Hannover - Wiederaufbau des Schlosses Herrenhausen

  • Ich habe zu Hannover keinen anderen Diskussionsstrang gefunden, deshalb als kurze Ergänzung zum hier angesprochenen Rekonstruktionsvorhaben:

    Man sollte sich auch mal genauer den Umgang mit der Nikolaikapelle anschauen, die offenbar das älteste Gebäude Hannovers ist. Scheinbar gibt es nur Bestrebungen bzw. Durchführungen zur Ruinensicherung, statt hier mit Dach und Fenstern einen nutzbaren Raum zu schaffen. Angeblich soll die Kapelle ein Mahnmal gegen den Bombenkrieg sein (ein immer bequemes Argument, wenn man die Phantasie nicht mehr zu baulichen Veränderungen anregen will). Ein solches Mahnmal ist aber auch schon die Aegidienkirche. Weshalb also sollten zwei solche Mahnmale Sinn machen, zumal die junge Generation die Mahnung ohnehin nicht mehr versteht, da sie ja den Vorkriegszustand nicht mehr kennt?

    Hier nun einige Infos zur Nikolaikapelle: (Vielleicht weiß ein Anderer mehr?)

    http://www.denkmalschutz-hannover.de/projekte/nikolaikapelle.htm

    http://www.gruene-hannover.de/themen/verkehr/104536.html

    http://www.gruene-hannover.de/themen/bauen/83266.html

    http://www.baufachinformation.de/zeitschriftena…p?z=07109008932

    http://www.iek.uni-hannover.de/378.html

    http://www.coolphotos.de/fotos_e/hannover/20.html

    Sollte man sich in Hannover hier nicht für eine Sanierung mit Nutzbarkeitsfaktor einsetzen?

  • Zitat von "Heimdall"

    Sollte man sich in Hannover hier nicht für eine Sanierung mit Nutzbarkeitsfaktor einsetzen?


    Die arme N.kapelle, scheide sie in Frieden dahin.
    Es lohnt sich nicht, sie liegt verkehrstechnisch an so einer grausam abgelegen, abgeschnittene, unwirtlichen Stelle, da wird sie von niemandem genutzt werden, leider.

    Eine herrliche Rekonstruktionsmöglichkeit hingegen wäre die Ruine der Aegidienkirche, die war vor dem Kriege wirklich prächtig anzuschauen (vor allem der barocke Innenraum); steht heute als begehbare Ruine da und dient als, ratet mal, richtig:

    "Maaaanmaaaal gägän Kriiiik"

  • Die Nicolaikapelle war mir schon immer ein trauriges Beispiel mit dem Umgang historischer Bausubstanz. Die Aufwertung dieses Gemäuers wäre wirklich so etwas wie eine Wiedergutmachung dessen, nur sehe ich ein Problem in der Verkehrsführung. Man müsste eine Fahrspur (die durch das Kirchenschiff führt!) komplett rückbauen.
    Hier die Situation von oben:
    http://maps.live.de//LiveSearch.LocalLive?cp=52.37784340518223~9.732058531868404&scene=15526777&style=o&lvl=2\r
    maps.live.de//LiveSearch.LocalLi ... le=o&lvl=2

  • Die Initiative scheint nur einige Grabsteinen des Friedhofes der Nicolaikapelle restaurieren zu wollen. Eine Rekonstruktion der Kapelle waere im Prinzip moeglich und nutzbar, weil man die Strasse, die jetzt durch den Kirchenschiff fuehrt :schockiert: , rueckbauen will.
    Man scheint in Hannover schon an der Aegidienkirche als Mahnmal gaegaen den Kriiik zu haengen, wenn ich Ein_Hannoveraner glauben darf.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Zitat von "Brandmauer"


    Man scheint in Hannover schon an der Aegidienkirche als Mahnmal gaegaen den Kriiik zu haengen, wenn ich Ein_Hannoveraner glauben darf.

