ZitatWarum wurde das Schloss eigentlich zerstört? Es lag ja ausserhalb der Innenstadt?
Auf Hannover wurden von August 1940 bis März 1945 insgesamt 88 Luftangriffe geflogen. Die schwersten Luftangriffe am 26. Juli, im September sowie am 9. Oktober 1943 waren Flächenbombardierungen.
Am 26. Juli 1943 gab es einen Angriff am hellichten Tage, bei dem die Continental-Gummiwerke zerstört werden sollten. Dabei trafen nur die Sprengbomben tatsächlich diese kriegswichtige Auto-und Flugzeugreifen-Fabrik, die Brandbomben fielen ca. 1 km "daneben" in die Altstadt und zerstörten die prominentesten Bauwerke wie Leineschloss, Marktkirchturm, Opernhaus und Markthalle.
Die Angriffshöhe bei einem solchen Angriff lag bei etwa 12 - 15.000 ft, also etwa 4 - 5 km. Aus dieser Höhe ist es unmöglich, gezielt einzelne Gebäude (auch wenn es eine hektargroße Fabrikhalle ist) zu treffen, da man einerseits gar nicht genau sehen kann, ob man direkt über dem Gebäude fliegt und die Bomben natürlich auch nicht genau senkrecht ´runterfallen.
Die Bombenschützren orientierten sich daher tagsüber an markanten geografischen Punkten, in Hannover beispielsweise die geometrische Struktur des Herrenhäuser Barockgartens, dem Hauptbahnhof mit seinen "verknoteten" Eisenbahntassen sowie dem Maschsee oder dem Waterlooplatz.
Bei Nachtangriffen übernahmen sog. "Pfadfinder"-Bomber die Identifizierung des Ziels, dass dann durch abwurf farbig brennender Zielmarkierungsbomben markiert wurde. In den Einsatzkarten der nachfolgenden Bombern waren dann die Stadtgebiete, die zu bombardieren waren, "abgezirkelt, d. h. es war zum Beispiel ein sektor von 45° nordöstlich der Markierung bis 30° nordwestlich zu Bombadieren.
Lag also die Zielmarkierung falsch, so fielen auch alle nachfolgend abgeworfenen Bomben auf das falsche Ziel.
Am 9. Oktober 1943 trafen die Zielmarkierungsbomben um 0.35 Uhr exakt den Hannoverschen Hauptbahnhof, und 20 Minuten später standen 10 Quadratkilometer dichtbebautes Stadtgebiet, wie geplant, in Flammen (1.245 Todesopfer bei mehr als 100.000 Obdachlosen sowie völlig lahmgelegter Infrastruktur).
Am 18. Oktober 1943 sollten die bisher noch unzerstört gebliebenen nördlichen Stadtteile, ebenfalls bei einem nachtangriff, zerstört werden. Die Zielmarkierungsbomben wurden Minuten zu früh ausgeklinkt, durch Wind verdriftet und fielen ca. 8 km nördlich des Stadtzentrums im freien Feld. Daher warfen die folgenden Bomber ihre Last auf die nördlichen Stadtrandgebiete, überwiegend auf freies Feld sowie auf zahlreiche Dörfer, wo sie aber aufgrund der geringen Bebauungsdichte relativ wenig Schaden verursachten.
Bei diesem Angriff wurde das Schloss Herrenhausen sowie das Galeriegebäude von Brandbomben getroffen. Das schloss brannte als Fachwerkbau (!) in kürzester Zeit volständig, so dass sich die Selbstschutzkräfte auf die Rettung des Galeriegebäudes konzentrierte, die auch glücklicherweise gelang (Rokocko-Stuckdecke!). Vom Schloss blieben nur die steinerne Freitreppe sowie ein paar Schornsteine stehen...
Die Herrenhäuser Gärten liegen übrigens gerade einmal 2 - 3 km vom Stadtzentrum entfernt und erhielten im Laufe des Krieges mehrere Tausend (!) Bombentreffer. Auch dienten die Gartenalagen in der Notzeit des Krieges und danach als Gemüseacker. Die gerade erst 1937 aufwändig restaurierten Anlagen mussten dann nochmals bis 1966 wieder hergerichtet werden.
Über die Restaurierung 1936-37 gibt es gerade Ausstellungen, unter anderem mit Farbfotos von den Gartenanlagen mit Schloss aus den 30er Jahren...
Achja, und (vorbeugend): Ich bin kein Revanchist oder sonst irgendwie psychisch abedriftet, ich habe den Bombenkrieg auf Hannover hier nur mal ausführlich dargestellt, um die Perversion eines technisierten Krieges zu verdeutlichen...
Alles nachzulesen in:
M. Radtke/K. Mlynek:
"Unter der Wolke des Tdes leben - Hannover im Zweiten Weltkrieg"
Kabel Verlag Hamburg 1983 (vergriffen)