• Die Keller des Schopenhauerhauses wurden diese Woche freigelegt. Ich bin dort eben vorbeigekommen. Die Mauerreste sind teilweise ca. 2 Meter hoch und offenbar besser und umfangreicher erhalten als jene am Neumarkt in Dresden. Der gesamte Keller ist auch sehr tief, ich denke er war zweistöckig.

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • RMA: ganz richtig wie hier im Forum von jedem darüber geredet wird. Was Harris alles getan hat ist eins, aber im Farbigen Bild kann man auch sehen wie schrecklich nach dem Krieg mit verblieben Bauten umgegangen ist. Wenn nr 15 noch da wäre, hätte die Main Ufer heute schon besser ausgesehen. Alt und Neubau neben einander macht alles doch viel angenehmer dann die ewige "saubere" aufgelockerte funktionelle und manchmal so langweilige Nachkriegsarchitektur.
    Bin der Meinung zugetan das sogar nach dem Krieg mehr UNHEIL verübt worden ist dann in 1944 und 1945. Es hätte wesentlich viel anders sein können, mit relativ wenig Aufwand. Die Tabula Rasa die über ganz Deutschland hinweg stürmte und fast alles stehen gebliebene von wertvollen Ornamenten beraubt hat (es handelt hier um hunderttausende so nicht millionen von Bauten!!) und daneben auch noch zehntausende stehen geblieben Bauten kopflos abgebrochen wurde ist m.M. das schimmste was je in Deutschland passiert hat. Dresden, Berlin, Magdeburg und Kassel sind im Vergleich zu früher in mittelmässige Provinz-Architektur verwandelt.
    Es fehlt an gute Städtebauliche Prinzipien zu wiederherrstelling der Urbane und belebte Grosstadt.

  • Zitat von "Klassiker"

    ... fast alles stehen gebliebene von wertvollen Ornamenten beraubt hat (es handelt hier um hunderttausende so nicht millionen von Bauten!!) und daneben auch noch zehntausende stehen geblieben Bauten kopflos abgebrochen wurde ist m.M. das schimmste was je in Deutschland passiert hat. [/b]


    Sag das mal einem, der im Krieg seine Familie verloren hat oder gar einem Menschen jüdischen Glaubens, der Holocaust und KZ überlebt hat! Natürlich ist das keine Rechtfertigung für hässliche Stadtbilder aber bleib auf dem Teppich Rob!

    Zurück zum Schopenhauerhaus...

  • Zitat

    Die Keller des Schopenhauerhauses wurden diese Woche freigelegt. Ich bin dort eben vorbeigekommen. Die Mauerreste sind teilweise ca. 2 Meter hoch und offenbar besser und umfangreicher erhalten als jene am Neumarkt in Dresden. Der gesamte Keller ist auch sehr tief, ich denke er war zweistöckig.

    Hat man denn doch wirklich im Ernst vor, das Haus zu rekonstruieren?

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Kindvon2dresdnern: ok. Ich verbleibe mehr auf dem "Teppich" (= Boden). Mache mich aber doch recht Sorgen um die ausserhalb [lexicon='Leipzig'][/lexicon] so zögernde Vortschritt zur Aufwertung der Bau-Umgebung in der BRD. Es geht so verdammt langsam alles........in Potsdam, in Berlin, in Frankfurt und Dresden. Von Kassel und Magdeburg noch ganz zu schweigen. In meinem Kopf habe ich viele Vorschläge für was gebaut werden könnte.

  • Zitat

    Ein gewisser RMA hat topaktuelle erläuterte Bilder der Keller gemacht.
    Wer sie entspannt und zwanglos anschauen möchte:

    Sehr interessant zu sehen, wie die 50er-60er Bauten einfach auf die alten Grundmauern gestellt wurden.
    Aber nochmals meine Frage: was hat man auf diesem Gelände vor?

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Es ist ein Hotelneubau geplant - mit selbstverständlich moderner Fassade. Leider wird hier die Chance vertan wenigstens die Fassaden der ursprünglichen Bebauung zu rekonstruieren, was ja bei klassizistischen Fassaden ohne großen Aufwand und Kosten machbar wäre.

    Daher erscheint mir auch eine Reko des eigentlichen, links anschließenden Schopenhauerhauses als absolut unrealistisch. Wer sollte Interesse haben den bestehenden Bau abzureissen, zumal sich dieser in keinem schlechten Zustand befindet?

    Auch kam die Frage auf, ob hier noch die Keller vorhanden seien?!? Bereits im April 1944 war die Fassade bis auf die Reste des Erdgeschosses abgetragen, welche Ende der 50er Jahre dann für den heute bestehenden Bau abgetragen wurden.

    Ich glaube nicht, dass den Kellerngewölben die ca. 15 Jahre ohne jeglichen Schutz gut bekommen sind, bzw. denke ich das der seinerzeitigen Investor seinen Mietern "ordentliche" Keller bieten wollte. Von einer Erhaltung ist also nicht auszugehen.

  • Zitat von "Stephan"

    Die Keller des Schopenhauerhauses wurden diese Woche freigelegt. Ich bin dort eben vorbeigekommen. Die Mauerreste sind teilweise ca. 2 Meter hoch und offenbar besser und umfangreicher erhalten als jene am Neumarkt in Dresden. Der gesamte Keller ist auch sehr tief, ich denke er war zweistöckig.

    Nein, das sind nicht die Keller des Schopenhauerhauses. Es handelt sich hier um die Keller der Schönen Aussicht 13–15. Die Parzelle des Schopenhauerhauses (die Nr. 16) ist mit einem hässlichen 50er Jahre-Klotz westlich der Ausgrabungsstelle überbaut, Schöne Aussicht 17 und 18 wurden bereits nach dem Krieg für den Durchbruch der Kurt-Schumacher-Straße geopfert.

    Das nur nochmal zur Richtigstellung: eine Reko des Schopenhauerhauses ist gegenwärtig neben dem mangelnden Willen in der Stadt sachlich unmöglich, weil eben auf der Parzelle schon ein Gebäude steht!

    Sehr viel interessanter als die klassizistischen Keller sind die Funde der Stadtmauerreste (?) darunter, die entweder der Staufenmauer (um 1150/1200) oder der Mauer der zweiten Stadterweiterung (um 1333/1350) zuzurechnen sind. Sollten diese ausreichend gut erhalten sein, könnte der Wert dieser Reste viel eher den Hotelneubau gefährden als es das Schopenhauerhaus je konnte – Ironie der Geschichte? ;)

  • Anbei ein paar neue Impressionen von heute. Die klassizistischen Keller sind mittlerweile weitestgehend beseitigt worden, doch was man da jetzt sieht, ist mir trotz ein paar rudimentärer archäologischer Grundkenntnisse nicht mal ansatzweise klar.

    Zwei Totalen:


    (Klicken zum Vergrößern)


    (Klicken zum Vergrößern)

    Das hier könnte genausogut ein Sarkophag wie eine mittelalterliche Wasserleitung sein:


    (Klicken zum Vergrößern)

  • Danke für die Bilder RMA!
    Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Funde archeologisch gesichtet, aufgenommen oder sogar gesichert werden? Die Baugrube sieht ja nicht wirklich so aus, als ob da vorsichtig gegraben wird.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Man blickt hinunter in das älteste Frankfurt

    Zitat

    Einer der aufwendigsten Neubauten, (sein Zwerchhaus war nur vier Meter schmaler als Goethes Geburtshaus), war das 1805 erbaute „Schopenhauerhaus“, genannt nach dem Philosophen, der dort 1860 verstarb. Ein dreibogiger Säulenportikus als Eingang, dahinter ein Vestibül, das nach antikem Vorbild als lichtes viersäuliges Atrium gestaltet war, Wohnräume mit bis zu sechs Meter Deckenhöhe - von all dem blieb, wie bei fast allen Häusern im Fischerfeldviertel, nach der Bombennacht des 2. März 1944 nur ein Torso. Er wurde 1951 für ein Mietshaus beseitigt. Der Wiederaufbau verunstaltete das gesamte Quartier. Denn man gab, besessen vom funktionalistischen Prinzip der aufgelockerten Stadt, die vorherige Geschlossenheit auf und schuf überwiegend frei stehende klägliche Mietszeilen und Behördenbauten. Einzig die Schöne Aussicht wahrte dank eines geretteten Eckhauses von 1820 und einiger standfester, aus Sparsamkeitsgründen wiederverwendeter Erdgeschosse klassizistisches Flair.

    Umso stärker fiel eine Kriegslücke auf, die Zufall und Zeit zum Memento mori gemacht hatten. Efeu überwucherte die kahlen Brandmauern links und rechts, durch einen maroden Bretterzaun stießen Schlingknöterich und Sommerflieder, die auch einen verwitterten Fassadenrumpf verdeckten - zwei Sockelplatten, eine Kellerluke, ein Brüstungsfeld und ein Fenster, in dem grüne Klappläden moderten, verschlossen seit der Märznacht 1944. Das Ganze war der letzte Rest des Hauses Schöne Aussicht 17. In ihm hatte Arthur Schopenhauer von 1843 bis 1859 gelebt, ehe er nach einem Streit mit seinem Vermieter ins noblere Nebenhaus gezogen war, das später als Schopenhauerhaus berühmt wurde.

    Seit kurzem ist das Areal bis zum ursprünglichen Bodenniveau abgegraben. Am Grubenrand liegen noch einige mächtige Sandsteinblöcke, die aufgedeckten Kellermauern und geborstenen Gewölbe wirken, als hätten sie eine Burg und nicht ein Haus getragen. Den Zweiten Weltkrieg bezeugen schmale Durchbrüche, mit denen man 1942 hier alle Luftschutzkeller verband, um Verschütteten ein Entkommen zu ermöglichen.

    (.................)

    Zitat

    Zurück zu den Wurzeln: Nicht am Umgang mit den wenigen, unantastbaren und isolierten Wahrzeichen erweist sich, ob wir aus unserer Geschichte und mit ihr leben. Sondern daran, ob wir den spärlichen historischen Resten, die Krieg und Brachialmoderne überdauert haben, gebührenden Raum in unserer längst nahezu geschichtslosen Bauwelt geben. Unter den Losungen Nachverdichtung und Rückgewinn wird seit einigen Jahren in allen deutschen Innenstädten gebaut. Auch in Frankfurt und auch im citynahen Fischerfeldviertel. Dabei schimmerte gelegentlich das verschwundene klassizistische Quartier auf wie unter zentimeterdickem Opakglas: Wurde beim Sanieren verkommener Mietsblocks der fünfziger Jahre der Putz abgeschlagen, tauchten verbaute historische Reste auf, Fenstergewände, Portale, Sockel. Bisher wurden sie achtlos abgeschlagen. Die Funde an der Schönen Aussicht eröffnen die Chance, es endlich besser zu machen.

    Dass das möglich ist, beweisen die Kellertheater, Weinstuben und Restaurants, die in einigen der erhaltenen faszinierenden Gewölbe des Fischerfeldviertels residieren. Warum also nicht die städtischen Absichtserklärungen beim Wort nehmen und sich ausmalen, dass man, ähnlich wie 1993 bei den barocken Kasematten der Brühlschen Terrasse in Dresden, die gotischen Mauern an der Schönen Aussicht mit den benachbarten unterirdischen Gewölben verbindet, die 1996 an der Mainbrücke aufgedeckt und wieder vermauert wurden? Viele Lösungen sind denkbar, nur eine sollte ausgeschlossen sein: dass man das älteste Frankfurt einer Tiefgarage opfert.

  • Anlässlich eines Wikipedia-Artikels über das Schopenhauerhaus, der in Kürze kommt, habe ich nochmal die Wohnsitze Schopenhauers verifiziert. Er lässt sich anhand der Adressbücher tatsächlich ab 1844 in der Schönen Aussicht 17 nachweisen (1843 wohl aufgrund der Publikationsüberschneidung des Adressbuchs mit seinem Umzug am 01.03.1843 lt. Frankfurter Biographie noch in der Neuen Mainzer Straße 16). Schöne Aussicht 16 lt. Adressbuch nur 1860.

    Damit ist klar bewiesen, dass keiner der Wohnsitze Schopenhauers den Zweiten Weltkrieg überstanden hat (wie auch in der Frankfurter Biographie angegeben). Das Haus Schöne Aussicht 15, 1804 ebenso wie 14 und 13 von J.D. Kayser erbaut, wie ich ermitteln konnte, welches den Krieg überstand und dann in den 1970ern (?) abgerissen wurde, hatte nie etwas mit Schopenhauer zu tun. Von diesen drei Typenhäusern sind übrigens sogar detaillierte Grundrisse und Fassadenaufmaße überliefert, so dass man sie wahrscheinlich noch am einfachsten rekonstruieren könnte. Also die Häuser an der Stelle, wo jetzt dieses unsägliche Hotel hin soll!

    Da diese Erkenntnisse als abschließend betrachtet werden dürfen, habe ich sie nochmal in einem Bild zusammengefasst. Es war wirklich sehr schwierig, eine passende Aufnahme aufzutreiben, da dem Fischerfeldviertel bis kurz vor dem Zweiten Weltkrieg kaum ein Kunstwert zugesprochen wurde und es nur sehr wenige Aufnahmen gibt, von gemeinfreien ganz zu schweigen. Fündig geworden bin ich bei den Aufnahmen Max Junghändels von 1898, die mit zu den besten Aufnahmen zählen, die um die Jahrhundertwende von der Stadt gemacht worden sind. Aus einem großformatigen Lichtdruck (es lebe der Lichtdruck!) konnte ich nachfolgenden Ausschnitt bei 1.200 DPI herausvergrößern und kommentieren:


    (Klicken zum Vergrößern)

  • @ RMA: Danke für Deine herausragende Fleißarbeit. Endlich ist die Hausnummerzuordnung entwirrt. Daran haben sich sogar schon Historiker die Zähne ausgebissen: http://www.schopenhauer.de/130803schopenhauehaus.htm\r
    http://www.schopenhauer.de/130803schopenhauehaus.htm
    Immer noch unfassbar, dass die "Schöne Aussicht 15" in den siebziger Jahren weggerissen wurde. Und die hässlich-moderne Nachkriegsbebauung des Sterbehauses "Schöne Aussicht 16" - wird dem historischen Ort in keiner Weise gerecht. Schade das am Sterbehaus Schopenhausers keine Gedenkstätte eingerichtet wurde - in diesem Jahr wird dem 150. Todestag gedacht, da hätte man die historische Gelegenheit nutzen müssen.

    Nochmal zum Hausnummerngewirr. Ähnliche Probleme der Zuordung hatten auch die Stadtväter in Danzig - dort hing die Gedenktafel zum Geburtshaus am falschen Gebäude: http://www.trojmiasto.pl/wiadomosci/Podwojne-zycie-Fahrenheita-i-Schopenhauera-n26823.html\r
    http://www.trojmiasto.pl/wiadomosci/Pod ... 26823.html
    Aber immerhin wurde die heutige "?wi?tego Ducha 47" (früher Heiliggeistgasse 114) - die Adresse des Geburtshauses - wieder historisch nach dem Krieg aufgebaut. Hier ein historisches Foto: http://fotopolska.eu/11453,foto.html\r
    fotopolska.eu/11453,foto.html
    Und so sieht es heute aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Gdansk_Schopenhauer_House.jpg\r
    de.wikipedia.org/wiki/Datei:Gdan ... _House.jpg

    ...

  • Bei den Bauarbeiten zum neuen Hotel wurde zudem ein Fischerkanal entdeckt, wie interessierte Anwohner berichten. Die stehenden Mauerreste ganz links in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schopenhauer-Haus inklusive Fenster und Laden wurden inzwischen abgerissen. Die gesamten historischen Offenlegungen sind auch wieder eilig zugeschüttet worden. Der Keller unter dem Schopenhauer-Haus Schöne Aussicht Nr. 16 ist erstaunlich hoch, die Backsteinwände wurden weiß übertüncht. Noch älter scheinen die Backsteine/Lehm zu sein, mit denen die Garagen hinter dem Haus gebaut wurden - vielleicht wurde dabei das Material aus dem 19. Jahrhundert verwendet. Interessant wäre noch die Klärung der Frage, ob der Grundriss der heutigen Nr. 16 dem des ursprünglichen Schopenhauer-Hauses genau gleicht. Auf alten Bildern sieht es eher so aus, als wäre das ehemalige Schopenhauer-Haus breiter als das heutige an gleicher Stelle stehende Gebäude. Exakte Aufklärung dürfte nur ein Blick in die Unterlagen beim Katasteramt bringen.

  • Am 11.04.2010 schrieb ich von einem Wikipedia-Artikel über das Schopenhauerhaus, der in Kürze kommt – hätte ich damals bloß gewusst, was ich mir da vorgenommen habe. :lachen: Im Endeffekt ist es in einer halben Magisterarbeit geendet. Dieses Wochenende endlich fertig hoffe ich, dass das bisschen Werbung erlaubt ist:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Schopenhauerhaus\r
    de.wikipedia.org/wiki/Schopenhauerhaus

    Mein herzlicher Dank gilt jörg hier im Forum, der mich nicht nur mit Unterlagen unterstützt hat, sondern dem auch das hervorragende Titelbild des Artikels zu verdanken ist. Gemeinfreie Fotos dieser Qualität gibt es nämlich noch nicht, folglich hätte der Artikel ohne sein Altstadtmodell ein großes Problem gehabt.

  • RMA: Tolle Fleißarbeit. Solltest du mal der Schopenhauergesellschaft vorstellen - vielleicht erwachen die ja mal aus ihrem Dornrößchenschlaf und setzen sich endlich auch mal in geeigneter Weise mit dem baulichen Erbe "Schopenhauserhaus" in Frankfurt auseinander.

    ...