    ´

    Werde diese Leute (sui generis) nie verkneistern; irgendwie sind doch alle Mahnmale für die Katz; wie wäre es mal mit einer riesigen Aktentasche aus Beton mit herauslugendem Tausender (Mahnmal gegen Steuerhinterziehung); ein gigantischer, zerrissener Bronzeschlüpfer (Mahnmal gegen Vergewaltigung); ein alter Fabrikschornstein wird umgedeutet als Mahnmal gegen's Kiffen. Ich hege den Verdacht, daß es einem Volk, das soviel Zeit und Geld für so Nutzloses aufwendet, entweder viel zu verbergen hat und ständig nach Strich und Nadel verar.... wird. :x

  • Zitat

    Ich hege den Verdacht, daß es einem Volk, das soviel Zeit und Geld für so Nutzloses aufwendet, entweder viel zu verbergen hat und ständig nach Strich und Nadel verar.... wird

    Obwohl in der Intention richtig, ist der Satz etwas wirr. Auf ein entweder muss doch ein oder folgen.
    Ist damit gemeint: Ich hege den Verdacht, dass diese Leute (die Denkmalbauer) einem Volk, das soviel Zeit und Geld für so Nutzloses aufwendet, entweder viel zu verbergen haben, oder aber dass das Volk ständig mit Strick und Faden verar.... wird?

    So sind beide Dinge, der Aufwand und die Verar...ng, aber keine Gegensätze, sondern zwei Attribute einer und derselben Erscheinung. Und diese Erscheinung ist der Schuldkult der Gutmenschen.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Interessante Texte zu Herrenhausen, Ipflo! Der Wunsch nach Wiederaufbau wurde wohl schon vor Jahrzehnten stark befördert durch die Idee von Arne Jacobsen, der an die Stelle des Schlosses einmal einen futuristischen Neubau stellen wollte. (Im verlinkten Text der Volkswagenstiftung sieht man eine Abbildung davon auf Seite 19.) Der Entwurf war spektakulär und ästhetisch - aber er nahm keinerlei Rücksicht auf die Geschichte des Ortes und die Erinnerung der Bürger, die ihr Schloss noch nicht vergessen hatten.

    Wenn der BDA erwartungsgemäß eifrig gegen das Schloss Herrenhausen kämpft, dann ist der Hinweis bemerkenswert, dass die Architektenkammer mit ihren vom BDA vertretenen Mitgliedern ausgerechnet im ehemaligen Wohnhaus von Georg Friedrich Laves residiert, des Architekten, der Schloss Herrenhausen maßgebend geprägt hat.

  • Eigentlich gehört es ja hier hin (statt in "Hannover Innenstadt); denn das Schloß liegt ja bekanntlich nicht in der Innenstadt von Hannover.

    Hannoversche Allgemeine vom 24.07.2008

    Das mit der Ausschreibungspflicht kommt mir bekannt vor - war das in Frankfurt mit der Altstadt nicht genauso?

  • Die hannoverschen Tageszeitungen berichten heute von der Vertragsunterzeichnung. In Kürze geht es wohl mit Probeausgrabungen auf dem Schloß-Gelände los. Dann sollen bauhistorische Gutachten folgen, um den historischen Grundriss abzustecken. :D

    Anmerkung: 20 Mio. € find ich etwas dürftig kalkuliert...

    Artikel aus der Neuen Presse Online:

    Zitat

    Schloss Herrenhausen wird wieder aufgebaut
    Jetzt gibts kein zurück mehr: Der Vertrag für den Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Schlosses Herrenhausen ist unterzeichnet.

    Hannover. Den Vertrag unterzeichneten Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) und der Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung, Wilhelm Krull, am Freitag in Hannover. Die Landeshauptstadt will zusammen mit der Stiftung die barocken Gemäuer des Schlosses rekonstruieren.

    Der Oberbürgermeister bezeichnete die Rekonstruktion „als eine der erfreulichsten Entwicklungen seit meinem Amtsantritt, auf die bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert lang gewartet wird“. Der Bau soll etwa 20 Millionen Euro kosten und 2012 fertiggestellt sein. In dem Gebäude sollen dann hochkarätige wissenschaftliche Tagungen abgehalten werden, um den Wissenschaftsstandort Hannover in eine Spitzenposition zu bringen, wie Krull betonte.

