Nürnberg - Wiederaufbau des 1966 abgerissenen Schwedenhauses

  • In Nürnberg gibt es ein neues Rekonstruktionsprojekt.
    Ein 1966 abgerissenes Bauernhaus von 1551 soll unter Verwendung der eingelagerten originalen Balken wiederaufgebaut werden, allerdings an einem anderen Ort als es ursprünglich stand.

    Foto: Bildarchiv Foto Marburg

    Es handelt sich um eine besonders alte Konstruktionsweise, die auf das Mittelalter zurückgeht; der Dachstuhl ruht auf einem innenliegenden, hohen Ständergerüst. Das Haus ist daher von großer Bedeutung für die ländliche Architekturgeschichte des Nürnberger Umlands. Mir wäre es eine große Freude, wenn das auch klappen würde.


    Die Lokalpresse äußert sich heute hierzu:

    Pläne für Freilandmuseum im Knoblauchsland
    Neuer Verein will das Vorhaben vorantreiben — Hoffnung für die letzten drei „Schwedenhäuser“ Nürnbergs

    http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=564215&kat=10&man=2

    Verein will sich für ein Freilandmuseum in Neunhof stark machen
    Rettung für die letzten Schwedenhäuser

    http://www.nz-online.de/artikel.asp?art=564606&kat=11&man=2


    Bessere Informationen 8) wie immer hier:

    http://www.baukunst-nuernberg.de/epoche.php?epo…kt=Schwedenhaus

  • Spontan fällt mir dazu dieses berühmte Aquarell von Albrecht Dürer ein (leider Kriegsverlust):

    Kalchreuth bei Nürnberg im Jahr 1500 - die älteste naturgetreue Abbildung eines Dorfes in Deutschland.
    Anhand dieses Bildes erahnt man erst, wie alt der Haustyp dieser "Schwedenhäuser" wirklich ist/war.
    Irgendwie mal wieder bezeichnend für die 1960er Jahre, dass ein Haus, das wohl ein Dutzend kriegerische Konflikte und Feuersbrünste überstanden hatte, dem Straßenverkehr (sprich: dem nur allzuoft blinden Fortschrittsglauben jener Zeit) "weichen" mußte.
    Hoffen wir auf das Beste für die Rekonstruktion...

  • Zitat von "baukunst-nbg"

    In Nürnberg gibt es ein neues Rekonstruktionsprojekt.
    Ein 1966 abgerissenes Bauernhaus von 1551 ...

    400 Jahre hat dieses nürnbergische Kulturgut überdauert, bis die Kulturbanausen der Nachkriegszeit kamen. Schlimm, was die HJ aus Menschen gemacht hat.

  • Zitat von "Carsten"

    Irgendwie mal wieder bezeichnend für die 1960er Jahre, dass ein Haus, das wohl ein Dutzend kriegerische Konflikte und Feuersbrünste überstanden hatte, dem Straßenverkehr (sprich: dem nur allzuoft blinden Fortschrittsglauben jener Zeit) "weichen" mußte.
    Hoffen wir auf das Beste für die Rekonstruktion...

    Nicht dem Straßenverkehr, sondern den Platzbedürfnissen der Besitzerfamilie. Der Autor hat schlecht recherchiert und ist mal wieder festsitzenden Gerüchten aufgesessen. Ich habe die Bauakte persönlich aus dem Stadtarchiv kommen lassen, und daraus ergibt sich, daß die Familie bereits in den 50ern das Haus abreißen lassen wollte. Dem widersetzte sich der Denkmalschutz (und das will vor dem Inkrafttreten des DSchG Anfang der 60er schon etwas heißen).
    Weil das Haus allerdings unbewohnbar war, hatte man Verständnis für die Familie und die Stadt Nürnberg kaufte das Haus, um es für den Wiederaufbau in einem Freilichtmuseum einzulagern. Dazu kam es aber nicht.

    Danke für das bekannte Bild. Ganz links die Scheune ist sehr interessant, vor allem die teilweise freliegenden Walmsparren.
    Das Gebäude entspricht formal ganz gut der Scheune in Mittelbüg bei Nürnberg, die evtl. auch in das kleine Freilichtmuseum transloziert werden soll.

