Fragen und Anmerkungen zu Berlin

  • Danke für Deine Rückmeldung. Wenn Du die Fotos von den Adressen einstellen könntest wäre ich Dir sehr dankbar.

    Bei den Briefbögen (die ich teilweise von anderen Ordensherstellern habe) ist es leider so das dort gerne mal ein wenig getrickst wurde und die Firma um einiges größer dargestellt wurde als sie in Wirklichkeit war.

    Mein Hauptproblem ist leider das viele Unterlagen, Fotos etc. den Krieg einfach nicht überlebt haben und es extrem schwierig gewordne ist etwas über die Leistungsfähigkeit der Firmen in Erfahrung zu bringen (Maschinenausstattung, Mitarbeiterzahl etc.) oder das die Firmengebäude einfach durch Kriegseinwirkungen zerstört wurden.

    Kennt sich vielleicht jemand mit alten Luftbildaufnahmen der Amerikaner oder Briten aus? Sollte es möglich sein darauf einzelene Gebäude zu identifizieren wäre das auch sehr interessant. Würde es doch evt. einen zeitlichen Aublauf darstellen ab wann einzelne Gebäude getroffen bzw. zerstört wurden.

  • Hallo Leute, ich bin auf der Suche nach Bildmaterial von der
    Invalidenstraße 129, direkt Ecke "Borsigstraße, gegenüber vom
    Bahnhofsgebäude des S-Bahnhof Nordbahnhof bzw. dem Gelände, auf dem früher mal der Stettiner BHf war.

    Zum Hintergrund:

    Ich war vor einigen Jahren dort vor Ort auf der Baustelle
    Invalidenstraße tätig, und konnte damals beobachten, wie
    dieses seit Jahrzehnten brachliegende Grundstück für einen Neubau
    erschlossen wurde. Es wurden Träger gerammt, und das Erdreich für den
    Keller bis auf rund 3 Meter tiefe ausgegraben. Dabei wurde so manches
    altertümliche Gerät zutage gebracht.

    Ein alter Geldschrank (Mit einem Reichspfennig drin!!), ne
    Transmission, steinalte Elektromotoren, Knetmaschinen und alte Ofentüren
    ließen auf eine alte Bäckerei tippen. Bei weiteren Ausgrabungsarbeiten
    fand sich dann noch intaktes Porzellangeschirr an, mit dem Insignien
    "Conditorei Albert Obst". Weitere Hinweise zeugen auf einen
    Brandschaden....

    Mich würde jetzt interessieren, was es mit dem Gebäude auf sich hatte.
    Wie sah es aus?

    Das einzigste, was ich bisher finden konnte, war ein Eintrag im Adressbuch Berlins von 1943....Da wurde die Adresse noch geführt. 1944 verliert sich die Spur.
    Hier gibts noch ein Luftbild das nach dem Krieg aufgenommen wurde...


    MFG Andy

  • Hallo Forum Mitglieder,

    War vorige Woche wieder in Berlin und war erstaunt von:

    1). Wunderbare öffentliches Verkehr mit U-Bahn, S-Bahn, Strassenbahn und Pendelzug zu Berlin Schönefeldt
    Der Bahn ist pünktlich, Wartezeiten minimal, vorzüglich und vom erstrangigen Niveau!! :applaus:
    2). Alle moderne Architektur um der Bundestag herum und in der Mitte: erstrangig, besonders das Lüdershaus!! :daumenoben:
    3). Reiches Angebot an Restaurants,sehr gute und bezahlbare Speisen cclap:)
    4). Top Hotels wie Titanic, sehr bezahlbar, erstrangige Bedienung und Service :schlafenbett:
    5). Viele Museen und diese mit Welcome Card auch noch sehr billig dazu!!! Bravo :)

    Dieses Mal habe ich auch die Berliner Sünden gesehen und die schmerzten tief: :daumenunten:

    5). Graffiti fast an allen Gebäuden auch Neubauten!! Besonders schrecklich in Kreuzberg, Gegend Urbanstrasse, Kottbuserdamm etc.
    Soll strengstens verboten werden mit hohen Strafen für Beschädigung und Verunstaltung der Umwelt.
    6). Schrecklich billige und Berlin unwürdigen Neubauten in Bombardierten Teil Kreuzbergs. :kopfwand:
    Die Mehringplatz soll, wie es heute aussieht, sofort umgestalltet werden müssen. Südliche Friedrichstrasse wird heute blockiert.
    7). Die Abstuckungsgrad in Berlin ist (zu) hoch!! In die meiste Strassen gibt es nur einige ansehenswerte intakte Gebäuden (15%).
    8). Fast überall werden unpassende Aufbauten am Dächer der Gründerzeitler errichtet und durchaus weitere Verunstaltung.......
    9). Noch immer (zu) viel Lücken in Strassenfronten und Baublocken.....

    Also gibt es Pläne um meine Punkte 5 bis 9 im Zukunft zu verbessern???

  • Ich würde mit Eckgebäuden und Dachlandschaften anfangen.

    Berlin wurde von Artillerie flach gelegt. Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass es dabei große Unterschiede innerhalb des Rings gab.

    Mehringplatz, südliche Friedrichstraße. Ja. Da fehlt nut die Vision und der Entwurf.

  • Aus "Schinkelplatz & nördlicher Friedrichswerder" hierher verschoben.

    Und ich habe das mit einem lieben Forumskollegen erst kürzlich ausführlich diskutiert (#triforium :tongue: ), dass manchmal in der Betrachtung von Berlin etwas untergeht, was hier noch alles steht. Denn mir wird Berlin bei aller notwendigen Krirtik oft etwas zu streng bewertet. Denn was haben wir in Berlin? Von den wichtigen Solitären steht mittlerweile fast alles wieder:

    - Stadtschloss
    - Museumsinsel
    -Berliner Dom
    -östlicher Teil der Linden mit Kommandantur, Neuer Wache, Zeughaus, Stabi, Humboldtuni, Kronprinzenpalais, Bebelplatz, Oper
    -Gandarmenmarkt mit Schauspielhaus, Deutschem und Französischem Dom
    -Pariser Platz mit Brandenburger Tor, Adlon, Reichstag, Reichtagspräsidentenpalais
    - Marienkirche, Nicolaikirche und Viertel, Parochialkirche, Stadthaus, Rotes Rathaus

    Ich habe bestimmt einiges vergessen und das bezieht sich ja nur auf Mitte. Das einzige, was in Mitte fehlt, ist ein Gründerzeitboulevard wie die Leipziger Straße oder die Friedrichstraße und ein historischer Großbahnhof wie der Anhalter Bahnhof. Ansonsten ist in Mitte von den Solitären bis auf das Monbijou und die Petrikriche alles erhalten. In London ist der Zustand in der City viel viel schlechter. Ich denke, das Berlin auch ohne den Zweiten Weltkrieg in Mitte heute nicht viel anders aussehen würde. Ich finde, Berlin wird immer ein bisschen zu kritisch gesehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass durch die gesamte Stadt eine Mauer verlief und dass Berlin jetzt auch nicht München oder Hamburg ist was die ökonomischen Verhältnisse angeht. Und wenn ich sehe, was man z.B. aus Stuttgart gemacht hat, dann ist die Entwicklung in Berlin doch extrem bemerkenswert, auch was man an Stadtreparatur nicht nur am Mauerstreifen, sondern auch im Bereich Stadtschloss, östliche Linden und Schinkelplatz erreicht hat.

    Es bleibt nach wie vor einiges zu tun, aber vieles ist in Berlin auch ganz gut gelaufen!

