Frankfurt a. M. - Mainufer

  • Was Frau Roth da sagt, hört sich für mich wie ein schlechter April-Scherz an. Ein Gehry-Bau in Bilbao ist zu einem Publikumsmagneten geworden, weil eine vorher etwas eingerostete, wirschaftsschwache Stadt in einer europäoschen Randregion mit diesem Kunstbau ein Ausrufezeichen setzen konnte. Ein Befreiungsschlag mit Signalwirkung, der einen Weg aus der trostlosen Lage der Stadt geschaffen hat. Die einzigartige Wirkung des Gehrybaus wurde durch die kontrastreiche Situation geschaffen, indem der futuristische Bau sich aus dem Häusermeer der historischen Stadt hervorhebt. Wie ein Gehrybau zwischen schwacher Nachkriegsbebauung aussieht, kann man z.B. in Hannover bewundern. Touristische Auswirkungen für Hannover: Null

    Will sagen: der Bilbao-Erfolg ist weder reproduzierbar, kalkulierbar und schon gar nicht käuflich (auch wenn Frau R. das vielleicht denkt). Wenn Frankfurt im Wettbewerb der globalen Städte treten will, dann kann es mit Sicherheit nicht mit einer Ansammlung von modernistischen Bauprojekten auftrumpfen. Dubai, Shanghai & Co. sind in dieser Hinsicht um Meilen voraus.

    Komischerweise sehe ich die in Frankfurt gestrandeten Touristen, Messsebesucher etc. keine Wolkenkratzer fotografieren, sondern fleissig knipsend auf dem Römer. Eine kalte Downtown ist global gesehen keine Attraktion. Eine Stadt als Marke stiftet Sinn und findet damit Beachtung, wenn eine nachvollziehbare, am besten einzigartige Geschichte für die Menschen gezeichnet werder kann. Für Frankfurt könnte diese Geschichte, der Krönungsweg durch die historische Altstadt sein. Ein 50. Gehry, Chipperfield oder Calatrava Bau überzeugt mich an dieser Stelle nicht. Von den Kosten mal ganz abgesehen...

    ...

  • Zitat von "Robkriers"

    Wie ein Gehrybau zwischen schwacher Nachkriegsbebauung aussieht, kann man z.B. in Hannover bewundern. Touristische Auswirkungen für Hannover: Null

    :?:

  • Zitat von "Kardinal"

    Hat eigentlich noch niemand geäußert, daß das Original zwar spektakulär für so eine triste Gegend wie Bilbao, aber trotzdem hässlich ist?

    Sorry, aber du kennst die Gegend offensichtlich nicht. Das Gelände, auf dem jetzt Guggenheim und Parks liegen, war vielleicht einmal Trist, die Umgebung ist es aber sicherlich nicht. Das Guggenheim liegt direkt am Fluss, Umgeben hauptsächlich von Bauten des 19. Jahrhundert, sowohl auf Neustadt- als auch auf der gegenüberliegenden Flusseite. Und beurteilen, ob das Gebäude hässlich ist, solltest du erst, wenn du es und den Kontext, in dem es steht, mal selber gesehen hast. Ich werde dazu mal bei Gelegenheit ein paar Bilder einstellen.

    Grüße,
    Daniel

  • Doch, die Gegend kenne ich. War schon öfter in Bilbao ("Bilbao is not Spain!"), allerdings zugegebenermaßen noch nicht am Museum. Kenne dieses nur von Bildern.
    Dahingehend habe ich mich falsch ausgedrückt. "Trist" im Sinne von unspektakulär. Schließlich gab es ja den Bedarf, Aufmerksamkeit zu erregen. Allerdings hatte ich sogar mehr erwartet von dem Bilbao-Effekt, war etwas enttäuscht, als ich es gesehen habe.
    Nun, in Bilbao scheint es funktioniert zu haben.
    Daß es aber einen Frankfurt-Effekt gibt, scheint mir schon aufgrund der in Bilbao vermissten Konkurrenzbauten (gotisches Kloster DIREKT nebenan, Wolkenkratzer, weitere Gebäude von auch welthistorischer Bedeutung) eben wenig wahrscheinlich.

    Die Feder ist mächtiger als das Schwert...wenn das Schwert sehr stumpf ist und die Feder sehr spitz!

