• Leonhard Sowas in die Richtung hatte ich auch schon überlegt. Wir leben im Informationszeitalter und mit einer internationalisierten Bauindustrie. Wie wird darauf reagiert: Mit Schwedenhaus neben Toskanahaus neben amerikanischem Bungalow neben Waldlerhaus. Die Menschen greifen also auch so auf traditionelle Bauformen und Vorbilder zurück - aber eben aus weiteren Räumen, ob man das nun gut findet oder nicht. Mir persönlich erscheint da ein in sich stimmiges Ensemble, wie Jakriborg, wertvoller, als solche genannten Versatzstücke, auch wenn beides wohl genau in die Zeit passt. Aber vielleicht schätzt man als Kunsthistoriker letztgenanntes mehr, weil es eindeutiger ein Produkt der Informationsfreiheit, der Internationalisierung und der Fertighauskataloge ist, und damit unverwechselbar mit den echten historischen Vorbildern.

  • Auch die von römischen und florentinischen Vorbildern inspirierten Nachbauten von Palästen in Potsdam und München wurden äußerst kritisch gesehen und belächelt, bevor erkannt wurde, dass es sich hier ebenfalls um einen spezifischen Ausdruck einer Epoche handelte, welche neue Bildungs- und Kulturhorizonte setzen wollte.

    Eben. Potsdam wird auch von Kunsthistorikern in höchsten Tönen zelebriert. Aber wenn man sich dort mal umschaut, ist es im Grunde eine Ansammlung von Versatzstücken aus völlig anderen Regionen der Welt, mit eher wenigen wirklich regionaltypischen Einsprengseln. Das holländische Viertel ist genauso "ortsfremd" wie die russische Kolonie Alexandrowka, die Interpretationen italienischer Palazzi und Schlösser oder die ostasiatisch, französisch und englisch inspirierten Bauten.

    All das hat genau so seine Berechtigung und seinen Wert wie heute Jakriborg und Poundbury. Die einen Kontrapunkt zur modernistischen Beliebigkeit und Austauschbarkeit setzen und wieder Schritte in Richtung regionalerer Ausdrücke nehmen. Die hansische Architektur hat sich auch Vorbildern aus dem ganzen Ostseeraum und darüber hinaus bedient, die Sakralgotik hat überall in Europa recht ähnliche Ausdrücke gefunden, genauso wie der Barock. Italienische und französische Baumeister entwarfen Schlösser und Kirchen in ganz Europa, usw. Im Grunde sprechen wir hier auch über den Gegensatz zwischen vernakulärem, lokalem "Handwerker-Ausdruck" und der eher akademisierten, schon seit Jahrhunderten stärker globalisierten Klassik. Dies wurde gerade in einer Vorlesung auch thematisiert, die ich besucht habe.

    Wenn man allerdings bedenkt, dass Jakriborg bereits 30 Jahre alt ist und keine Nachahmung fand, so muss man wohl feststellen, dass es kein Erfolgsrezept darstellt. Es ist und blieb ein Kuriosum, ein Experiment, um der Fehlentwicklung im Siedlungsbau etwas entgegenzusetzen. Ein genereller Lösungsansatz ist hier nicht zu erkennen.

    Jakriborg und St Eriksområdet in Stockholm haben sehr wohl Vorbildwirkung in Schweden. Sie gelten als Pionierprojekte einer traditioneller orientierten Architektur. Und als Treibstoff für die heutige Arkikekturupproret-Bewegung dort, die mittlerweile zu vielen neuen historisierenden Projekten geführt hat. Einfach mal durch deren Instagram-Feed oder die Facebook-Gruppen schauen. Es wird sich immer wieder auch auf solche frühen Vorbilder bezogen. Seaside in den USA ist beileibe auch nicht perfekt oder besonders originell, aber doch ein häufiger Referenzpunkt in den USA.