    APH - am Puls der Zeit

  • Ich weiß nicht wieso du Stuttgart als Negativbeispiel anführst, Apollo. Dort steht doch von den wichtigen Solitären auch noch das meiste: Neues Schloss, Altes Schloss, Oper, Königsbau, Kunstgebäude, Wilhelmspalais, Hauptbahnhof, Markthalle, Stiftskirche. Das scheint hier wie dort offensichtlich zu genügen, denn auch ohne Krieg sähe es ja heute in Berlin „nicht viel anders aus“ (wenn ich diese recht amüsante Aussage deinerseits zitieren darf).

    In dubio pro reko

  • Ich weiß nicht warum man gleich so persönlich werden muss. Berlin hat eben nicht nur die Solitäre zu bieten sondern darüber hinaus viel viel mehr Altbausubstanz als man denkt. Wenn man allein diese wieder in ihren Ursprungszustand versetzt ist der Bestand quantitativ in Deutschland einmalig. Und selbst in Mitte ist auch an normalen Bauten mehr erhalten wenn man die Straßen durch geht. Es fehlen eben die drei bedeutenden Großstraßen aus Wilhelmstraße, Leipziger Straße und in Teilen die Friedrichstraße und die Kernstätten des alten Berlin aus heutigem Marx-Engels-Forum, Molkenmarkt und südlicher Fischerinsel. Dazwischen hat Berlin aber auch in Mitte noch einen Bestand der die City of London problemlos schlägt.

    Und Stuttgart in allen Ehren aber als positives Beispiel für den Wiederaufbau in der Kerninnenstadt taugt diese Stadt nun wirklich nicht. Auch wenn ich einen gewissen Lokalpatriotismus berücksichtige.

    APH - am Puls der Zeit

  • Apollo:
    Leider muss man dir widersprechen. Deine Aussage ist ein Musterbeispiel dafür, dass vielen Menschen der architektonische Verlust Berlins (oder besonders von Berlin-Mitte) nicht bewusst zu sein scheint.

    Berlin-Mitte fehlen seit Kriegsende bzw. DDR-Zeiten, allein was Sakralbauten betrifft, folgende bedeutende Solitäre:

    • Bethlehemskirche
    • Dorotheenstädtische Kirche
    • Dreifaltigkeitskirche
    • Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche
    • Georgenkirche
    • Petrikirche
    • Versöhnungskirche

    Weitere verlorene Solitäre verschiedener Art sind zum Beispiel:

    • Palais Strousberg
    • Lessingtheater
    • Villa Kamecke
    • Café Friedrichshof
    • Berliner Börse
    • Schloss Monbijou
    • Prinz-Albrecht-Palais
  • Und noch viel, viel mehr. Ich finde es äußerst töricht, hier zu behaupten, Berlin sähe ohne Krieg heute „nicht viel anders“ aus. Die baulichen Verluste gerade im Zentrum sind bestürzend. Die erhaltenen Gebiete wie z.B. in Charlottenburg, Prenzlauer Berg oder Schöneberg, vornehmlich mit gründerzeitlicher Wohnbebauung, können nicht darüber hinwegtäuschen dass Berlin den größten Teil seiner repräsentativen Profanbauten in der historischen Innenstadt verloren hat. So etwas wie den Trafalgar Square oder eine Regent Street gibt es in Berlin eben nicht mehr.

    Würde man die Größe Berlins auf die von Stuttgart eindampfen, wären beide Städte in Bezug auf erhaltene Solitäre und gründerzeitliche Substanz durchaus vergleichbar. In sofern hat das gar nichts mit Lokalpatriotismus zu tun, wenn ich hier eine Lanze für Stuttgart breche.

    PS: Wo bin ich persönlich geworden? Weil ich die Aussage amüsant fand?

    In dubio pro reko

  • Sorry, ich gehe bei der Bewertung nicht mit. Von den wirklich wichtigen Solitären fehlen in Berlin die Petrikirche und das Monbijou. Natürlich sind Gebäude wie die Dreifaltigkeitskirche oder die Bethlehemkirche traurige Verluste, aber ich würde sie im Vergleich zum Berliner Schloss oder dem Zeughaus auch aufgrund ihrer Lage von der Wichtigkeit nicht in die Bauten erster Ordnung einreihen.

    Das, was die repräsentative Mitte war, ist mit dem Wiederaufbau des Schlosses wieder vollumfänglich vorhanden. Man kann also den Geist der kaiserlichen Mitte Berlins heute problemlos nachvollziehen.

    Was fehlt sind die repräsentativen Adelspalais in der Wilhelmstraße, ein Großbahnhof der Jahrhundertwende und eben ein Gründerzeitboulevard wie z.B. die ehemalige Leipziger Straße. Wobei man auch hier sagen muss, und das haben wir ja im Strang über den Kurfürstendamm erörtert, dass auch hier noch vieles möglich wäre, wenn man denn wollen würde.

    Und es gibt ja in Berlin durchaus noch die ein oder andere Chance:

    1. Das Gebiet des Monbijou ist nach wie vor frei. Ein Wiederaufbau wäre als Ergänzung zur Museumsinsel jederzeit möglich und vielleicht sogar irgendwann auch Thema. So könnten Teile der Gemäldegalerie hier einziehen. Man verlagert wesentliche Teile des Museums wie beim aktuellen Neubau für das Museum der Moderne unterirdisch unter den Monbijoupark und nutzt das Schloss als Eingangsgebäude und für kleine Teile der Ausstellung.

    2. Auch die Komische Oper wird irgendwann Thema werden, weil das gesamte Gebiet bis hin zu den Linden eines der letzten ungeordneten Gebiete im Zentrum ist. Hier ließe sich auch noch eine Fassadenrekonstruktion umsetzen, wenn man denn will, weil weite Teile des restlichen Baus bis heute erhalten sind.

    3. Auch im Bereich der Wilhelmstraße ist eine Rekonstruktion zumindest eines Adelspalais als Ausstellungsfläche zur Geschichte des Ortes durchaus mögich, wenn der politische Wille da ist. Hier würde sich z.B. das ehemalige Reichspräsidentenpalais anbieten.

    4. Auch die Grundstücke von Bethlehemkirche und Dreifaltigkeitskirche sind perspektisch frei. Wenn man also einen Liebhaber findet, wäre auch hier eine Reko möglich. Es ist nur die Frage, welche Nutzung diese Bauten haben sollen. Privatwirtschaftlich lässt sich eine Fassadenreko leider niemals umsetzen, weil der Raum zur Nutung viel zu klein wäre.

    5. Auch der Anhalter Bahnhof kann nach wie vor zumindest mit den Kopffassaden als Teil eines breit angelegten Nutzungskonzepts zurückkkehren.

    Und es gibt noch viele weitere Möglichkeiten. Aber sämtliche wichtigen Platzstrukturen in Mitte sind erhalten. Wesentliche Solitäre sind nach wie vor da oder wurden in den letzten Jahren rekonstruiert. Die DNA der historischen Mitte ist also in jedem Fall erhalten. Klar, der einfache Profanbau hat beträchtlich gelitten, aber auch hier gibt es nach wie vor einiges zu entdecken. Wenn ich da mal nach Köln, Düsseldorf, die Ruhrgebietsstätte oder nach Frankfurt schaue, da bin ich der Meinung, dass Berlin seine historische Identität besser bewahrt hat.

    APH - am Puls der Zeit

  • Ich stehe hier zwischen der Position Apollos und der der anderen. Ich finde es ebenfalls beeindruckend, was sich alles erhalten hat in Berlins Zentrum und/oder wiederaufgebaut wurde. Natürlich fehlt mindestens ein ordentlicher gründerzeitlicher Bahnhof, natürlich fehlt eine echte großstädtische Geschäftsstraße (die Friedrichstraße ist einfach zu früh bebaut worden, sähe bei Entwicklung ab jetzt sicher anders aus), natürlich sind viele Kirchen nicht mehr aufgebaut worden, natürlich gibt es riesige Narben im Stadtgebiet, die wohl nie richtig verheilen werden.

