• Ich finde, es hat durchaus etwas mit dem linksliberalen Zeitgeist vergangener Jahrzehnte zu tun. Die krampfhafte Sehnsucht, das Erscheinungsbild wie auch das soziale Gefüge der eigenen Gemeinschaften zu verändern, zu internationalisieren, ist auch gewissen "sozialreformerischen" Bewegungen inne gewesen. Gedankenlose Kleinbürgermonumentalitäten (was vom Stararchitekten kommt, muß in jedem Falle grandios sein und unsere Stadt "erheben", egal ob man's versteht oder nicht) dieser Art kann nur eine Bürgerschaft gutheißen, die sich ihrer eigenen Wurzeln nicht mehr bewußt ist bzw. sich diesen unsicher ist. Im Falle von Hamburg, dessen Nachkriegs-Erscheinungsbild mittlerweile "historisch" ist, dürften die Dinge genauso liegen - obwohl das neue Konzerthaus auf einem Sechzigerjahrespeicher weitaus weniger problematisch, kreativer ist als der Stahlphallus zu Köbenhavn.
    Die alte Bürgerschaft ist während fünfzig Jahre "Bearbeitung" durch die Agitatoren eines diffusen, bezugslosen Internationalismus weichgeklopft worden, bis sie die -ursprünglich antibürgerlichen- Prämissen der Dritten Reformbewegung angenommen hat. Dasselbe Schema scheint allen (hanse)bürgerlichen, protestantischen Gesellschaften in Nord- und Mitteleuropa widerfahren zu sein. Die noch nicht korrumpierten Teile des Bürgertums sollten sich des Widerstands gegen das langfristig zerstörerische Wirken ihrer "Renegaten" annehmen; dazu gehört u.a. das Engagement für eine bessere, ortsgebundene Architektur. Leider scheint es mir, als ob die Sachlage in den Volksheimen des Sozialen Friedens von Skandinavien noch schwerer liegt als im sozial unausgeglicheneren Deutschland...noch mehr Kompromisse und allgemeines Schweigen um unangenehme Wahrheiten als hierzulande. Allerdings auch weniger Mitbestimmung des Auslands...

    Nein, die werden gedünstet

  • Du hast sicher recht, dass der Internationalismus seinen Ausgang aus linker Richtung und dort schon im 19. Jahrhundert gefunden hat. Doch jetzt droht inzwischen fast mehr Gefahr für die Kultur aus dem ehemals bürgerlich nun (aus welchen Gründen auch immer) eher als wirtschaftsliberal zu bezeichnenden FDP Milieu der Gegenwart. Diese schicken ihren kostbaren Nachwuchs auf englischsprachige Privatschulen und arbeiten selbst in gläsernen Wirtschaftstempeln, die jeden Bezug zur Region verloren haben und die darin vor allen Dingen einen Globalisierungsvorteil sehen. Die Architekten der Gegenwart sind im Prinzip solche Globalisierungsmaschinen, die in jeder Hinwendung an die Region einen "Selektionsnachteil" im Globalisierungskampf sehen und deswegen möglichst ortsungebunden bauen. Das Resultat sind halt unsere Glaskisten...

  • Ich weiss nicht richtig was ich dazu sagen soll. Ich werde deshalb eher auf die ganz grundlegende Frage eingehen: warum wird so in Kopenhagen gebaut?

    1) Die Moderne hat seit den 30er Jahren die Architektur in Dänemark bestimmt. Das hängt Teilweise mit der Internationalen Entwicklung zu tun (Bauhaus) aber auch mit dem Wunsch der dänischen SPD bessere Wohnungen zu bauen. Deshalb entstanden ab den 30er Jahren modernistische Backsteinhäuser mit Arbeiterwohnungen. Es gab schon in den 20er Jahren erste Beispiele mit Teilweise Regionale einflüssen - z.B. die Grundtvigskirche und die sehr schöne Uni in Århus. Ab den 60er Jahren wurde die Qualität immer schlechter.

    2) Wer "Danish Design" kennt, bemerkt sofort eine gewisse schlichtheit. Diese Schlichtheit/Einfachkeit gab es schon um 1800 (siehe meine Kopenhagen-Galerie) und setzte sich um 1930 voll durch. Seit dem gilt: Gründerzeit/Ornamentik = Altmodisch. Einfach/Kühl/Weiss = Modern.