    -Terry Pratchett

  • Zitat von "Kardinal"

    Doch, die Gegend kenne ich. War schon öfter in Bilbao ("Bilbao is not Spain!"), allerdings zugegebenermaßen noch nicht am Museum. Kenne dieses nur von Bildern.
    Dahingehend habe ich mich falsch ausgedrückt. "Trist" im Sinne von unspektakulär. Schließlich gab es ja den Bedarf, Aufmerksamkeit zu erregen. Allerdings hatte ich sogar mehr erwartet von dem Bilbao-Effekt, war etwas enttäuscht, als ich es gesehen habe.
    Nun, in Bilbao scheint es funktioniert zu haben.
    Daß es aber einen Frankfurt-Effekt gibt, scheint mir schon aufgrund der in Bilbao vermissten Konkurrenzbauten (gotisches Kloster DIREKT nebenan, Wolkenkratzer, weitere Gebäude von auch welthistorischer Bedeutung) eben wenig wahrscheinlich.

    Das es den Effekt nicht geben wird, sehe ich auch so, allerdings weniger wegen den Konkurrenzbauten, sondern aufgrund der Lage - in einer eher flachen Stadtlandschaft würde das Museum nicht halb so spektakulär wirken. Und zugegebenermaßen war Bilbao zum Zeitpunkt der Entscheidung eine Stadt am Scheidepunkt, das ist nicht annähernd mit Frankfurt zu vergleichen. Von daher verbietet sich der Vergleich der Oberbürgermeisterin schon von vornerein.

  • Um mal auf Frankfurt zurück zu kommen: Ich glaube, auf dem Degussa-Areal sollte man auf eine Rekonstruktion des Vorkriegszustands komplett verzichten. Dies liegt an folgenden Gründen:

    1. Die Vorkriegsbebauung war absolut minderwertig. Es gab hier vorzugsweise klassizistische oder klassizistisch überformte Gebäude auf schmalen tlw. sogar schmalsten Parzellen.
    2. Abgesehen von dem Haus mit dem prächtigen Portal waren die Fassaden sehr schlicht und besaßen kaum Auskragungen. Und selbst bei dem Haus mit dem Portal war dieses das einzig wichtige Element. Das übrige Gebäude war völlig belanglos und zusammengeschachtelt aus mehreren Um- und Anbauten verschiedener Zeiten.
    3. Manche Gebäude hatten über dem Erdgeschoss nur ein Vollgeschoss und darüber dann gleich das Dach. Das trifft v.a. für die Bebauung der Papageigasse zu. Die Häuser der übrigen Altstadt hatten durchgehend 2-3 Obergeschosse.
    4. Die Gassen waren sehr schmal und die Bebauung glich eher der einer Vorstadt. Sowas wiederherzustellen ist aus wirtschaftliche Gründen niemandem vermittelbar.

    Die einzig echte, lohnende Rekonstruktion wäre meines Erachtens der Eberbacher Hof (Papageigasse 9) an der Ecke zur Weißfrauenstraße. Dieses Renaissancehaus mit einem wertvollen Erker war ein herausragendes Denkmal, was man alleine schon daran sieht, dass es im Gegensatz zu dem übrigen Geviert zwischen Papagei- und Schneidwallgasse als einziges NICHT vor 100 Jahren zugunsten einer Neubebauung abgebrochen wurde. Wenn es also eine Möglichkeit gibt, an den städtischen Plänen anzusetzen, dann sollten wir uns auf dieses Gebäude konzentrieren.

    Ob hier ein Museum der Weltkulturen hingehört wage ich zu bezweifeln, aber die Stadt will es wohl unbedingt bauen. Meines Erachtens wäre der Standort an der Paulskirche in einer rekonstruierten Alten Börse geeigneter.

  • Es muß ja auf dem Areal keine architektonischen Rekonstruktionen geben, aber das Wegenetz sollte schon in etwa dem historischen Verlauf angepasst werden. Man will ja das bislang verriegelte Areal für Fußgänger öffnen.

    Ein Museum der Weltkulturen an dieser Stelle ist insofern fatal, als es die Position des weitgehend geschlossenen Museumsufers in Sachsenhausen aufbricht und gefährdet. Denn das dort bestehende Museum wird ja nur verlagert. Danach hat man wahrscheinlich mehrere leerstehende Gebäude in Sachsenhausen, für die man erst einmal eine neue Nutzung finden muß. Und man hat einen teuren Mietvertrag für das neue Museum am Hals (jährlich mehrere Millionen), über den sich vor allem der Investor freut. Ein Schildbürgerstreich auf Kosten des Steuerzahlers.

    Ganz abgesehen davon wird das Gebäude zudem relativ sicher ein häßlich-manieristischer Kasten, an dem sich die Architektenkaste und einige Politiker mit dem Sektglas in der Hand ergötzen werden, bis dieser Reiz sich nach ein paar Jahren gelegt hat. Beispiel aus der Frankfurter Geschichte: Technisches Rathaus.