    Hier ein Foto:

  • Es gibt ja hier zumindest einige, die sich auch für die bedrohte ländliche Architektur interessieren. Daher darf ich mitteilen:

    28.03.2007: Nürnberger Bauernhausfreunde gegründet

    In Nürnberg-Neunhof haben sich am 28.03.2007 die "Nürnberger Bauernhausfreunde" zur Vereinsgründung versammelt. Die zwölf Anwesenden, darunter Konrad Bedal, Leiter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, sowie Vertreter der Politik und weitere Fachleute beschlossen einstimmig die Satzung. Zum Vorsitzenden des neuen Vereins wählten die Gründer den Nürnberger Stadtheimatpfleger Herbert May.

    Ziel und Zweck des Vereins ist zum einen der Erhalt des stark gefährdeten Bestandes historischer Bauernhäuser in Nürnberg. Zum anderen wollen die Initiatoren ein Museum errichten, in dem die drei noch vorhandenen Nürnberger "Schwedenhäuser" im Original zu besichtigen sein sollen.

    Der Verein steht allen Interessierten offen, auch Jugendliche, Firmen und Vereine können Mitglied werden. Als nächstes soll der Verein in das Vereinsregister eingetragen werden.

    P.S. Ich habe selbst einen Stellvertreterposten übernommen. Wir werden nun eine Liste gefährdeter Gebäude erstellen; dafür gibt es schon mehr als ein Dutzend heiße Kandidaten. Leider ist es bei einigen schon fünf nach zwölf, und der Abriß schon genehmigt oder die Genehmigung nicht mehr zu verweigern, häufig Sachen aus dem 17. Jahrhundert. Abrisse in der Innenstadt gibt es mangels Objekten kaum, aber die Dörfer verlieren immer mehr solche Zeitzeugen. Oft sind es auch Scheunen und kleine Nebengebäude, die wegen des Nutzungswandels nicht mehr benötigt werden und im Weg sind.

    Leider ist gerade in diesem Bereich nicht selten bewußtes Verfallenlassen zu beobachten, was in der Regel zum Verlust führt. Hier soll die Öffentlichkeit sensibilisiert werden.

  • Was fuer ein ein loebliches Unterfangen, Baukunst! :applaus: Ich wuensche Dir und dem neuen Verein viel Erfolg.

    Zitat von "baukunst-nbg"

    Leider ist gerade in diesem Bereich nicht selten bewußtes Verfallenlassen zu beobachten, was in der Regel zum Verlust führt.

    Ja, demolition through neglect! Das ist auch hier ein bewaehrtes Mittel, sich ungewollter Gebaeude zu entledigen und Platz fuer Neubauten zu schaffen. Leider ist die Universitaet einer der Hauptmissetaeter auf diesem Gebiet. :augenrollengruen:

  • Nachdem der Verein jetzt ins Register eingetragen wurde, geht es mit der Pressearbeit los. Heute ist schon ein Artikel in der NN:

    Zitat

    Wir hoffen natürlich auf viele Mitglieder und Spenden ... hier die Web-Adresse:

    http://www.baukunst-nuernberg.de/nuernberger-bauernhausfreunde

    E-Mail: bauernhausfreunde(at)web.de

  • Tolle Sache!
    Da ich eher einen Hang zum Geschmückten habe, sind mir solche Häuser oft zu schlicht. Aber kulturell und historisch haben sie freilich einen hohen Stellenwert. :)

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Antiquitus:

    Einige der Bauernhäuser waren sehr kultiviert.
    In diesem hier gibt es sogar eine Stube mit Stuckdecke, unseres Wissens das einzige Beispiel im ländlichen Bereich in Nbg. Außerdem das in Nürnberg früheste Beispiel einer "eckigen" klassizisierenden Volute. Leider verfällt es, man hat sein Grundstück bis auf ein Paar cm genommen, ringsherum entstehen schicke Reihenhäuser, Wohnungen etc. Der Bauträger scheint es nicht zu mögen. Wir versuchen, das extra in die Presse zu bekommen.

  • Problem an dem Haus ist wohl das fensterlose Dach. Wenn man da einige Fernster rein machen dürfte, könnte man das Gebäude eher nutzen. Aber so: Was macht man mit den lichtlosen Dachetagen?

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Wir haben am Wochenende Führungen durch den Ortskern des Nürnberger Stadtteils Schniegling (drei Herrensitze, ein halbes Dutzend Bauernhäuser, zwei historische Fabrikkomplexe) veranstaltet, es kamen fast 100 Leute.