    3) Dänemark ist sehr, sehr klein und provinziell. Die Dänische Mentalität ist eine bizarre Mischung aus überheblichkeit und Mindertwertigkeits-gefühle. Das ist im Falle Kopenhagen auch so. Nüchtern betractet ist Kopenhagen zwar schön und zur Zeit sehr dynamisch, auf der anderen Seite ist man sich die reale Bedeutung der Stadt im internationalen Vergelich schmerzlich bewusst. Deshalb versucht man internationale Stararchitekten in die Stadt zu holen (Nouvel, Egeraat und Liebeskind).

    Leider verstehen die Politiker (Links und Rechts) nicht, dass das Aussergewöhnliche in Kopenhagen die niedrige Bebauung und das fast vollständig Erhaltene klassizistische Stadtbild ist. Nein, weil Kopenhagen sich mit London und Berlin messen muss, brauchen wir diese Neubauten - und zwar im Zentrum der Stadt!

    Und natürlich werden jetzt auch Hochhäuser in den kleineren Städten Dänemarks gebaut (Odense, Esbjerg und Århus), die sich ja mit Kopenhagen messen wollen. Stöhn, das ist wirklich provinziell!

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Habe Heute ein Paar Bilder der Frederiksstaden (18 Jh.) gemacht. Die meisten Bauten sind zwischen 1750 und 1800 entstanden. Mittelpunkt bildet der Amalienborg Slotsplads. Der Baustil ist deutlich schlichter als in Deutschland - Kühl/Skandinavisch könnte man sagen. Ich mag's, aber was hält Ihr davon?

    Amaliegade nördlich des Amalienborg Slotsplads:

    Heute sind überwiegen Büros und Botschaften drin - deshalb sieht's Sonntags so Menschenleer aus...

    Typischer Innenhof: Die Grundstücke sind sehr Tief und haben oft 2-3 Hinterhöfe - manchmal aus Fachwerk.

    Botschaft von Italien:

    Typisches Wohnhaus. Die Innenräume sind oft sehr prunkvoll.

    Amaliegade Richtung Norden. Am Ende liegt die Zitadelle (sehr schön - 17 JH.)

    Amalienborg Slotsplads: besteht aus 4 Palais aus dem 18 Jh. Seit 1794 Residenz der Könige. Als Vorbild diente das Japanische Palais in Dresden. Der Architekt, Eigtved, hatte in Dresden gearbeitet. Er war auch vom Kurländer Palais sehr inspiriert.

    Am Ende sieht man die Marmorkirke. Dort war eine Art gigantische Frauenkirche geplant:


    Leider wurde das Projekt aufgegeben und erst Ende des 19 JH wurde die Kirche fertiggestellt.

    Gegenüber sieht man die neue Oper :boese: :

    Amaliegade südlicher Teil:

    Palais: auch von Eigtved

    Das Gelbe Palais (L.) und ein Bürgerhaus von Eigtved:

    Innenhof: wieder Fachwerk:

    Portal (18. Jh.): Die Fassaden mögen schlicht sind. Im Detail zeigt sich aber, dass es sich hier um sehr hohe Qualität handelt.

    auch hier ganz nett:

    Der Blick zurück durch den Südlichen Teil der Amaliegade (vom Sankt Annæ Plads gesehen)

    Sankt Annæ Plads: hier gibt es Teilweise sehr grosse Bauten des 18. und 19 Jh. Alles in Weiss.


    Garnisonkirke und Gründerzeitbau:

    Am Ende des Sankt Annæ Plads wird gerade das neue Schauspielhaus gebaut. :augenrollen: Der Platz ist weiss - der Neubau muss natürlich dunkel sein wie die meisten Neubauten in der Innenstadt.

    Strasse zwischen Annæ Plads und Nyhavn/Kongens Nytorv:

    Portal (18. Jh.)

    Kongens Nytorv

    Wer mehr über Eigtved erfahren möchte:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Nicolai_Eigtved

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Schöne Galerie,danke Däne!
    Ja, die Gebäude sind schlichter als Deutsche Barocke Bauten.In den Niederlanden nennen wir das Klassizistische Barock.
    Das Viertel sieht harmoniös und Vornehm aus.