    Zusätzlich soll das Schloss für Musikveranstaltungen genutzt werden. Außerdem soll ein Museumsflügel eingerichtet werden. Die vielfältige Nutzung des Schlosses solle an die Tradition des hannoverschen Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz anknüpfen, der Zeit seines Lebens Kultur und Wissenschaft miteinander verbunden habe, erläuterte Krull.

  • Zitat

    Grünes Licht für den Wiederaufbau von Schloss Herrenhausen in Hannover 
    Nachricht vom 12.07.2009
    Die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover erhält mithilfe der Volkswagen-Stiftung das Schloss Herrenhausen zurück. Durch einen Erbbaurechts- und Mietvertrag zwischen Stiftung und Stadt wurde am 3. Juli der Weg für eine Rekonstruktion des Schlossbaus geebnet. Bereits im Jahr 2012 soll der Nachbau des einstigen Sommersitzes der welfischen Fürsten fertiggestellt sein.

    Die Wiedererrichtung komplettiert das prächtige Gebäudeensemble in den Herrenhäuser Gärten, die zu den besterhaltenen und größten barocken Gartenanlagen Europas zählen. Die Anlagen in der Hannoverschen Nordstadt wurden um die Mitte des 17. Jahrhunderts angelegt. Das darauf errichtete Schloss verblieb bis ins 20. Jahrhundert im Besitz der welfischen Fürstenfamilie, bis es im Jahr 1943 bei einem Luftangriff nahezu gänzlich zerstört wurde. Erhalten blieben nur das Portal der Schlosstreppe und die Begrenzungen der beiden Schlosshöfe.

    In der Nachkriegszeit waren mehrere Bemühungen zum Wiederaufbau des Schlosses aus finanziellen Gründen gescheitert und so blieb seither die Baulücke mit Ruinenresten bestehen. Nun soll das Schloss in seinem letzten Baubestand rekonstruiert werden. Nach den Plänen des Hofbaumeisters Georg Ludwig Laves, der das Schloss Anfang des 19. Jahrhunderts im klassizistischen Baustil erneuerte, wird ausschließlich die Hülle des historischen Baukörpers nachgebaut. Hinter den klassizistischen Fassaden soll der Innenraum künftig ein modernes Tagungszentrum beherbergen, das durch ein kulturhistorisch ausgerichtetes Museum ergänzt werden soll. Vor allem wissenschaftliche Veranstaltungen sollen in den neuen Räumlichkeiten stattfinden, womit nach Ansicht der Bauträger der geistesgeschichtlichen Tradition der Stadt Rechnung getragen wird. Schließlich war Gottfried Wilhelm Leibniz lange am hannoverschen Hofe und damit auch im Schloss Herrenhausen tätig.

    Die Wiedererrichtung des Schlosses ist in der öffentlichen Diskussion nicht unumstritten. Der Bund Deutscher Architekten (BDA) sprach sich im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau strikt gegen die Rekonstruktionstendenzen in der deutschen Stadtplanung aus. Nach seiner Ansicht sollte die kulturelle Kontinuität und die Ablesbarkeit der Geschichte in den Städten erhalten bleiben. Dies könne nur durch eine die bestehende Bebauung respektierende, aber zeitgebundene Architektur geschehen. Der BDA bezieht sich mit der Haltung auf ein Memorandum der UNESCO, die im Bezug auf die Stadtplanung neben dem Erhalt historischer Bausubstanz ausdrücklich fordert, dass Formen pseudohistorischer Gestaltung der Städte zu vermeiden seien. Der BDA Niedersachsen forderte daher dazu auf, im nun anstehenden Architektenwettbewerb, die Fassadengestaltung ausdrücklich offen zu halten. Nur so könne eine verantwortliche Lösung der Wiederbebauung gefunden werden.

