Leipzig - das Graphische Viertel: Das Buch im Mittelpunkt (Galerie)

  • Das Graphische Viertel zu [lexicon='Leipzig'][/lexicon]: Das Buch im Mittelpunkt


    Es wird wieder mal Zeit, euch ein paar Eindrücke aus [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zu präsentieren. Da in wenigen Wochen die Leipziger Buchmesse wieder stattfindet, dachte ich mir, dass ich mich mal auf die Socken in das so genannte Graphische Viertel (Ostvorstadt) machen sollte, um Zeugnisse der Deutschen Buchindustrie ausfindig zu machen. Anfangs hatte ich arge Zweifel gehabt, ob das Bildmaterial für eine neue Galerie bei APH reichen würde, aber ich wurde regelrecht überrascht von einem Stadtteil, den ich eigentlich zu kennen glaubte.

    Nichts kannte ich, denn ich war geplättet ob der vielen architektonischen Highlights in diesem Gebiet. Ich hatte ein Gebiet vor Augen, das eigentlich zu den Leipziger Sorgenkinder zählte. Während sich beispielsweise das Waldstraßenviertel, Gohlis und die Südvorstadt schon vor mehr als 7 Jahren stabilisierten, standen im Jahr 2000 in der Ostvorstadt, also auch im Graphischen Viertel, jede 3. Wohnung leer. Der Sanierunsstand war weit unter dem Leipziger Durchschnitt. Die Leute zogen in Scharen weg.

    Hinzu kam, dass die Ostvorstadt im 2. Weltkrieg für Leipziger Verhältnisse besonders stark zerstört wurde. Nach meinen Schätzungen wurde mindestens 60 Prozent der Bausubstanz, mehr als im Zentrum, unwiederbringlich zerstört. Das einstige Herz der Deutschen Buchindustrie wurde ausgelöscht.

    Derweil hatten bis 1945 Verlage wie Reclam, Baedeker, Insel, Brockhaus und viele andere mehr oder weniger bekannte ihren Sitz in diesem Viertel gehabt. Auch der in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] gegründete Börsenverein des Deutschen Buchhandels weilte hier bis nach 1945. Es gab viele Druckereien, Bindereien und alles, was mit Büchern zu tun hatte, in diesem Viertel.

    Als ich die Bilder letzte Woche knipste, war ich beeindruckt. Sicher gibt es noch viel Sanierungsbedarf, den ich euch auch nicht vorenthalten werde, aber es hat sich in den letzten Jahren sehr viel zum Guten geändert. Das Viertel ist lebendiger denn je. Es scheinen viele Neubürger zuzuziehen. Es entsteht an jeder Ecke Gewerbe, vor allem Buchgewerbe. An den Gebäuden werden Hinweistafeln befestigt, die die Geschichte des Graphischen Viertels lebendig halten. Auch wenn die großen Verlage hier nicht mehr präsent sind, dass sich in diesem Viertel (fast) alles um Bücher dreht, spürt selbst ein Blinder sofort.

    Falls jemand von euch die Leipziger Buchmesse Ende März besucht, solltet ihr wirklich mal einen Abstecher in das Graphische Viertel unternehmen. Vielleicht im Rahmen des parallel stattfindenden weltgrößten Lesefestivals
    Leipzig liest oder "[lexicon='Leipzig'][/lexicon] hört", wo im Rahmen dessen es über 1800 Veranstaltungen in über 250 Gebäuden geben wird. Garantiert gibt es auch zahlreiche Leseveranstaltungen im Graphischen Viertel.


    (Bildlinks inaktiv)

  • Vielen Dank für die tolle Serie. Von [lexicon='Leipzig'][/lexicon] würde ich mir noch viel mehr Bilder wünschen (und das ein Leipziger mal nach Torgau fährt!). :zwinkern:

    Wenn man sich die Verlagstradition Leipzigs ins Bewußtsein ruft merkt man erst wieviel die Stadt eigentlich verloren hat. Wäre die Geschichte nach '45 nahtlos fortgeschrieben worden hätte die Stadt heute eine geradezu übermächtige Ausstrahlung auf Kunst und Kultur.

