Dresden - Frauenkirche

  • Danke für die beeindruckenden Bilder! Aber eigenartig sind diese protestantischen Kirchenräume für mein katholisches Auge schon - mit dieser halbrunden Bestuhlung und diesen vielen Emporen sieht das eher wie eine Oper oder ein Parlament aus als wie eine Kirche. Aber es ist auf jeden Fall ein großartiger Raum.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Hallo Leonhard,

    du hast es eigentlich mit deinen Vergleichen im wesentlichen erfasst. Es geht ums gute Hören, wie in einer Oper. Die Frauenkirche ist der in Stein gehauene lutherische Glaube. Die Versammlung der Gläubigen ist die Kirche, deshalb erhebt sich über ihr die Kuppel. Alle Plätze sind so ideal wie möglich auf das Zentrum des Gottesdienstes ausgerichtet, die Kanzel als Ort der Verkündigung des Evangeliums.

    Dazu kommt noch die singuläre Leistung von George Bähr, der die beengten Verhältnisse am Neumarkt optimal auszunutzen wusste.

  • Danke für die Erklärung! Ich denke, dass das, was mich etwas befremdet, die erhöhte Position der Gläubigen auf den Emporen im Vergleich zum Allerheiligsten im Altar ist, vor dem wir Katholiken niederknien. Die Idee, dass ein großer Teil der Gemeinde auf Emporen darüber sitzt und von oben darauf hinabsieht, kommt mir ganz komisch vor... es gibt allerdings auch in katholischen Kirchen vereinzelt rückwärtige Emporen, die aber historisch gesehen meistens höheren Herrschaften vorbehalten waren; die normale Gemeinde ist aber klassischerweise unten versammelt.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • George Bähr wars nicht, der die Emporen als solche erfunden hätte. Er hat sie nur optimiert, bei seinen Bauten im allgemeinen und bei der Frauenkirche im besonderen, da hier auch verschiedene Details mit hineinspielen (geringe Baufläche auf dem Standort, der Bedarf an Sitzplätzen, die Einrichtung von "Betstuben" und durch die Vermietung bzw. Verkauf derselben auch Bau-Mitfinanzierung des Baues in den 1730ern. Der Theologie zum Trotz und auch regionalen Traditionen zum Trotz warens die Protestanten nicht, die die Emporen erfunden haben, wenn diese auch nicht für die Gläubigen bestimmt waren und eher praxisbezogen musikalisch verwendet wurden. Dieses Detail hat sich wohl über die Jahrhunderte weiterentwickelt. Vielleich sollte man die Empore teilweise auch als einen "Raum im Raum" sehen. Man denkt an San Marco, Notre Dame, und viele mehr. Man denkt an den vorreformatorischen Lettner der Lübecker Marienkirche (und zwangsläufig auch an die späteren barocken Sängeremporen darin), an den gotischen Ostlettner im Mainzer Dom und die barocken "Choretten" im Westchor (die musikalisch genutzt wurde und wobei auf der Nordchorette die "Cüntzer´sche Orgel" von um 1703 von Johann Jakob Dahm stand), den Lettner in der unbeschreibbar schönen Liebfrauenkirche in Oberwesel und viele mehr. Einer der Kernaussagen des Protestantismus war ja, daß man sich nicht mehr hauptsächlich um den Altar und um das Altarsakrament versammelt, sondern um die Kanzel und um das gesprochene Wort. Und wenn man diesen Ansatz weiterführt, wird es vermutlich zu George´s Zeiten auch nicht so ausschlaggebend gewesen sein, ob dem Prediger so ein paar Kirchenbesucher von oben aufs Beffchen gucken. Wenn man theologische Detailfragen historisch sezieren möchte, müßte man sich vielleicht auch fragen, was vom alten Ägypten vor etwa 2.500 Jahren so alles mit hineingeflossen ist und inwieweit die bauliche Anlage einer römischen Basilika das Verständnis einer Kirche und der Position der Gläubigen darin beeinflußt hat.

  • Naja - es ist natürlich richtig, dass die lutherische Reformation der Kanzelpredigt in Anlehnung an den mittelalterlichen Prädikantengottesdienst mehr Raum einräumte. Trotzdem: Wortverkündigung und Altarsakrament waren auch architektonisch in der Regel gleichwertig. Selbstverständlich stand der Altar immer zentral, die Kanzel meist seitlich - in manchen Gegenden auch über dem Altar ( sog. Kanzelaltar). Der links-seitliche Barockaltar der Dresdner Frauenkirche wurde leider nicht mehr rekonstruiert. Ob die Gläubigen dem Geistlichen von oben aufs Beffchen gucken konnten? Zur Bachzeit jedenfalls trugen die Geistlichen(wie früher auch Lutner) bei Sakramentsgottesdiensten am Altar weiterhin die überkommenen (und zum Teil auch neu angefertigten!) Messgewänder. Die Aufklärungszeit und der preußische Einfluss brachte später freilich liturgische Verarmung.

  • Die seitliche Kanzel ist bzw. war die ursprüngliche und stand zu Anfang in der Mitte der Chorbalustrade. Aber da sie zu groß und hoch war und die Sicht auf den Altar verstellte versetzte man sie schon zur Bauzeit an die Seite und versah sie mit einem Schalldeckel aus der Hand des selben Bildhauers (Feige) .