  • Danke. Es muss ja auch nicht immer Barock à la Louis XIV. sein...Ich war erst im Oktober oder so in Kopenhagen und fand es trotz der schlichten Gebäuden sehr schön. Schlichtheit kann ja auch was edles haben. Und es ist ja auch immer wieder was "üppigeres" dabei, wie eben die Marmorkirche, die russ.-orth. Kriche um die Ecke von Amalienborg oder die Häuser um Kongens Nytorv (franz. Botschaft).

    Ist Orange irgendwie eine typische Farbe? Habe noch einen Fachwerk-Hinterhof in der Farbe gesehen, irgnedwo in einer Seitenstraße vom Strøget...

  • Däne

    Danke für deine schöne Bilder. Es ist ein ganz nette Viertel von Kopenhagen. Ich bin oft da rumspazieren. Es war aber eine lange Zeit seit ich in Kopenhagen war.

    Ich bin übrgens ein grosse Fan von gråbrödretorv. Es ist wirklich eine schöne Fleck Kopenhagen.

  • @ Johan

    bald ziehe ich in die Altstadt. Dann werde ich ein paar Bilder von Gråbødretorv machen.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Hübsches Viertel. Vornehm zurückhaltend und stilvoll. Das einzige was ich mir wünschen würde wären ein paar Bäume die Schatten spenden und das Ensemble etwas hyggeliger machen. :)

  • sehr schönes stadtviertel. auch die marmorkirke (?) fügt sich meines erachtens besser in die niedrige umgebung ein als der ursprüngliche entwurf.

  • Schön. Solche großen Viertel in geschlossener barocker Bebauung gibt es in Deutschland wohl nicht mehr. Als süddeutschen Katholen erinnert mich das Viertel in der Art seiner Architektur an Teile des alten Berlins, aber auch Darmstadts, Kassels und Hannovers.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • So, jetzt geht's weiter. Vom Dom zur Schlossinsel (Slotsholmen). Leider musste ich immer wieder mit Schatten kämpfen.

    Typische Kopenhagener Altstadthäuser in der Skindergade aus der Zeit nach dem Bombardement in 1807. Man stelle sich diese Häuser ohne Fenstersprossen vor..


    [/img]

    Dann kommen wir zum gemütlichsten Platz der Altstadt, Gråbrødretorv (im Hintergrund die Heiligengeistkirche):

    Klassizistischer Portal:

    Häuser des 18. JH. am Gråbrødretorv:

    Die Ostseite:

    Wir gehen aber erst Rechts durch einen Innenhof zur Heiligengeistkirche:

    und kommen dann zur Kirche (14 JH, nach 1728 wiederaúfbau). Sie liegt direkt an der Fussgängerzone (Strøget) - Portal 17 JH:

    Östlich der Kirche sieht man die Løvstræde (Laubgasse) - wegen der Schatten sieht man leider nicht so viel. Die Häuser sind meistens aus dem 18 JH:

    Portal in Løvstræde:

    Zurück am Gråbrødretorv. Dieser Häusertyp heisst "Brandhäuser" und wurde nach 1728 erbaut:

    Ein weiteres "Brandhaus" an der Ostseite:

    Portal in der benachbarten "Niels Hemmingsensgade":

    Weitere Brandhäuser: Fassaden aus Stein, der Rest ist Fachwerk:

    Wir biegen dann Rechts in die Skindergade - weitere Brandhäuser, diesmal ganz aus Fachwerk (1730):

    Der Innenhof:

    Gegenüber:


    Dann weiter Richtung Norden zum "Runde Tårn" (der Runde Turm):

    Zitat

    Der Rundetårn (dänisch für "runder Turm") ist ein Turm im Stadtzentrum Kopenhagens. König Christian IV. ließ ihn 1637 bis 1642 nach Plänen des Architekten Hans van Steenwinckel errichten. Er diente bis 1891 als Observatorium der Universität Kopenhagen und beherbergt heute noch das älteste funktionsfähige Observatorium Europas. Er ist verbunden mit der alten Universitätsbücherei und der Dreifaltigkeitskirche, die in den Jahrzehnten nach dem Turmbau errichtet wurden.