  • Obwohl in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] heutzutage mehr Gründerzeitler behalten sind dann in alle andere Deutsche Grosstädte (ab 250.000 Einw.) sind Berlin, [lexicon='Leipzig'][/lexicon], Dresden und Magdeburg die grösste Verlierer an Einwohnerzahlen, Industrie, Gewerbe usw. Deswegen auch stärkste Verluste an Altbau Wohnungen, Kirchen, Öffentliche Gebäuden.

    Berlin mit damals sehr prunkvolle Gründerzeitviertel, hat fast alle Vorkriegsindustrie unf Gewerbe verloren; die Gründerzeitviertel einen Schatten von Einst. Magdeburg (sehr dichtbebaut mit vielen Kirchen) hatte vor dem Krieg riesiges Industriegelände. Heute einen Platten/Beton-Wüste. [lexicon='Leipzig'][/lexicon] war auf dem Wege zur eine Million-Einwohner Metropol, heute leben da etwa mehr dan die Hälfte; dadurch auch starke Verluste unter Altbauwohnungen. Dresden war einmal ein riesiges Barockparadies. Heute auch nur ein Schatten von sichselbst.

    Da sind die Süd/Westdeutsche oder Polnische (eh. Deutsche) Städten heute im Vergleich zur die Vorkriegszustand wesentlich besser dran, obwohl die "modernisierung" von Altbauwohnungen in der BRD viel zu Weit gegangen ist.

  • Tolle Bilder. Die geistige Bedeutung dieses Viertels kann gar nicht hoch genug geschätzt werden - nicht nur die berühmtesten deutschen Lexika, der Brockhaus und der Meyers wurden in ihren berühmtesten Auflagen hier erdacht und gedruckt. Wer ältere Bücher schätzt oder sammelt (wie ich), wird schnell feststellen - fast jede bedeutendere deutsche Veröffentlichung um die Jahrhundertwende stammt aus [lexicon='Leipzig'][/lexicon].

    Wie immer treiben einen einige der Bilder die Tränen in die Augen, wenn man bedenkt, dass jenes einst geistige Zentrum mehr als 50 Jahre nach seiner Zerbombung in vielen Teilen immer noch aussieht, wie als wäre der Krieg erst ein Jahr vorbei. Andererseits scheint's eine Menge gut gesicherter, regenerationsfähiger Ruinen zu geben, die Gelegenheit zu Rekos ist also mehr als günstig. Geradezu krank finde ich wie immer die Kosten - alleine 400.000 Euro nur für die *Sicherung*?

  • ganz schöne fleissarbeit - die fotos und natürlich die sanierungen. wirklich erstaunlich, was sich in diesem viertel gerade seit zwei, drei jahren tut.

    das foto unter dem satz "es gibt überall noch viel zu tun" zeigt übrigens ein industriegebäude, dessen abriss schon genehmigt war. während der abrissvorbereitungen stellte sich dann heraus, dass dieses gebäude von 1898 eine stahlbetonkonstruktion ist - und damit die älteste in deutschland. so musste es stehen bleiben und wird vielleicht noch ein paar jahrzehnte so rumgammeln.

    @uaoj36: dass manche der alten bauten heute leer stehen und verfallen, hat sicher seine ursache in den ddr-verhältnissen. aber ein blick nach westdeutschland verrät, dass sie die zukunftsgläubigen wirtschaftswunderzeiten der 50er/60er wohl auch nicht (unbeschadet) überstanden hätten.

  • [lexicon='Leipzig'][/lexicon] begeistert mich immer mehr. Was fuer ein Reichtum an Baussubtranz. Es ist wirklich traurig, wenn man sich vorstellt was aus [lexicon='Leipzig'][/lexicon] bis heute geworden waere, waere der 2. Weltkrieg nicht dazwischen gekommen. Aber es hat immer noch viel Potenzial um wieder was zu werden.

  • Ich habe zum Graphischen Viertel noch ein paar Recherchen angestellt. Es heißt, dass es um 1900 in diesem kleinen Gebiet, das in seiner längsten Ausdehnung vielleicht 1 km misst, 2200 Firmen im Buchgewerbe, 848 Verlage und Buchhandlungen, 113 Musikalienhandlungen, 44 Antiquariate, 201 Buchbindereien und 189 Druckereien gab.