    Wenn man immer gleich Perfektion anstrebt, dann geht gar nichts voran und verändert sich nichts. Ist aber eine typisch deutsche Denke. Aus der heraus die Patzschkes z.B. nach dem Adlon erstmal jahrelang keine Aufträge in Deutschland erhalten haben, weil das Adlon "eine Spur zu diesdas" gewesen sei. Einfach nicht hilfreich für unsere Anliegen diese Haltung.

  • schon seit Jahrhunderten stärker globalisiert[...]

    Wobei das ja eher für die Eliten zutrifft. Dass die einfachen Leute heute derart ihre Häuser gestalten ist neu und Ergebnis des gemeinen Wissens über diese Bauformen in anderen Ländern und den wirtschaftlichen Möglichkeiten nach relativ standardisierten Methoden eine entsprechende Gestaltung zu erhalten.

  • Ich würde dich gerne bitten, uns Beispiele für Straßenzüge in Schonen zu nennen, die vollständig oder zumindest weitgehend aus giebelständigen frühneuzeitlichen Bürgerhäusern bestehen. Erst danach wäre zu fragen, ob die Form der Giebel regionaltypisch ist.

    Tegula, du versuchst um Jakriborg zu "legitimieren" exakte Vorbilder, ja ganze höchst ähnliche Straßenzüge in der Umgebung zu finden. Das ist sinnlos, weil Jakriborg eine kreative Neuschöpfung ist. Wie schon am Anfang der Diskussion betont, bedienten sich die Planer an regionalen Vorbildern, also aus Schonen, der Öresundregion und Dänemark, aber auch hanseatischer Formensprache. Pauschal zu behaupten, dass der Giebel (der übrigens nur in Teilen Jakriborgs kontinuierlich verwendet wird) nicht, bzw. in der Reihe gebaut nicht regionaltypisch sei, entbehrt jeglicher Grundlage. Insofern wäre dir tatsächlich genauer Hinsehen oder eine erneute Reise empfohlen.

    Beispiele, die die vielfältigen Bezüge Jakriborgs verdeutlichen:

    Ystad: Bild, Bild

    Kopenhagen: Bild, Bild

    Dragor: Bild, Bild

    Im Grunde haben Tegula und UrPotsdamer hier eine Debatte losgetreten, die an das jüngste aufgeregte Geschnatter um die "kulturelle Abneigung" erinnert. Eltern, die es wagten ihrem Kind für eine Feier im Kindergarten ein Indianerkostüm zu verpassen. UrPotsdamer spricht in seinem Beitrag von einem "fremden Stil", der dort nicht hingehöre. Das stimmt zwar in keiner Weise, zeigt aber, auf welche absurde Ebene sich die Debatte hier mittlerweile entwickelt hat.

  • Tegula, du versuchst um Jakriborg zu "legitimieren" exakte Vorbilder, ja ganze höchst ähnliche Straßenzüge in der Umgebung zu finden.

    Nein, das Argument ist für mich nicht das entscheidende. Es würde meine Einschätzung nicht ändern, wenn man regionale, also schonische Architektur als Vorbild gewählt hätte. Es geht mir darum, dass du immer mit dieser nicht zutreffenden Argumentation um die Ecke kommst.

    Pauschal zu behaupten, dass der Giebel (der übrigens nur in der zentralen Straße in der Mitte Jakriborgs kontinuierlich verwendet wird) nicht, bzw. in der Reihe nicht regionaltypisch sei, entbehrt jeglicher Grundlage.

    Nein, das ist die von dir verfemte kunsthistorische Betrachtungsweise.