    Bei den Verantwortlichen herrscht allerdings eine andere Meinung vor. In dem nun geschlossenen Vertrag verpflichtet sich der Bauträger zur getreuen Fassadenrekonstruktion nach den Lavesplänen. Die Befürworter einer Rekonstruktion führen vor allem das Argument ins Feld, dass die Erhaltung des Gesamtkunstwerks „Herrenhäuser Gärten“ der historischen Kontinuitätsansicht unterzuordnen sei. Die Politik zieht zudem Schlüsse aus dem Vorhaben einer modernen Bebauung in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Damals wollte die Stadt nach einer Idee des dänischen Architekten Arne Jakobsen an der Stelle des Schlosses eine 21 Meter hohe Aussichtstribüne über den Gartenanlagen errichten. Die Realisierung des Entwurfes scheiterte jedoch am heftigen Widerstand der Bevölkerung.


    Quelle: http://www.damals.de (Fabian Stetzler)

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Super dass das Schloss "beschlossene" Sache zu sein scheint.

    Was ist aber mit diesem UNESCO-Memorandum? Wie kann dann bitteschön Warschau Welterbe sein? Ist ja eigentlich zweitrangig (Hauptsache Schloss :P ).

  • Kann´s kaum erwarten. Bald müsste es eigentlich auch mal losgehen.

    So sollte übrigens das Schloß in den 60ern wiederaufgebaut werden. Hat sich zum Glück in der Bevölkerung nicht durchsetzen können.

  • Zitat

    Der Bund Deutscher Architekten (BDA) sprach sich im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau strikt gegen die Rekonstruktionstendenzen in der deutschen Stadtplanung aus. Nach seiner Ansicht sollte die kulturelle Kontinuität und die Ablesbarkeit der Geschichte in den Städten erhalten bleiben. Dies könne nur durch eine die bestehende Bebauung respektierende, aber zeitgebundene Architektur geschehen. Der BDA bezieht sich mit der Haltung auf ein Memorandum der UNESCO, die im Bezug auf die Stadtplanung neben dem Erhalt historischer Bausubstanz ausdrücklich fordert, dass Formen pseudohistorischer Gestaltung der Städte zu vermeiden seien. Der BDA Niedersachsen forderte daher dazu auf, im nun anstehenden Architektenwettbewerb, die Fassadengestaltung ausdrücklich offen zu halten. Nur so könne eine verantwortliche Lösung der Wiederbebauung gefunden werden.

    Das Memorandum der UNESCO und des BDA (!) trugen offenbar der deutschen Situation nicht rechnung. Wie kann man historische Kontinuität, wo kaum noch ältere Bausubstanz vorhanden ist, besser zeigen als durch Rekonstruktionen?
    alpha hat geschrieben:

    Zitat

    Was ist aber mit diesem UNESCO-Memorandum? Wie kann dann bitteschön Warschau Welterbe sein?

    Bei Warschau ging es um die Wiedergewinnung der polnischen kulturellen Identität. Diese Wiedergewinnung war in den Augen der kulturellen und intellektuellen Eliten legitim. Bei Rekonstruktionen in Deutschland würde es um die Wiedergewinnung deutscher kultureller Identität gehen. Diese ist für die kulturellen und intellektuellen Eliten nicht legitim. Ein Argument derer ist dann, daß Warschau schon kurz nach dem Krieg rekonstruiert wurde, während viele deutsche Denkmäler erst jetzt rekonstruiert werden können oder dürfen. Die Geschichte der modernen oder sozialistischen Stadtplanung mit Rekonstruktionsverbot wird dann weggewischt, finden die. Und letztendlich geht es denen darum, daß den Deutschen die Folgen des Zweiten Weltkrieges vor Augen bleiben sollen.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Zitat von "Brandmauer"

    Was, bitteschön, hat die UNESCO bei der Formulierung deutscher Städtegestaltung zu zun? Die Einmischung des BDA ist schon schlimm genug, da brauchen wir die wahrhaftig nicht noch dazu.

    Und was mag wohl das Wort "pseudohistorisch" bedeuten? Vielleicht eine neue Version von "Disneyland?" :aufdenkopf:

  • Der BDA residiert in Hannover ja auch in einer schönen alten Laves-Villa. Da kann man schon mal darauf kommen, dass kein Bauwerk schöner sein darf, als der eigene alte Palast. :zwinkern: