Frankfurt a. M. in alten Ansichten

  • 5 Bilder aus dem alten Frankfurt:

    Grosser Speicher in der Rotekreugasse

    Auf der Zeil, weiss jemand etwas über das Gebäude links unten mit dem Arkadengang?

    Auf dem [lexicon='Römerberg'][/lexicon], Ende des 19. Jahrhunderts

    Am Sachsenhäuser Ufer

    Blick auf den Kaiserdom

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • Zu deinem zweiten Bild:

    Man sieht das alte Wachgebäude aus dem 16. Jahrhundert, welches dem Platz seinen Namen "Konstablerwache" gab.

    Es stand an der südlichen Seite der Zeil, dort wo sich heute das Bienenkorbhochhaus befindet. (Bild)

    Einmal editiert, zuletzt von Ortsbild (5. April 2013 um 15:30)


  • Das Buch kenne ich auch, hab mal reingeschaut, war aber eher enttäuscht. Im Gegensatz zum ersten Buch, das tatsächlich alte Farbbilder enthält, hatte ich den Eindruck, dass hier alte SW-Fotos einfach nachkoloriert wurden. Man sieht den Umterschied im Verleich sofort. Die "echten" Bilder sind zwar oft recht blass, besitzen eher das Licht eines diesigen Sommertages. Die nachkolorierten sind viel kräftiger.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Hallo zusammen. Ich habe mal eine Frage zu folgendem Foto von der ersten Seite dieses Threads:

    http://www.abload.de/img/luftaufnahme-001-2500pk9u6.jpg

    Gegenüber der Liebfrauenkirche ist ein modernes Gebäude im Stil, wie er eigentlich erst in den 50er-Jahren durchkommt, zu sehen. Hat jemand mehr Informationen hierzu oder steht das Gebäude womöglich noch?

    Vielen Dank und Grüße
    Michael

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Ja, das Gebäude steht noch, und hat die Adresse Liebfrauenstr. 1-3. Es scheint ein expressionistischer (?) Sichtbacksteinbau zu sein, und hat heute ein furchtbar entstelltes Erdgeschoss. Es scheint in den 1920/30er Jahren erbaut worden zu sein, und passt von der Architektur her zu einigen ähnlichen Bauten an der Braubachstrasse. Vier Abbildungen auf folgendem Link:
    http://www.yelp.de/biz_photos/jor…wSpNbT4N5gK1FHg

    Ein weiteres Bild (zweitunterstes Bild der Seite):
    http://www.mertz-art.de/Booktown/Booktown.htm

    Vorher stand hier eine Ladenzeile von 1855, über deren Architekt gerade eine Ausstellung im Historischen Museum stattfindet, und die just auf dem Ausstellungsplakat abgebildet ist):
    http://www.kultur-frankfurt.de/portal/de/Stad…etails1/10.aspx

    Mehr über den 1855 erfolgten Durchbruch der Liebfrauenstrasse:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Liebfraue…nkfurt_am_Main)


    Weiss jemand, ob die gegenüber direkt an die Westseite der Liebfrauenkirche angebaute Ladenzeile auch von den Architekten Burnitz stammte? Diese Ladenzeile wurde 1944 erheblich zerstört, und beim Wiederaufbau der Liebfrauenkirche schliesslich abgebrochen (auf der Abbildung ganz links aussen):
    http://www.altfrankfurt.com/Spezial/Krieg/…kirche_1945.jpg


    (Entschuldigt bitte die schlechte Bildqualität; die Bilder habe ich nur auf die Schnelle ergoogelt)

  • Hallo Riegel,

    vielen Dank für die Antwort und erfreulich, dass das Gebäude als Teil des Alten Frankfurts (wenn auch nicht ganz so alten Frankfurts...) noch steht. Die Ladenzeile an der Liebfrauenkirche ist interessant, wäre sicherlich eine schöne Reko und würde die Einzelhandelsflächen in der Frankfurter Innenstadt vergrößern.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Dies ist eine recht einfache Fragestellung. Die Liebfrauenstraße, die den Liebfrauenberg mit der Zeil verbindet, ist im Gegensatz zu der sie südlich zum [lexicon='Römerberg'][/lexicon] fortsetzenden Neuen Kräme nicht mittelalterlichen Ursprungs, sondern ein Straßendurchbruch des 19. Jahrhunderts, genauer gesagt, des Jahres 1855. Dies ist insofern bemerkenswert, als es sich um den ersten Frankfurter Straßendurchbruch nach Hausmanns Vorbild handelte, der in Paris ja gerade mal zwei Jahre zuvor losgelegt hatte. Bereits Goethe meckerte in „Dichtung und Wahrheit“ über den Umweg, den man entweder durch die romanische Katharinenpforte oder die Hasengasse nehmen musste, wenn man aus dem ältesten Teil der Altstadt in die seit dem 18. Jahrhundert massiv an Bedeutung gewinnende Neustadt gelangen wollte.

    Da der Ravenstein-Plan von 1862 versagt, hier eine Situationsansicht aus dem Ullrich-Plan in seiner letzten Ausgabe aus dem Jahr 1832, also vor dem Durchbruch. Schön ist die überkommene Situation der komplett von Bürgerhäusern umgebenen Kirchen erkennbar:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Auf die Vorgängerbebauung kann hier aus Zeitgründen nicht eingegangen werden. Die Schwierigkeit bestand nach dem Straßendurchbruch darin, auf sehr engem Raum bzw. Grundriss die freigelegten Brandwände bzw. im Osten die Kirche mit neuen Häusern zu verdecken. Gewünscht waren explizit Läden im Erdgeschoss, die die Stadt nach Fertigstellung an den Meistbietenden versteigerte. Im Rahmen eines Architekturwettbewerbs erhielt der junge Rudolf Heinrich Burnitz den Auftrag. Burnitz? Ja, es war der Sohn des Architekten Rudolf Burnitz, der das Frankfurter Stadtbild des Klassizismus neben Hess in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz entscheidend geprägt hat, am bekanntesten wohl das noch heute erhaltene und nach ihm benannte Bauteil des Saalhofs. Aktuell ist ihm auch eine Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt gewidmet.

    Doch zurück zur Liebfrauenstraße. Die 1858 von Burnitz vorgelegten Entwürfe sind nur durch einen glücklichen Zufall erhalten geblieben, denn bekanntlich verbrannten Ende 1943 die gesamten, akribisch seit dem 14. Jahrhundert geführten und selbst national bis dato in seltener Vollständigkeit erhaltenen Bauamtsakten nach einem Bombentreffer mit dem Stadtarchiv.

    Ostseite:

    http://goo.gl/pYJSn7 (Link auf die Webseite des Historischen Museums Frankfurt)

    Westseite:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Die besondere Leistung des Entwurfs liegt darin, die äußerst geringe Tiefe der Baukörper durch die schwere Sandsteinfassade zu überspielen. Auffällig ist zudem der Rückgriff auf Formen der italienischen, insbesondere venezianischen Renaissance. Hier stellte der junge Burnitz, gerade von einer zweijährigen Italienreise zurückgekehrt, eine neue Architektengeneration dar, die sich langsam von der im reinen Klassizissmus verharrenden lokalen Bautradition löste und diese in noble Formen des Historismus übersetzte. Durch die reiche Verwendung von rotem Mainsandstein blieb es dennoch ein erkennbar mainfränkischer Bau.

    Entsprechendes Aufsehen erregte der Bau auch sowohl in Bevölkerung als auch in Fachkreisen seinerzeit und noch Jahre später. In der Bevölkerung erhielten beide Bauteile ob ihrer Fremdartigkeit und ungewöhnlichen Schwere den Namen „Malakoff“ nach dem gleichartigen, damals durch die Presse während des Krimkriegs im Bewusstsein präsenten Festungswerks bei Sewastopol. Cornelius Gurlitt würdigte Burnitz und das Bauwerk 1899 in seiner Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts als einen Wegbereiter des historistischen Bauens.