    Beispiele, die die Bezüge zu Jakriborgs verdeutlichen:

    Ystad: Bild, Bild

    Kopenhagen: Bild, Bild

    Dragor: Bild

    Ich würde dir empfehlen, dich nochmals mit der Frage giebelständiger und traufständiger Bauweise auseinanderzusetzen. Zwerchhäuser sind keine Giebel und nicht jedes Haus, das einen Giebel besitzt, ist giebelständig. Du schmeißt da alles wild durcheinander, ohne die Struktur der Häuser zu beachten. Du präsentierst Häuser als giebelständig, die aber genau das Gegenteil sind und sich wunderbar in die traufenständigen Straßenzüge einpassen. Gerade Ystad ist ein gutes Beispiel für traufständige Bebauung. Dabei ist die Frage der Giebelständigkeit ein ganz wichtiges Strukturmerkmal der Architektur, das Regionen von anderen deutlich scheidet. Für dich scheint das alles beliebig zu sein, weil dir an diesem Punkt die entsprechende Ausbildung und offenbar das Auge für solche Spezifika fehlt. Auf dieser Grundlage ist eine kunsthistorische Betrachtung in der Tat nicht möglich und wir diskutieren hier auf ganz unterschiedlichen Ebenen mit unterschiedlichen Vorkenntnissen. Dass wir da zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, ist nicht verwunderlich.

    Kunsthistoriker | Webdesigner | Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing - Meine Kulturthemen

  • Dass wir da zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, ist nicht verwunderlich.

    Dass passiert weil du mit ständig neuer argumentativer Haarspalterei daherkommst und dich ausschließlich an dem engen Korsett einer kunsthistorischen Definition orientierst. Darauf folgt dann stets deine Ableitung dass in Jakriborg etwas völlig Ortsfremdes gebaut worden sei. Auf dieser Ebene kann und will ich kein neues Stadtviertel beurteilen. Das ist mir zu billig.

    Wer sich vor Ort in Jakriborg umsieht, wird die vielfältigen Hausformen erkennen (in der Mitte mehr Giebel, zum Rand hin mehr Zwerchhäuser), aber auch schnell merken, dass er sich nicht in einer norddeutschen Stadt befindet, sondern in einer Komposition, die den Geist der Region atmet. Und dass liegt weder an den schwedischen Schrifttafeln noch an den schwedischen Autos.

    Von daher kann ich dir nur empfehlen, beim nächsten Besuch der Region auch mal in Jakriborg einen Zwischenstopp zu machen und dir selbst ein Bild zu machen. Dann könntest du deine ablehnende Haltung gegenüber Jakriborg vielleicht überzeugender und realitätsbezogener rüberbringen.

  • Eine weitere interessante Bilderserie über Jakriborg gibt es übrigens hier:

    Foton: Bilfria Jakriborg i Staffanstorps Hjärup
    Jakriborg är en bilfri stadsdel i kommunen Staffanstorps tätort Hjärup, som är utformad som en befriande konsekvent pastisch på en medeltida hansastad. Det…
    cornucopia.se

    Interessant ist wie in Schweden Jakriborg diskutiert wird. Die Argumente ähneln denen in Deutschland stark.

    Auf dieser Webseite gibt es eine interessante Analyse:

    Architekten, die gegen diese Sicht verstoßen und es wagen, sich in ihren Werken von architektonischen Werken inspirieren zu lassen, die beispielsweise von den alten Griechen, Römern oder vielleicht von einem der brillanten Architekten des 15., 16., 18. oder 20. Jahrhunderts errichtet wurden Er muss sich darauf einstellen, von den Corpskollegen geradezu verspottet und ausgegrenzt zu werden. Dies ist eine allgemein bekannte Tatsache. Und daher gibt es leider nur wenige Architekten, die es wagen, dieses gewerkschaftliche Tabu zu brechen. Zumindest in Schweden. (…)

    Eine brillante Ausnahme ist das bekannte Jakriborg-Projekt in der Gemeinde Staffanstorp. Anstatt ein weiteres modernes Wohngebiet zu bauen, haben die beiden Brüder Jan und Krister Berggren von Jakri AB versucht, eine altmodische Stadt mit sanft geschwungenen Kopfsteinpflasterstraßen und Plätzen, verwinkelten Gassen und Häusern zu schaffen, deren hohe Giebelspitzen in den Himmel ragen. Das Projekt, das deutliche Züge der alten Hansestadt trägt und daher geradezu eine Pastiche ist, hat dazu geführt, dass ein fast einstimmiges Architekturkorps den Kaffee in die falsche Kehle geworfen hat, um ihn lächerlich zu machen und zu beschimpfen. Während die Menschen, die dorthin gezogen sind, es lieben. Sicherlich ist es seltsam?

