Rachegelüsten in weiten Bereichen nicht mehr existent ist. Dies alles macht einen Bezug auf sowie eine Weiterentwicklung von traditionellen Bauformen - und auch Rekonstruktionen - zu einem wesentlich heilsameren und sensibleren Mittel im deutschen Städtebau als modernistische "Zeitgeistarchitektur", die dem Zeitgeist ja in keinster Weise gerecht wird.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Zitat von "Wolfsheim_Jena"


    Und dann hat es was mit der gesellschaftlichen Individualisierung zu tun. Architekten streben doch danach, ihr persönliches solitäres Kunstwerk zu verwirklichen, keinen zweckbestimmten Bau. Vor 100 Jahren war der Architekt eher unwichtig, man kennt die Bauherren wie Kroch, etc. Selten aber die Architekten. Heute ist es genau umgekehrt und die gesamte Gesellschaft muß Jahrzehnte mit dem Momentanerguß eines vermeintlichen Künstlers auskommen.

    Da ist was wahres dran.

    Trotzdem, solche "Momentanergüsse" wie das Ufa-Kino darf es ruhig auch geben - nur eben am richtigen Ort. Wer weiß - manches, was uns zuerst überflüssig erscheint, gewinnt irgendwann an Wert. Der Eiffeltum wurde auch am Anfang von vielen für beknackt gehalten, und mit der Oper in Sydney hat sich Jörn Utzorn auch selbst ein abgefahrenes Denkmal gesetzt. Beide Gebäude sind zu Wahrzeichen geworden. Das Rätehaus in Königsberg und das Technische Rathaus in Frankfurt werden das hingegen nie schaffen: Das eine, weil es zu schlecht ist (statisch und architektonisch), und das andere vor allem, weil es definitiv am falschesten aller falschen Orte steht.

    Um nach [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zurückzukommen: Solange man die Kriegslücken so füllt, daß ein Bezug zu den Nachbarbauten und überhaupt zur Stadt und Region (vgl. youngwoerths Beitrag) erkennbar ist, kann ich in einer wenig zerstörten Stadt wie [lexicon='Leipzig'][/lexicon] gut damit leben, wenn nicht rekonstruiert wird, solange wenigstens das vorhandene erhalten und gepflegt wird. Bei bedeutenden Einzelbauwerken wie der Paulinerkiche und dem Augusteum, deren Verschwinden auch nichts mit dem Krieg zu tun hat, sehe ich das allerdings anders.

  • Hat auch etwas mit den permanenten Tiefschlägen gegenüber der konservativen Fraktion (Stuttgarter Schule u.a.) ab den Zwanzigerjahren zu tun, die eine Opposition gegen die kruden Kopfgeburten vermeintlich genialer Architekten und Stadtplaner ausgeschaltet bzw. mundtot gemacht haben.

    Das Ergebnis sehen wir heute in der totalen Verständnislosigkeit vieler Architekten ggü. Bauherren und Bürgern. Nicht aus bösem Willen, sondern weil beide Seiten einander nicht verstehen; soweit hat sich die Gilde der etablierten Architekten durch konsequente intellektuelle Inzucht von ihren vormaligen Aufgaben entfernt. Die Aufgaben sind dringender und offensichtlicher als je zuvor, jedoch nicht lösbar.

    Die Nachwirkungen der Grabenkämpfe der Zwanziger wirken auf die deutsche Architektur der Neuzeit so verheerend wie die Überlebenskämpfe der spanischen Reconquidista oder der deutschen Kommunisten bei ihren lehrtreuen, etablierten Nachfolgern. Überall wurde mit der Nichtaufgabe überkommener (Kampf)Dogmatik verheerender Schaden angerichtet, vor allem an der Wirtschaft.