    Situation nach Durchbruch und Neubebauung auf dem Ravenstein-Plan von 1862:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Die Ostseite bekam die Hausnummer Liebfrauenstraße 2, die Westseite die Hausnummern Bleidenstraße 2 / Liebfrauenstraße 1–3 / Holzgraben 21 verpasst. 1925 war es in [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] mit der Berufung von Ernst May zum Stadtbaurat mit der Wertschätzung für den Historismus vorbei. In diesem Klima wurde der westliche Malakoff 1927 abgebrochen und bis 1931 durch ein Geschäftshaus im Stil der Neuen Sachlichkeit nach einem Entwurf des Architekten Willy Cahn ersetzt, das den Krieg meines Wissens völlig unbeschadet überstanden hat. Wie Riegel schon anmerkte wurde die Ostseite erst im März 1944 durch Bomben schwer beschädigt und schließlich abgebrochen. Das heutige Gebäude der Ostseite ist definitiv ein völliger Neubau. Die Mauern der Liebfrauenkirche waren derart durchgeglüht, dass sie von Bodenniveau her neu aufgemauert werden musste, schon deswegen wird kaum noch alte Substanz des direkt angebauten östlichen Malakoffs erhalten sein.

    Zum Abschluss nach dieser traurigen Gewissheit aber noch ein schönes Bild, entstanden 1927 direkt nach dem Abbruch der Westseite, das die ganze Pracht des leider verlorenen Gebäudes zeigt, einem, wie wir nun wissen, auch überregional bedeutsamen Frühwerk des Historismus in Deutschland (zur Orientierung, rechts ist der Liebfrauenberg bzw. die davon nach Osten wegführende Töngesgasse zu sehen):


    (Klicken zum Vergrößern)

    Das wars.

    P. S.: Alle Fotos und Pläne sollten aufgrund ihres Alters bzw. des Todesdatums ihrer Urheber gemeinfrei sein.

    2 Mal editiert, zuletzt von RMA II. (26. Januar 2014 um 20:31)

  • Hm, gut aufgepasst. Das ist mir tatsächlich noch nie aufgefallen. Der finale Schadensplan 1950 bezeichnet es als „Unbeschädigt oder wiederaufgebaut“. Ohnehin ist das Haus, das auf der farbigen Entwurfszeichnung der Ostseite von Burnitz zu sehen ist (und aufgrund des Rundbogenstils unzweifelhaft in die gleiche Zeit zu datieren ist) nicht identisch mit dem Haus auf dem Foto von 1927. Man hat es also nach 1858 zum Geschäftshaus umgebaut, indem man die beiden untersten Geschosse mit dieser Bogenstellung versehen und es um mindestens ein, vielleicht sogar zwei Geschosse aufgestockt hat. Der Umbau wirkt ja recht modern, ich würde ihn nicht vor 1910 datieren (würde aufgrund des damals populären Neoklassizismus eh zum Haus passen), vermutlich verdankt das Haus diesem Umbau mit modernen Materialien, dass es den Krieg überlebt hat. Ist halt die Frage, wieviel davon noch stand, ich kann leider kein Foto finden, das es direkt nach dem Krieg zeigt. Spontan würde ich ja sagen nicht mehr als das Ladengeschoss, denn kein Mensch hätte sich in der Materialknappheit die Mühe gemacht, die ganzen rundbogigen Fenster auf eckig umzubauen.

  • Hm, das sieht ja wieder völlig anders aus, vor allem im Erdgeschoss. Merkwürdig. Es scheint dann wohl doch ein Neubau zu sein, den man später wieder dem Vorgänger angenähert hat.

    Mittlerweile habe ich noch eine Ansicht der Westseite von 1873 gefunden (und auf Wikimedia Commons hochgeladen):


    (Klicken zum Vergrößern)

    An dieser Stelle mag ich noch kurz auf die Vorgängerbebauung eingehen. Für den Durchbruch am Liebfrauenberg abgerissen wurden die Häuser Liebfrauenberg 58, das direkt an die Liebfrauenkirche angebaut war, und das anschließende Haus Bleidenstraße 2. Liebfrauenberg 58 war die bereits auf dem Merian-Plan von 1628 als steinerner Renaissancebau (im Kern noch gotisch) zu erkennende alte Liebfrauenschule, die in den 1680er Jahren in der Form barockisiert wurde, wie sie uns Salomon Kleiner wenige Jahre später auf seiner Ansicht des Liebfrauenberges zeigt. Bleidenstraße 2 mit dem prächtigen manieristischen Giebel war das erstmals im 14. Jahrhundert genannte Haus Stalberg, nach dessen Nutzung als Stammhaus die aus Rödelheim im 14. Jahrhundert eingewanderte bedeutende Patrizierfamilie Stalburg später ihren Namen führte (s. dazu auch Große Stalburg, Stalburger Oede).

    Abschließend noch verschiedene historische Ansichten.

    Matthäus Merian d. Ä., 1628:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Wenzel Hollar, 1635:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Salomon Kleiner, 1725:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Das wars.

  • Danke RMA, welche Verluste deine Bilder doch zeigen, jammerschade. Gerade auch ein solch eigenes aber gelungenes Bauwerk wie das Neorenaissancehaus von Burnitz würde der Stadt heute gut zu Gesicht stehen.

  • Ein ganzes Album von Ansichten des alten Frankfurts aus dem Nachlass meiner (schon vor 20 Jahren verstorbenen) Großmutter habe ich endlich mal eingescannt. Mit der Scan-Qualität bin ich nicht gerade zufrieden; eigentlich muss ich mich dafür fast entschuldigen.

    Naja, jedenfalls ist es eine Art "Best of Altes Frankfurt". Wie bei so ziemlich allen Best-of-Alben fehlen natürlich ein paar Hits, aber es ist schon so einiges dabei. Einiges existiert heute noch bzw. wieder wenn auch teilweise entstellt oder vereinfacht, vieles ist vernichtet und weniges wird demnächst zurückkehren.

    Da die Bilder dankenswerterweise Bildunterschriften enthalten, sage ich nur an ausgewählten Stellen etwas dazu:


    Heutige Ansicht




    Heutige Ansicht


    Heutige Ansicht



    Heutige Ansicht


    Römerhöfchen (private Fotografie, die mit dabeilag)

    Heutige Ansicht



    Heutige Ansicht




    Heutige Ansicht





    Heutige Ansicht, innen allerdings (wieder) so prachtvoll




    Da bin ich selbst überfragt: Wo genau stand die eigentlich? Zerstört oder abgerissen?


    Heutige Ansicht

    Heutige Ansicht


    Heutige Ansicht



  • Im Zuge aktueller Berichterstattung über ein bereits im letzten Jahr erschienenes Buch, stelle ich nachfolgend einige frühe C.-F. Mylius-Bilder ein.
    Ob einige dieser Aufnahmen bereits anderweitig publiziert waren oder tatsächlich erstmalig veröffentlicht wurden, mag ggf. jemand mitteilen.

    Dom mit Mainkai, 186X

    Goetheplatz, 186X

    Fremdenhospital am Börneplatz, 1865

    Zeit mit Hauptwache, 1860

    Judengasse vor Abriss, 186X

    Neue Mainzer Straße, 1875

    Neubau der Obermainbrücke, 1877

    Sachsenhäuser Ufer, 186X

    Wer sich noch die entsprechenden Vergleichsbilder mit heute anschauen mag, kann das hier tun.


    Eberhard Mayer-Wegelin: Das alte Frankfurt, Photographien von 1855–1890 von Carl Friedrich Mylius

    http://schirmer-mosel.com/homed1/pdf/PM_Frankfurt.pdf

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)