    Dies wird noch schwieriger zu verstehen, wenn man bedenkt, dass es eine andere Berufsgruppe gibt, die eine fast ebenso große Verachtung für Pastiche hegt, also für neue Architektur mit deutlichen historisierenden Zügen. Nämlich die Byggnadantikvarierna. Selbst innerhalb dieses Korps wird der Ausdruck Pastiche als etwas abfälliges verwendet. Architektur muss ihre Zeit widerspiegeln. Versuchen Sie niemals, wie früher auszusehen. Ergänzungen müssen als klar unterscheidbare Jahresringe erfolgen. Alles andere wird verwirrend. Es sei unehrlich und falsch, behaupten sie. (... ) Woher kommt diese in zwei ganzen Berufszweigen, wenn nicht totale, so doch offensichtlich weit verbreitete Verachtung für das Pastiche? Wird es in Schulen gelehrt? Leider fühlt es sich natürlich an, diese Schlussfolgerung zu ziehen. Und wenn ja, was könnte passieren? Ich persönlich würde mir wünschen, dass die Architektenschaft, oder zumindest alle jungen Architekten, ihre modernistische Zwangsjacke abstreift und sich von dem enormen Schatz der Architektur inspirieren lässt, zu dem ihnen bis heute der Zugang verwehrt bleibt. Architektur würde unter anderem wieder zu einer Kunstform werden.

    (von Google übersetzt, von daher sprachlich kaum optimal)

  • Eine weitere interessante Bilderserie über Jakriborg gibt es übrigens hier:

    https://cornucopia.se/2022/08/foton-…nstorps-hjarup/

    Interessant ist wie in Schweden Jakriborg diskutiert wird. Die Argumente ähneln denen in Deutschland stark.

    Auf dieser Webseite gibt es eine interessante Analyse:

    (von Google übersetzt, von daher sprachlich kaum optimal)

    "Interessant ist wie in Schweden Jakriborg diskutiert wird. Die Argumente ähneln denen in Deutschland stark."

    Schweden hat eine ziemlich starke Tradition von postmoderne / klassische Gebäuden. Schaut mal alle die klassische Projekte die jetzt in Stockholm und Göteborg jetzt entsteht. Es gibt wahnsimnige schöne neue Gebäuden von 1990s die Jakriborg ubertrifft. Was viele Architekten denkt ist halt nicht so prägend wie man denkst. Die meiste Schweden wollen immer noch eine rote Holzhaus. Jakriborg funktionert nicht aus viele Grunde. Es ist halt nur Mietswohnungen und die Unterhalten halt die Wohnungen nicht so gut. Es ist nur ein paar Minuten von Lund und Lund hat ja Geschäfte und Leben. Jakriborg ist eher wie eine Minipoundbury die nicht gross wurde.

  • Jakriborg funktionert nicht aus viele Grunde. Es ist halt nur Mietswohnungen und die Unterhalten halt die Wohnungen nicht so gut.

    Warum werden die Gebäude schlecht unterhalten? Hat soweit ich weiß aber auch keine sonderlich hohen Mietpreise dort. Gehts dem Immobilienentwickler nicht mehr gut? Ich habe gelesen, dass die Expansionspläne etwas heruntergefahren wurden, aber weiterhin das Ziel besteht den Umfang von 3500 Wohnungen irgendwann zu erreichen.