    Sogar die Presse berichtet hierüber:

    http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=852944&kat=10&man=2

    Zitat

    Bauernhausfreunde zeigen Bau-Perlen Schnieglings
    Entdeckungstour mit einigen echten Hinguckern

    NÜRNBERG - Aufmerksam machen auf uralte Bauernhäuser und dörfliche Kerne - das will der Verein der Nürnberger Bauernhausfreunde. (...)

    Wir haben die Führungen natürlich vor allem genutzt, um auf die prekäre Situation des dargestellten "klassizistischen" Bauernhauses Schnieglinger Straße 233 aufmerksam zu machen. Vielleicht gelingt es uns doch, hier etwas zu bewegen.

    Unsere Website:

    http://www.baukunst-nuernberg.de/nuernberger-bauernhausfreunde/

    Galerie mit Nürnberger Bauernhäusern, teils gefährdeten:

    http://www.baukunst-nuernberg.de/nuernberger-ba…-bauernhaus.htm

  • Zitat von "baukunst-nbg"

    Wir haben am Wochenende Führungen durch den Ortskern des Nürnberger Stadtteils Schniegling (drei Herrensitze, ein halbes Dutzend Bauernhäuser, zwei historische Fabrikkomplexe) veranstaltet, es kamen fast 100 Leute.

    Sogar die Presse berichtet hierüber:

    http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=852944&kat=10&man=2


    Gratuliere, baukunst! :applaus:

    Fuer so etwas 100 Leute zusammenzukriegen ist eine ausserordentliche Leistung. Hoffentlich werden die Nuernberger Nachrichten Eure naechsten Ereignisse, der Erinnerung an dieses folgend, erst mit Vorreklame und dann mit aehnlichen Artikeln ueberschuetten. :)

  • Gut, daß dieses Gebäude nun saniert wird. Hoffentlich legt man dabei das Fachwerk wieder frei - zu einem fränkischen Dorf gehören nun einmal Fachwerkhäuser. Es gab leider schon Fälle, in denen der Denkmalschutz das Verputzen von Fachwerk bei Sanierungen veranlaßte :traurigboese:

    Etwas bedauerlich ist lediglich, daß die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes verlorengeht.

  • VERANSTALTUNGSHINWEIS vor allem für alle in Nürnberg und Umgebung:

    Mo., 22.09.2008: Vortrag "Die Dörfer im Knoblauchsland" - Eine durchaus nostalgische Zeitreise. Lichtbildvortrag von N. Bencker, H. May, M. Taschner

    Ort/Zeit: Neunhof, Gaststätte "Altes Forsthaus", Untere Dorfstraße 6, 90427 Nürnberg, 19:00 Uhr
    Veranstalter: Nürnberger Bauernhausfreunde e. V.

    Aus aktuellem Anlaß möchte ich nochmals auf obige Veranstaltung hinweisen. Ich habe kurzfristig den Part von Herrn May übernommen, der verhindert ist, und würde mich freuen, den einen oder anderen dort zu treffen.

  • Es ist gut, daß das Interesse an dieser Thematik offensichtlich wächst.

    Wichtig ist dabei jedoch nicht nur die Bausubstanz alleine, sondern auch die Orte als gesamtes. Wenn man zwar historische Bauten erhält, um die Ortskerne herum aber trotzdem ein Neubaugebiet nach dem anderen hochzieht, geht der dörfliche Charakter trotzdem auf Dauer verloren.

    Zu lange wurde tatenlos zugesehen, wenn historisch gewachsene Dörfer durch rigorose Baulandausweisung erst zu Vororten, und oft auch zu "richtigen" Stadtteilen, d.h. Stadtvierteln wurden, nachdem die städtische Bebbauung den alten Ort völlig umschlossen hatte.

    Hier ist es wichtig zu unterscheiden: richtige, noch intakte Dörfer - wie Buch, Kraftshof etc. auf der einen, dann aber bereits verstädterte oder in der Stadt aufgegangene Orte auf der anderen Seite - wie eben Schniegling, oder auch Thon (wo nur noch bescheidene Reste an das frühere Dorf errinnern).

    In den letzteren Fällen ist es wichtig, die noch vorhandene Dorfsubstanz zu sichern und dauerhaft zu erhalten.

    In den erstgenannten Fällen muß dafür gesorgt werden, daß diese Orte dauerhaft als Dörfer mit lebendigen Dorfstrukturen erhalten bleiben und ihnen das Schicksal der Verstädterung erspart bleibt. Da sind jedoch weitere Maßnahmen gefragt als die reine Erhaltung historischer Gebäude.

    Das bedeutet neben strengen Bausatzungen, welche das Entstehen städtisch geprägter oder modernisitischer Bebauung in den gewachsenen Orten verhindert, auch die vollständige Einstellung der Baulandausweisung in diesen Gemeindeteilen.

    Denn Stadtentwicklung kann nicht bedeuten, daß eine Stadt sich flächenmäßig immer mehr ausbreitet, also eine Stadtentwicklung wie z.B. im Falle von Erlangen, wo die Stadt dies getan hat und trotzdem keinen merklichen Einwohnerzuwachs erfahren hat. Doch das Dorf Büchenbach mußte dafür einen hohen Preis bezahlen.

    Vielmehr bedeutet der Begriff für die Zukunft die sinnvolle Aufwertung und Weiterentwicklung bestehender Stadtteile sowie die Wiederverwertung von Brachflächen innerhalb gewachsener Stadtgebiete.

    Langfristig sollte man jedoch an eine kommunalpolitische Neuaufteilung denken - indem man den Knoblauchsländern - und auch anderen noch nicht hoffnungslos verstädterten, kreisfreien oder Großstädten gehörenden Orten in der Region - ihre kommunale Eigenständigkeit zurückgibt. Das mag ketzerisch erscheinen, ist aber ich denke das ganze könnte auch für die Städte gewisse Vorteile haben, wenn der "ländliche Klotz am Bein" endlich weg wäre. Außerdem böte sich die Möglichkeit, stattdesse kommunal eigenständige, aber trotzdem verstädterte Vororte wie bspw. Oberasbach einzugemeinden. Sicher beweist dieser Fall, daß auch eigenständige Gemeinden nicht vor dieser Entwicklung geschützt sind - doch es kommt eben auch auf die Handlungsweise der Kommunalpolitiker an - und in einer Großstadt planen diese eben großstädtisch und nehmen auf die Belange dörflich strukturierter Ortsteile in den seltensten Fällen Rücksicht.

    Denn selbst wenn einige Orte seit den 20er und 30er Jahren in die Städte Nürnberg und Fürth eingemeindet sind und diese Zeit ohne merkliche Zersiedelung oder Verstädterung relativ heil überstanden haben - wer sagt denn, daß nicht doch irgendwann in der Zukunft ein Kommunalpolitiker auf die Idee kommen könnte, sich mit einem "Gewerbepark Almoshof" oder einer "Parkstadt Großgründlach" ein Denkmal zu setzen? Beides sind zwar reine Phantasieobjekte - aber in den 90er Jahren hat es den Bund Naturschutz und den Bayerischen Bauernverband große Anstrengungen gekostet, ein Größenwahnprojekt namens "Gewerbepark im Knoblauchsland" zu verhindern. Nachdem die Träume geplatzt waren, träumten Nürnbergs Stadtväter dann auf einmal von einer Autofabrik in dieser einzigartigen Kulturlandschaft...

    Daher wäre es m.E. wirklich an der Zeit, dort eine entsprechende Bürgerintitiative mit diesen Zielen zu gründen um die beiden Städte etwas unter Druck zu setzen. Und nun zurück zum eigenltichen Thema des Forums!

  • Das ist doch genau unser Thema!
    Ich habe leider gerade kaum Zeit um hier zu antworten, aber möchte aus aktuellem Anlaß auf unsere morgige Veranstaltung hinweisen:

    Stadtteilführung "Süd-Länd(l)ische Architektur rund ums Wasserschloss" - Rundgang durch Kornburg. Zeit: 14 bis 16 Uhr, jeweils zur vollen Stunde. Treffpunkt: beim Hirschendenkmal (Kornburger Hauptstraße 31)

    Ich selbst werde diesmal aus Zeitgründen leider nicht von der Partie sein, aber es wird sehr interessant. Man kommt auch in den Schloßhof und in das heute skurril anmutende, ehemaligen Dorf-Gefängnis hinein, was sonst nicht möglich ist.


    EDIT:

    Heutige Ankündigung in der NN und in der NZ