So, nach mehreren Ankündigungen zeige ich im folgenden mal Teile des angekündigten Potpourris der Sanierungsscheußlichkeiten in Bremens Wohnaltbauquartieren. Vieles hiervon steht sicherlich exemplarisch für den Umgang mit dem Altbaubestand in Nachkriegswestdeutschland, einiges ist aufgrund der kleinteiligen Bebauung und speziellen Eigentümerstruktur aber auch ziemlich bremenspezifisch.
Ich habe aus Zeitgründen erstmal einfach einen mehr oder minder zufälligen Spaziergang durch Teile der Ortsteile Fesenfeld und Peterswerder in der östlichen Vorstadt gemacht und, was mir besonders auffiel, in Schnappschüssen (zu mehr reicht es bei meiner Erfahrung noch nicht) festzuhalten versucht.
Vorher noch kurz der Crashkurs: Wie versaue ich möglichst kostengünstig und wertmindernd meinen Altbau?
1. Maßnahme, fast ubiquitär in Westdeutschland: Einbau neuer (Plastik)Fenster unter Verzicht auf die ursprüngliche Fenstergliederung (in Bremen fast als Luxusproblem zu bezeichnen).
2. Entstuckung: hier war Bremen sicherlich ganz vorne dabei, wenn auch z.B. Berlin teilweise mithalten kann.
3. Verklinkerung der Fassade: in Bremen sicherlich zur Perfektion in allen Varianten getrieben
4. Horizontalisierung der Fenster: sicherlich der schwerste Eingriff in die „Tektonik“ eines Hauses und ganzer Straßen. Es gibt sie als „light“-Version, hierbei wird einfach nur der obere Teil des alten Fensters (in etwa dem alten Oberlicht entsprechend) zugemauert. Gab´s auch in anderen Städten und ist relativ leicht wieder rückgangig machbar.
Die „Vollversion“ besteht daraus, aus zwei vertikal ausgerichteten typischen Altbaufenstern ein niedriges, eben horizontal ausgerichtetes Fenster zu machen, gern in Kombination mit dem „Abhängen“ der Zimmerdecke. Dies scheint in anderen Städten zwar ebenfalls nicht unbekannt, aber doch eine seltene Ausnahme geblieben zu sein, während es hier ganze Straßenzüge mit derartig umgestalteten Häusern gibt
5. ungeschickte, nicht ans Haus oder ins Ensemble passende Aufstockung unter Zerstörung historischer Gauben und anderer Dachaufbauten
6. Zuletzt noch die „Umgestaltung“ der meist kleinen, halböffentlichen Zone vor dem Haus, also des Vorgartens mitsamt seiner hier häufigen Wintergärten. Hier ganz vorne: Abriss oder Massivausbau des Wintergartens (beides nicht zum Vorteil des Hauses), Betonierung der gesamten Vorgartenfläche, Ersatz des schmiedeeisernen Zauns durch Baumarktschrott, Ersatz der alten, häufig doppelflügeligen Haustür durch kleine Alu/Plastiktüren mit Butzenscheiben etc. Der Rest der alten Türöffnung wurde dann entweder zugemauert oder mit Glasbausteinen versehen.
Diese 6 Basismaßnahmen der wertmindernden Altbauzerstörung wurden in Bremen munter miteinander kombiniert. Ich stelle mal einige –wie gesagt auf einem kurzen Spaziergang im Fesenfeld gesehene- typische Vertreter dieser misshandelten Häuser vor:
Als erstes ein Beispiel für Entstuckung plus Horizontalisierung "light". Ein äußerst unglückliches Verhältnis von Fensterfläche zu Wand ist das Resultat, der verzweifelt angebrachte Bremer Schlüssel über den Fenstern des 1. Stocks hilft da auch nicht.
Zwei typische Vertreter dieser Kunst in der Friesenstraße hier mal nebeneinander. Links die immer beliebte Variante Entstuckung plus Horizontalisierung plus Verklinkerung (plus dämliche Rolläden), rechts das gleiche, nur dass die Stuckleiste unter der Regenrinne "überlebt" hat und nicht verklinkert wurde (sieht man seltsamerweise echt häufig).