  • Naja, derzeit sind in Jakriborg nur 3 Wohnungen (von rund 500) nicht vermietet und werden zur Vermietung ausgeschrieben (Link). So schlecht scheint es also nicht zu laufen. Der Mietzins (ich gehe mal davon aus dass von der Kaltmiete die Rede ist) entspricht etwa dem deutschen Niveau gehobener Architektur und Wohnlagen. Feudale Höhen erreicht der Mietzins keinesfalls.

  • Warum werden die Gebäude schlecht unterhalten? Hat soweit ich weiß aber auch keine sonderlich hohen Mietpreise dort. Gehts dem Immobilienentwickler nicht mehr gut? Ich habe gelesen, dass die Expansionspläne etwas heruntergefahren wurden, aber weiterhin das Ziel besteht den Umfang von 3500 Wohnungen irgendwann zu erreichen.

    Es gibt viel Kritik uber sachen wie Feuchtschaden, schlechte Ventilation und auch "zu viel Patina".

    Die Stadtteil hat sich kaum in die letzte 20 Jahren vergrössert. Es ist die gleiche Umfang wie damals.

    Es ist nicht teuer da zu Wohnen so Leerstand gibt fast kaum.

  • Niemand leugnet, dass die Norddeutsche und die südschwedische Architektur nahe beieinander sind. Trotzdem gibt es Unterschiede, die bemerkbar sind, wenn man sie kennt. Du gehst darüber großzügig hinweg bzw. ignorierst es einfach, was ich schade finde - denn ich kann Jakriborg durchaus etwas abgewinnen, halte es aber für problematisch, wenn ein fremder Stil in so geballter Form auftritt. Dass Du etwas, was zweifellos Tatsache ist (nämlich dass es auch innerhalb des norddeutsch-skandinavischen Architekturkontinuums regional unterschiedliche Baustile gibt), ignorierst, weil es Dir nicht in den Kram des Arguments gegen tegula passt, lässt Dich kleinlich und schäbig erscheinen - und dein Argument gleich mit.

    Also ich würde jetzt den norddeutschen Charakter von Jakriborg auch nicht überbetonen. Klar ist dieses Hohe und Giebelständige etwas, das man eher in Stralsund oder Lübeck als vielleicht in Schonen vermuten würde, aber trotzdem ist das doch etwas Eigenständiges und Neues. Da ist mir die Diskussion hier mittlerweile etwas artifiziell und verkopft, nur weil der Däne mal das Wort Norddeutschland in den Mund genommen hat.

    Und selbst wenn es ein ortsfremder quasi "invasiver" Stil wäre, was wäre dann so schlimm, wenn es sich erkennbar um einen von den Materialien und Fassadengestaltung/Fenster (man beachte die Neigung zu verschiedenfarbig geschlämmten Backsteinfassaden und die sehr skandinavische zweifarbige Fenstergliederung, die beide überhaupt nicht oder kaum norddeutsch sind) gut in die Region passenden Stil handelte? Es wurde hier ja kein griechisches Dorf in die schwedische Landschaft gestellt, sondern (wohl auch aus rein praktischen Gründen - höhere Häuser, mehr vermarktbare Wohnfläche, Giebelständigkeit erleichtert attraktive Variabilität auch bei wenig Bauschmuck etc.) eben auf Bauformen, die eher in Nachbarländern üblich sind, zurückgegriffen. Ohne Schweden nun zu nahe treten zu wollen, fehlt ein vorhistoristischer und doch halbwegs städtischer/dichter Baustil dort eben weitgehend, dass man da dann auf Nachbarländer als Vorbilder zurückgreift, finde ich weder abwegig noch daneben. Wer eine authentische schwedische Kleinstadt will, hätte dann eben ein, maximal zweistöckige traufständige Häuschen bauen müssen (verzeiht mir die vielleicht etwas übertriebene Charakterisierung dieser Städte) - das wäre aber auch wirtschaftlich wohl kaum darstellbar gewesen.