    2 Quellen besagen, dass bei dem verheerenden Bombenangriff vom 03. auf den 04. Dezember 1943 75 Prozent der Bausubstanz ausgelöscht wurden (deutlich mehr als im Zentrum). Allein 50 Millionen Bücher verbrannten in dieser Nacht. Das, was ihr auf den obigen Bildern seht, sind somit die restlichen 25 Prozent des Viertels, die den Bombenangriff überlebten. Und wenn ihr euch die Ruinen auf den Bildern anschaut (Goldschmidtstraße 31 ff), dann wisst ihr auch, dass sie seit 1943 von Menschenhand faktisch nicht mehr verändert wurden, außer in Folge ein paar notdürftiger Sicherungsmaßnahmen.

    Noch eine Richtigstellung: Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hatte seinen Sitz mitnichten im Buchgewerbehaus, sondern gleich nebenan im Buchhändlerhaus (Kriegsverlust). Der Börsenverein errichtete in den 1990er-Jahren an gleicher Stelle das nüchtern funktionale Haus des Buches. Fotoquelle: lipsikon.de

    Vielleicht schaffe ich es noch in diesem Jahr, weitere Fotos aus dem Graphischen Viertel zu erstellen. Ich finde, es gibt dort noch viel Sehenswertes. Vorerst noch ein vergessenes Foto aus besagtem Viertel:

  • 50 Millionen Bücher in einem Nacht vernichtet ??? Wahnsinnig.
    übrigens wusste ich nicht das dieses Viertel so schlimm getroffen wurde. Schlimmer sogar dann die Innenstadt!

    Weiss jemand ob die Verluste an Búcher wieder etwas wett gemacht wurde??

    Das Buchhandlungshaus war eine Perle der Baukunst und wie so viele andere Perlen natürlich im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Es erscheint mich oft das gerade alle Perlen Opfer wurden!!!!


    Bin traurig um so viele unersetzbare Verlusten: nicht nur Berlin, Magdeburg und Dresden haben so viel Schönes eingebüsst aber offenbar auch eine Stadt wie [lexicon='Leipzig'][/lexicon].

  • Es gibt aus [lexicon='Leipzig'][/lexicon] die Geschichte, dass es dort nach dem Angriff auf das graphische Viertel fast eine Woche lang Asche geregnet hat - Asche verbrannter Bücher.

    Der Verlust an Büchern dürfte allerdings historisch betrachtet gering wiegen, da es sich ja nicht um eine Lagerstätte historischer Bücher oder gar Handschriften handelte, sondern um ein Zentrum für die industriemäßige Herstellung von Büchern, so dass wohl hauptsächlich Lagerbestände verbrannten. Aus bibliophiler Sicht betrachtet war z. B. eher der Angriff auf Dresden eine einzige Katastrophe, als das Japanische Palais in Brand geriet und der Keller bei den Löscharbeiten mit Wasser voll lief, in dem u. a. unersetzlich kostbare, mittelalterliche Handschriften gelagert wurden - z. B. das Original des berühmten Dresdner Sachsensspiegels (13. Jahrhundert !!!), das wohl auch aufgrund der Ignoranz des SED-Regimes vor deutschem Kulturgut erst 1989 restauriert wurde.

    Schwerer waren in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] die Verlage getroffen, die teilweise ihre gesamten Archive und Karteien in Papierform über Nacht verloren - Computer und Backups war ja noch nicht! Was das z. B. beim Bibliographischen Institut, den Herstellern des berühmten Meyer'schen Lexikons bedeutete, kann man sich wohl vorstellen, wenn man bedenkt, dass dieses Archiv seit der Verlagsgründung 1826 (!) aufgebaut worden war. Davon hat sich der Verlag eigentlich bis er von Brockhaus geschluckt wurde nie wieder erholt. Und dies ist nur ein Beispiel von 850 Verlagen, die spacecowboy für dieses Gebiet genannt hat.

    P. S.: Auch wenn man nicht alle über einen Kamm scheren sollte, aber auch im Graphischen Viertel saßen sicher einige Verlage, die nationalsozialistische Propaganda in Massenware hergestellt und über die Welt verbreitet haben. Kriegstaktisch begründet war die Zerstörung somit eigentlich absehbar bzw. eine logische Konsequenz im Luftkrieg und leuchtet mir zumindest noch mehr ein als sinnfreie Aktionen wie die Zerstörung von Hildesheim, Würzburg oder Dresden.