    Aber ich bin trotz allem begeistert von der Entwicklung Berlins und von dem, was alles erreicht wurde inkl. einer so nur in Berlin anzutreffenden Qualität von neuklassischen Wohnungsneubauten, inkl. vielen kleineren Rekos und Instandsetzungen am Kurfürstendamm, inklusive der grandiosen Nachricht der letzten Woche, dem Wiederaufbau von Karstadt am Hermannplatz....

    ich weiß, dass hier bei einigen gerade in Bezug auf Berlin das Glas immer nur halbleer ist und kann die Gründe für diese Sichtweise auch nachvollziehen - trotzdem sollte man doch nicht vergessen, was alles passiert ist in den letzten 10 Jahren. Wenn die Schinkelsche Bauakademie original wiederaufersteht (wofür ich massiv bin) und die Renovierungswellen endlich durch sind, dann ist der Bereich Unter den Linden/Museumsinsel/Stadtschloss aber ein unfassbar herrliches Stück wiederhergestellter Stadtraum!

    Wir werden bei aller berechtigten Kritik Zeugen einer sehr, sehr schönen Renaissance dieser 80 Jahre lang ein teilungsbedingtes Schattendasein führenden und aller großen Arbeitgeber beraubten Stadt. Das so ein Aufholen- bzw. Normailisierungsprozess nicht in 20 Jahren fertig ist, muss allen klar sein. Aber die Wirtschaft wächst nun permanent über Bundesschnitt, die Arbeitslosigkeit ist stark gesunken trotz einer, sagen wir, tlw. schwierigen Sozialstruktur. In den nächsten 10, 15 Jahren wird Berlin zu einer ganz normalen europäischen Hauptstadt geworden sein mit allen Problemen und Vorteilen, die das mit sich bringt.

  • Ich finde es ärgerlich, dass hier immer zwischen „Pessimisten“ und „Optimisten“ polarisiert wird. Kann man sich nicht in der Mitte treffen? Die enormen Verluste weltstädtischer Repräsentationsarchitektur im Zentrum Berlins zu leugnen ist genauso kurzsichtig wie den glücklichen Umstand, dass die wichtigsten Solitäre erhalten oder wiederaufgebaut wurden, geringzuschätzen. Natürlich erkennt man die historische Gestalt Berlins auch heute noch über weite Strecken, aber zu behaupten, ein ausgebliebener Krieg hätte keinen großen Unterschied für das heutige Stadtbild gemacht ist einfach äußerst oberflächlich betrachtet und muss jeden vor den Kopf stoßen, der sich ausführlich mit dem Berlin vor 1945 befasst hat, dabei bleibe ich.

    In dubio pro reko

  • ...aber zu behaupten, ein ausgebliebener Krieg hätte keinen großen Unterschied für das heutige Stadtbild gemacht ist einfach äußerst oberflächlich betrachtet und muss jeden vor den Kopf stoßen, der sich ausführlich mit dem Berlin vor 1945 befasst hat, dabei bleibe ich.


    Das lese ich jetzt erst. Wer behauptet, dass Berlin ohne Krieg heute ähnlich aussähe wie es heute nach der Totalzerstörung und dem modernen tristen Wiederaufbau aussieht, ist entweder völlig ahnungslos und redet um wenigstens einmal was zu sagen, oder ist geradezu bösartig.