    Ich habe gar keine abschließende Meinung zu Jakriborg, weder in die eine, noch in die andere Richtung, mir geht es vielleicht so wie East Clintwood, ein gewisses Fremdeln mit der Idee (allerdings, weil weniger "fremd" deutlich weniger als mit dem Projekt in Südengland), ästhetisch ganz nett, trotz bleibt dieses nagende Gefühl, dass es so irgendwie auch nicht geht, zumindest nicht als replizierbares Konzept. Am wenigsten störte mich bei alledem aber, dass die konkreten Bauformen so (weitgehend) unbekannt in Südschweden sind.

  • Also ich würde jetzt den norddeutschen Charakter von Jakriborg auch nicht überbetonen. Klar ist dieses Hohe und Giebelständige etwas, das man eher in Stralsund oder Lübeck als vielleicht in Schonen vermuten würde, aber trotzdem ist das doch etwas Eigenständiges und Neues. Da ist mir die Diskussion hier mittlerweile etwas artifiziell und verkopft, nur weil der Däne mal das Wort Norddeutschland in den Mund genommen hat.

    Und selbst wenn es ein ortsfremder quasi "invasiver" Stil wäre, was wäre dann so schlimm, wenn es sich erkennbar um einen von den Materialien und Fassadengestaltung/Fenster (man beachte die Neigung zu verschiedenfarbig geschlämmten Backsteinfassaden und die sehr skandinavische zweifarbige Fenstergliederung, die beide überhaupt nicht oder kaum norddeutsch sind) gut in die Region passenden Stil handelte? Es wurde hier ja kein griechisches Dorf in die schwedische Landschaft gestellt, sondern (wohl auch aus rein praktischen Gründen - höhere Häuser, mehr vermarktbare Wohnfläche, Giebelständigkeit erleichtert attraktive Variabilität auch bei wenig Bauschmuck etc.) eben auf Bauformen, die eher in Nachbarländern üblich sind, zurückgegriffen. Ohne Schweden nun zu nahe treten zu wollen, fehlt ein vorhistoristischer und doch halbwegs städtischer/dichter Baustil dort eben weitgehend, dass man da dann auf Nachbarländer als Vorbilder zurückgreift, finde ich weder abwegig noch daneben. Wer eine authentische schwedische Kleinstadt will, hätte dann eben ein, maximal zweistöckige traufständige Häuschen bauen müssen (verzeiht mir die vielleicht etwas übertriebene Charakterisierung dieser Städte) - das wäre aber auch wirtschaftlich wohl kaum darstellbar gewesen.

    Ich habe gar keine abschließende Meinung zu Jakriborg, weder in die eine, noch in die andere Richtung, mir geht es vielleicht so wie East Clintwood, ein gewisses Fremdeln mit der Idee (allerdings, weil weniger "fremd" deutlich weniger als mit dem Projekt in Südengland), ästhetisch ganz nett, trotz bleibt dieses nagende Gefühl, dass es so irgendwie auch nicht geht, zumindest nicht als replizierbares Konzept. Am wenigsten störte mich bei alledem aber, dass die konkreten Bauformen so (weitgehend) unbekannt in Südschweden sind.

    Ich will aber dazwischen funken - dichte und hohe Architechtur gab es halt im Schweden in die wenige Grosse Städte die hier gab - Stockholm, Visby und Kalmar. Die letzte ist abgebrannt.

    IMG_20190822_094711

    IMG_20190914_112558

    Aber die breite die Gebäuden sagt eher Dinkelsbuhl als Stockholm, Visby oder sogar Norwegische Bergen.

  • Jakriborg und St Eriksområdet in Stockholm haben sehr wohl Vorbildwirkung in Schweden. Sie gelten als Pionierprojekte einer traditioneller orientierten Architektur. Und als Treibstoff für die heutige Arkikekturupproret-Bewegung dort, die mittlerweile zu vielen neuen historisierenden Projekten geführt hat.