  • Übrigens, der zu sehende barocke Gartenpavillion ist eine Reko aus den 1990er-Jahren. D.h. es waren noch Mauerreste des im Bombenhagel untergegangenen Gebäudes vorhanden. Das Dresdner-Bank-Gebäude in der Prager Straße, ebenfalls im Graphischen Viertel gelegen, hat man auch vor ca. 10 Jahren rekonstruiert. Das zeige ich dann im 2. Teil.

    Und jetzt habe ich auch irgendwo gelesen, dass die Leerstandsquote in der Ostvorstadt im Jahr 2000 sogar 40 Prozent betrug, wobei auch immer unsanierte Häuser mitgezählt werden, die man oftmals einfach nicht mehr bewohnen kann. Das scheint sich jetzt aber alles entspannt zu haben.

    Nur ein paar Fußschritte weiter weg, in Volkmarsdorf, scheint die Bevölkerungssituation aber nach wie vor sehr kritisch zu sein, obwohl die Altbaudichte dort viel geschlossener ist als im Graphischen Viertel. Es sind aber zumeist sehr einfache und oftmals leider schlecht sanierte Arbeiterwohnungen, die karreeförmig in den Anfängen der Gründerzeit errichtet wurden. Hinzu kommt wenig grün und ein sehr schlechter Ruf in der Bevölkerung. Hier mal ein Luftbild von Volkmarsdorf.

    Und so sieht es oft dort unten auf den Straßen aus:

  • spacecowboy:
    da ich ja mal darüber schreiben sollte, warum sich [lexicon='leipzig'][/lexicon] nicht als unesco-weltkulturwerbe bewirbt - deine fotos (bzw. das auf ihnen abgebildete) beantworten diese frage recht gut.

  • ^^
    Das verstehe ich nicht. Es wäre doch mitunter die Rettung der über 2000 Baudenkmäler, die noch unsaniert vor sich hingammeln, oder worauf willst du hinaus?

  • klar wäre es schön, wenn möglichst viele dieser gebäude gerettet werden könnten. aber selbst wenn alle saniert wären - wäre dies dann wirklich ein kultuerelles erbe mit weltweiter bedeutung und ausstrahlung? meiner meinung nach nicht. genauer gesagt: ebensowenig, wie es der bremer roland, der pückler-park oder andere deutsche proporz-welterbestätten sind (wiesbaden prophylaktisch gleich eingeschlossen).

    diese ständige vermehrung angeblichen weltkulturerbes erfolgt doch offensichtlich aus marketing-gründen. nichts gegen vermarktung von sehenswürdigkeiten - aber wenn dieser welterbetitel so dermassen ökonomisch ausgebeutet wird, dann läuft er gefahr, seinen schutzgedanken zu verlieren (siehe köln, dresden, ...). und wenn er so dermassen inflationär vergeben wird, dass der massstab nicht mehr die akropolis in athen sondern das bergwerk rammelsberg in goslar ist, dann läuft er gefahr, seine bedeutung zu verlieren. beides wäre für das "tatsächliche" bedrohte weltkulturerbe verheerend. und da gibt es meiner meinung nach bedeutenderes als leipziger gründerzeithäuser.

    (so ziemlich off topic und nicht zur diskussion, sondern nur zum besseren verständnis gedacht:
    kulturelle errungenschaften aus deutschland, die die welt verändert oder so stark geistig beeinflusst haben, dass sie auf eine weltkulturerbeliste gehören sollten, sind meines erachtens wenige und meist auch andere:
    - die ersten gedruckten bücher
    - die wittenberger schlosskirche als wiege der reformation
    - partituren von bach
    - uups: wahrscheinlich sogar die erstausgabe des kommunistischen manifests
    - das erste automobil (so noch original vorhanden)
    - das bauhaus in dessau
    - das versuchsgelände in peenemünde als wiege der raumfahrt)

    klar, dass sich irgendwelche klöster oder parks touristisch besser vermarkten lassen. darum werden solche welterbestätten ja auch immer raumgreifender und somit schwammiger - stichwort "elbtal". mit den genannten konsequenzen.
    um zum thema zurückzukehren: [lexicon='leipzig'][/lexicon] besitzt jede menge gründerzeitler. aber schon der umstand, dass es in der stadt mehr baudenkmäler als im gesamten land schleswig-holstein gibt, sollte eher stutzig machen, ob da immer die relationen stimmen. und weltkulturerbe? manchmal sollte man die kirche im dorf lassen. das macht meist beides sympathischer - und damit attraktiver.
    -