  • Eben! Deswegen würde ich das Museum der Weltkulturen ja gerne in einer rekonstruierten Alten Börse unterbringen, damit wir keinen Kasten in der Altstadt bekommen. Das Museum in unmittelbarer Nähe der Paulskirche mit ihrer für die deutsche Demokratie so wichtigen Geschichte hätte ja auch seinen Reiz. Bei dieser Gelegenheit könnte man auch gleich noch die beiden südlich an die Börse anschließenden Barockhäuser "Zur Stadt Antwerpen" und "Zum Großen Kaufhaus" rekonstruieren und eine alte Kriegswunde schließen. Das Areal ist ja noch komplett unbebaut, und auf dem letzten Altstadtforum Ende Oktober hat der Vorsitzende des Frankfurter Einzelhandelsverbands Frank Albrecht, auch schon einmal die Reko der Alten Börse gefordert.

    Ein Bild vom Großen Kaufhaus und der Stadt Antwerpen hat RMA hier gepostet in seinem Beitrag vom 3.4.2008; 22:29 Uhr: http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?p=60137#60137\r
    http://www.architekturforum.net/viewtopic. ... 0137#60137

    Gegen eine Wiederherstellung des ursprünglichen Wegenetzes auf dem Degussa-Areal habe ich natürlich nichts. Aber wenn wir die dortige Vorkriegsbebauung wiederhaben wollen, tun wir uns glaube ich überhaupt keinen Gefallen. Mit Ausnahme des Eberbacher Hofs. Wenn ich den gebaut habe (ich bin leider noch nicht so weit), stell ich mal Fotos davon ein.

  • und hier die rückseite der alten börse mit ihren zwei nachbargebäuden


    Paulsplatz mit östlicher Randbebauung: alte Börse, Paulsplatz 8, "südwestliches" Eckhaus; 1938 oder 1939 (Foto aus privater Sammlung unseres Mitglieds Riegel)

    FRANKFURT-specialis domus imperii

  • Auch wenn ich mir vielleicht den Groll einiger Anwesender zuziehen werde: Mir gefällt der Paulsplatz in seiner heutigen Ausdehnung eigentlich ganz gut... Die Bebauung nach Osten hin ist natürlich unter aller Sau, von den auf wundersame Weise erhaltenen Häusern an der Ecke zur Braubachstraße hin mal abgesehen. Auch wenn ich normalerweise kein Freund von faulen Kompromissen bin, eine etwas nach Norden versetzte und leicht verkleinerte freistehende Nachbildung der Alten Börse als Abschirmung zur Berliner Straße hin könnte ich mir durchaus vorstellen...

    Was sagt sie uns für Unsinn vor?
    Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
    Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
    Von hundert tausend Narren sprechen.
    Goethe, Faust I

  • Ich denke, daß derzeit eine Verengung des Paulsplatzes mit Rekonstruktion der Alten Börse überhaupt kein Thema ist. Es ist zur Zeit schlicht nicht vermittelbar.

    Die Leute werden sagen:

    "Was? Die wollen uns die Tische vom schönen Eissalon wegnehmen? Da sitze ich doch immer in der Sonne und esse mein Banana-Split.",

    "Was? Die wollen die schönen Bäumchen abholzen? Das schöne Grün?",

    "Was? Da findet der Weihnachtsmarkt keinen Platz mehr?",

    und eventuell (obwohl das die meisten am wenigsten interessiert) "Was? Die wollen den Blick zur Paulskirche abriegeln?".

    Derzeit nicht machbar. Möglichenfalls mal nach einer eventuellen Wiederherstellung des Krönungsweges (was noch nicht sicher ist), wenn die Leute den Vorteil verengter Altstadt-Wegenetze sinnlich erfahren haben und deren Fortführung wünschen.

  • Normalerweise würde ich ja sagen: "Kommt Zeit kommt Börse", und das stimmt wahrscheinlich sogar, aber mit dem Museum der Weltkulturen hätte man auch gleich eine Nutzung für dieses Gebäude gefunden. Wenn das Museum aber auf dem Degussa-Areal gebaut wird, dann bekommen wir halt wieder diese leidige Nutzungsdiskussion, wenn wir die Alte Börse wiederhaben wollen. Der riesige Innenraum ist ja auch nicht für alles geeignet, wie Tobias auf dem letzten Frankfurter APH-Treffen angemerkt hat.

    @ Philipp Groß
    Freistehend kann ich mir die Alte Börse nicht vorstellen. Man sollte auch die Chance nicht vertun, die beiden Barockhäuser an der Neuen Kräme zu rekonstruieren. Mit einer freistehenden Börse ist das dauerhaft ausgeschlossen. Die zeitgenössische Formensprache kann sich immer noch am Paulsplatz und der Südseite zum Römer hin austoben. Dann kommt niemand zu kurz.