    Die Rolle als Impulsgeber kann ich mir für Jakriborg in der Tat besser vorstellen. Mir wäre aber nicht bekannt, dass Projekte in gleicher Machart und Intention in nennenswerter Zahl in Schweden entstanden wären. Dazu war Jakriborg vielleicht doch zu radikal, zu weitreichend.

    Dann könntest du deine ablehnende Haltung gegenüber Jakriborg vielleicht überzeugender und realitätsbezogener rüberbringen.

    Ich gebe mich nicht der Illusion hin, jeden zu überzeugen, dich schon gar nicht. Meinungen dürfen auch divergieren. Fun Fact am Rande: In der FB-Gruppe von Stadtbild D habe ich für meinen Artikel ausschließlich Zustimmung bekommen, im zweistelliger Anzahl. So substanzlos und billig, wie du ihn hier darstellst, ist er dann wohl doch nicht. Du kannst dich ja gerne an einer Gegendarstellung versuchen und sie veröffentlichen. Ich mag solche Diskurse.

    Also ich würde jetzt den norddeutschen Charakter von Jakriborg auch nicht überbetonen. Klar ist dieses Hohe und Giebelständige etwas, das man eher in Stralsund oder Lübeck als vielleicht in Schonen vermuten würde, aber trotzdem ist das doch etwas Eigenständiges und Neues. Da ist mir die Diskussion hier mittlerweile etwas artifiziell und verkopft, nur weil der Däne mal das Wort Norddeutschland in den Mund genommen hat.

    In der Tat ist es für mich nicht der Kern meiner Argumentation, dass Jakriborg nicht der schonischen Bautradition entstammt. Meine Einschätzung zu Jakriborg ist auf jeden Fall nicht von diesem Faktum abhängig.

    Ohne Schweden nun zu nahe treten zu wollen, fehlt ein vorhistoristischer und doch halbwegs städtischer/dichter Baustil dort eben weitgehend, dass man da dann auf Nachbarländer als Vorbilder zurückgreift, finde ich weder abwegig noch daneben. Wer eine authentische schwedische Kleinstadt will, hätte dann eben ein, maximal zweistöckige traufständige Häuschen bauen müssen (verzeiht mir die vielleicht etwas übertriebene Charakterisierung dieser Städte) - das wäre aber auch wirtschaftlich wohl kaum darstellbar gewesen.

    Wir müssen nicht in Schweden suchen, sondern in Dänemark, denn Schonen war bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts dänisch, sogar wichtiges dänisches Kernland. Mit Malmö und Lund lagen dort sehr bedeutende wirtschaftliche und geistige Zentren. Wir befinden uns hier also alles andere als in der Provinz, schon gar nicht in der schwedischen.

    Kunsthistoriker | Webdesigner | Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing - Meine Kulturthemen

  • Die Rolle als Impulsgeber kann ich mir für Jakriborg in der Tat besser vorstellen. Mir wäre aber nicht bekannt, dass Projekte in gleicher Machart und Intention in nennenswerter Zahl in Schweden entstanden wären. Dazu war Jakriborg vielleicht doch zu radikal, zu weitreichend.

    Ja odet vielleicht war es eher umgekehrt. Jakriborg war die Endpunkt diese Entwicklung von schonische traditionelle Architektur. In meine Heimatort Falsterbo und Skanör hat zum Beispiele kleinere Viertel gebaut. Hier ging man ein bisschen Uberbord und die Projekt ist nach 20 Jahren noch nicht fertig.

  • Aber was wäre denn die Alternative zu Jakriborg? In Deutschland würde doch bloß ein weiteres Viertel weißer Kuben mit hellgrauen und erdfarbenen Putzstreifen entstehen, das sich vermutlich jeder der geschätzten Foristen in seinen "50 shades of grey" plastisch ausmalen kann.