Etwas weiter die Straße runter auf der gegenüberliegenden Seite bietet sich folgendes Bild. Hier lernen wir, dass man Fenster auch horizontalisieren kann, ohne den Stuck abzuschlagen (auch dies ist kein Einzelfall!):
Hier mal ein Foto in die eigentlich schöne Alwinenstraße mit 2 der brutalsten Verunstaltungen, die mir persönlich bekannt sind. Beides sind kriegsüberlebende Bremer Häuser (man ahnt beim ersten sogar noch den (teil)erhaltenen Stuck hinter der Klinkerfassade).
Etwas weiter nach links bietet sich nun dieser schöne Blick in die Horner Straße (hier meint man schon den kommenden Jugendstil erahnen zu können):
Ein flüchtiger Blick in die -etwas schlichtere, aber ebenfalls sehr schöne- Schweizer Straße; hier sind außerdem mal etwas geschlossener die so typisch-filigranen Wintergärten vor den Häusern zu erahnen, in denen man hier auch tatsächlich gerne sitzt, schnackt, cafésiert und man -während das Leben auf der Straße an einem vorbeizieht- so langsam den Nachmittag Abend werden lässt - aus meiner Sicht ist dieses sehr lebendige Detail der Bremer Häuser in Deutschland tatsächlich einzigartig und nebenbei ungemein gemütlich und kommunikativ:
Die Humboldtstraße kreuzend befinden wir uns hier in der Keplerstraße, hier ein herrlich prunkvolles historistisches Ensemble mit nur einem Wermutstropfen (der allerdings wenigstens ein "ehrlicher" Nachkriegsbau zu sein scheint - trotzdem natürlich höchstärgerlich und typisch für Bremen):
Aus der Rubrik "tragikomisch" diese seltsame Synthese aus jung und alt in der Feldstraße:
Die gegenüberliegende Seite zeigt nochmal, wie schön einigermaßen geschlossene Ensembles von Bremer Häusern sein können (besonders diese Version aus orangeroten Spaltriemchen und blendend weißem Stuck hat es mir sehr angetan, wenn hier auch -wie so oft- einige Besitzer erstere übermalt haben):
Nun noch dieses Fünfer-Ensemble aus atypischen, aber sehr schönen Häusern im benachbarten Ortsteil Peterswerder, die sich v.a. durch ihre (vorgetäuschte) Giebelständigkeit von allen mir bekannten Häuserreihen in Bremen unterscheiden (zwei der Häuser weisen sich qua kleinem Schriftzug unterm (Zwerch)-Giebel als 1907 erbaut aus):
Was aus einer eigentlich schönen Straße wird, wenn diese "Renovierungen" nicht nur Einzelfälle bleiben, sieht man hier beim Blick in die Myrtenstraße (plus natürlich den obligatorischen und hier besonders heruntergekommenen Nachkriegsneubau):
Als letztes sieht man hier in der Achimer Straße auf den ersten Blick einen Nachkriegsbau zwischen zwei Bremer Häusern. Wenn man genau hinschaut (schon der fiese vollausgebaute Wintergarten mit Waschbeton erschwert einem dies gehörig), sieht man allerdings, dass Eingangsbereich mitsamt Stuck original ist, dass Haus also erst über dem Hochparterre zum Neubau wird. Über die Gründe hierfür (Volltreffer einer Brandbombe? Platzmangel?, zumindest gab es hier kein Flächenbombardement) kann ich nur spekulieren. Auch so etwas sieht man in Bremen sehr häufig. Sonst wäre es wahrscheinlich der spiegelbildliche Zwilling seines rechten Nachbarn geblieben...
So das war's erstmal. Ich möchte nach und nach noch weitere vergleichbare Fotoserien folgen lassen, denn Bremens Gründerzeitquartiere haben noch einiges mehr an Skurrilität und Schönheit zu bieten! Ich hoffe es hat gefallen und bitte nochmals die mäßige Qualität der Bilder (inkl. fotografischen Todsünden wie Gegenlicht etc.) zu entschuldigen.