    Unter "Zeitreise Berlin" gibt es interaktive Pläne vom Vorkriegsberlin. Es gibt auch zahlreiche Fotoalben vom Vorkriegsberlin die zeigen, wie reich die Architektur war. Natürlich wurden in den 20ern die ersten modernen Gebäude besonders oft fotografiert, weil es eben zu der Zeit was besonderes war. Aber es waren nur Ausnahmen. Die Stadt war eine Wucht. Auch wenn in den 20ern-30ern einige vereinzelte Häuser modernisiert wurden oder durch Neubauten ersetzt wurden, so war die unglaubliche Pracht der Straßenzüge und Plätze noch zum großen Teil erhalten. Der Alexanderplatz ist hier eine Ausnahme, weil er schon umgestaltet wurde. Man kann von 93 % Altbau und 7 % Neubau um 1940 ausgehen. Heute ist es umgekehrt. Wenn man die Gebäudemasse inBerlin Mitte betrachtet sind gerade mal 3 % Altbauten. Von den Großgebäuden sogar unter 0,5 % (wiederaufgebaute Fassaden sind natürlich Neubauten, weil sie innen modern sind)

    In dem Film "Babylon Berlin" wird leider nicht deutlich, wie prachtvoll die Stadt war, weil es halt nur mit Computertechnik möglich ist, die prachtvollen Gebäude auferstehen zu lassen. An dieser Computertechnik spart man in der Serie leider. Zu oft kommen moderne Bauten der 20er Jahre in dem Film vor, so dass man denken könnte, das nicht mehr viel von der Kaiserzeit stand. Nie ist mal der Vorkriegsreichstag mit der goldenen Kuppel, der Anhalter Bahnhof, oder eines der wunderschönen Hotels, wie Adlon, Excelsior oder Esplanade zu sehen. Auch der Vorkriegsdom oder das Schloß werden völlig ausgeblendet.

    Und wer behauptet, die Lindenallee wäre ja wieder wie vor dem Krieg vorhanden, der irrt gewaltig. Alle repräsentativen Gebäude der Lindenallee, vom Brandenburger Tor bis zum Schloß, sind (ausgenommen die Bibliothek) lediglich Fassaden. Das innere gleicht modernen langweiligen Bürobauten. Vor dem Krieg waren diese Gebäude im Inneren unglaublich kostbar und aufwändig ausgestattet. Allein das ist schon ein Verlust, der sehr schmerzhaft ist. Wer kennt heutenoch das berühmte Treppenhaus vom Kronprinzenpalais. Oder die Wohnräume vonWilhelm I, der immer zu einer bestimmten Zeit aus seinem Eckzimmer aus demalten Palais herausgewunken hatte und damit zu einer Touristenattraktion wurde. Jedes dieser Gebäude war von innen eine Wucht, die einem heute die Sprache verschlagen würde. Von der unglaublichen Pracht der Adelspalais in der Wilhelmstraße will ich hier gar nicht sprechen. Ein unfassbarer Verlust von herrlichen repräsentativen Räumen aus dem Barock, Klassizismus und Historismus. Die Palais am Pariser Platz, an der Südseite des Tiergartens, Villen und Bürgerhäuser, Hotels... Selbst die Börse oder die Bankgebäude waren innen wie außen Prachtbauten. Nichts, aber auch garnichts ist erhalten.
    Die Gassen der mittelalterlichen Fischerinsel, der Kern Berlins um den Fernsehturm herum... alles ist vollständig ausradiert.
    Aber es soll ja Leute geben, die meinen: "Berlin sähe ohne Krieg heute nicht viel anders aus"....

  • Gut, nicht bösartig aber unüberlegt und völlig fahrlässig.
    Ich empfehle da mal diesen originalen Film einer Rundfahrt von 1938. Ein Jahr vor dem Krieg! Obwohl die Rundfahrt nur die Hauptsehenswürdigkeiten zeigt, die ja auch heute äußerlich zum Teil wieder stehen, empfehle ich die gleiche Rundfahrt heute mal zu machen. Der Kontrast zu heute ist erschütternd.

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  • Ich denke, wir reden ein bisschen aneinander vorbei. Worum geht es?