    Selbst viele hier -auch von mir- wohlwollend recepierte Bauten aus den Federn diverser Bureaus wie Nöfer oder Patzschke entsprechen oft eher dieser "weiß-grauen" Kubenwelt, nur eben angereichert um Gesimse und rustifizierte Erdgeschosse.

    Sieht man von der "Stadtmauer" ab, gibt es im gesamten Ort -mit der Ausnahme mancher Ladenschilder- keine Elemente, die ich als dezidiert historisierend einordnen würde. Vielmehr handelt es sich um ein Ortsbild, das bewusst klassische -im Detail sehr nüchterne- traufständige Häuser baut, die eben Rückgriffe auf in Schweden populäre Farben und universelle Gliederungselemente (Gesimse, Gurte etc.) vornehmen. Zeitgenössische Elemente gibt es aber viele, die dezidiert dem globalen "Landhaus" Stil zuzuordnen sind. Klar, sind manche davon nicht der Weisheit letzter Schluss, aber Elemente, die ein altertümliches Leben vorgaukeln, oder gar eine Einordnung durch Kundige sabotieren, sehe ich, genauso wie historisierende Formensprache beinahe nirgendwo. Weder sind Teppichklopfer angebracht, noch weist der Ort das wohl wichtigste Element einer gewachsenen Stadt auf: Nämlich eine Kirche. Die Gebäude glänzen durch eine großzügige Raumhöhe, eine rythmisierende Gliederung und mehrheitlich besprosste Fenster. Das sind doch allesamt Elemente, die wir uns auch bei Neubauten wünschen, oder?

    Gibt es eine ästhetische zeitgenössische Antwort? Die kontemporäre Moderne hat für den Erbauer eines Einfamilienhauses -in meinen Augen- noch kaum brauchbare Lösungen geliefert, dementsprechend empfinde ich Experimentierkästen wie Jakriborg als Wohltat.

  • traufständige Häuser

    Auch wenn es nervt: Giebelständig! Der Aufbau Jakriborgs folgt nämlich auch in diesem Detail historischen Vorgaben. In den großen Straßenzügen und auf den zentralen Plätzen die Giebelhäuser der Kaufmannschaft und reichen Handwerker (insofern wir uns in einer Region befinden, die die Schaufassaden mit Giebel bevorzugt), die das Stadtbild prägen. In den Gassen am Stadtrand dann die traufständigen bescheidenen Bauten der Handwerker und Tagelöhner.

    Kunsthistoriker | Webdesigner | Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing - Meine Kulturthemen

  • Fun Fact am Rande: In der FB-Gruppe von Stadtbild D habe ich für meinen Artikel ausschließlich Zustimmung bekommen, im zweistelliger Anzahl.

    Na das ist doch schön wenn das dein Herz so erfreut. Dass ich deinen Blog-Beitrag als "substanzlos" bezeichnet haben soll ist mir aber neu.

    Zu kritisieren ist unverändert deine fragwürdige Behauptung, dass in Jakriborg etwas "ortsfremdes" bzw. teilweise rein "norddeutsches" gebaut worden sei. Belege dafür bleiben Fehlanzeige, und Kritik an deiner Behauptung ist fast Majestätsbeleidigung.

    Du kannst ja gerne im Sinne eines breiten Diskurses weiter der Meinung sein dass das Viertel "pseudohistorischer" Quark ist, das es nicht als Vorbild taugt. Ich denke aber unverändert dass man mit kopflastigen Denkschablonen (Giebel gehören da nicht hin...) das Viertel nicht sachgerecht beurteilen kann. Wie gesagt, selber mal angucken und auf sich wirken lassen, statt sich nur auf theoretische Bemerkungen vom Schreibtisch zu beschränken.

    Jakriborg war die Endpunkt diese Entwicklung von schonische traditionelle Architektur.

    Das würde ich auch so sehen. Jakriborg ist eine Kulmination der traditionellen Architektur bzw. allem architektonisch Positivem der Großregion. Insofern sollte diese Komposition als Anregung für weitere ähnliche Projekte dienen.