    Nein, die werden gedünstet

  • youngwoerth

    Den Hinweis auf den fehlenden Regionalbezug finde ich sehr wichtig. Schaue man sich nur die Städte des neuen Asiens an. Man kann nicht unterscheiden, ob es sich um eine Metropole in China, Malaysia oder Japan handelt. Alles gleich, alles Beton, Stahl, Glas. Dahin dürfen wir nie kommen, auf Wolkenkratzer kann ich gern verzichten, wenn sie derart ort- und charakterlos sind.

    Oftmals leisten aber auch unsere Städte dem ganzen Trend Vorschub, in dem jeder "seinen Gehry", sein Bauwerk von Zaha Hadid haben will. Ich finde Hadids Bauten in Ihrer Sigularität und Organik absolut fazinierend, aber man braucht sich so etwas nicht als Markenartikel in die Stadt zu stellen. Stattdessen sollten andere Qualitätskriterien her:

    Passt der Bau zur Architekturtradition der Region?
    Werden regionale Materialien verwendet?
    Fügt sich der Bau in die Nachbarbebauung ein?

    Leider sind es oft nur Architekten wie Kollhoff, die das beherzigen. Kollhoff schätze ich deswegen sehr, weil er moderne Formen baut ohne das Handwerk dabei zu vergessen. So entstehen moderne, aber sehr stimminge und wertige Bauten. Besonders gelungen finde ich seinen Bau der Landeszentralbank Thüringen (http://www.vs-moebel.de/fileadmin/vspics/Referenzen/Banken/LZB-Meinigen_Pict01.jpg\r
    http://www.vs-moebel.de/fileadmin/vspic ... Pict01.jpg)
    wo nur mit heimischem Sandstein und dem Thüringer Baugestein schlechthin -Travertin- gearbeitet wurde. Das Ganze bekommt so eine wertige, mediterrane Wirkung, die zum ländlichen Thüringen hervorragend passt. Alles andere wäre künstlicher Betonschrott geworden.

    Den Willigen führt das Schicksal, den Unwilligen zerrt es dahin. (Seneca)

  • Ihr sprecht mir aus der Seele: auch ich glaube, dass der fehlende Regionalbezug der Hauptgrund für die Ablehnung vieler modernen Bauten ist.

    Wie beim Autobau, wo mittlerweile auch viele Autos sich im Design immer ähnlicher aussehen, gleichen sich heute auch die Städte an.

    Für mich als Norddeutscher würde ich mir auch vermehrt den roten Backstein wünschen. Erst seit Ende der 70er wird der Backstein hier bei uns wieder verwendet. Davor galt es nach den Kriegsjahren überhaupt Wohnraum zu schaffen und so enstanden dann dieheute als billig empfundenen verputzten Nachkriegshäuser (im Norden sieht man Putz nicht so gerne).

    Es ist aber auch richtig, dass vor 100 Jahren die damalige Architektur auch kritisiert worden ist. Das Rathaus von Hannover - ein schloßartiges Gebäude - ist heute ein Wahrzeichen. Beim Bau allerdings gab es harsche Proteste der Bürger, dass Gebäude sei überdimensioniert - ein heute bekanntes Argument. In anderen Städten wird es nicht anders gewesen sein.

  • Sehr richtig. Jedoch war es meistens nicht so schlimm, dass die Bauten über kurz oder lang nicht doch angenommen wurden.

    Mit der Moderne ist es oft so, daß sie eine unbehauste Kälte ausstrahlen und sich nie wirklich urbanes Leben entwickeln kann - eben weil ihre Materialität und Größe nicht für den Menschen gemacht zu sein scheint. Sie werden dann schnell zu Unorten, die Siff und Kriminalität anziehen, es entstehen soziale Brennpunkte. Hier verkehrt sich die Architektur vom Resultat her ins krasse Gegenteil, weil jegliche Einbettung in die Umgebung fehlt.

    Beachtet man das hingegen, entstehen neue zentrale Orte, die aus sich selbst heraus leben und keine Fremdkörper sind.

    Den Willigen führt das Schicksal, den Unwilligen zerrt es dahin. (Seneca)