    1. Klar hätte Berlin heute noch mehr Altbausubstanz, wenn es den Krieg nicht gegeben hätte, aber ich fürchte, hier machen sich einige auch etwas vor. Es wäre nicht mehr das Berlin, was wir noch von den 20-ern kannten. Bereits in den 20-ern setzte der Weg der Modernisierung in Berlin ein, wir haben das hier im Forum bereits alles dokumentiert. Dies betraf den Alex, die Leipziger Straße, den Kurfürstendamm. Überall wurde begonnen, am Gründerzeiterbe zu nagen. Sicher wären die Bauten nicht so breit angelegt verloren gegangen, aber die Leipziger Straße hätte heute ausgesehen wie der Kurfürstendamm heute.

    2. Viele der "alten" Strukturen des alten Berlin im Bereich Molkenmarkt, Fischerinsel etc. wären aufgrund ihrer einfachen Struktur und der geringen Flächenausnutzung vermutlich heute ebenfalls nicht mehr existent. Besonders auf der Fischerinssel stand bis in die 60-er Jahre noch einiges. Es wurde dann aber für den modernen Städtebau und Straßenschneisen abgerissen. Auch hier hätte die städtische Entwicklung massiv zugeschlagen. Denn auch nach dem Krieg war ja vieles erhalten, was heute weg ist. Man vergisst heute, wie expansiv das Berlin der 20-er Jahre war. Berlin war damals größer als heute.

    3. Es gibt in der Jägerstraße, der Französischen Straße, der Friedrichstraße und in der Behrenstraße nach wie vor den Berliner Profanbau. Das in Mitte nichts übrig sein soll, ist doch eine völlig falsche Darstellung. Und auch oberhalb der Marienstraße auf der anderen Spreeseite ist noch extrem viel erhalten, ähnliches gilt ab dem Hackeschen Markt, Oranienburger Straße etc. Von den Kiezen ganz zu schweigen.

    4. Die großen Verluste und dabei bleibe ich, sind in Mitte die beiden Gründerzeitstraßen aus Friedrichstraße und Leipziger Straße. Ich sage aber auch, dass es beide auch ohne Weltkrieg in ihrer alten Form heute nicht mehr geben würde. Anders sieht es bei der Wilhemstraße aus. Der Verlust wiegt schwer und diese Bauaten würde es vermutlich heute noch geben, weil der Abriss zumindest in Teilen politisch motiviert war. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass Bauten stark verändert oder aufgestockt worden wären, weil keiner der Standorte heute mehr ein Ministerium tragen könnte.

    Fazit: Ja, Die Berliner Mitte hätte heute noch mehr Profanbauten und vermutlich würden 3-4 Kirchen mehr erhalten sein, aber diese idealisierte Darstellung, die hier manche verbreiten, trifft einfach nicht zu. Gerade Berlin war immer eine Stadt im Fluss, hier fand ständig Veränderung statt, man war extrem progressiv. Das Karstadtgebäude am Hermannplatz ist das beste Beispiel. Man hat in Berlin auch in der Vergangenheit nicht unbedingt Rücksicht auf Bewährtes genommen. Man denke an den Berliner Dom, den Schlossumbau, die Gründerzeitliche Überformung weiter Teile der historischen Mitte. Hätte es keinen Weltkrieg gegeben und Hitler hätte einfach nur da gesessen und gebaut, auch dann wäre Berlin heute nicht mehr Berlin, ähnliches hat die DDR versucht. Berlin war in diesen Dingen immer extrem. Aber letztlich wird man es nicht überprüfen können, es ist eher eine Frage des Glaubens als des Wissens. Keiner weiß wie was gekommen wäre!

    APH - am Puls der Zeit

  • Ich finde diese Diskussion sehr interessant, sie ist ja so und in abgewandelter Form schon zigfach und für zig Städte hier geführt worden. Dabei geht es um zwei Ebenen, die Sachebene - also wie groß UND wie relevant sind die Verluste? und 2. die Theorieebene - also was wäre auch ohne Krieg verunstaltet oder abgerissen worden?