  • Zitat von "rakete"


    diese ständige vermehrung angeblichen weltkulturerbes erfolgt doch offensichtlich aus marketing-gründen. nichts gegen vermarktung von sehenswürdigkeiten - aber wenn dieser welterbetitel so dermassen ökonomisch ausgebeutet wird, dann läuft er gefahr, seinen schutzgedanken zu verlieren (siehe köln, dresden, ...). und wenn er so dermassen inflationär vergeben wird, dass der massstab nicht mehr die akropolis in athen sondern das bergwerk rammelsberg in goslar ist, dann läuft er gefahr, seine bedeutung zu verlieren.

    Du scheinst zu übersehen, dass man sich den Welterbetitel nicht selbst überreichen kann.
    Die ganzen deutschen Stätten, die du hier für "popelig" einstufst, haben ihren Status beantragt, wurden geprüft, in einem langem Verfahren, und bekamen jenen dann.
    Man kann vielleicht aus ökonomischen Gründen beantragen, aber es wird nicht aus ökonomischen Gründen genehmigt. Vielleicht störst du dich letztendlich daran, dass der Begriff des Welterbes unscharf ist, dass nicht nur diesen Status hat, was du gutheißt, aber sollen wir es daran messen?

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Nach dem Spacecowboy uns nun freundlicherweise in überraschender Vollständigkeit die Highlights des Grafischen Viertels und angrenzender Bereiche (Ostvorstadt) gezeigt hat, möchte ich nun besonders noch Bilder der "wichtigen" ältesten Bestandsschicht der klassizistischen Bauten der Zeit um 1850 ergänzen. Diese haben sich in zahlreichen Beispielen, oft als Einhäuser ("Villen") erhalten haben. Einige davon sind noch nicht "gerettet".

    Weiterhin werde ich noch andere ausgewählte Bauten zeigen, manchmal auch solche, die ich eher zufällig aus dem wust der Fotos auf meiner Festplatte ausgewählt habe.

    Zum Vergleich binde ich auch Bilder des Bildindex ein. Aus dem Bildindex stammen in der Regel auch die hier genannten Datierungen der Gebäude, manchmal stehen sie auch an der Fassade dran oder sind von mir geschätzt.

    Los gehts:
    Die Chopinstraße hat bis heute in erstaunlicher Vollständigkeit eine Reihe Villen aus der Mitte des 19. Jhs. bewahrt. Als einstige Marienstraße war sie eine der Hauptstraßen der "Marienvorstadt".

    Chopinstraße 3, 1840


    Haustür an der rechten Seitenfront


    und das Bild aus dem Bildindex

    Chopinstraße 5, um 1850

    Bildindex

    Chopinstraße 6, vor 1853 erbaut, heute leider ohne den feinen Fassadenstuck, es gibt ein historisches Foto in einem Buch über den öffentlichen Wohnungsbau der Stadt [lexicon='Leipzig'][/lexicon] seit ca. 1920 - Titel ist mir entfallen -

    Bildindex

    Chopinstraße 10

    Chopinstraße 11
    1844 erbaut, 1885 ungebaut, im Inneren umfangreiche Malereien im Treppenhaus und an einer Decke im Erdgeschoss freigelegt und restauriert -
    Innenbilder des Hauses bei http://www.aengevelt.com">http://www.aengevelt.com unter Büroimmobilien-Miete.

    Chopinstraße 13, 1847, ich denke, in dem Erhaltungszustand in Deutschen Großstädten einmalig, absolut spitze.


    Bildindex


    Vor der Chopinstraße 13+15 noch eine der alten Wasserpumpen, leider wie viele stark lädiert - einige sind auch "saniert".

    Die Chopinstraße ist nach 1900 "verdichtet" worden, sprich in die relativ großen Lücken zwischen den Einzelhäusern wurden neue, meist größere Häuser zwischengebaut,
    so das schöne Jugendstilhaus von Architekt Gustav Wünschmann, Chopinstraße 11a, bei Spacecowboy schon gezeigt, hier sein Foto nochmal....