  • So weit herbeigeholt ist die Idee einer Neubebauung der Ostseite des Paulsplatzes aber nicht wie es z. B. die historische Neubebauung des Dom-Römer-Areals bis vor wenigen Jahren noch war. Es hat von städtischer Seite initiiert (!) meines Wissens schon seit den 80ern wenigstens zwei Anläufe gegeben, die Ostbebauung, freilich nicht in der historischen Form, wiederzugewinnen.

    Wer in Frankfurt wohnt, kann in der Unibib in den Frankfurt-Lesesaal gehen, dort steht im Regal "Architektur" ein Heft aus den 80ern (Titel ist mir entfallen), wo die Wettbewerbsergebnisse drin zu sehen sind.

    Fazit: ich habe eher den Eindruck, dass, wie bei so vielen Projekten, die Stadt schlicht nicht bereit ist, das Geld für sowas zu bezahlen bzw. aktuell einfach der Anlass respektive ein Idee zur Nutzung fehlt. Wer weiß, wie es nach der Altstadt-Reko aussieht, vielleicht findet die Debatte dann ja wieder Anstoß.

    Ganz zu schweigen davon, wenn sich großzügige Spender wie z. B. in Potsdam finden würden (dass dies nicht der Fall ist, ist in einer reichen Stadt wie Frankfurt eigentlich eine ziemlich Schande), ich bezweifle, dass man dann von städtischer Seite einer Börsen-Reko kritisch gegenüber stehen würde, genauso wie bei einer spendenfinanzierten Salzhaus-Reko (die ja in den 80ern auch nur daran gescheitert ist, dass nicht genug Geld zusammen kam).

    P. S.: Ein Bild vom Inneren der Alten Börse, was ja auch Thema beim letzten Stammtisch war, findet sich hier:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:H%C3%B6fer%2C_E.-_Frankfurt_am_Main%2C_B%C3%B6rse%2C_Innenraum.png\r
    de.wikipedia.org/wiki/Bild:H%C3% ... enraum.png

  • Heute in der FAZ:

    Zweifel am Museums-Projekt

    Zitat

    Die Chancen, dass der geplante Neubau für das Museum der Weltkulturen auf dem Degussa-Areal entsteht, stehen offenbar schlecht. Das lässt sich aus Äußerungen der Vorsitzender der Koalitionsfraktionen von CDU und Grünen, Markus Frank und Olaf Cunitz, ableiten. Er wisse nicht, wie innerhalb von vier Wochen die notwendigen Beschlüsse in der Koalition zu dem Museumsprojekt gefasst werden sollten, äußerte Cunitz auf Anfrage.

    Der Eigentümer des Degussa-Areals, die Deutsche Immobilien Chancen (DIC), hat der Stadt bis Ende Mai Zeit gegeben, sich über das Vorhaben schlüssig zu werden (F.A.Z. vom Mittwoch). Andernfalls will das Immobilienunternehmen seinen ursprünglichen Plan weiterverfolgen, an dem für das Museum vorgesehenen Standort Wohnungen zu errichten.

  • Laut einer Meldung vom Wochenende aus der Frankfurter Rundschau ist wohl ein Museum der Weltkulturen auf dem degussa-Gelände vom Tisch. Nun soll das rückwärtige Gartengelände hinter dem jetzigen Museum für einen Erweiterungsbau genutzt werden. Für das Degussa-Gelände ergeben sich daraus ganz neue Optionen - ich hoffe nicht für ein weiteres Hochhausprojekt...

    ...

  • Zitat

    Paulsplatz mit östlicher Randbebauung: alte Börse, Paulsplatz 8, "südwestliches" Eckhaus; 1938 oder 1939 (Foto aus privater Sammlung unseres Mitglieds Riegel)

    Das Foto muss unmittelbar vor oder nach dem Kriegsausbruch entstanden sein, da die Bordsteine "luftschutzmäßig" bemalt sind - im Rahmen der völligen Verdunkelung der Städte, um sie für Flugzeuge unsichtbar zu machen (Radar wurde erst im weiteren Kriegsverlauf eingesetzt) wurden alle Hindernisse mit weißer Farbe bemalt, also Laternenpfähle, Gebäudeecken und - Vorsprünge, Feitreppen und ebend Bordsteinkanten.

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Museum der Weltkulturen?

    Koennten wir nicht die fuers "Humboldt-Forum" vorgesehenen Berliner Kollektionen dorthin ausladen und dem [lexicon='Berliner Schloss'][/lexicon] ein viel passenderes Ausstellungsziel zu geben, wie z.B. der Gemaeldegalerie aus dem nahegelegenen Museum?