• Tja, so verschieden ist die Wahrnehmung. Bei einer so hübschen und gut erhaltenen Stadt wie Colmar will ich nicht weiter meckern. Daß Colmar heute noch so gut dasteht ist übrigens ein kleines Wunder. Im Winter 1944/45 war die Gegend sehr hart und verlustreich umkämpft. In Deutschland ist der "Brückenkopf Elsaß" heute eher vergessen, aber in den USA ist der "Colmar Pocket" noch im Gedächtnis. Audie Murphy hat sich dort seine Medal of Honor verdient. Und wie der Zufall so will, habe ich erst letzte Woche den Bericht von Lee Miller über diese Schlacht gelesen, ein Alptraum aus Schnee, Matsch und Leichen.

  • Also ich stimme da voll mit dem Tübinger überein und habe mich auch über dein Lob sehr gewundert. Fachwerkstädte vertragen überdies in meinen Augen Kontraste bzw moderne Anbauten nur sehr schlecht. Daher kommt mir wohl auch Nürnberg so unterträglich vor.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich hätte nicht damit gerechnet, dass diese Architektur auf so starke Kritik stößt. Übrigens steht dieser Bau ja nicht wirklich in der Altstadt sondern eben am Rand, ist also keineswegs in die Fachwerkhäuserzeile hineingestellt. Wäre er mit Fachwerkhäusern umgeben, wäre die Architektur natürlich zu grob gewesen, aber so an der Übergangszone macht er sich sehr gut. In Colmar gibt es viele Gründerzeitler, die viel störender sind. Mit der Vielgliedrigkeit nimmt unser Lieblingsgebäude die Kleinteiligkeit der historischen Bebauung viel besser auf. Naja, so verschieden sind die Geschmäcker.

  • Dieser Stil, des hier kritisierten Hauses erinnert mich sehr stark an polnische Wiederaufbaubestrebungen, wie ich sie in Kolberg (Beispiele), Elbing, Danzig (außerhalb der Altstadt) und Stettin gesehen habe.

    Moderner Wohnungsbau mit Beigaben historischer Bauelemente wie Erkern, Giebeln und Fensterbreiten wie bei Altbauten.

    Kolberg:

  • Sieht wirklich sehr toll aus! Ich mag diese Mischung von kleine und große Fachwerkhäuser, in viele verschiedene Farbe, besonders gerne.

    Der Elzaß hat sowieso viele geile Städte und Dörfer. Der einzigen Vorteil das der Gegend nicht Deutsch geblieben ist, ist das die Deutschen die Hälfte wahrscheinlich schon lange her abgerissen hätten..

  • Es gibt in Württemberg jede Menge mehr oder weniger angepasster Neubauten, in Altstädten und deren Nachbarschaft. Viele von ihnen machen einen Aufenthalt in Württemberg immer wieder reizvoll. Man sieht dort einfach vieles, was es bei uns in Bayern kaum zu sehen gibt. Die Spannweite bei der städtebaulichen Qualität dieser Gebäude ist freilich enorm. Da gibt es aufdringliche, erdrückende Großbauten genauso wie erstklassig angepasste Neubauten, bei denen man es bisweilen bereut, sie erst so spät kennengelernt zu haben, weil sie einfach nur unübertreffbar gut sind.

    Das Beispiel des jedenfalls zu Baden benachbarten Colmar ist noch gar nicht mal besonders großartig. Dass es eine gelungene Verbindung zwischen Alt- und Neustadt ist, ist gut nachvollziehbar. Was stehen an solchen Stellen sonst oft für schreckliche Gebäude rum! Ein Beispiel für gute Bebauung auch die Ecke Vordere Schmiedgasse / Baldungstraße in Schwäbisch Gmünd.

    Das auf den ersten beiden Bildern gezeigte Beispiel von Kolberg ist wesentlich schlechter, denn es ist einfach nur Kitsch und fällt damit in eine der untersten Kategorien. Die Unruhe, die dieser Block abgibt, ist kaum zu übertreffen. Es hat überhaupt nichts von authentisch oder glaubwürdig. Deutlich besser dagegen das zweite Beispiel von Kolberg, das auf dem dritten Bild abgebildet ist.

    Was ich so von Württemberg kenne, ist wirklich so, dass man sich dort wohlfühlen kann. Man darf nur nicht daran denken, was früher dort gestanden ist. Und: Wenn die Altstadt zu über der Hälfte ausgetauscht ist (= aus Neubauten besteht), dann ist auch das Altstadtgefühl dahin. Diese Gefahr ist in Württemberg immanent, denn dort wird nicht saniert, sondern neugebaut. Die Austauschgeschwindigkeit ist sehr beunruhigend.

    In summa finde ich das Gebäude in Colmar also gelungen. Da es außerhalb der Altstadt steht, ist es so in dieser Form lobenswert.

  • Eine kleine Auswahl abendlicher Aufnahmen.


    Köpfhaus



    Pfisterhaus


    Colmar und Wintzenheim von der Hohlandsburg:


    Eine Aufnahme aus dem nahen Türkheim stelle ich hier noch dazu:

  • Das Bild von Türkheim erinnert ja erstaunlich stark an Rothenburg o.d. Tauber!

    Wunderbare Eindrücke. Sehr charmant und pittoresk alles. Da bin ich froh, dass es heute französisch ist. Wäre es deutsch geblieben, gäbe es wohl zigfach mehr Bausünden, Plastikfenster, Garagen, Durchfahrtsstraßen, Baumarktziegel und sonstige Geschmacklosigkeiten...