    ....oder das Haus Chopinstraße 12/Ecke Salomonstraße, als Anbau an die Villa Chopinstraße 10 (hier das Bild von Spacecowboy nochmal)

    Chopinstraße 26? Ecke Marienplatz, Villa, datiert 1872, immerhin bewohnt


    Scherlstraße 2 Ecke Dresdener Straße, um 1840. Das Haus ist durch das Wirken des Physikers Theodor Fechner als "Fechnerhaus" bekannt.
    Bei der Sanierung wurde es weitgehend entkernt (Abbruch Holzbalkendecken), wohl wegen Einsturzgefahr.


    Das Nachbarhaus Dresdener Str. 17 aus derselben Zeit
    Dresdener Straße 21 und Lange Straße 2, 1837 erbaut

    Bildindex


    Dresdener Str. 23, 1837, 1858, 1873 steht nicht mehr


    Lange Straße 8 Mitte 19. Jh. - ebenfalls inzwischen abgebrochen


    Lange Straße 7 - 1871


    Lange Straße 9 1873 - 1992 (Bildindex)

    und heute

    Hausansicht


    Büttnerstraße 12 bis in die 90er Jahre Karlstraße - 1863 - ist auf der Liste der zu erhaltenen Bauten

    Ansicht


    Rückseite

    und aus besseren Tagen 1992 - Bildindex


    Büttnerstr. 20 - 1864- mit rekonstruiertem Stuck

    Bildindex 1992


    Büttnerstraße 6, 1884



    Büttnerstraße 8, erbaut im 18. Jahrhundert (!!!) steht nicht mehr, (kein Kommentar) Bild des Bildindex

    Büttnerstraße 5 habe ich auch nicht mehr gesehen


    Inselstraße 17, um 1860 - gegenüber Schumann-Haus, sucht jetzt nach seiner Auferstehung neue Mieter (http://www.kling-group..">http://www.kling-group... oder so ähnlich)


    Nochmal das Schumann-Haus, 1838, Inselstraße 18


    Kreuzstraße 1c, datiert 1887, aufwendig saniert auch von Innen, mit modernen Elementen ergänzt, Innen sehr schön wie ich finde, die mittlere Wohnung im 2. OG ist noch zu haben (Achtung: Schleichwerbung!)


    Die Optik hat sich M.E. doch wesentlich verbessert, auch wenn das Obergeschoss nicht getreu rekonstruiert wurde


    Inselstraße 2 - um 1880 - wird als städtebaulich bedeutsames Eckgebäude eingestuft und ist auf einer der Prioritätenlisten für die Erhaltung von Gebäuden zu finden.


    Spamers Hof, Littstraße 7, 7a, 9, letztes Drittel 19. Jh. (bis 1998 Gellertsraße) ist eine der größen Hofanlagen Leipzigs außerhalb der Innenstadt


    Czermaks Garten 2, Anfang 20. Jh.

    Rosa-Luxemburg-Straße 3 - schätzungsweise um 1870, Zukunft ungewiss, da in einem "Rückbaugebiet" gelegen, schade.


    Und nun noch ein wenig aus den angrenzenden Bereichen um die Eisenbahnstraße/Rabet/Hermann-Liebmann-Str. (Neustadt-Neuschönefeld-Volkmarsdorf, die Grenzen sind mir im Detail nicht so geläufig):

    Jonasstraße 2, letztes Viertel 19. Jh.


    Bildindex 1992


    Jonasstraße 5, um 1880/90


    Eisenbahnstraße


    Häusergruppe Eisenbahnstraße 41-45, Nr. 45 von 1893, wurde oben schon gezeigt

    1992 nach Bildindex

    Eisenbahnstraße 43

    Eisenbahnstr. 56 steht nicht mehr (bildindex 1992)


    Eisenbahnstraße 53 - mit mindestens 20.000 Euro seid ihr dabei....

    Eisenbahnstraße - Eckhaus zur Hermann-Liebmann-Str.