    Ich glaube auch, dass der Impetus der Moderne etwas unterschätzt wird von vielen. Auch wenn ich Vorkriegsbilder aus Bremen anschaue, bin ich immer überrascht, dass schon in den 20er und 30er Jahren heftig entstuckt wurde in Geschäftsstraßen und unpassende, horizontale Ladenfenster sowie Leuchtreklamen in die Geschäftshäuser eingebaut wurden. Auch so manche Flächensanierung gerade von wirklich altstädtischer und sanierungsbedürftiger Bausubstanz wäre ganz sicher durch unsere Städte gerollt, ebenso, wie grundlos repräsentative gründerzeitliche Bauten abgerissen worden wären und nicht zu knapp.

    Niemand wird bestreiten, dass heute noch viel, viel mehr stehen würde und dass der Zweite Weltkrieg natürlich ein riesiger Verlust gewesen ist. Auch wird immer Spekulation bleiben müssen, inwieweit Nachkriegsabrisse auch durch den Krieg und den Wunsch nach Neubeginn oder wie auch immer man es nennen möge, motiviert waren oder inwieweit sie ohnehin gekommen wären. Ich glaube aber durchaus, dass Apollo Recht hat mit der Einschätzung, dass viele der großen Geschäftsstraßen ohne Krieg gar nicht wesentlich anders aussähen heute. Auch hätte es vielleicht nicht die deutliche architektonische Wende ab etwa 1975 und nocheinmal seit vielleicht 2010 gegeben ohne die Kriegszerstörungen, so dass -weil ja so unendlich viel da ist- vielleicht sogar noch weiter munter abgerissen worden wäre.

    Alles Spekulation, "alternative history", ich weiß - und doch glaube ich, dass unsere Städte auch ohne Bombenkrieg völlig anders als auf diesen autoarmen bis -freien Heile-Welt-Bildern aus dem frühen 20. Jahrhundert aussähen, allein schon der Siegeszug des Automobils hätte extrem viel Tribut gefordert, die ganzen autogerechten Pläne von Ost-Westschneisen und -Trassen und Tangenten etc. lagen ja schon in den Schubladen der Planer, tlw. seit den 1920er Jahren und wären unter rücksichtslosen Flächenabrissen so oder so gekommen. Berlin war natürlich schon von der Anlage her autogerechter als die meisten kleineren Städte und hätte hier wohl weniger Verluste zu befürchten gehabt als wirklich kleinteilig gebaute Klein-, Mittel- und auch Großstädte.

    Aber auch klar ist natürlich, dass auch 60 oder 80 Jahre expansive Moderne nicht so viel zerstören hätten können, wie die letzten 2 Kriegsjahre. Man sieht an Städten wie Leipzig oder Görlitz oder Regensburg oder Wiesbaden natürlich, wie anders west- wie ostdeutsche Städte ohne flächendeckende Bombenschäden heute aussehen, ganz sicher nicht schlechter. Insofern liegt auch hier die Wahrheit in der Mitte.

    Das eigentlich interessante an der Diskussion finde ich aber die Frage nach dem, was machen wir daraus? Natürlich gehört zu einer ordentlichen Bestandsaufnahme auch die Bewertung dessen, was alles verloren gegangen ist. Aber sie muss auch weiterführen. Manchmal liegt mir hier der Fokus etwas zu sehr auf dem Verlorenen, dem Negativen und nicht auf dem Schönen, was inzwischen entstanden ist, sei es rekonstruiert oder wiederhergestellt/renoviert oder klassisch oder zumindest geschmackvoll neugebaut. Über ganz viel, über das wir hier wie selbstverständlich reden, hätte vor 15 oder 20 Jahren niemand zu träumen wagen können. Insofern, wie meist von mir ein leidenschaftliches Plädoyer für das halbvolle Glas.