    Der kreisrunde Turm besitzt eine Höhe von 34,8 m und einen Durchmesser von etwa 15 m. Bestiegen wird er, abgesehen vom Aufgang zum eigentlichen Observatorium auf dem Dach, nicht über Treppen, sondern über einen ansteigenden spiralförmigen Gang. Dadurch wurde es Pferdewagen ermöglicht, Bücherladungen in und aus der Bibliothek zu bringen, die ebenso wie die Dreifaltigkeitskirche durch den Turm zugänglich ist. Der Rundetårn ist heute eine bekannte Touristenattraktion und sein Dach ein vielbesuchter Aussichtspunkt.

    Aus Wikipedia

    Also: Kirchturm, Kirche, Oberservatorium und Uni-Bibl.!!
    :schockiert:

    (Links ein Studentenwohnheim aus dem 17 JH.)

    Der Innenhof:

    Dann wieder Richtung Westen durch die Store (Grosse) Kannikestræde. Hier befinden sich weitere Uni-Bauten aus dem 18. JH:

    Dann einen Sprung etwa 300 Meter Richtung Süden zur Nybrogade (gegenüber der Schlossinsel). Im Hintergrund die Nikolajkirke:

    Knabrostræde (18 JH.):

    Snaregade:

    Dann weiter nach Westen zum Vandkunsten (Wasserkunst), ein kleiner Platz (im Hintergrund der Rathausturm):

    In der Nähe liegt das Dänische Nationalmuseum im Prinzenpalais (18 JH) (im Hintergrund der Rathausturm):


    Blick nach Norden - Rechts die Schlossinsel, und gaanz Hinten der Turm der Heiligengeistkirche am Gråbrødretorv, wo die kleine Tour angefangen hat:

    Wie man sieht, gibt es für Liebhaber des Architekturs des 18 JH. einiges zu sehen - diesen Kühlen, Nordischen Stil gepaart mit dem Kupferturmhelmen finde ich einfach Klasse. Irgendwann mache ich mit den Rest der Altstadt weiter.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Schöne, gemütliche Altstadt mit wenigen Bausünden, auf die jede deutsche Großstadt nur neidisch sein kann. Danke für die interessanten Bilder. :D

  • Eine wunderschöne Großstadt mit viel Flair. Strenge Größe, sehr homogen, vielfältig, hat Format. Ich war auch im August in Kopenhagen, leider konnte ich die Fotos noch nicht hochladen. Vielleicht schaffe ich es nächste Woche. Und nächstes Jahr sehen wir uns in Kopenhagen, Däne!

    Zur Grundtvigskirche: Dort war ich '99. Mir ist erst vor Ort aufgefallen, daß die Gewände der Nebeneingänge in der Hauptfassade mit einem perspektivisch steigernden Effekt gestaltet sind - sie steigen nach außen hin flacher an als zur Mitte der Fassade hin. Dadurch wirken sie noch tiefer. DAS finde ich ist Fassadenkultur. Und heutzutage sind Fassaden ein notwendiges Übel.

  • @ Baukunst-Nbg

    seit Mai wohne ich in der Altstadt. Grüner Innenhof, kein Haus jünger als 1800 - einfach toll! Ich mache auf jedem Fall eine Führung durch die Stadt für APHler, die nach Kopenhagen kommen.

    Kopenhagen ist fast zu homogen. Die Altstadt verkommt mehr und mehr zur Touri-Kulisse. Schade. Und sauteuer ist es auch hier. Szeneviertel gibt es kaum verglichen mit Berlin und HH, dafür kann man ohne Probleme mit Kinder (2 Stück) in der Altstadt wohnen.

    Kopenhagen kann man (wie auch Stockholm und Madrid) bei Maps.live bewundern: http://www.maps.live.com/default.aspx?v…55582&encType=1

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Gründerzeit im Bereich Israels Plads /Farigmagsgade:

    Frederiksborggade:

    Schule am Østedsparken

    Dann ein kleines Reihenhausviertel mitten in der Stadt:


    Vester Farimagsgade:

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Israels Plads:



    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Schöne Bilder! Kopenhagen wurde vor kurzem in irgendeinem Magazin zur lebenswertesten Stadt gewählt. Ich war bei meinem Besuch dort auch absolut begeistert. Schönen Tag noch! :)

    "Willst du eine Stadt vernichten, baue Kisten, Kisten, Kisten!"