    Hermann-Liebmann-Str. 42, das einstige Rathaus von ([lexicon='Leipzig'][/lexicon]-)Volkmarsdorf, um 1900, liegt in einem Rückbaugebiet nach aktueller Stadtplanung

    und nach Bildindex

    Rabet 16, 2. H. 19. Jh.
    Bildindex

    Ensemble Rabet Ecke Hermann-Liebmann-Str. - wohl zum Abbruch bestimmt (Stadtrückbau) Das Eckhaus Hermann-Liebmann-Str. 43 von 1893, das Jugenstilhaus Rabet 50(?) links von 1907.


    .... was Ihr jetzt gesehen habt, ist nur die Spitze des Eisbergs....

  • Fantastische Ergänzung, vielen Dank Leipziger. In der Chopinstraße 13, bei der du geschrieben hast, dass dessen Erhaltungszustand unter Deutschen Großstädten einmalig sei, ist übrigens die städtische Drogenhilfe bzw. -beratung untergebracht.

    Dass mit den Rückbaugebieten (=Abriss und Anlegen von Grünflächen) sehe ich gewohnt kritisch. Diese Initiative, die sich ironischerweise "Die Neue Gründerzeit" nennt, kam zustande, als alle Prognosen noch davon ausgingen, dass [lexicon='Leipzig'][/lexicon] in den kommenden Jahrzehnten ausblutet bw. der Leerstand in dieser Zeit weiter zunimmt. Prognosen haben aber die Eigenschaft, dass sie oft falsch liegen. Und so ist es auch hier.

    Die Bevölkerung stieg in den letzten 7 Jahren moderat an (von ca. 483000 Ew auf etwas über 504000 Ew. - ohne Eingemeindung!). Die Leerstandsquote hat sich im gleichen Zeitraum, zur Überraschung aller, von ca. 50000 Wohnungen auf 26000 Wohnungen nahezu halbiert. Und Fakt ist auch, dass die Bevölkerung im sozial sehr benachteiligten Stadtteil Volkmarsdorf/Neustadt-Neuschönefeld (so heißt dieser glaube ich wirklich) zumindest stagniert, heißt nicht zurückgeht.

    Sicher muss nicht jeder Altbau gerettet werden, aber das Projekt "Neue Gründerzeit" sollte dringend überdacht werden.


    rakete

    Deine Bedenken bzgl. der Unesco sind nicht per se von der Hand zu weisen, es war von mir ja auch erst einmal nur ein Gedanke, weil sich Wiesbaden auf den Welterbetitel "Historismus" beworben hat. Und wie man am Beispiel Dresden sieht, ist so ein Titel auch immer Segen und Fluch zugleich. Aber du hast auch selbst geschrieben, dass die hier gezeigten Fotos eindrucksvoll den Übergang zur Großstadt dokumentieren. Und die vielen (leider oft ebenso vernachlässigten) Industriedenkmäler, hier besonders im Westen der Stadt, dokumentieren wiederum eindrucksvoll den Übergang zur Industriealisierung. Ich finde, in einer solchen Dichte und in einer solchen Originalität, gibt es dies unter Deutschlands Großstädten kein zweites Mal - also vielleicht doch einem Welterbestatus würdig?

  • Wow, echt informativ! Ich verstehe ja, wenn der Abriss eines Hauses zur Diskussion steht, weil es allein in der Gegend rumsteht, wie Rosa-Luxemburg-Str. 3. Aber - auch wenn du es jetzt nur vermutest - wieso bei Häusern, wie das auf dem (vor-)letzten Bild, wo es doch sinnvoller wär, die leere Fläche bis zur nächsten Ecke zu schließen...

  • @ leipziger: danke für die informative fotostrecke!

    spacecowboy: dachte mir schon, dass du nicht so ein "meine stadt muss auch weltkulturerbe sein"- mensch bist. für marode häuser (und besonders fabriken) sind aber sicher nicht so sehr ein welterbe-status wichtig, sondern neue nutzungskonzepte - bei denen sich auch eine sanierung finanziell lohnt. es gibt ja wir wir wissen durchaus beispiele für umnutzungen (stelzenhaus, schokofabrik felsche, plagwitz entlang des wassers) - doch ob solche rettenden kommerzielle nutzungen als wohnungen und büros mit den welterbe-verpflichtungen für industriedenkmäler kompatibel wären, wage ich mal zu bezweifeln. vor diesem hintergrund sind wahrscheinlich die umwandlungen (und abbrüche) für die stadt und ihre bürger vorteilhafter als ein "jurassic park" des industriezeitalters.